Parlamentskorrespondenz Nr. 398 vom 30.05.2001

KURSWECHSEL IN DER HEIMISCHEN KULTURPOLITIK IM MEINUNGSSTREIT

Wien (PK) - Zu einer Grundsatzdiskussion über die Wege der heimischen Kulturpolitik entwickelte sich die heutige Sitzung des Kulturausschusses des Nationalrates. Während die Opposition für eine verstärkte Unterstützung der heimischen Künstler warb, votierten die Regierungsparteien für eine marktgängigere Orientierung österreichischer Kunstproduktion.

Als erster Tagesordnungspunkt stand der Kunstbericht 1999 (III 78 d.B.) zur Debatte, ein Bericht, der noch von der "alten" Regierung erstellt, aber von der "neuen" dem Nationalrat zugeleitet worden war. Nach dem Ausscheiden von Kunstminister Scholten hatte 1997 Staatssekretär Wittmann die Kunstagenden übernommen.

Und in der Tat setzte sich im Jahr 1999 jener Kurs fort, der schon in den beiden Jahren zuvor eingeschlagen worden war, oder, wie es Andreas Mailath-Pokorny, zum Zeitpunkt der Zuleitung des Berichts an den Nationalrat Leiter der Kunstsektion, beschreibt: "Während vor allem in den 80er und frühen 90er Jahren die Kunstförderung budgetär teilweise hohe Steigerungsraten erzielen konnte, sind die späten 90er Jahre von stagnierenden Budgets gekennzeichnet. Das bedeutet sowohl für die Kulturpolitik als auch für die Kunstverwaltung eine stärkere Ausrichtung auf die Konzentration der Förderungsmittel und die Schwerpunktsetzung."

Real bedeutete dies, dass nur noch ein knappes Drittel der Förderansuchen positiv beschieden werden konnte, was aber, so Mailath-Pokorny, dafür spreche, "dass es bei der Kunstförderung keineswegs um Subventionierung mit der Gießkanne geht, sondern eine sorgfältige Auswahl über Beiräte, Experten, Jurys und Fachbeamte getroffen wird." Durch Umschichtungen im zur Verfügung stehenden Gesamtbudget gelang es dennoch, die Mittel für die einzelnen Kunstsparten im wesentlichen auf dem Vorjahrsniveau zu halten und teilweise sogar punktuell zu erhöhen.

Von Anfang an konzentrierte sich die Debatte im Ausschuss auf das Thema Film. Die Abgeordnete Ilse Burket (F) etwa wollte wissen, was mit den 100 Mill. S Sonderfilmförderung produziert wurde. Abgeordneter Josef Cap (S) zeigte sich besorgt über die Auswirkungen der von der Regierung intendierten ORF-Reform auf die heimische Filmwirtschaft und urgierte eine entsprechende Unterstützung für diesen Bereich.

In der Prioritätendiskussion angesichts des Nulldefizitziels komme der Film nicht vor, so Cap, und dies sei zu bedauern. Hier könne man von den Salzburger Festspielen lernen, deren Lobby dafür sorge, dass diese Institution den Sparkurs unbeschadet überstehe. Für den Film jedoch gelte es, alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Hier sei nicht nur Staatssekretär Morak gefordert, sondern auch Wirtschaftsminister Bartenstein, die Kammern und viele mehr. Insofern stehe durch die Pläne der Regierung zum ORF eine Einschränkung der Möglichkeiten für den österreichischen Film zu befürchten, warnte Cap, der Kritik an manchen Formulierungen Moraks übte, für die Definitionen erforderlich wären. Wenn man etwa fordere, Kunst müsse sich bewähren, so stelle sich die Frage, vor wem diese Bewährung erfolgen müsse, vor dem Markt, vor dem Publikum oder vor dem zuständigen Beamten. Hier brauche es eine substantielle Debatte, mahnte der Redner.

Dieser Ansicht schloss sich auch Eva Glawischnig (G) an, die meinte, die kreativen Potentiale in Österreich seien durch den restriktiven Sparkurs ernsthaft gefährdet, zumal die Sondertranchen abgeschafft worden seien. Ungeachtet der Diskussionen um das so genannte Nulldefizit müssten Investitionen in die Zukunft außer Streit gestellt werden, sagte Glawischnig. Es blute ihr das Herz, so die G-Abgeordnete, wenn die Regierung für "irgendeinen Schmarren wie die Nachtsichtgeräte für das Bundesheer" Unsummen ausgebe, während beim Film gespart werde.

Im übrigen sprach Glawischnig sich für wichtige Kulturtraditionen, wie sie im österreichischen Film zum Ausdruck kämen und die vom Publikum auch überaus positiv angenommen würden, aus. Kritikwürdig fand sie die Aussagen der Regierungsvertreter zum angeblich vorhandenen "Pawlowschen Förderungsreflex". Was die Regierungsparteien bislang gezeigt hätten, sei ein "Pawlowscher Spar-Reflex", eine neue Kulturpolitik müsse jedoch fraglos mehr zu bieten haben als flächendeckende Einsparungen.

Weiters meldete sich eine Reihe sozialdemokratischer Mandatare zu Wort. Inge Jäger würdigte die Tätigkeit lokaler Kulturinitiativen und forderte deren Förderung. Außerdem warnte sie davor, kritischen Künstlern finanzielle Mittel vorenthalten zu wollen. Georg Oberhaidinger sprach sich gegen eine Kürzung des Kulturbudgets aus, Christine Muttonen thematisierte den Umgang mit den österreichischen Kulturinstituten, Beate Schasching erkundigte sich nach der Basis für die zukünftige Kulturpolitik, und Peter Wittmann sprach den Staatssekretär auf den Vorschlag des Wiener Kulturstadtrates Andreas Mailath-Pokorny an, zum österreichischen Film eine eigene Enquete zu veranstalten.

V-Abgeordnete Andrea Wolfmayr wiederum dankte Morak für dessen Unterstützung des kreativen Potentials und mahnte eine neue Struktur im Kulturbereich ein. Ausschussobfrau Brigitte Povysil (F) befasste sich mit steuerlichen Aspekten im Kunstbetrieb und wollte von Morak wissen, wie sich der von ihm beabsichtigte Paradigmenwechsel in der Kulturpolitik zu Buche schlagen werde. Detailfragen stellten die Abgeordneten Gertrude Brinek (V), Eduard Mainoni und Hans Sevignani (beide F) sowie Reinhold Mitterlehner (V), der anregte, den Bericht künftig so zu gestalten, dass auch ein internationaler Vergleich möglich sei.

Staatssekretär Franz Morak meinte, es könne beim heimischen Film nicht um Einmaleffekte gehen, sondern es brauche grundsätzliche Weichenstellungen. Gerade in den Strukturen sei enormer Nachholbedarf gegeben, den die Regierung mit geeigneten Massnahmen auszufüllen gedenke. Neue Mediengesetze, die Förderung der Möglichkeiten des Privatfernsehens und weitere Umgestaltungen zielten auf eine Verbesserung des Ist-Zustandes ab. Ziel sei es, die öffentlichen Mittel mit privaten Geldern aufzustocken, was auch mehr Internationalität bedingen könnte, was wiederum gut für die Schauspieler und die Filmschaffenden sei. Man dürfe nicht vergessen, dass schon jetzt zahlreiche Produktionen - nicht zuletzt etwa "Kommissar Rex" - durch deutsche Privatsender cofinanziert würden. Dieser Weg habe sich bewährt und sollte weitergegangen werden. Gleichzeitig dürfe man aber nicht vergessen, dass Geld allein noch nicht der Film sei, denn wie Jean Gabin einmal gesagt habe, komme es beim Film auf drei Dinge an: das Drehbuch, das Drehbuch und das Drehbuch.

Perspektivisch, so Morak weiter, werde man aber zu einem "deutschsprachigen Film" kommen müssen, denn der "österreichische Film" rechne sich nicht. So erfolgreich z.B. "Hinterholz 8" in Österreich gewesen sei, kommerziell sei er trotz niedriger Produktionskosten kein Erfolg gewesen. Generell gehe es aber darum, Handlungsspielräume zu erweitern, um einen Dialog zwischen Kunst und Publikum zu ermöglichen. Man müsse sich fragen, in welchem Verhältnis stünden die Investitionen in die Infrastruktur einerseits und in die Kreativität andererseits und welche Vorgangsweise wäre daher zweckmässig. Morak kündigte an, dass man auch weiterhin intensive Kontakte mit den Nachbarländern pflegen und sich auch weiterhin an den diversen Bie- und Diagonalen beteiligen werde. Dabei wolle man verstärkt auf örtliche Veranstalter setzen, weil jene die Bedingungen vor Ort am besten kennen würden.

Ziel des österreichischen Films müsse es sein, sich international durchzusetzen. Heute stehe die Kunst in Konkurrenz zum anderen Anbieter, und dies sei durchaus befruchtend, wie man am Beispiel der heimischen Architektur sehen könne, die eine "Weltnummer" sei.

Der als Experte beigezogene ÖFI-Chef Franz Schedl referierte sodann über die Entwicklung auf dem heimischen Kinomarkt. Jährlich kämen in Österreich im Schnitt 240 neue Filme in die Kinos, von denen etwa ein Drittel europäische Produktionen seien. Diese sähen ca. zwei der insgesamt 15 Millionen Kinogeher. Der österreichische Anteil an diesem Segment betrage durchschnittlich knapp unter zehn Produktionen, wobei im Jahr 1999 immerhin vier österreichische Filme gemeinsam eine knappe Million Zuschauer angelockt hätten. In der Gesamtstatistik befinde sich Roland Düringers "Hinterholz 8" mit 617.000 Zusehern hinter "Star Wars Episode 1" an 2. Stelle, auf Platz 22 folge Alfred Dorfers "Wanted" mit ca. 200.000 Besuchern. Auf den Rängen 56 und 62 fänden sich schliesslich "Drei Herren" mit Karl Merkatz, Karl Markovics und Ottfried Fischer sowie Schwabenitzkys "Eine fast perfekte Hochzeit". Bemerkenswert, so Schedl weiter, sei auch, dass österreichische Filme im Ausland oftmals hohe Auszeichnungen erhielten - zuletzt etwa Barbara Alberts "Nordrand" und, jüngst in Cannes, Michael Hanekes "Die Klavierspielerin" - und durchaus in zahlreiche Länder verkauft würden. Insgesamt sei das heimische Filmschaffen also ebenso beachtlich wie qualitätvoll, resümierte Schedl.

Der Kunstbericht 1999 wurde in der Abstimmung einstimmig zur Kenntnis genommen und somit im Ausschuss enderledigt.

ZEHN MILLIONEN SCHILLING MEHR FÜR KÜNSTLERSOZIALVERSICHERUNGSFONDS

Im Anschluss an die Debatte über den Kunstbericht 1999 hielt der Kulturausschuss eine aktuelle Aussprache ab, bei der u. a. das Museumsquartier, die Künstlersozialversicherung, die Umstrukturierungen in der Kunstsektion und das Folgerecht zur Sprache kamen. So wollte Abgeordneter Walter Posch (S) von Staatssekretär Franz Morak wissen, ob dieser daran denke, die Künstlersozialversicherung in Richtung Kranken- und Unfallversicherung auszubauen, ein Anliegen, das von Abgeordnetem Reinhold Mitterlehner (V) sehr skeptisch beurteilt wurde. Mitterlehner argumentierte, dass bereits die erste Phase der Umsetzung zu heftiger Kritik seitens der Wirtschaft geführt habe, da sie dafür 50 Mill. S aufwenden müsse.

Staatssekretär Franz Morak informierte die Abgeordneten darüber, dass noch vor der Sommerpause ein Beschluss über die Leitung des Künstlersozialversicherungsfonds gefasst werden solle. Zu einem weiteren Ausbau der Künstlersozialversicherung in Richtung Unfall- und Krankenversicherung wollte er jedoch nichts sagen. Man sei gerade dabei, das, was beschlossen worden sei, auf die Beine zu stellen, unterstrich Morak, über weitere Folgeschritte zu reden, sei er außer Stande. Zu kritischen Beiträgen von Autoren über die Künstlersozialversicherung und die Fonds-Lösung merkte Morak an, er sei "entsetzt" über die "Desolidarisierung" unter der Künstlerschaft.

Der provisorische Leiter des Künstlersozialversicherungsfonds Franz-Leo Popp berichtete ergänzend zu Moraks Ausführungen, dass der Fonds im Jänner seine Arbeit aufgenommen habe. Von bisher eingelangten 3.050 Anträgen sind demnach 2.200 bescheidmäßig erledigt, die restlichen 850 sollten bis Ende Juni bearbeitet sein. Wie viele Künstler insgesamt Mittel aus dem Fonds erhalten werden, lässt sich nach Meinung Popps noch nicht abschätzen, in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage gehe man von 7.000 aus.

Wie Popp weiters mitteilte, werden dem Fonds um 10 Mill. S mehr als ursprünglich berechnet zur Verfügung stehen. Grund dafür ist, dass die von den Kabelnetzbetreibern und den Importeuren von Satelliten eingehobenen Abgaben voraussichtlich nicht 50 Mill. S, sondern 60 Mill. S betragen werden. Insgesamt würden dem Fonds daher nicht 84 Mill. S, sondern 94 Mill. S zur Verfügung stehen.

Direkte Probleme mit dem Fonds gibt es Popp zufolge nicht, allerdings klagten viele Künstler über die Pflichtversicherung. Für 45- bis 50-Jährige, die nunmehr erstmals pflichtversichert seien, sei überdies die Frage der Erwerbsunfähigkeits- und Hinterbliebenenpension unbefriedigend gelöst, weshalb es bereits Initiativen zur Änderung des Gesetzes gebe. Schließlich sei die Frage nicht ganz geklärt, wann Film- oder Theaterschaffende "neue Selbständige" seien und wann nicht.

Was die Umstrukturierung in seinem Ressort betrifft, bekräftigte Morak erneut, dass diese nicht gegen Beamte gehe, sondern dazu diene, Synergien zu nutzen. Es mache keinen Sinn, wenn sich drei Abteilungen mit Film und zwei Abteilungen mit Literatur beschäftigten, meinte er. Die Budgetansätze bleiben Morak zufolge von der Umstrukturierung unberührt, es stimme daher nicht, dass etwa Kinderbücher oder Kinderbuchverlage nicht mehr gefördert würden.

Ein generelles Problem sieht Morak darin, dass ein Großteil der Kunstförderung des Bundes in Wien "geparkt" wird, während Initiativen in anderen Bundesländern kaum Förderungen erhielten. Diese Unverhältnismäßigkeit ist für den Staatssekretär "teilweise fast beschämend". In diesem Sinn hält er eine neue Aufmerksamkeit für jene Aktivitäten, die in den Bundesländern passierten, für erforderlich. Morak will zwar, wie er versicherte, keine augenblickliche Umverteilung der Förderungen, seine Sektion sei sich dieses Problems aber bewusst.

Noch keine konkreten Konzepte gibt es laut Morak hinsichtlich der Schaffung einer Bundesländerplattform unter dem Titel "Quartier 9" im Museumsquartier. Diese Idee sei das erste Mal auf der Tagung der Landeskulturreferenten angerissen worden, erklärte er, jetzt seien die Länder gefordert, Überlegungen anzustellen. Der Bund würde eine solche Plattform zu 50 Prozent unterstützen, wobei ein Kostenrahmen von 1 bis 1,5 Mill. S in Aussicht genommen ist. Nach Meinung Moraks ist die Frage insofern nicht dringend, als eine etwaige Plattform im alten Trakt des Museumsquartiers eingerichtet werden sollte, welcher erst im kommenden Jahr fertiggestellt wird.

Zum Thema Folgerecht führte der Staatssekretär aus, derzeit befinde sich die entsprechende EU-Richtlinie im Vermittlungsverfahren, es werde über einen tragfähigen Kompromiss verhandelt. Österreich werde allerdings weiter gegen das Folgerecht eintreten. "Möglicherweise wird uns das aber nichts helfen", meinte Morak, da Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit fallen. Neben Österreich sind ihm zufolge auch Großbritannien, Irland und die Niederlande kritisch gegen die EU-Richtlinie eingestellt.

Zurückgewiesen wurde von Morak ein Vorwurf von Abgeordnetem Peter Wittmann (S), wonach er zur Aktion von Christoph Schlingensief vor der Staatsoper keine Erklärung zugunsten der Kunst abgegeben oder den Künstler vor ungerechtfertigten Angriffen in Schutz genommen habe. Morak bekräftigte, er habe zum damaligen Event sehr wohl Stellung genommen und gesagt, dass die Kunst frei sei, "zu jeder Tages- und Nachtzeit".

Auf eine Frage von Christine Muttonen (S) teilte eine Vertreterin der Kunstsektion den Abgeordneten mit, dass ihr Ressort auf die prekäre Situation etablierter Kärntner Kunstinitiativen reagiert habe. Man sei bemüht, einen gewissen Ausgleich zu den Förderkürzungen des Landes zu schaffen, auch wenn die Ausfälle nicht 100prozentig übernommen werden könnten.

(Schluss)