Parlamentskorrespondenz Nr. 104 vom 20.02.2001

WIE GEHT DAS BUNDESHEER MIT INTERNEN MISSSTÄNDEN UM?

Wien (PK) - Das Bundesheer stellt an sich ein Instrument zur Lösung äußerer Konflikte dar, gelegentlich hat es aber auch an inneren Konflikten zu arbeiten, dann nämlich, wenn sich Soldaten über interne Missstände beschweren. Schikanöse Ausbildungsmethoden, menschenunwürdige und demütigende Behandlung durch - in manchen Fällen alkoholisierte - Ausbilder, desolate Unterkünfte und Sanitäreinrichtungen oder unzureichende militärärztliche Betreuung gehörten in den letzten Jahren leider immer noch nicht zur Vergangenheit des Heeres. Auch zwischen 1996 und 1999 wurde eine Reihe von Bundesheerangehörigen - ihre Zahl schwankte zwischen 250 und 300 jährlich - bei der Parlamentarischen Bundesheer-Beschwerdekommission vorstellig und brachte ihre Klagen vor.

In ihren dem Nationalrat kürzlich präsentierten Jahresberichten dokumentiert die Kommission penibel die gemeldeten Vorkommnisse und die Art der jeweiligen Erledigung. Verteidigungsminister Herbert Scheibner stellte fest, dass von Seiten des Ressorts über alle Beschwerden umfangreiche Erhebungen geführt und - vielfach bereits im Zuge der Untersuchungen - die erforderlichen Maßnahmen getroffen wurden. Dazu zählen Belehrungen, in "gravierenden Fällen" auch die Einleitung von Disziplinarverfahren oder die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft.

Empfehlungen der Beschwerdekommission, beispielsweise für die finanzielle Berücksichtigung der Nachbereitung von Auslandseinsätzen oder die Anhebung des Mindestalters beim Antritt der Eignungsprüfung zum Ausbildungsdienst auf 18 Jahre hat das Ressort bei der Vorbereitung von Gesetzesnovellen berücksichtigt. Außerdem wurden Erlässe überarbeitet, etwa um den Begriff "erzieherische Maßnahmen" zu konkretisieren, und Mannschaftsräumlichkeiten saniert. Ein Heeresvertragsarzt wurde "wegen unzureichender ärztlicher Information von Patienten, verbunden mit schroffem Umgangston bei der Behandlung" entlassen.

Generell entwickle sich die Bearbeitung von Beschwerdefällen in den letzten Jahren vom bloßen Aufzeigen und Abstellen von Missständen hin zur Konfliktbereinigung. Die Tätigkeit der überprüfenden Organe verlagerte sich damit von Sachverhaltsdarstellung und Ursachenfeststellung zur Lösung zwischenmenschlicher Konflikte. Die Ziele Minister Scheibners lauten, Missstände rasch und unbürokratisch abzustellen, Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen und Beschwerdeursachen effizient vorzubeugen (III-83 d.B. ).

WIE ENTWICKELTE SICH DIE ZAHL DER BESCHWERDEN?

Bereinigt um gleichlautende oder ähnliche Beschwerden nahm die Zahl der Beschwerdefälle 1996 gegenüber dem Vorjahr von 253 auf 297, also um 18 % zu. 1997 ging das Beschwerdeaufkommen nahezu im gleichen Ausmaß auf 254 Fälle zurück, stagnierte 1998 bei 259 Fällen und stieg 1999 wiederum auf 281 Fälle.

Die Erledigungsstatistik zeigt folgendes Bild: Die Zahl der berechtigten Beschwerden sank zunächst von 46 % (1996) auf 36 % (1997), dann weiter auf 17 % (1998) und nahm zuletzt, im Jahr 1999, wieder auf 24 % zu. Teilweise Berechtigung wurde 1996 23 %, 1997 22 %, 1998 46 % und 1999 26 % der Beschwerden zuerkannt.

WORÜBER KLAGTEN DIE SOLDATEN?

Anlass zu Beschwerden geben den Soldaten nach wie vor bauliche Mängel in Kasernen. In den Berichten liest man von überfüllten, desolaten Unterkünften (50 Mann in einem Zimmer), zu wenigen Duschen in großer Entfernung von den Unterkünften (200 m), was betroffene Soldaten fallweise veranlasste, "freiwillig" auf Körperhygiene zu verzichten.

Geklagt wurde in den Berichtsjahren auch über mangelhafte ärztliche Versorgung sowie darüber, dass militärärztliche Dienstbefreiungen oder -einschränkungen von Vorgesetzten nicht beachtet werden. Beispiele dafür bieten ein Grundwehrdiener, dem im Winter 1996 trotz beschränkter gesundheitlicher Dienstfähigkeit befohlen wurde, Schnee zu schaufeln, sowie ein anderer Soldat, der sich über unverhältnismäßig häufige Einteilung zu "Diensten vom Tag" trotz militärärztlichen Verbots beschwerte. Arztbesuche oder gesundheitliche Probleme von Soldaten wurden gelegentlich mit abfälligen Bemerkungen von Vorgesetzten quittiert. Ein Grundwehrdiener wurde von seinem Zugskommandanten wegen seiner Zahnspange gedemütigt: Er ließ ihn beim Gefechtsdienst einen, wenn auch nicht voll befüllten, 20 l-Kanister mit sich tragen, damit er seinen "erhöhten Wasserbedarf" bei der ärztlich angeordneten, regelmäßigen Reinigung der Zahnspange decken könne.

Außerdem erfährt man, das ein Unteroffizier einen Grundwehrdiener, der bei einem 12 km-Marsch zusammengebrochen war, den am Marschziel angetretenen Kameraden als "Beispiel für besonderes Durchhaltevermögen" präsentierte, statt den "auf zwei Ausbilder gestützten Soldaten" unverzüglich ins Heeresspital einzuliefern. -  Über unzureichende ärztliche Betreuung und unterlassene ärztliche Aufklärung über Ansteckungsgefahren klagten Soldaten im Zusammenhang mit Krätzmilbenbefall.

Wie schon in vergangenen Jahren informieren auch die aktuellen Beschwerdeberichte über Missstände im Ausbildungsbetrieb, über unzulässige oder schikanöse Ausbildungsmethoden sowie über Ausbilder, die - manchmal unter Alkoholeinfluss - Grundwehrdiener beleidigen und demütigen. So bewarf ein Unteroffizier einen Soldaten, den er vor der Kompaniekanzlei Grundstellung einnehmen ließ, aus der Kanzlei mit einer Plastikflasche, beschimpfte ihn als "Volltrottel" und rügte ihn dafür, der Flasche ausgewichen zu sein.

Zu den aufgezeigten schikanöse Ausbildungsmethoden zählen Kollektivstrafen, die Anordnung von Liegestützen, strafweiser ABC-Alarm, Schimpfwörter und menschenunwürdige Befehle. Ein Unteroffizier ließ etwa einen zur Essensausgabe anstehenden Grundwehrdiener die Meldung "Hier" auf einem Bein hüpfend wiederholen.

Auch militärische Vorgesetzte haben Fürsorgepflichten. Jener Offizier, der einem Grundwehrdiener am Vortag seiner Lehrabschlussprüfung erst um 22 Uhr dienstfrei gab, habe diese Pflicht verletzt, lautete etwa das Resultat einer Untersuchung, die das Verteidigungsministerium aufgrund einer als berechtigt erkannten Beschwerde durchführte.

DIE PARLAMENTARISCHE BUNDESHEERBESCHWERDEKOMMISSION

Die Bundesheerbeschwerdekommission besteht aus drei einander in der Amtsführung abwechselnden Vorsitzenden und aus sechs weiteren Mitgliedern, die von den politischen Parteien im Verhältnis ihrer Mandatsstärke im Hauptausschuss des Nationalrates nominiert werden. Im Jahr 1996 fungierten Abgeordneter Harald Ofner (F), der ehemalige S-Abgeordnete Walter Mondl und Joachim Senekovic (V) als Vorsitzende der Kommission. Im Jahr darauf trat Abgeordneter Gerald Tychtl (S) an Stelle von Walter Mondl in den seitdem personell unveränderten Vorsitz der Kommission ein.

Die Bundesheer-Beschwerdekommission ist ein eigenständiges und unabhängiges Prüforgan des Nationalrates analog zur Volksanwaltschaft. Ihren Empfehlungen an den Bundesminister für Landesverteidigung kommt beträchtliches Gewicht zu, da sie aufgrund der Zusammensetzung der Kommission von allen Fraktionen mitgetragen werden. Die Zusammenarbeit zwischen der parlamentarischen Bundesheer-Beschwerdekommission sowohl mit dem Nationalrat als auch mit dem Bundesminister für Landesverteidigung funktioniere ausgezeichnet, stellt die Kommission fest.

Das zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige Personal wird der Bundesheer-Beschwerdekommission vom Verteidigungsressort zur Verfügung gestellt. Das Ministerium bestreitet auch den erforderlichen Sachaufwand. In Angelegenheiten der Beschwerdekommission ist das Personal ausschließlich an Weisungen des amtsführenden Vorsitzenden gebunden. In dienst- und besoldungsrechtlichen Angelegenheiten besteht unbeschadet dessen die Personal- und Diensthoheit des Bundesministers für Landesverteidigung. In diesem Zusammenhang widerspricht der Verteidigungsminister einer Interpretation, wonach Angehörige des Büros der Bundesheer-Beschwerdekommission von jeder Personal- und Diensthoheit des Bundesministers für Landesverteidigung ausgeschlossen wären. (Schluss)