Parlamentskorrespondenz Nr. 1 vom 02.01.2001
IMMISSIONSSCHUTZBERICHT 1999
Wien (PK) - Was ist im Jahr 1999 geschehen, um Menschen, Tiere und Pflanzen, aber auch Kultur- und Sachgüter vor Luftschadstoffen zu schützen? - Antworten auf diese Frage findet man im Immissionsschutzbericht Luft 1999, mit dem Umweltminister Wilhelm Molterer dem Nationalrat über die Umsetzung des Immissionsschutzgesetzes-Luft berichtet, das am 1. April 1998 in Kraft getreten ist. Auf Grund dieses Gesetzes wird die Einhaltung der Grenzwerte für Luftschadstoffe seit dem 1. Jänner 1999 an Luftgütemessstellen überwacht. Lage, Anzahl und technische Anforderungen der von den Ländern betriebenen Messstellen sind in der Messkonzept-Verordnung festgelegt. Die Messung der Hintergrundbelastung obliegt dem Umweltbundesamt.
DIE MESSSTELLEN
In den meisten Untersuchungsgebieten arbeiten bereits mehr Messstellen als gesetzlich vorgesehen, noch nicht alle Geräte entsprechen aber den gesetzlichen Anforderungen. Da die Messung von Blei- und Benzol-Immissionen bislang weder von Bundes- noch von Landesgesetzen verlangt wurde, müssen diese Messstellen erst eingerichtet werden. Von den jeweils vorgesehenen 15 Messstellen waren mit Stand 2000 für Blei bereits 12 und für Benzol 9 Messstellen in Betrieb, berichtet der Umweltminister.
DIE GRENZWERTE
An den Messstellen wird die Einhaltung folgender Grenzwerte kontrolliert: Schwefeldioxid (SO2) - 0,12 mg/m3 im Tagesmittel oder 0,20 mg/m3 als Halbstundenmittelwert; Schwebestaub - 0,15 mg/m3 im Tagesmittel; Kohlenstoffmonoxid (CO) - 10 mg/m3 als gleitender Achtstundenmittelwert; Stickstoffdioxid (NO2) - 0,2 mg/m3 als Halbstundenmittelwert; Benzol - 0,01 mg/m3 und Blei - 0,001 mg/m3 jeweils als Jahresmittelwert. Als Jahresmittel-Grenzwert für Staubniederschlag gelten 210 mg/m2. Der Staubniederschlag darf nicht mehr als 0,1 mg/m2 Blei und 0,002 mg/m2 Cadmium enthalten. Für den Schadstoff Ozon gilt kein Grenzwert, sondern der Immissionszielwert von 0,11 mg/m3 als Achtstundenmittelwert über die Zeiträume 0 bis 8 Uhr, 8 bis 16 Uhr, 16 bis 24 Uhr und 12 bis 20 Uhr.
AKTUELLE SITUATION UND LANGFRISTIGE TRENDS
1999 war das erste Jahr, in dem Messungen gemäß Immissionsschutzgesetz erfolgten. Bei jeder Grenzwertüberschreitung ist eine Statuserhebung vorgeschrieben, es sein denn, die Überschreitung war auf einen Störfall oder auf eine in absehbarer Zeit nicht wiederkehrende erhöhte Immission zurückzuführen. Im Berichtsjahr wurden an 18 Luftgütemessstellen Überschreitungen registriert. Ein Drittel der Fälle wurde jeweils als ein singuläres Ereignis gewertet und daher auf Statuserhebungen verzichtet. Wie eine Analyse der Belastung in den vorhergehenden Jahren zeigt, erfolgte diese Einstufung meist zu recht. Sollte eine geänderte Emissionssituation auch in den folgenden Jahren zu einer Grenzwertüberschreitung führen, wird eine abermalige Einstufung als singuläres Ereignis nicht mehr vertretbar sein, hielt der Umweltminister fest.
Nach den bisherigen acht Statuserhebungen ist abzusehen, dass Maßnahmenkataloge in erster Linie die Verursacher Verkehr (NO2 und Staub) und Industrie (Staub) betreffen werden. Im Verkehrsbereich werden Maßnahmen zur NOX-Verminderung in erster Linie auf eine Reduktion der stärksten Einzelquelle, das sind die schweren Nutzfahrzeuge, abzielen müssen.
DIE IMMISSIONSSITUATION 1999 UND LANGFRISTIGE TRENDS IM DETAIL
Der Immissionsschutzbericht konzentriert sich auf die Beschreibung von Grenzwertüberschreitungen. Eine umfassende Darstellung der Immissionssituation insgesamt gibt das Umweltbundesamt (http://www.ubavie.gv.at).
SCHWEFELDIOXID
Grenzwertüberschreitungen bei SO2 wurden 1999 einmal in Kärnten und zweimal in der Steiermark registriert. Als Ursache wurde jeweils grenzüberschreitender Schadstofftransport aus Slowenien festgestellt.
Für die Jahre 1980 bis 1998 hielt der Bericht fest, dass die Gesamtemissionen in Österreich von nahezu 400.000 t SO2/Jahr auf 46.000 t/Jahr reduziert werden konnten, wobei 24.500 t der Industrie, 15.000 t den Kleinverbrauchern, 5.000 t den Wärme- und Heizkraftwerken und knapp 3.000 t dem Verkehr zuzuordnen sind.
Die längerfristige Entwicklung der Immissionsbelastung bei SO2 ist von den Witterungsbedingungen und dem Ferntransports aus den Nachbarländern bestimmt. So war die überdurchschnittliche Anzahl von Überschreitungen in den Jahren 1996 und 1997 auf SO2-Ferntransport während langanhaltender sehr kalter winterlicher Hochdruckwetterlagen zurückzuführen.
Prognosen, die auf der Fortschreibung bestehender Trends aufbauen, rechnen mit einer deutlichen Abnahme der SO2-Belastungen und sehen die künftige Entwicklung der SO2-Emissionen in Übereinstimmung mit nationalen und internationalen Vorgaben (u.a. Ozongesetz, Göteborg-Protokoll, EU-Richtlinie über nationale Emissionsobergrenzen). Grenzwertüberschreitungen aufgrund österreichischer Emissionen werden nicht erwartet. Die Reduktion grenzüberschreitender Schadstoffe halte an, bei ungünstigen Ausbreitungs- und Wetterbedingungen sei aber auch künftig noch mit vereinzelten Grenzwertüberscheitungen zu rechnen, heißt es im Bericht. Die Installation von Rauchgasentschwefelungsanlagen in allen Kesseln des slowenischen Kohlekraftwerks Sostanj lässt ab 2001 positive Auswirkungen auf die hohe SO2-Belastung an der Messstelle St. Georgen Herzogberg in Kärnten erwarten.
SCHWEBESTAUB
Schwebestaub ist ein heterogenes Gemisch unterschiedlicher luftgetragener Partikeln. Neben primärem Schwebestaub wie Dieselruß und Straßenabrieb bildet sich sekundärer Schwebestaub durch chemisch/physikalische Reaktionen und Prozesse in der Atmosphäre. Chemiker sprechen von einer Gas-zu-Partikel-Konversion aus anorganischen Vorläufersubstanzen wie NOX, SO2, NH3 und flüchtigen organischen Verbindungen.
Die Tagesmittelgrenzwerte für Schwebestaub wurden jeweils einmal in Klagenfurt, Salzburg und Weiz, jeweils dreimal im Ballungsraum Linz, in Ferlach, Feldkirch und Voitsberg, jeweils achtmal in Wien und Leoben/Donawitz und fünfmal im Ballungsraum Graz überschritten. - Als Ursachen werden lokale Quellen (Verkehr, Industrie, Hausbrand) sowie örtlich ungünstige Ausbreitungsbedingungen, aber auch hohe Vorbelastungen infolge weiträumigen Schadstofftransports angegeben.
1999 wurden bei Schwebestaub deutlich weniger Grenzwertüberschreitungen registriert als in den vergangenen Jahren. In Leoben/Donawitz, der bis dahin am stärksten belasteten Messstelle ist dies auf die erfolgreiche Sanierung bei einem lokalen Emittenten zurückzuführen.
Prognosen zur Entwicklung der Schwebestaubbelastung sind wegen unterschiedlicher lokaler Einflüsse (Streusplitt, Baustellen) schwierig. Modellrechnungen lassen erwarten, dass die Hintergrundbelastung, die auf die gasförmigen Vorläufersubstanzen NOX, SO2, und NH3 zurückzuführen ist, signifikant, mancherorts um 50 %, abnehmen wird.
Statuserhebungen wurden im Großraum Linz durchgeführt. Als Hauptemittenten wurden die VOEST-Alpine AG und der Straßenverkehr ermittelt. Das Sanierungsgebiet dürfte die Gemeinden Linz und Steyregg umfassen. Nach einer Statuserhebung in Donawitz und der Sanierung des Stahlwerkes wurden dort keine Grenzwertüberscheitungen mehr festgestellt. In Graz wurde bei einer Statuserhebung der Hausbrand und das Aufwirbeln von Streusplitt als Ursachen für Grenzwertüberschreitungen erkannt.
STICKSTOFFDIOXID
Bei Stickstoffdioxid wurde der Halbstundenmittelgrenzwert jeweils einmal in Klagenfurt und Villach, elfmal im Großraum Graz, viermal in Hall/Tirol, dreimal in Innsbruck und jeweils zweimal in Vomp/Tirol sowie in Wien überschritten. Die Grenzwertverletzungen traten vor allem an verkehrsnahen Messstellen in alpinen Becken- und Tallagen (Graz, Klagenfurt) auf. Seit 1994 zeigen die NO2-Immissionen eine gleich bleibende Belastung, mit Ausnahme des Jahres 1995, wo vor allem in Graz überdurchschnittliche Immissionen registriert wurden. Auffällige Unterschiede zeigt der regionale Vergleich: Während die Anzahl der Tage mit Grenzwertüberschreitungen in Wien stetig sank, stieg sie in Tirol deutlich an. Der Großteil der Grenzwertüberschreitungen ist auf Verkehrsemissionen zurückzuführen. Die Emissionen des Pkw-Verkehrs gingen seit 1994 um 25 % zurück, jene des Lkw-Verkehrs nur um 10 %.
Die Stickoxidemissionen insgesamt sanken im langjährigen Emissionsvergleich von rund 230.000 t auf 171.000 t im Jahr 1998. 102.000 t wurden vom Verkehr, 35.000 t von der Industrie, 18.000 t durch Kleinverbraucher, 8.000 t durch Wärme- und Heizkraftwerke und 6.000 t Land- und Forstwirtschaft verursacht. Mit rund 50 % der Gesamtemissionen kommt dem Verkehr besondere Bedeutung zu. Während bei den Benzin-Pkw eine deutliche Abnahme infolge der Katalysator-Einführung festzustellen ist, zeigten andere Kraftfahrzeuge seit 1980 zunächst steigenden, zuletzt gleich bleibenden Trend bei den Stickoxidemissionen.
Prognosen, die auf bestehenden Trends aufbauen, sehen die künftige Entwicklung der NOX-Emissionen in Übereinstimmung mit nationalen und internationalen Vorgaben (u.a. Ozongesetz, Göteborg-Protokoll, EU-Richtlinie über nationale Emissionsobergrenzen).
Für 2010 werden Straßenverkehrsemissionen in der Höhe von 45.000 t vorausgesagt, wovon 18.000 t auf Pkw entfallen.
Durch diese Emissionsreduktion von 54 % trotz steigenden Verkehrsaufkommens wird eine deutliche Reduktion von NOX-Grenzwertüberschreitungen erwartet. Zudem rechnen die Autoren mit verkehrslenkenden und verkehrsbeschränkenden Maßnahmen zur Emissionsreduktion an besonders belasteten Standorten.
Wegen der Überschreitungen des Grenzwertes für NOX im Ballungsraum Graz wurden Statuserhebungen durchgeführt, bei denen als wichtigster Emittent der Straßenverkehr identifiziert wurde. Zu Grenzwertüberschreitungen kam es jeweils während winterlicher Inversionswetterlagen, die eine Verdünnung der Schadstoffe verhindern. Als voraussichtliches Sanierungsgebiet wird die Stadt Graz innerhalb ihrer Gemeindegrenzen angesehen.
Statuserhebungen wegen der Grenzwertüberschreitungen in Innsbruck und Vomp sind in Vorbereitung. Im Verkehrsbereich tragen schwere Nutzfahrzeuge am meisten zu den NOX-Emissionen bei, ähnliches gilt für die Immissionsbelastung, belegt der Bericht anhand spezieller Analysen von Tiroler Messergebnissen an Wochentagen und Wochenenden.
OZON
Der Zielwert für Ozon wurde 1999 an allen 110 Messstellen überschritten. Die größten Grenzwertverletzungen wurden von Messstellen in Mittel- und Hochgebirgslagen, die geringsten von städtischen Messstellen gemeldet. Diese Paradoxie ist darauf zurückzuführen, dass Ozon einen sekundären Luftschadstoff darstellt, der nicht direkt emittiert wird. Ozon entsteht unter Einwirkung von Sonnenlicht aus Vorläufersubstanzen, nämlich Stickoxiden (NOX), flüchtigen organischen Verbindungen (VMOC), Kohlenmonoxid (CO) und Methan (CH4).
Schwierig einzuschätzen ist der langfristige Trend bei der Ozonbelastung. Seit 1990 hat die Anzahl der Tage mit Überschreitungen des Ozonzielwertes um zwei abgenommen, wobei aber der Beitrag, den die erfolgreiche Reduktion der Ozonvorläufersubstanzen NOX und NMVOC in Österreich und in anderen Ländern jeweils geleistet haben, unklar ist. Generell rechnen die Experten mit einer Abnahme der Häufigkeit hoher Ozonspitzenbelastungen. Ein Ansteigen der großflächigen Hintergrundbelastung ist möglicherweise auf vermehrte Emissionen in anderen Kontinenten zurückzuführen. Unklar sei auch noch der Effekt einer möglichen Klimaänderung auf die Ozonbildung, heißt es im Immissionsschutzbericht 1999.
Da die für die Zukunft prognostizierten Emissionswerte bei den NMVOC über den Vorgaben des Göteborg-Protokolls und der EU-Richtlinie über nationale Emissionsobergrenzen liegen, halten die Autoren weitere Maßnahmen für notwendig. Ihr konkreter Vorschlag lautet auf zusätzliche EU-weite Produktregelungen für Lösungsmittel.
1996 lagen die Zielwerte für die Emissionsverringerung von Ozonvorläufersubstanzen bei den flüchtigen organischen Verbindungen (NMVOC) mit 226.000 t um 11 % und bei den Stickoxiden mit 130.000 t/Jahr um 32 % über den Zielwerten gemäß Ozongesetz 1992. Starke Diskrepanzen registriert der Bericht auch zwischen den prognostizierten Ozon-Immissionen und den gesetzlichen Zielen. Ihr Erreichen wird für 2001 als nicht möglich und für 2006 als sehr ambitioniert bezeichnet. Modellrechnungen zeigen, dass die Anzahl der Überschreitungen des Ozon-Zielwertes in den nächsten zehn Jahren zwar deutlich reduziert, aber nicht vermieden werden wird.
KOHLENSTOFFMONOXID
Die CO-Emissionen betrugen 1998 999.000 t, wobei die Kleinverbraucher mit 441.000 t sowie Industrie und Straßenverkehr mit jeweils 261.000 t die wichtigsten Quellen darstellten. Eine deutliche Abnahme zeigte vor allem der Verkehr, bedingt durch strengere Abgasbestimmungen.
Der Grenzwert für Kohlenstoffmonoxid wurde von 1994 bis 1999 in Österreich nur zweimal überschritten, und zwar 1996 und 1997 in Leoben/Donawitz. Da die Emissionen weiter zurückgehen, sind in Zukunft höchstens in Ausnahmefällen Grenzwertüberschreitungen zu erwarten.
BLEI
Bei den Blei-Immissionen gehen die Verfasser des Berichts davon aus, dass der Grenzwert zumindest seit dem Verbot von verbleitem Benzin nicht überschritten wurde. Der höchste im Jahr 1999 gemessene Wert lag um 50 % unter dem Grenzwert. Den Schwerpunkt der Immissionsüberwachung sehen die Autoren des Berichts in der Nähe von Industriebetrieben.
BENZOL
Zur Immissionssituation bei Benzol liegen bislang nur die Messungen des Umweltbundesamtes am Salzburger Rudolfsplatz vor. Sie ergaben von 1995 bis 1999 eine Abnahme des Jahresmittelwertes von rund 12 auf rund 4 Mikrogramm/m3. Dies wird auf die sukzessive Absenkung des Benzolgehalts und auf die sinkende Anzahl von Kfz ohne Aktivkohlekanister und Katalysator zurückgeführt. Anfang 2000 wurde der Benzolgehalt im Benzin weiter auf 1 % (bisher 3 %) abgesenkt. Mit Überschreitungen des derzeitigen Grenzwertes von 0,01 mg/m3 im Jahresmittel sei künftig nicht zu rechnen, lautet die Prognose der Experten.
ANPASSUNGEN DES IG-L AN NEUE EU-REGELUNGEN
Mit dem Immissionsschutzgesetz-Luft und der Messkonzept-Verordnung werden insgesamt sechs EU-Richtlinien umgesetzt. Die 1. Luftqualitätstochterrichtlinie betreffend SO2, NO2, NOX, Partikel und Blei in der Luft macht eine Novellierung des Immissionsschutzgesetzes-Luft bzw. der Messkonzept-Verordnung notwendig. Im Detail besteht Anpassungsbedarf wegen des neuen Grenzwertes zum Schutz von Vegetation und Ökosystemen, eines neuen Messverfahrens für Schwebestaub und neuen Bestimmungen für die Lage der Immissionsmessstellen (III-79 d.B.).(Schluss)