Parlamentskorrespondenz Nr. 239 vom 27.03.2001

WO POLITIK UND PARLAMENT "GEERDET" SIND

Wien (PK) - Bürgerinitiativen und Petitionen sind, als Elemente der direkten Demokratie, Einrichtungen, durch die Politik und Parlament "geerdet" sind. Als letzten Punkt der Tagesordnung debattierten die Abgeordneten am Dienstagabend einen Sammelbericht des Petitionsausschusses.

SAMMELBERICHT DES AUSSCHUSSES FÜR PETITIONEN UND BÜRGERINITIATIVEN ÜBER DIE PETITION NR. 6, 7 UND 9 SOWIE ÜBER DIE BÜRGERINITIATIVE NR. 3, 5, 6, 7, 8 UND 9

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Mag. Gisela WURM (S) stellte angesichts der unterschiedlichen Anliegen, die die Bürger an das Parlament herantragen, fest, dass sich die Sparwut der Bundesregierung stark auf die Menschen auswirke. Die Zivildiener etwa "nagen am Hungertuch", registrierte sie. Sie müssen auf Ersparnisse oder die Unterstützung durch die Eltern zurückgreifen - das sei unwürdig, wenn man an die Leistungen denke, die die Zivildiener für den Staat erbringen, sagte die Vorsitzende des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen.

In ihrem berechtigten Wunsch, das Schönbrunner Bad zu retten, sehen sich die Bürger wiederum dem Kompetenz-Wirrwarr mehrer Ministerien gegenüber, klagte Wurm weiter und unterstützte diese Bürgerinitiative, weil es wichtig sei, der Bevölkerung Gelegenheiten für das Schwimmen zu erhalten und dieses Bad überdies denkmalschützerische Beachtung verdiene. Positiv besprach die Abgeordnete auch das Verlangen einer Tiroler Bürgerinitiative nach Lärmschutzeinrichtungen und brachte abschließend ihr Bedauern darüber zum Ausdruck, dass die Mehrheit des Ausschusses nicht bereit war, eine Initiative gegen den Bildungsabbau dem zuständigen Unterrichtsausschuss zuzuweisen. "Wer am Bildungssystem spart, hat morgen Probleme mit dem Wirtschaftsstandort und gefährdet die Zukunft der Jugend", lautete das Credo der Abgeordneten Wurm.

Abgeordnete GATTERER (V) würdigte die gute Zusammenarbeit im Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen und unterstrich das Bemühen der Abgeordneten, den Anliegen der Bürger Gehör zu verschaffen. Der Ausschuss habe sein Arbeitstempo wesentlich erhöht, sagte Gatterer und erinnerte daran, dass heute bereits der zweite Sammelbericht in dieser Gesetzgebungsperiode vorliege. Konkret konzentrierte sich Gatterer auf die Erhaltung des Schönbrunner Bades und sprach sich dafür aus, die Wiener Stadtregierung darauf aufmerksam zu machen, dass sie für die Freizeiteinrichtungen der Wiener zuständig sei. Bedarf an legistischen Maßnahmen zur Verankerung der Schülerberatung an Berufsschulen, Thema einer anderen Initiative, sah Gatterer nicht, zumal Auskünfte aus den Ländern zeigten, dass für solche Einrichtung nur in Wien Bedarf bestehe - die Stadt Wien sollte sich zu ihren Einrichtungen bekennen und sie finanzieren, meinte die Abgeordnete einmal mehr.

Abgeordnete HALLER (F) befasst sich mit der Tiroler Bürgerinitiative für eine Lärmschutzwand in Erl und sprach die Hoffnung aus, dass sie möglichst bald errichtet werden könne. Das besondere Problem der dort lebenden Menschen bestehe darin, dass es sich um Lärm handle, der von einer bayrischen Autobahn stamme. Die Wand zum Schutz der Tiroler Bürger müsse daher auf bayrischem Gebiet errichtet werden - in einem geeinten Europa sollte grenzüberschreitender Lärmschutz möglich sein, zeigte sich Angeordnete Haller überzeugt.  

Abgeordnete HAIDLMAYR (G) kritisierte einmal mehr die "brutale Sparpolitik der Bundesregierung", durch die die Probleme der Menschen in den Regionen verschärft würden. Der Zivildienst etwa habe so starke Kürzungen hinnehmen müssen, dass er keine Alternative zum Wehrdienst mehr darstelle. Zivildienst könne sich nur noch leisten, wer keine Familie habe und über Ersparnisse verfüge, klagte die Abgeordnete. Gemeinnützigen Vereinen würden Zivildiener entzogen, ihre wichtige Arbeit damit behindert oder beendet. Die Auffassung, die Länder bräuchten keine Schülerberatung in den Berufsschulen teilte die Rednerin nicht. Dass Behörden in verschiedenen Ländern diese Beratung nicht wollten, überrasche sie nicht, diese Anfrage sei überflüssig gewesen.

Auch Abgeordneter WIMMER (S) ging auf die Initiative zur Änderung des Zivildienstgesetzes ein und sprach sein Bedauern darüber aus, dass diese Bürgerinitiative nicht an den Innenausschuss weitergeleitet wurde. Die Zivildienstgesetznovelle 2000 sei ein Schlag ins Gesicht engagierter junger Menschen gewesen, sagte Abgeordneter Wimmer und warf der Regierung vor, sie mache Zivildiener zu Sozialfällen. "So behandelt man Menschen nicht, die im Rettungswesen, in Pflegeheimen, in Spitälern und in wichtigen Beratungseinrichtungen für die Gesellschaft tätig sind", schloss Rainer Wimmer.

Abgeordneter KURZBAUER (V) widersprach seinem Vorredner und erinnerte ihn an die Zivildienstgesetz-Novelle, die seit 1. Jänner 2001 in Kraft sei. Die monatliche Pauschalvergütung sei bereits mit 1. Juli 2000 angehoben worden. Der Anspruch auf Verpflegung habe Eingang in die Rechtsordnung gefunden und die Aufwandsentschädigung wurde mit 1.1.2001 auf die ursprüngliche Höhe zurückgeführt. Der Vorwurf, die Aufwandsentschädigung sei gekürzt worden, sei daher nicht nachvollziehbar. Der Bedarf der Trägerorganisationen werde vollständig gedeckt. Die Zivildienstgesetz-Novelle 2001 stelle eine faire und umfassende Reform des Zivildienstes dar.

Abgeordneter Dr. KURZMANN (F) bezeichnet es als eine besondere Aufgabe der Volksvertreter, sich mit Anliegen auseinander zu setzen, die im Wege der direkten Demokratie an das Parlament herangetragen werden. Der Redner beschäftigte sich mit der Sicherung der Qualitätsstandards der Schulen und erinnerte an den jahrzehntelangen energischen Kampf der Freiheitlichen gegen parteipolitischen Einfluss an den Schulen. Im Vordergrund soll in der Schule die Wissensvermittlung und nicht parteipolitische Auseinandersetzungen stehen. Dem Vorwurf, Rasterfahndung und Lauschangriff verletzten die Menschenrechte, setzte der Redner entgegen, diese Instrumente seien im Kampf gegen die organisierte Kriminalität notwendig. "Wir werden wirksame Gesetze weder verschlechtern noch außer Kraft setzen", sagte Abgeordneter Kurzmann.

Abgeordneter Dr. RADA (S) machte darauf aufmerksam, dass Schülerberatungen von Berufsschullehrern freiwillig und gratis durchgeführt werden. Der Finanzausgleich, den diese Bundesregierung den Ländern verordnet habe, greife in das Bildungswesen ein und wirke sich negativ auf Integrationsbemühungen und den Fremdsprachenunterricht aus. Vieles werde bereits privat von Elternvereinen finanziert, da der Bildungsabbau auch das Frühwarnsystem und den Förderunterricht betreffe, klagte Abgeordneter Rada und bedauerte, dass die Initiative gegen den Bildungsabbau nicht dem Unterrichtsausschuss übermittelt wurde.

Abgeordneter Dr. PUMBERGER (F) befasste sich mit der Bürgerinitiative Nr. 7 und betonte, die Regierung sei auf dem besten Weg, den parteipolitischen Einfluss aus den Schulen herauszudrängen. Die FPÖ habe eine parteipolitische Instrumentalisierung der Schulen stets abgelehnt, bekräftigte er. Pumberger vermutet, dass sich die Unterzeichner der Bürgerinitiative auf die Zeit der SPÖ-Regierung beziehen, in der parteipolitische Einflussnahme an Schulen gang und gäbe gewesen sei. Im Hinblick auf eine andere Bürgerinitiative bekannte sich Pumberger zur Fristenlösung.

Abgeordnete Mag. MUTTONEN (S) meinte, es sei erstaunlich, dass es gleich mehrere Bürgerinitiativen und Petitionen gebe, die das Thema Jugend und Bildung ansprechen. Es gehe um die Qualität der Bildung, aber auch um das Schulklima. Die Unterzeichner sorgten sich, dass das Bildungswesen in die verkehrte Richtung gedrängt werde. Seit "neu regiert" werde, "kracht es im Gebälk", sagte Muttonen.

Abgeordnete BURKET (F) nahm zur Petition Nr. 6 Stellung und wies darauf hin, dass es im achten Wiener Gemeindebezirk größte Probleme mit dem Parkpickerl gebe. Auch sie selbst findet die Situation unerträglich. Bezirksbewohner würden zwar für das Parkpickerl bezahlen, dafür aber keine Gegenleistung bekommen, da Parkplätze rar seien. Burket forderte daher u. a. eine zeitliche Ausdehnung der Kurzparkzone sowie in Anbetracht des Geschäftssterbens Parkpickerl für die in der Josefstadt ansässigen Gewerbetreibenden.

Abgeordneter Dr. NIEDERWIESER (S) unterstrich die Notwendigkeit, Petitionen und Bürgerinitiativen ausreichend ernst zu nehmen. Die UnterzeichnerInnen würden sich vom Parlament Bürgernähe erwarten, erklärte er. Verteidigt wurde von ihm die Bürgerinitiative der Jungen Liberalen in Bezug auf Grund- und Menschenrechte. Ein Teil der Forderungen - keine Schubhaft für Kinder und Jugendliche, keine Schnellabschiebemethoden für AsylantInnen - müsste seiner  Ansicht nach von allen Abgeordneten unterstützt werden.

Abgeordneter HEINZL (S) wertete das Instrument der Bürgerinitiativen als ein wichtiges, das gewährleiste, dass regionale Probleme mit überregionaler Bedeutung im Parlament diskutiert werden könnten. Zu einer von Abgeordneter Haller eingebrachten Petition hielt er fest, Lärm sei ein großes Umweltthema, nicht nur in Tirol, sondern in ganz Österreich. So zählten die Anrainer der Westautobahn in Niederösterreich und die Anrainer der Westbahnstrecke in St. Pölten zu den am stärksten von Lärm Betroffenen. Heinzl verlangte daher als Übergangslösung bis zur Umsetzung von anderen Lärmschutzmaßnahmen die Einführung eines Tempolimits auf den entsprechenden Abschnitten der Westautobahn.

Der Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen wurde einstimmig zur Kenntnis genommen.

(Schluss)