Parlamentskorrespondenz Nr. 292 vom 19.04.2001

ANTI-EU-VOLKSBEGEHREN: EXPERTEN WERDEN ZU BERATUNGEN BEIGEZOGEN

Öffentliches Hearing für 21. Juni in Aussicht genommen

Wien (PK) - In Bezug auf das von 193.901 Personen unterstützte Volksbegehren zur Neuaustragung der EU-Volksabstimmung einigte sich der Verfassungsausschuss heute darauf, die Beratungen am 21. Juni unter Beiziehung von Experten und Expertinnen fortzusetzen. Von Seiten der VertreterInnen des Volksbegehrens wurden für diese Anhörung, die öffentlich stattfinden wird, Karl-Albrecht Schachtschneider von der Universität Erlangen und Erwin Bader vom Institut für Politologie der Universität Wien nominiert, die vor allem zu den Themenkomplexen Demokratie, Staatsrecht und Währung bzw. Neutralität und Frieden Stellung nehmen wollen. Zusätzlich hat jede Fraktion das Recht, ein bis zwei ExpertInnen namhaft zu machen.

Dem Wunsch der ProponentInnen des Volksbegehrens, weitere vier von ihnen genannte Experten - insbesondere auf den Gebieten Umwelt, Lebensmittel, Tierschutz und Völkerrecht - zu den Verhandlungen beizuziehen, kamen die Abgeordneten aus Gründen der Verhandlungsökonomie nicht nach, Grün-Abgeordnete Madeleine Petrovic wies aber auf die Möglichkeit hin, die betroffenen Personen von den Fraktionen selbst zu nominieren.

Die heutige Sitzung des Verfassungsausschusses bot den VertreterInnen des Volksbegehrens die Möglichkeit, ihre grundlegenden Positionen noch einmal kurz darzulegen. So machte Inge Rauscher geltend, dass es bei der EU-Volksabstimmung 1994 keine Chancengleichheit zwischen EU-Befürwortern und EU-Gegnern gegeben habe. Eine neuerliche Abstimmung böte ihrer Ansicht nach die Möglichkeit, entweder die EU-Mitgliedschaft "auf eine wirklich demokratische Grundlage zu stellen" oder diese wieder zu verwerfen. Rauscher zufolge wäre es außerdem notwendig, die neuerliche Abstimmung spätestens im Herbst dieses Jahres abzuhalten, da, sollte sich die Bevölkerung gegen die EU entscheiden, auch der Euro nicht eingeführt werden müsste.

Gabriele Wladyka brachte die EU-Erweiterung zur Sprache und stellte in Frage, ob die osteuropäischen Länder überhaupt einen EU-Beitritt wünschten. Eine EU-Mitgliedschaft wäre für die dortige Bevölkerung ihrer Auffassung nach nämlich "ein genauso schrecklicher Nachteil wie für uns". Die EU würde die lokale Wirtschaft, insbesondere die Landwirtschaft, zerstören. Wladyka appellierte zudem an die Politiker, den "schlechten" Vertrag von Nizza nicht zu ratifizieren, ohne vorher die Bevölkerung zu befragen. Weiters warnte sie vor einer Militarisierung der EU in Richtung Angriffskrieg.

Adolf Kriechhammer wies auf die Nachteile für die österreichische Landwirtschaft durch den EU-Beitritt hin und deponierte ein klares Nein zur industriellen Landwirtschaft. Er betonte außerdem, dass für die Vertreter des Volksbegehrens der Wert der Neutralität außerordentlich wichtig sei, dieser sich aber nicht mit den EU-Bestimmungen vertrage. Zur EU-Volksabstimmung 1994 merkte er an, "wir sind betrogen worden, die Wahrheit wurde nicht gesagt".

Die Abgeordneten gingen in ihren Wortmeldungen nicht direkt auf die Stellungnahmen der Vertreter des Volksbegehrens ein, sondern beschränkten sich auf kurze Statements. So erklärte Abgeordnete Madeleine Petrovic (G), es herrsche breiter Konsens darüber, dass es sowohl in Österreich als auch in der EU Missstände gebe und beispielsweise mehr in Richtung Ökologie getan werden müsse, die Meinungen, was geeignete Instrumente wären, um diese Missstände abzustellen, gingen aber auseinander. Abgeordneter Michael Krüger (F) gratulierte den ProponentInnen zu den 193.000 Unterstützungserklärungen, bekräftigte aber, dass er kein Befürworter des Volksbegehrens sei. Er fürchtet u.a., dass Österreich im Falle eines EU-Austritts total in die Isolation gedrängt würde.

Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer (V) gab zu bedenken, dass ein einseitiger Austritt Österreichs aus der EU aufgrund völkerrechtlicher Regeln nicht möglich wäre, einer Ansicht, der allerdings Abgeordneter Peter Schieder (S) widersprach. Dazu hielt Volksbegehrens-Vertreterin Rauscher fest, dass es sich formal um keinen Austritt, sondern um einen Widerruf des Beitritts handeln würde.

Staatssekretär Franz Morak machte auf die laufende Globalisierung aufmerksam und unterstrich, viele Probleme seien nicht national, sondern nur supranational zu lösen.

MASSENVERFAHREN VOR VFGH UND VWGH: BERATUNGEN ERNEUT VERTAGT

Erneut vertagt wurden die Beratungen über die VP-FP-Anträge 234/A, 306/A und 318/A sowie über den SPÖ-Antrag 150/A. Basierend auf diesen Anträgen hatten alle vier Fraktionen in der Sitzung des Verfassungsausschusses am 28. Februar einen gemeinsamen Gesetzesantrag eingebracht und diesen einem Begutachtungsverfahren unterzogen. Nunmehr wollen die Abgeordneten die eingelangten Stellungnahmen noch genau prüfen und, wie ÖVP-Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer erklärte, manche Vorschläge eventuell noch in den Gesetzesantrag einfließen lassen. Ziel des Vier-Parteien-Antrags ist es, sowohl den Verfassungsgerichtshof als auch den Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit Massenverfahren zu entlasten. Außerdem sieht der Antrag vor, dass Personal- und Sachangelegenheiten am VfGH in Hinkunft in die Kompetenz des jeweiligen VfGH-Präsidenten und nicht mehr unter die Verantwortlichkeit des Bundeskanzlers fallen. Zusätzlich soll die Staatsanwaltschaft in der Bundesverfassung verankert werden.

Ausschussvorsitzender Peter Kostelka bekräftigte, es sei das Ziel, in der nächsten Sitzung des Verfassungsausschusses einen Beschluss zu fassen.

Gleichfalls vertagt wurden die Beratungen über den SPÖ-Antrag 329/A, der die Einrichtung einer weisungsfreien Bundesstaatsanwaltschaft zum Inhalt hat.

In einer aktuellen Aussprache informierte Staatssekretär Franz Morak die Abgeordneten über die geplante Verwaltungsreform, die ORF-Reform und den Zeitplan zur Ratifizierung des Nizza-Vertrags.

(Fortsetzung)