Parlamentskorrespondenz Nr. 298 vom 20.04.2001

ÖSTERREICHS SOZIALQUOTE KNAPP ÜBER EU-DURCHSCHNITT

Wien (PK) - Dem Parlament wurde nunmehr vom Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen der fast 500 Seiten umfassende Bericht über die soziale Lage 1999 übermittelt. Dieser Bericht besteht aus zwei Bänden, einer befasst sich ausschließlich mit Datenmaterial, der zweite enthält Analysen und Ressortaktivitäten.

GESAMTWIRTSCHAFTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN

Die zentralen Eckdaten aus der Periode 1998 bis 2000 zeigen auf, dass das reale BIP-Wachstum 1999 rund +2,1 % betragen hat - 2000 wird es rund +3,5 % erreichen -, das Preisniveau um 1 % (für 2000 sind 2 % zu erwarten) gestiegen ist und die Beschäftigung um 1,1 % zugenommen hat. Für 2000 ist ebenfalls eine Zunahme von 1,1 % zu erwarten. Die Arbeitslosigkeit ist von 238.000 auf 222.000 Personen zurückgegangen, für 2000 ist eine weitere Bestandsabnahme von 12 % zu erwarten.

Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter hat in der Periode 1998 bis 1999 ihre Teilnahme am Erwerbsleben gesteigert. Rund 4,2 Millionen Personen sind im Laufe von 12 Monaten arbeitsmarktaktiv. Die Aktivitätsquote bei den Männern betrug in der Altersgruppe 15 bis 65 Jahre 84,9 % und bei den Frauen (15 bis 60 Jahre) 70,1 %. Von den 4,2 Millionen erwerbsaktiven Personen waren 1999 3,57 Millionen als Unselbständige voll versicherungspflichtig standardbeschäftigt. Rund 400.000 Personen hatten eine selbständige Beschäftigung bei der Sozialversicherung angemeldet; davon waren 352.000 ausschließlich als Selbständige erwerbstätig.

717.000 Personen mussten zumindest eine Periode der Arbeitslosigkeit hinnehmen. Darunter waren 127.000 Personen, denen es im Laufe des Jahres 1999 nicht gelang, eine Beschäftigung aufzunehmen.

EINKOMMEN, LEBENSSTANDARD UND SOZIALTRANSFERS

Um einen Lebensstandard an der Armutsgefährdungsschwelle zu erreichen, sind für manche Haushalte erhebliche Anstrengungen notwendig. Ein Haushalt mit 2 Erwachsenen und 3 oder mehreren Kindern muss ein monatliches Nettoeinkommen von rund 27.000 S (12 mal jährlich) erreichen, um jedem seiner Mitglieder einen Lebensstandard zumindest an der Armutsgefährdung zu gewähren. Befinden sich kinderreiche Familien auf einem derartigen Lebensniveau, so stammen etwa 70 % des Gesamteinkommens aus Erwerbstätigkeit und der Rest vor allem aus Sozialtransfers. Singlehaushalte benötigen ein monatliches Nettoeinkommen von rund 10.000 S für einen Lebensstandard an der Armutsgefährdungsgrenze. Single mit einem derartigen Gesamteinkommen sind in der Mehrzahl nicht oder nur geringfügig erwerbstätig. Nur 28 % ihres Einkommens stammen aus Erwerbstätigkeit und mehr als die Hälfte werden als Sozialtransfers bezogen.

Während im unteren Lebensstandardbereich die Sozialtransfers einen bestimmenden Einfluss auf das Haushaltseinkommen ausüben, spielen diese für Haushalte mit gehobenem Lebensstandard nur eine untergeordnete Rolle. Im gehobenen Bereich erzielt ein Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern ein monatliches Haushaltsnettoeinkommen von rund 63.000 S; davon entfallen nur 7 % auf Sozialtransfers. Ein Einpersonenhaushalt mit gehobenem Lebensstandard erreicht ein monatliches Nettoeinkommen von rund 28.000 S. Ein solcher Haushalt enthält im Durchschnitt 12 % seines monatlichen Netteinkommens in Form von Sozialtransfers, wovon 11 % pensionsähnliche Sozialleistungen und 1 % Sozialtransfers im engeren Sinne sind.

DIE SOZIALAUSGABEN

Rund die Hälfte der Sozialausgaben - sie betrugen insgesamt 745 Mrd. S oder 28,5 % des Bruttoinlandsprodukts - wurde 1998 für die Alters- und Hinterbliebenenversorgung und ein Viertel für Krankheitsleistungen aufgewendet. Für Familienleistungen wurde rund ein Zehntel der gesamten Sozialleistungen ausgegeben, für Invaliditätsleistungen im erwerbsfähigen Alter 9 % und für Arbeitslosenleistungen 6 %.

Insgesamt stiegen die empfängerwirksamen Sozialausgaben zwischen 1990 und 1998 um 54 %. Im selben Zeitraum nahm die für die Beitragsentwicklung im starken Ausmaß ausschlaggebende Lohn- und Gehaltssumme um 37 % zu. Die Verbraucherpreise stiegen von 1990 bis 1998 um 23,5 %.

Wie es im Bericht heißt, sind sowohl der seit 1990 zu beobachtende Anstieg der Arbeitslosenleistungen (+84 %) als auch der Invaliditätsleistungen im erwerbsfähigen Alter (+89 %) sowie die daraus resultierende Anteilssteigerung auf 5,6 % bzw. 8,6 % der gesamten Sozialausgaben wesentlich durch die Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation verursacht.

ÖSTERREICHS SOZIALAUSGABEN IM MITTELFELD DER EU-LÄNDER

Im internationalen Vergleich liegt der Anteil von Österreichs Sozialausgaben an der gesamten Wirtschaftsleistung im Mittelfeld der Mitgliedsländer der Europäischen Union. Mit einer Sozialquote von 28,8 % lag Österreich 1997 knapp über dem EU-Durchschnitt von 28,2 %. Von 1980 bis 1997 stieg die Sozialquote um 2,2 %-Punkte, während der Anstieg im EU-Durchschnitt 3,9 %-Punkte betrug.

Die höchsten Sozialausgaben in Relation zur Wirtschaftsleistung weisen in der EU die nordischen Länder Schweden (33,7 %) und Dänemark (31,4 %) aus. Auch die Niederlande, Frankreich, Deutschland und Finnland rangieren vor Österreich. In Großbritannien liegt die Sozialquote um 1,4 %-Punkte unter dem EU-Durchschnitt.

BEHINDERTENPOLITIK

Zum 31.12.1999 gehörten insgesamt 77.839 Personen dem Kreis der begünstigten Behinderten an, das sind um 2.600 mehr als 1998.

Von den 80.739 Pflichtstellen waren 53.093 mit begünstigten Behinderten besetzt; damit wurde die Beschäftigungspflicht zu 66 % erfüllt.

In den derzeit acht integrativen Betrieben mit insgesamt 23 Betriebsstätten standen zum 1.1.2000 1.698 Personen, davon 1.382 Behinderte, in Beschäftigung bzw. in Erprobung oder Lehre.

Für Individualförderungen wurden 267,1 Mill. S aufgewendet.

Die Bundesozialämter bieten mit Hilfe des Europäischen Sozialfonds und des Ausgleichstaxfonds zusätzliche Programme zur Schaffung von Arbeitsplätzen für Behinderte an. 1999 wurden dadurch 4.300 zusätzliche Ausbildungs- und Arbeitsplätze geschaffen. Dafür wurden 330 Mill. S zur Verfügung gestellt. Außerdem wurden im Rahmen der Arbeitsassistenz rund 3.300 Personen mit einem Aufwand von 54 Mill. S betreut.

DIE SOZIALE LAGE VON VERSCHIEDENEN BEVÖLKERUNGSGRUPPEN:

- KINDER UND JUGENDLICHE

Laut Statistik Österreich lebten in unserem Land im Jahresdurchschnitt 1999 1,855.000 Personen (905.000 weibliche, 950.000 männliche) im Alter bis zu 20 Jahren. 1996 verfügten 52 % der Jugendlichen von 15 bis 19 Jahren über kein persönliches monatliches Einkommen, von den 20- bis 24-Jährigen gaben 20 % an, über kein eigenes persönliches Einkommen zu verfügen.

- FRAUEN

Die Erwerbstätigkeit von Frauen ist seit den siebziger Jahren kontinuierlich angestiegen. 1999 war fast jede dritte Frau teilzeitbeschäftigt. Die Teilzeitquoten von verheirateten Frauen sind wesentlich höher als jene der Frauen mit einem anderen Familienstand. Untersuchungen zeigen, dass heute mehr Frauen ihre Erwerbstätigkeit aus Familiengründen unterbrechen als vor 20 Jahren. Die Länge der Unterbrechungsphase nahm hingegen stetig ab.

Im Laufe des Jahres 1999 haben etwa 70.300 Frauen ihren Karenzgeldbezug beendet. Zirka 29.3000 konnten ihre Erwerbstätigkeit nicht fortsetzen. Rund 5.900 Frauen machten Arbeitslosengeldansprüche geltend, die sie in früheren Beschäftigungsverhältnissen erworben haben.

- FAMILIEN

1999 gab es in Österreich mit 1,31 Kindern pro Frau erneut einen historischen Tiefstand und die Zahl der Geburten (78.138) war geringfügig kleiner als die Zahl der Sterbefälle. Der Anteil unehelicher Geburten betrug 30 %. Trotz Aufklärung und der Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln kommen 40 % der ersten Kinder, 25 % der zweiten und 46 % der dritten ungeplant zur Welt. Ein Drittel der Erstgeburten junger Mütter unter 20, aber mehr als drei Viertel der Kinder von Müttern über 25 sind geplant.

39.485 Paare haben geheiratet. Das durchschnittliche Alter bei der Erstheirat liegt bei 30 Jahren bei Männern und bei 27 Jahren für Frauen. 18.512 Ehen wurden rechtskräftig geschieden, 88 % aller Scheidungen erfolgten im Einvernehmen. Die durchschnittliche Dauer geschiedener Ehen lag bei 9,1 Jahre. Von den Scheidungen des Jahres 1999 waren 20.910 Kinder betroffen, davon waren 16.907 minderjährig. Etwas mehr als ein Drittel der geschiedenen Ehen war kinderlos.

- ÄLTERE GENERATION

In den letzten 50 Jahren vergrößerte sich die Zahl der über 60-jährigen von zirka 1 Mill. auf etwa 1,6 Mill. Personen. Nach Prognosen der Statistik Österreich werden bis zum Jahr 2035 je nach Entwicklung der Lebenserwartung zwischen 2,7 und 3 Mill. Personen im Alter von über 60 Jahren in Österreich leben.

- PFLEGEBEDÜRFTIGE MENSCHEN

Im April 2000 erhielten 269.621 Personen Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz, davon drei Viertel in den Pflegegeldstufen 1 bis 3. Rund 46.400 Personen (Stand Dezember 1998) erhalten ein Pflegegeld der Länder, davon sind rund zwei Drittel Frauen. Etwa 90 % der PflegegeldbezieherInnen sind älter als 60 Jahre.  Der Aufwand des Bundes für Leistungen nach dem Bundespflegegeldgesetz betrug im Berichtsjahr 18,654 Mrd. S.

Derzeit leben in unserem Land 65.000 über 60-jährige, das sind etwa 4 % der Senioren, in etwas mehr als 700 institutionellen Einrichtungen. Ambulante Dienste werden von ungefähr 50.000 über 60-jährigen Personen in Anspruch genommen. Ein Großteil der älteren betreuungsbedürftigen Menschen erhält die notwendige Unterstützung durch informelle Betreuungsleistungen.

- ARMUTSGEFÄHRDETE UND ARME PERSONEN

1997 waren etwa 900.000 Personen von Armutsgefährdung und darunter 340.000 von akuter Armut betroffen. Die höchsten Risiken tragen dabei unbeschäftigte Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose, Personen in Haushalten ohne jede Beschäftigung, allein lebende Senioren und Bürger aus Nicht-EU-Staaten.

- GERINGFÜGIG BESCHÄFTIGTE

Von Jänner 1995 bis Dezember 1999 hat sich die Zahl der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse von 128.600 (35.500 Männer, 93.000 Frauen) auf 196.200 (55.400 Männer, 140.800 Frauen) erhöht. Von den im Jahr 1999 erfassten geringfügig Beschäftigten waren beinahe drei Viertel Frauen. Die meisten geringfügig Beschäftigten waren im Einzelhandel tätig, gefolgt von den unternehmensbezogenen Dienstleistungen und dem Beherbergungs- und Gaststättenwesen.

53 % der geringfügig Beschäftigten waren ausschließlich geringfügig beschäftigt, 47 % hatten ein zusätzliches Versicherungsverhältnis. Im Dezember 1999 waren 23.700 geringfügig Beschäftigte selbst versichert. Die Beitragseinnahmen haben sich auf rund 95 Mill. S belaufen. Etwa drei Viertel davon entfielen auf die Pensionsversicherung, ein Viertel auf die Krankenversicherung. Die Dienstgeber haben für die geringfügig Beschäftigten Beiträge in der Höhe von 560 Mill. S an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger überwiesen, weitere 160 Mill. S entfielen auf die Krankenversicherung.

(Schluss)