Parlamentskorrespondenz Nr. 62 vom 31.01.2001
MEDIEN UND BEHÖRDEN: UNABHÄNGIG ODER UNTER PARTEIEN-EINFLUSS ?
Wien (PK) - Im Anschluss an die Debatte über "Nizza und die Folgen" wandte sich der Nationalrat den - nicht minder kontroversiellen - Themenfeldern Medien und Kommunikation zu.
EINRICHTUNG EINER UNABHÄNGIGEN REGULIERUNGSBEHÖRDE IN DEN BEREICHEN AUDIOVISUELLE MEDIEN UND TELEKOMMUNIKATION SOWIE ERLASSUNG EINES BUNDESGESETZES ÜBER DIE EINRICHTUNG DER „KOMMUNIKATIONS-KOMMISSION AUSTRIA (" KOMMAUSTRIA ") UND ÄNDERUNG DES BUNDES-VERFASSUNGSGESETZES, DES KABEL- UND SATELLITEN-RUNDFUNKGESETZES, DES ZUGANGSKONTROLLGESETZES, DES KARTELLGESETZES UND DES SIGNATURGESETZES
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Abgeordneter Dr. CAP (S) zog hinsichtlich der KommAustria ein negatives Resümee: für Handybenützer und für den Steuerzahler insgesamt werde es in Zukunft teurer, weil der Wettbewerb reduziert werde, im ORF werde es weniger Objektivität geben und letztendlich sei die neue Medienbehörde nicht demokratisch legitimiert, sondern regierungsabhängig. Es werde daher zu einem totalen politischen Einfluss von FP und VP kommen. In Wahrheit wolle die Regierung ohnehin, dass die Behörde dem Bundeskanzler weisungsgebunden unterstellt ist.
Cap hinterfragte die Eile kritisch, mit der die Koalition die Beschlussfassung forciere, und ortete dahinter handfeste Machtpolitik. Das Vorschlagsrecht für die Besetzung der Kommissionen liege bei der Bundesregierung, für die Ernennung der Mitglieder seien keinerlei Qualifikationen erforderlich. Wahrscheinlich gehe es hauptsächlich um Loyalität, mutmaßte der Redner. Den ORF wolle man mit der Konstruktion auf mehreren Ebenen in den Griff bekommen, so der weitere Vorwurf gegen das geplante Medienpaket. Das von der SPÖ vorgeschlagene Modell habe unter anderem auch den Vorteil, 17 Mill. S weniger zu kosten, meinte Cap.
Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (V) vermutete, dass Cap das Gesetz nicht gelesen und sich daher auch nicht inhaltlich mit den Strukturen auseinandergesetzt habe. Sie verstehe die ablehnende Haltung nicht, denn mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf seien Forderungen der SPÖ erfüllt worden. Die Zusammenführung der Medienbehörden betrachtet die Rednerin als sinnvoll und widersprach Cap auch in Bezug auf seinen Vorwurf, nur abhängige Experten bestellen zu wollen. Ganz im Gegenteil sei die Pluralität gewahrt und auch das Parlament habe ein Nominierungsrecht, stellte die V-Mandatarin fest. Darüber hinaus sei auch der unabhängige Bundeskommunikationssenat dem unabhängigen Bundesasylsenat nachgebildet. "Verblödeln Sie nicht die österreichische Medienpolitik", meinte Baumgartner-Gabitzer in Richtung Abgeordnetem Cap abschließend.
Abgeordnete Dr. PETROVIC (G): Wie immer sich das Wahlrecht verändern wird, wie immer die Instrumente der direkten Demokratie ausgestaltet werden, wichtig für die Demokratie wird vor allem auch sein, wie über aktuelle politische Fragen berichtet wird, nach welchen Spielregeln Programme ausgerichtet werden und ob es gewährleistet sei, dass die Opposition Gelegenheit zur Stellungnahme hat. Ihr sei klar, dass ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk auch Spiegelbild der politischen Verhältnisse sei, die Opposition müsse aber Gehör finden. Eine Medienbehörde im überwiegenden Einfluss der Regierung qualifizierte Petrovic als einen demokratiepolitischen Rückschritt, den die Grünen ablehnen. Mit einer Berichterstattung, die, wie beim jüngsten Tierskandal, der Frage der politischen Verantwortung ausweiche, werde dem öffentliche Rundfunk auch in kommerzieller Hinsicht kein guter Dienst erwiesen, gab Petrovic zu bedenken. "Denn die Zuschauer registrieren sehr rasch, wenn mit den Mächtigen allzu vorsichtig umgegangen wird".
Abgeordneter Dr. KRÜGER (F) widersprach der Behauptung der Opposition, die vorgesehene Behörde sei nicht unabhängig und wies darauf hin, dass vier der sechs Mitglieder der Medienkommission von den im Hauptausschuss vertretenen Parteien entsendet werden sollen. Die Grünen beispielsweise, die im ORF einen von 35 Sitzen inne haben, sollen künftig einen von sechs Sitzen haben. "Warum sagen Sie, Ihr Einfluss sei in der neuen Behörde zu gering?", fragte Krüger.
Die KommAustria entspreche internationalen Standards, überdies sei ihre Einrichtung notwendig, weil Österreich eine Kommission mit hauptberuflichen Mitgliedern brauche. Darüber hinaus bringe das neue System deutliche Verbesserungen beim Rechtschutz. Krüger lehnte den von SPÖ und Grünen geforderten Stillstand ab. "Geben Sie ihren Widerstand auf und treten Sie in eine vernünftige Regelung ein", schloss der Redner.
Abgeordneter SCHIEDER (S) sah die Einrichtung der KommAustria mit so komplexen Fragestellungen verbunden, dass es notwendig gewesen wäre, einen Unterausschuss einzusetzen und ein Expertenhearing abzuhalten. Der Koalition sei es aber darum gegangen, nach dem Motto "speed kills" möglichst rasch eine Lösung über die Bühne zu bringen, ohne auf wichtige Fragen eingehen zu müssen. Dazu gehöre etwa der Umfang der Tätigkeit der neuen Behörde, die neuen Medien wie das Internet und die Frage, wie weit der ORF dazu gehören könne, zumal seine Partner und Konkurrenten nicht darunter fallen. Die größten Sorgen äußerte Abgeordneter Schieder aber hinsichtlich der neuen Behörde, die für ihn ein Instrument sei, um den ORF zu gängeln, wie dies auch die Meinung vieler Fachleute sei, die ÖVP und FPÖ im Ausschuss nicht hören wollten. Die Kommission sei nicht unabhängig, sagte Schieder und kritisierte den vorgesehenen Bestellungsmodus. Die Koalition nütze die Gelegenheit, sich weiteren Zugang zu und mehr Einfluss auf den ORF zu verschaffen. - "Das ist schade und nicht gut für Österreich".
Staatssekretär MORAK wies zunächst die Ausdrücke "Gleichschaltung" und "Zerschlagung des ORF", wie sie von den Abgeordneten Cap und Schieder am Vormittag verwendet wurden, zurück und appellierte, bei so einem sensiblen Thema nicht derart belastete Begriffe zu verwenden.
Die Opposition bringe alle Fragen der Medienpolitik stets in den Zusammenhang mit dem ORF, klagte der Staatssekretär und trat entschieden dem Vorwurf parteipolitischer Medienpolitik entgegen. Die vorgesehene Behörde entspreche genau jenem Schema, nach dem auch Medienbehörden in Großbritannien, den USA und Frankreich bestellt werden, sagte Morak. Für unverständlich hielt er auch die Kritik der Opposition an seiner Verhandlungsführung, sei er doch "Tag und Nacht" für Gespräche zur Verfügung gestanden, habe doch genügend Zeit und Gelegenheit für Verhandlungen bestanden.
Dass die Opposition nun die für die KommAustria notwendige Zweidrittel-Mehrheit verweigere, stimme ihn traurig, sagte Morak, da es dringend erforderlich sei, den audiovisuellen Sektor durch eine weisungsfreie und unabhängige Behörde zu regeln. Diese Behörde würde es erlauben, der Gefahr des Marktmissbrauchs entgegenzutreten und die Verwaltung auf diesem Gebiet zu vereinfachen. Überdenken Sie ihre Entscheidung noch einmal, entscheiden Sie sich für die KommAustria, appellierte Morak an die Opposition.
Auch Abgeordneter Mag. TANCSITS (V) unterstrich die Bedeutung der KommAustria, um in Österreich die Entwicklung eines Medienmarktes zu ermöglichen. Tancsits nannte internationale Beispiele und wies auf die enormen Entwicklungschancen österreichischer Medien auf dem 88 Mill. Menschen umfassenden Markt im deutschen Sprachraum hin. Angesichts der rasanten Konvergenz unterschiedlicher Medien - PC, Fernsehen, UMTS-Handys - gelte es Rahmenbedingungen zu schaffen. Den ORF auszunehmen, wie das die Opposition wolle, lehne er ab, weil er dagegen sei, ein Unternehmen mit Gebührenmonopol, mehr als 50 Prozent Marktanteil und der Definitionsmacht, was öffentlich-rechtlich sei, sich selbst kontrollieren zu lassen.
Auch Abgeordneter Mag. FIRLINGER (F) befasste sich mit der rasant fortschreitenden Medienkonvergenz durch UMTS in den Bereichen Telefon, E-mails, Internet und Fernsehsendungen und plädierte nachdrücklich dafür, die diesbezüglichen Entscheidungsstrukturen rasch zusammenzuführen. Zur Kritik am Bestellmodus der KommAustria merkte Firlinger an, dass sie den Mechanismen entspreche, die in der letzten Gesetzgebungsperiode auch für die Regulierungsbehörden in den Bereichen Schiene und Telekom beschlossen wurden. Damals sei die SPÖ einverstanden gewesen, weil jeweils ein roter Minister einen "Roten" bestellen konnte. Erst jetzt passe dieser Mechanismus der SPÖ nicht mehr. "Beenden Sie Ihr parteipolitisches Spiel und kehren Sie zur Sachpolitik zurück", lautete die Aufforderung Firlingers an die SPÖ.
Abgeordnete Dr. WOLFMAYR (V) wandte sich ebenfalls an die Abgeordneten der Opposition und hielt ihnen vor Augen, dass die vorgesehene gesetzliche Regelung zu einer effizienten österreichischen Medienbehörde führen würde, mit einem Bundeskommissionssenat als wirksamer Kontrollinstanz, abgesichert durch detaillierte Unvereinbarkeitsbestimmungen, restriktive Enthebungsmöglichkeiten, gebunden an Vorschläge des Obersten Gerichtshofes, der Vereinigung der österreichischen Richter und der Österreichischen Rechtsanwaltschaftskammer. Dazu komme die Kontrolle durch Rechnungshof und Parlament. Es sei aber offenbar einfacher, von der Verteilung blauer und schwarzer Einflusssphären zu sprechen und jede Mitarbeit und Mitverantwortung zu verweigern, sagte Wolfmayr mit dem Ausdruck des Bedauerns.
Abgeordnete Jutta Wochesländer (F) berichtete aus ihrer 25-jährigen Berufserfahrung, die über zwei Jahrzehnte hinweg von einer totalen Abhängigkeit vom Monopolisten ORF geprägt war. Eine unabhängige Regulierungsbehörde sei ihrer Auffassung nach dringend notwendig, meinte sie. Der SPÖ warf sie vor, durch ihre Verzögerungstaktik den Weiterbestand der Privatradios zu gefährden.
Mit der Einrichtung der "KommAustria" will die Bundesregierung eine einzige und unabhängige Regulierungsbehörde, die der Kontrolle des Parlaments untersteht, schaffen, erläuterte Abgeordnete Dr. PAPHAZY (F). Je monopolistischer die Medienlandschaft gestaltet ist, desto mehr werden die Medien zu Instrumenten politischer Einflussnahme, warnte Paphazy. Sie verstehe daher nicht, warum die Sozialdemokraten die verfassungsmäßige Zustimmung zu dieser Vorlage verweigern.
Bei der Abstimmung wurde der Gesetzesentwurf - ebenso wie der Rückverweisungsantrag der Grünen - abgelehnt.
BERICHT UND ANTRAG ÜBER DEN BUNDESKOMMUNIKATIONSSENAT
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Abgeordneter Johannes Jarolim (S) schlug auf Grund der Ablehnung des vorherigen Tagesordnungspunktes vor, den Antrag betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes über den unabhängigen Bundeskommunikationssenat zurückzuziehen. Seines Meinung nach müsse man befürchten, dass es der Regierung bei den Medienvorlagen um reine machtpolitische Gelüste gehe.
Die Ablehnung der "KommAustria" durch die SPÖ sei wieder einmal ein Beweis dafür, dass die S-Mandatare ihren Blick fest in die Vergangenheit gerichtet haben, meinte Abgeordneter Helmut Kukacka (V). "Nur nichts ändern am Status quo", laute anscheinend ihr Motto. Schließlich stellte er den Antrag, den Bericht und den Antrag des Verfassungsausschusses betreffend das UBKS-G an den Verfassungsausschuss zurückzuverweisen.
Bei der Abstimmung wurde dieser Antrag einstimmig angenommen.
PRIVATRADIOGESETZ * S-ANTRAG 345/A UND G-ANTRAG 347/A BETREFFEND NOVELLIERUNG DES REGIONALRADIOGESETZES
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Abgeordneter Dr. CAP (S) monierte die Lockerung der Beteiligungsgrenzen für Medienunternehmen, da diese Maßnahme negative Auswirkungen habe und zu mehr Konzentration in diesem Bereich führen werde. Die Erfahrungen in der letzten Zeit zeigen zudem, welch fragwürdiges Verständnis von Medienpolitik die neue Bundesregierung hat.
Ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom Vorjahr machte es erforderlich, das alte Regionalradiogesetz durch das neue Privatradiogesetz zu ersetzen, erläuterte Abgeordnete Cordula Frieser (V). Nunmehr werden u.a. die fernmelde- und rundfunkrechtlichen Belange zusammengeführt und die restriktiven Beteiligungsbeschränkungen für Medienunternehmer gelockert.
Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) widersprach ihrer Vorrednerin bezüglich des Erkenntnisses des VfGH und meinte, dass das Judikat gerade die Schaffung einer unabhängigen Behörde gefordert habe. Ein besonderes Anliegen waren ihr die freien, nicht-kommerziellen Radios, die nach Ansicht der Grünen eine wichtige Rolle in der Medienlandschaft einnehmen. Deren Interessen wurden allerdings im vorliegenden Entwurf nicht entsprechend berücksichtigt, bemängelte Petrovic. Sodann brachte sie noch einen diesbezüglichen Abänderungsantrag ein.
Staatssekretär Franz Morak sprach von einem starken Liberalisierungsschub und zählte einige der Kernpunkte des Entwurfes auf: Einführung des One-Stop-Shop-Prinzips und eines neuen Marktanteilmodells, Vereinfachung des Bewilligungsverfahrens, Ausdehnung der Frequenzen, Vorrang für die Verdichtung von Sendegebieten, keine zwingend vorgeschriebenen Veranstaltergemeinschaften sowie Ausweitung der Programmübernahmen.
Abgeordneter Michael Krüger (F) widersprach der Abgeordneten Petrovic und meinte, durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs würden zwei Möglichkeiten offen stehen. Entweder entscheidet man sich für die Einrichtung einer unabhängigen und weisungsungebundenen "KommAustria" oder für das Modell der Ministerverantwortlichkeit.
Das Privatradio- sowie die Änderung des Regionalradiogesetzes wurden sodann mehrheitlich angenommen. Dem (negativen) Ausschussbericht über den G-Antrag betreffend Änderung des Regionalradiogesetzes wurde ebenfalls mehrheitlich zugestimmt. Der G-Zusatz bzw. Abänderungsantrag fand keine Mehrheit.
(Schluss)