Parlamentskorrespondenz Nr. 765 vom 15.12.2000
MENSCHENRECHTSAUSSCHUSS: ALLES VERTAGT
Wien (PK) - Die drei Anträge der Grünen, die heute auf der Tagesordnung der Sitzung des Ausschusses für Menschenrechte standen, wurden auf Antrag der Volkspartei sämtlich vertagt. Ein bei der Sitzung eingebrachter Antrag der Sozialdemokraten, für die Sitzung des Ausschusses, in der der G-Antrag auf Einbindung der NGOs in die Ausarbeitung von Grundlagen der österreichischen Menschenrechtspolitik behandelt wird, die Vertreter der NGOs im Menschenrechtsbeirat des Innenministeriums einzuladen, blieb in der Minderheit der Oppositionsfraktionen. Zu Beginn der Sitzung fand ein Antrag der Sozialdemokraten auf Ergänzung der Tagesordnung um den S-Antrag betreffend die Einrichtung von Clearingstellen zur Verbesserung der Situation von minderjährigen Flüchtlingen nicht die erforderliche Mehrheit.
Die Ausschussmitglieder der Regierungsfraktionen nahmen die Sitzung zum Anlass, Kritik an der Obfrau des Menschenrechtsausschusses, Terezija Stoisits, zu üben. Anlass dafür war eine Einladung an NGOs zu einer Round-Table-Veranstaltung, die Stoisits als Obfrau des Menschenrechtsausschusses - gemeinsam mit Walter Posch (S) als einem ihrer Stellvertreter in dieser Funktion - ausgesandt hatte, ohne die Regierungsfraktionen einzuladen und diese Veranstaltung überdies in einem Lokal des Parlaments abzuhalten. Damit würde den Vertretern der NGOs suggeriert, dass die Einladung nicht fraktionell, sondern von einem parlamentarischen Ausschuss komme, was einer Irreführung gleichkomme. Seitens der Regierungsfraktionen wurde dies als Versuch der Vereinnahmung der NGOs gewertet. Ausschuss-Obfrau Stoisits verteidigte dem gegenüber das Recht jeder Fraktion, Veranstaltungen durchzuführen. Sie warf vor allem der FPÖ vor, Bemühungen um Begegnungen mit Vertretern von NGOs im Rahmen des Ausschusses vereitelt zu haben.
Kritik übten die Vertreter der Regierungsfraktionen auch an einer Aussendung von Stoisits, in der sie Kritik an der Minderheitenpolitik der Bundesregierung geübt hatte, ohne - nach Ansicht der Regierungsfraktionen - diese Kritik sachlich und im Detail zu begründen. Im Ausschuss erläuterte Stoisits ihre Kritik dahingehend, dass seit 1955 jeder Fortschritt, der in der Minderheitenpolitik - mit Ausnahme der von der derzeitigen Regierung Verankerung von Schutz und Förderung der Minderheiten als Staatszielbestimmung in der Verfassung - nur über die Höchstgerichte hätte erreicht werden können.
Staatssekretär Morak betonte, die Minderheitenpolitik sei "nicht ein Match zwischen Regierung und Verfassungsgerichtshof". Aus dem kürzlich ergangenen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs ergäben sich weitreichende Forderungen und Implikationen. Für entsprechende Reaktionen habe der VfGH aber einen Zeitraum von 6 Monaten offen gelassen, was Raum für gründliche Überlegungen gebe. Morak betonte, dass die Förderungen für die Volksgruppen nicht gekürzt worden seien. Förderungen von Volksgruppenradios seien als Initialfinanzierungen zu sehen und verwies auf das Bemühen, im öffentlich-rechtlichen Bereich entsprechende Verbesserungen zu erreichen. Ausdrücklich unterstrich der Staatssekretär die Bedeutung eines Grundkonsenses in der Volksgruppen-Thematik.
Die drei Anträge der Grünen, die in der Sitzung des Menschenrechts-Ausschusses zur Behandlung standen, betreffen eine grundsätzliche Bereinigung der gesetzlichen Bestimmungen, um Angehörigen der Minderheiten in ihrem Siedlungsgebiet generell ihre Rechte zu gewährleisten (247/A ), weiters Maßnahmen im Zusammenhang und in Umsetzung des Memorandums der Volksgruppen aus dem Jahr 1997 (176/A[E] ) und schließlich die Einbindung der im Menschenrechtsbereich tätigen NGOs in die Ausarbeitung von Grundlagen der österreichischen Menschenrechtspolitik und die Erstellung eines jährlichen Berichts über die Lage der Menschenrechte in Österreich (114/A ). Die beiden erstgenannten Anträge wurden unter einem verhandelt.
Die VertreterInnen der Koalitionsfraktionen brachten in diesem Zusammenhang ihre Kritik an Ausschuss-Obfrau Stoisits an und forderten eine Trennung zwischen parlamentarischen und parteipolitischen Funktionen ein. So stellte Abgeordneter Martin Graf (F) die Frage, ob eine Polarisierung zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen Ziel der Vorsitzführung Stoisits' sei. Graf äußerte Zweifel an der Objektivität der Vorsitzführung durch die grüne Mandatarin, der er seinen Eindruck vorhielt, der Menschenrechts-Ausschuss diene als "Bühne" für die Vorsitzende. Ähnlich kritisch äußerten sich seine Fraktionskollegin Sylvia Paphazy sowie die Abgeordneten Matthias Ellmauer, Werner Amon, Maria Theresia Fekter, Christof Zernatto und Gertrude Brinek (alle V).
Die Round-Table-Veranstaltung sei bereits die 6. dieser Art, replizierte Ausschuss-Obfrau Stoisits auf diese Kritik. Abgeordneten Ellmauer erinnerte sie daran, dass auch er ursprünglich für die Begegnung mit Menschenrechtsexperten aus NGOs gewesen sei. Auch S-Abgeordneter Walter Posch sprach sich nachdrücklich für einen Dialog mit den NGOs, auch im Rahmen des Ausschusses, aus. In ähnlichem Sinn äußerten sich die Abgeordneten Ulrike Lunacek (G), Inge Jäger und Brunhilde Plank (beide S).
In der Debatte über Antrag 114/A[E] wies Ausschuss-Obfrau Stoisits eine Bemerkung von V-Abgeordnetem Zernatto zurück, er würde nie akzeptieren, dass andere als gewählte Mandatare am Tisch des Ausschusses säßen; wenn das im Ausschuss für Menschenrechte so sein sollte, dann müsste - nach Zernatto - im Wirtschaftsausschuss die Wirtschaftskammer mit am Tisch sitzen. Stoisits dazu: Niemand denke an eine geschäftsordnungswidrige Einbeziehung anderer Personen in die Ausschussberatungen. Es gehe - in Übereinstimmung mit der Geschäftsordnung - um die Einbeziehung von Auskunftspersonen; im Zusammenhang mit Menschenrechten etwa von Personen aus NGOs, die Lobbying für den Menschenrechts-Ausschuss gemacht hätten. Stoisits betonte, es gehe ihr darum - auch im Hinblick auf die bevorstehende Welt-Rassismuskonferenz - Schwung in die Thematik zu bringen.
S-Abgeordneter Peter Wittmann brachte im Zug der Debatte den Antrag ein, in jene Sitzung des Ausschusses, in der der Antrag 114/A[E] auf der Tagesordnung stehen würde, die Vertreter jener NGOs einzuladen, die dem Menschenrechtsbeirat des Innenministeriums angehören. Es sind dies: Walter Suntinger (amnesty international), Günter Ecker (SOS Mitmensch), Udo Jesionek (Diakonie), Michael Wilhelm (Caritas) und Univ.Prof. Rudolf Ardelt (Volkshilfe).
Unter Verweis auf den Wortlaut des Entschließungsantrags - "Die österreichische Bundesregierung wird ersucht, unter Einbindung von im Menschenrechtsbereich tätigen NGOs neue und offensive Standpunkte im nationalen und internationalen Menschenrechtsschutz auszuarbeiten" - sprachen sich die Regierungsfraktionen gegen den Antrag aus: Es handle sich nicht um eine Aufgabenstellung für den Ausschuss, sondern um ein Ersuchen an die Bundesregierung. Im Sinne der Geschäftsordnung sei es nicht möglich, erst im Zusammenhang mit dem Wunsch, Experten zu laden, den erforderlichen Verhandlungsgegenstand zu schaffen.
Nach längerer Debatte, in der sich die Abgeordneten Stoisits und Lunacek (beide G) sowie Posch, Wittmann, Jäger und Plank für, die Abgeordneten Zernatto, Ellmauer, Fekter, und Gatterer (sämtlich V) gegen die Ladung von NGO-Menschenrechtsexperten in den Ausschuss ausgesprochen hatten, wurde der S-Antrag auf Expertenladung abgelehnt. Der G-Antrag wurde vertagt.
(Schluss)