Parlamentskorrespondenz Nr. 8 vom 12.01.2001
FINANZMINISTER GRASSER UNTERSTREICHT NULLDEFIZITZIEL
Wien (PK) – Finanzminister Grasser hat das österreichische Stabilitätsprogramm bis 2004 fortgeschrieben und dem Nationalrat darüber einen Bericht vorgelegt. Der Minister informiert auf Basis vorläufiger Berechnungen über einen planmäßigen Vollzug des Budgets 2000 mit höheren Einnahmen als veranschlagt. Dies sei auf die günstige Entwicklung der Wirtschaft zurückzuführen, die - zunächst von der Geldpolitik der EZB noch mäßig belebt - durch bessere Nachfrage und Beschäftigung sowie durch den Umstand gekennzeichnet war, dass Österreich im Jahr 2000 zu den preisstabilsten Ländern der EU zählte. Vor diesem Hintergrund wird Österreich die im Stabilitätsprogramm für 2000 angepeilte Reduktion des Defizits der öffentlichen Haushalte auf 1,7 % des BIP mit 1,4 % deutlich übertreffen, schreibt Grasser und bekräftigt die Absicht, das gesamtstaatliche Defizit (Bund, Länder und Gemeinden) bis 2002 auf null zu senken. Das nunmehr aktualisierte Programm beruhe auf vorsichtigen Wirtschaftsprognosen, teilt der Minister mit und fügt hinzu, dass der feste politische Wille bestehe, beim Auftreten von Budgetlücken rasch Maßnahmen zu ergreifen, um das selbst gesteckte Ziel zu erreichen.
Das Defizit des Bundes soll heuer und im nächsten Jahr jeweils 0,75 % des BIP ausmachen, die gesamtstaatliche Schuldenquote schon 2001 unter den EU-Referenzwert von 60 % des BIP fallen, informiert Grasser weiter. Die Konsolidierungspolitik soll durch deutliche Einsparungen auf der Ausgabenseite fortgesetzt werden. In weiterer Folge stellt Minister Grasser - die Wirksamkeit der Ausgabensenkungsprogramme vorausgesetzt - Abgabensenkungen bei Arbeit und Kapital in Aussicht.
Die Prioritäten Grassers bei den weiteren Strukturreformen lauten: Nulldefizit, Verbesserung des Wirtschaftsstandorts, mehr Geld für Forschung und Entwicklung, Kampf der Arbeitslosigkeit, Erneuerung der sozialen Netze, Sicherung der Pensionen, Reform von Staatsaufgaben und öffentlichen Leistungen sowie Verkauf von Bundesanteilen an Unternehmen.
Nachfrage und Beschäftigung entwickelten sich 2000 besser als erwartet. Österreichs Wirtschaft wuchs im Einklang mit der EU um etwa 3,5 %, getragen von sehr gutem Export und hoher inländischer Nachfrage. Die Wachstumsspitze dürfte aber im 2. Quartal 2000 erreicht worden sein. Die Zahl der unselbständig Beschäftigten nahm um 0,6 % zu, die Arbeitslosenrate sank im November im Jahresabstand von 3,6 % auf 3,1 %, wovon alle Gruppen, vor allem Personen über 50 Jahre, profitierten.
Die Kerninflation blieb im Vorjahr infolge mäßiger Entwicklung der Löhne in Österreich (+2 % pro Kopf) und EU-internen Wettbewerbs niedrig. Der Anstieg der Inflation um 2,1 % im Oktober lag hauptsächlich an steigenden Energiepreisen. Österreich blieb aber auch im Herbst 2000 unter den EU-Ländern mit der geringsten Inflation.
Die langfristigen nominellen Zinsen stiegen in der Euro-Zone zunächst, pendelten im 2. und 3. Quartal um die 5,25 % und schwenkten im November auf einen Abwärtstrend ein. Die Zinsdifferenz gegenüber den deutschen Bundesanleihen hat sich in Österreich auf bis zu 38 Basispunkte erhöht. Nach Ankündigung des Nulldefizitziels verminderte sich der Zinsabstand auf – noch immer markante - 30 Basispunkte. Am kurzen Ende hat die EZB die Zinsen etappenweise angehoben und damit die Zinsertragskurve abgeflacht. Bei den Wechselkursen sank der Wert des Euro gegenüber dem US-Dollar und dem Yen bis Oktober weiter. Die europäische Geldpolitik dürfte in den ersten drei Quartalen das österreichische Wachstum noch mäßig belebt haben, resümiert der Finanzminister.
Das Leistungsbilanzdefizit blieb mit 3,1 % des BIP hoch. Der Saldo der Warenzahlungen und der Dienstleistungen hat sich wegen höherer Ölpreise und eines geringeren Überschusses im Reiseverkehr um ca. 0,75 % des BIP verschlechtert. Verbessert hat sich hingegen der negative Saldo bei den Einkommen.
DIE ÖFFENTLICHEN HAUSHALTE 2000
Der Budgetvollzug des Bundes sei im Jahr 2000 plangemäß verlaufen, schreibt der Finanzminister und berichtet, dass die öffentlichen Einnahmen infolge der günstigen Wirtschaftsentwicklung über den Voranschlag wuchsen. Während der Aktivitätsaufwand für die Bundesbediensteten im Plan liege, dürfte der Aufwand für die Landeslehrer überplanmäßig ausfallen. Auch beim Bundeszuschuss zu den Pensionen rechnet Grasser wegen zusätzlicher Frühpensionierungen durch Vorzieheffekte der Pensionsreform mit Überschreitungen. Die Mehrausgaben können aber durch Mehreinnahmen ausgeglichen werden, fügt Grasser hinzu.
Aktuellen Schätzungen zufolge wird Österreich die im Stabilitätsprogramm für 2000 angepeilte Reduktion des Defizits der öffentlichen Haushalte auf 1,7 % des BIP mit 1,4 % übertreffen. Die Konsolidierungserfolge können an den zum Teil revidierten Defizitwerten (in Prozent des BIP) abgelesen werden - 1995: -5,1; 1996: -3,8; 1997: -1,7; 1998: -2,3; 1999: -2,1; 2000: -1,4 %.
Das Bundespersonal nahm in den ersten 3 Quartalen 2000 um 2,65 % oder ca. 5.600 ab, 1.500 davon durch Ausgliederungen. Die Zahl der Pensionierungen war bis Ende August mit 3.200 fast doppelt so hoch wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
Im Rahmen des Privatisierungsprogramms wurde im August 2000 die Österreichische Postsparkasse AG um 17,9 Mrd. S an eine private Bank, im Oktober/November die Bundesanteile am Flughafen Wien und im November auch die Österreichische Staatsdruckerei GmbH veräußert. Die Telekom AG befindet sich nach einem Börsegang im November 2000 zu über 52 % in Privatbesitz. Die Verkaufserlöse von rund 34 Mrd. S wurden zur Tilgung von ÖIAG-Schulden verwendet. Die Versteigerung der UMTS-Lizenzen Anfang November erbrachte 11,4 Mrd. S.
Die öffentliche Schuldenquote lag Ende 1999 bei 64,6 % des BIP. Die Aufwertung von Yen und Franken, die 1999 zu einer höheren Bewertung der Schuld um etwa 29,5 Mrd. S führte, setzte sich 2000 fort, dennoch erwartet der Finanzminister Ende 2000 eine Schuldenquote unter 64 % des BIP.
PREISE UND ZINSEN
Im Einklang mit Prognosen der EU-Kommission rechnet der Minister nach dem Ausklingen des Ölpreisschocks in der Euro-Zone mit einer jährlichen Inflationsrate von durchschnittlich 1,75 % bis 2004. In Österreich erwartet Grasser eine Fortsetzung der erfolgreichen Lohn- und Einkommenspolitik durch die Sozialpartner. Zusätzliche flexible Elemente in den Betrieben sollen die Sektoren und Unternehmen für asymmetrische Schocks in der Währungsunion rüsten und Risken der Budgetplanung vermindern. Der kosteninduzierte Druck auf die Inflationsrate dürfte moderat bleiben, schreibt Grasser und beziffert den steuerinduzierten Preiseffekt der öffentlichen Haushalten für 2001 mit etwa 0,4 Prozentpunkten, danach rechne er mit neutralen Effekten. Strukturreformen werden die Inflation in Österreich dämpfen, so dass sie weiterhin schwächer sein werde als in der Euro-Zone, sagt Grasser voraus.
DIE STRATEGIE DES BUNDES ZUR SENKUNG DER AUSGABEN
Bis 2003 sollen beim Aktivitätsaufwand des Bundes 15 Mrd. S nachhaltig gespart werden. Dies soll durch eine Verminderung des Personalstandes um 11.000, eine moderate Gehaltspolitik, Jahresarbeitszeitmodelle zur dauerhaften Senkung der Entgelte für Überstunden um 1,2 Mrd. S und durch die für 2003 auf 18,5 Mrd. S geschätzten Effekte der Pensionsreform erreicht werden. Einsparungen sind bei Ermessensausgaben, freiwilligen Sozialleistungen sowie bei Repräsentations- und PR-Ausgaben geplant. Zudem soll das Beschaffungswesen reformiert, Reisegebühren und Aufwandsentschädigungen eingefroren und das Zero-Base-Budgeting bei Förderungen, Beteiligungen und Mitgliedsbeiträgen eingeführt werden. Eine Aufgaben-Reformkommission wird bis Ende 2001 Vorschläge für eine Entlastung des Staates von Aufgaben und Ausgaben ausarbeiten.
EINNAHMENSEITIGE MASSNAHMEN
Die Lohnnebenkosten sollen im Sinne einer Verbesserung des Wirtschaftsstandortes bis 2003 stufenweise um 15 Mrd. S gesenkt werden.
Um Schulden abzubauen, soll die ÖIAG auch künftig Unternehmensanteile neuen Eigentümern, strategischen Partnern oder dem Publikum zuführen. Im Vordergrund stehen zunächst die Dorotheum Auktions- und Versatz-Gesellschaft m.b.H., die Print Media Austria AG, die Flughafen Wien AG, die Telekom AG und die Austria Tabak AG. Weitere Privatisierungen sollen in einer zweiten Phase geprüft werden. Die nach Tilgung aller Schulden bei der ÖIAG verbleibenden Beteiligungen sollen von der ÖIAG - vorbehaltlich eines Privatisierungsauftrags der Bundesregierung - gehalten werden. Zusätzliche Veräußerungen unter einen Anteil von 25 % plus eine Aktie sollen möglich sein, wenn strategische Syndikate im Sinne einer Stärkung des Entscheidungsstandortes Österreich verbindlich gesichert sind. Je nach Fortgang der Privatisierung werden diese Maßnahmen auch einen Beitrag zur Senkung der öffentlichen Schuldenquote leisten.
SOZIALVERSICHERUNG UND ÖFFENTLICHE PENSIONEN
Auch nach der erst im vergangenen Juni beschlossenen Pensionsreform sei es erforderlich, das Pensionssystem weiter an den gesellschaftlichen Wandel anzupassen. Dazu wurde eine Expertenkommission eingerichtet.
Sozialversicherungsträger sollen zusammengelegt werden, wenn dadurch die Effizienz, die Senkung der Kosten, andere Synergieeffekte, die Wahrung der Bürgernähe und die Beibehaltung der Qualität gewährleistet bleiben. Beim Pflegegeld soll die Qualitätssicherung intensiviert und die soziale Absicherung pflegender Angehöriger verbessert werden. Bei den Krankenversicherungen sei dafür zu sorgen, dass der Kostenzuwachs den Zuwachs der Einnahmen nicht übersteigt. Medizinische Leistungen sollen in den extramuralen Bereich ausgelagert und der Fortschritt der Medizin gesichert werden.
DER BEITRAG DER LÄNDER UND GEMEINDEN
Um das Nulldefizit bis 2002 abzusichern, haben Bund, Länder und Gemeinden bei den Finanzausgleichsverhandlungen im letzten Oktober verbindlich - mit Sanktionsmechanismus - folgende Vereinbarungen getroffen:
Ab dem Jahr 2001 leisten die Länder bis 2004 einen durchschnittlichen Haushaltsüberschuss von 0,75 % des BIP, jedenfalls aber 23 Mrd. S als Konsolidierungsbeitrag. Vorübergehende Unterschreitungen von ‑0,15 % des BIP sind zulässig, sofern der Durchschnittswert von +0,75 % des BIP über die gesamte FAG-Periode erreicht wird.
Als Beitrag der Gemeinden zur Konsolidierung wurden für die gesamte FAG-Periode ausgeglichene Haushaltsergebnisse vereinbart. Vorübergehende Unterschreitungen von - 0,1 % des BIP sind zulässig, sofern über die gesamte FAG-Periode der Durchschnittswert von 0 % des BIP erreicht wird.
Weitere Punkte des Paktes: Dauerhafte Einsparung von mindestens 3,5 Mrd. S durch Aufgaben- und Strukturreformen bis Ende 2001. - Eindämmung der Personalausgaben für die Landeslehrer durch Vorgabe bestimmter Schüler/Lehrer-Verhältniszahlen. - Reform der Wohnbauförderung und Ausweitung auf Maßnahmen zur Erhaltung oder Verbesserung der Infrastruktur sowie zur Erreichung des Kyoto-Zieles. - Einrichtung einer ständigen Arbeitsgruppe für Strukturänderungen im Gesundheitssystem einschließlich des extramuralen Bereiches.
STRUKTUR- UND KAPITALMARKTPOLITIK
Über die bereits beschlossene Kapitalmarktoffensive und die Energiemarktliberalisierung (Strom: 2001, Gas: 2002) hinaus sind zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes folgende strukturpolitische Maßnahmen geplant:
Die F&E-Quote soll bis 2005 schrittweise auf 2,5 % des BIP angehoben werden. Bereits ab 2001 werden für Forschung und Entwicklung 7 Mrd. S sowie für Infrastruktur 3 Mrd. S zusätzlich eingesetzt. Zusätzliche finanzielle Mittel für eGovernment-Lösungen sollen durch Public Private Partnership aufgebracht werden. Bis 2005 sollen alle Verwaltungswege elektronisch abgewickelt werden können.
In Branchen ohne Kollektivvertrag sollen flexible Arbeitszeiten und bis 2001 geschlechtsneutrale Nachtarbeitsregelungen eingeführt werden. Der Zeitrahmen für die Ladenöffnung soll von Montag bis Freitag auf 72 Stunden erweitert und die Samstag-Beschäftigung flexibilisiert werden. Die Sonderregelungen im Lebensmittelhandel und die Sonntagsruhe sollen aber aufrecht bleiben.
Im Anlagenrecht steht nach der im Jahr 2000 fixierten Umsetzung von EU-Richtlinien sowie der Vereinfachung und Beschleunigung des UVP-Verfahrens eine weitgehende Konzentration der Verfahren und die Einrichtung von "one-stop-shops" in den Bezirksverwaltungen bevor. In einer dritten Stufe soll für das Anlagenrecht des Bundes spätestens 2002 ein einheitliches Gesetz erlassen werden.
ARBEITSMARKTPOLITIK
Schließlich unterstreicht Finanzminister Grasser die Absicht, das Beschäftigungsniveau zu erhöhen und die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Die im Nationalen Aktionsplan angepeilten Ziele, das Beschäftigungsniveau bis Ende 2002 um 100.000 Personen zu erhöhen und die Arbeitslosenquote auf rund 3,5 % zu senken, wurden bereits im Jahr 2000 erreicht.
Das aktualisierte Stabilitätsprogramm enthält einen detaillierten Überblick über die bereits erfolgten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in der laufenden Gesetzgebungsperiode. Darüber hinaus ist Folgendes geplant:
Senkung der Lohnnebenkosten/Arbeitskosten um 15 Mrd. S (0,5 % des BIP) bis 2003; Umgestaltung des AMS in eine Ges.m.b.H.; Einführung einer freiwilligen Arbeitslosenversicherung, insbesondere für Jungunternehmer und neue Selbständige; bessere Vermittlung durch größere Durchlässigkeit bei den Berufsbildern und Lockerung des Berufsschutzes bei verwandten Berufen; Auslagerung der Abfertigungspflicht an eine überbetriebliche Pensionskasse; einfachere Verwaltung und höhere soziale Treffsicherheit beim Bezug des Arbeitslosengeldes und eine Vereinheitlichung der Ersatzrate bei höheren Einkommen auf 55 %.
Im Jahr 2000 wurden befristete Beschäftigungsbewilligungen für bis zu 6.000 Saisoniers (bis zu 6 Monate) und für bis zu 10.000 Erntehelfer (bis zu 6 Wochen) erteilt. Für 2001 sieht das Regierungsprogramm 8.000 bzw. 7.000 Bewilligungen vor.
Ab dem Jahr 2001 steht die "Behindertenmilliarde" zur Verfügung. Sie soll Behinderten den Zugang zu Arbeitsplätzen erleichtern, den Schwerpunkt werden Startjobs für behinderte Schulabgänger bilden (III-82 d.B.).
(Schluss)