Parlamentskorrespondenz Nr. 408 vom 01.06.2001

SOZIALVERSICHERUNG: HAUPT BEHARRT AUF ERNEUERUNG DES HAUPTVERBANDS

Wien (PK) - Die angespannte Situation der Sozialversicherungen und die Pläne der Regierung in diesem Bereich standen heute im Mittelpunkt einer aktuellen Aussprache von Sozialminister Herbert Haupt mit den Abgeordneten des Sozialausschusses. Haupt verwahrte sich dabei im Zusammenhang mit der geplanten Ablöse des Präsidenten des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger Hans Sallmutter gegen Vorwürfe, die Regierung betreibe eine Anlassgesetzgebung. Der Grund für die Erneuerung der Struktur des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger sei keine "Machtdemonstration gegenüber Sallmutter", versicherte Haupt, vielmehr solle damit die Umsetzung eines ambitionierten Programms ermöglicht werden. Wie Haupt den Abgeordneten berichtete, hat sich der Ministerrat darauf geeinigt, die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen so zu ändern, dass es am 1. August zu einer Neubesetzung der Führungsorgane des Hauptverbandes kommt.

Für die Erneuerung der Struktur des Hauptverbandes gibt es dabei dem Minister zufolge zwei Modelle, eines des Ministeriums und eines der Sozialpartner. Um die Vorschläge zu beraten, sei ein Lenkungs- und Planungsausschuss eingesetzt worden, in den auch die Sozialpartner einbezogen sind. Fest steht für Haupt, dass auch die künftige Struktur des Hauptverbandes auf der Basis der Selbstverwaltung beruhen wird. Seinen Vorstellungen nach soll sich außerdem ein mit Experten besetztes Lenkungsgremium mit grundlegenden Fragen und Problemen der Krankenversicherung beschäftigen.

Eingeleitet wurde die Aktuelle Aussprache, in der neben der geplanten Erneuerung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger auch die finanzielle Lage der Krankenversicherungen, die Medikamentenkosten, die Abschaffung der beitragsfreien Mitversicherung, das Behinderteneinstellungsgesetz und eine mögliche Gratisimpfung von Feuerwehrleuten gegen Hepatitis zur Sprache kamen, mit zahlreichen Fragen an Sozialminister Haupt. Sowohl SPÖ als auch Grüne übten im Zusammenhang mit der in Aussicht genommenen Ablöse von Hans Sallmutter Kritik an der Vorgangsweise der Regierung und warfen dem Minister vor allem vor, Anlassgesetzgebung zu betreiben. Mit personellen Veränderungen im obersten Verwaltungsgremium werde die Regierung keine Sanierung der Versicherungen herbeiführen können, meinte etwa Abgeordneter Karl Öllinger (G).

Öllinger zeigte außerdem kein Verständnis dafür, dass Sozialminister Haupt einer Senkung der Krankenversicherungsbeiträge für Kindergeldbezieher und Arbeitslose zugestimmt habe. Von dieser Maßnahme profitiere lediglich Wirtschaftsminister Bartenstein, der sich damit Versicherungsbeiträge für Arbeitslose erspare, erklärte er, während die Krankenversicherungen mit Mindereinnahmen von jährlich 2 Mrd. S bis 3 Mrd. S konfrontiert seien. Der Sozialsprecher der Grünen sieht das als "ganz gezieltes Programm zur Schwächung der Krankenversicherung und des Gesundheitssystems". Als "skandalös" wertete er schließlich, dass die Abgeordneten drei Tage nach dem Ministerratsbeschluss den Regierungsentwurf über das Kinderbetreuungsgeld noch immer nicht in Händen hielten.

Abgeordneter Karl Donabauer (V) machte geltend, dass Österreich im internationalen Vergleich ein hervorragendes Sozialsystem habe. Die Frage der Neustrukturierung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger will er nicht personenbezogen diskutiert wissen. Die Herausforderungen, vor denen man stehe, seien vielmehr ein größeres Leistungsangebot und höhere Aufwendungen durch die längere Lebensdauer, sagte er. In Richtung Hauptverband mahnte Donabauer, in einer so sensiblen Situation solle man mit Zahlen sorgfältiger umgehen.

Abgeordneter Arnold Grabner (S) äußerte sich kritisch zur Abschaffung der beitragsfreien Mitversicherung und meinte, diese Maßnahme habe viel gekostet, ohne etwas zu bringen.

Sozialminister Herbert Haupt wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die Regierung im Zusammenhang mit der angespannten Situation der Sozialversicherungen zwei Punkte im Blickpunkt habe. Zum einen gehe es um die finanzielle Stabilisierung der Krankenversicherungen, zum anderen solle es zu einer gänzlichen Erneuerung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger kommen. Da, wie Haupt meinte, eine Stabilisierung der Zahlungsfähigkeit der Krankenversicherungen mit Ende dieses Monats "absehbar und durchsetzbar" ist, könne nun in einer zweiten Phase die Erneuerung des Hauptverbandes in Angriff genommen werden.

Um die finanzielle Situation der Krankenversicherungen zu verbessern, strebt Haupt, wie er den Abgeordneten mitteilte, unter anderem eine Harmonisierung im Leistungsbereich an. Der erste Schritt dazu sei bereits mit der Gleichstellung von Arbeitern mit Angestellten gemacht worden, erläuterte er, er wolle aber etwa auch eine Harmonisierung des Zugangs zur Rehabilitation und zur Invaliditätspension erreichen. Darüber hinaus solle es im Sozialversicherungsbereich in Hinkunft nur noch zwei Sparten geben, als eine Sparte die Pensionsversicherung und als zweite Sparte die Krankenversicherung einschließlich der Unfallversicherung. Diese Spartenzusammenlegung werde, so Haupt, bereits vorbereitet. Um mehr Versicherungsnähe zu erreichen, sind zudem "Mehrsparten-Beratungsstellen" geplant, ein entsprechender Probelauf solle demnächst starten.

Einsparungen im Bereich der Sozialversicherungen erwartet sich Haupt außerdem durch die elektronische Vernetzung und durch einheitliche EDV-Systeme für alle Krankenversicherungsträger, wie er überhaupt weitere Einsparungspotentiale in der Verwaltung sieht. In diesem Zusammenhang warf der Minister den Versicherungen vor, Verwaltungskosten zum Teil verzerrt darzustellen. Hier gebe es einige Ungereimtheiten, meinte er, es dürfe keine Werbung für etwas erfolgen, was nicht erbracht werde. Einsetzen will sich der Minister weiters dafür, dass die Rücklagen der Versicherungen zu den üblichen Sätzen verzinst würden.

In Frage stellte Haupt diverse vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger präsentierte Daten. Ihm zufolge hat sich immer wieder bestätigt, dass das Zahlenmaterial des Sozialministeriums seriöser ist und näher an der Wirklichkeit liege als die Prognosen des Hauptverbandes. So habe der Hauptverband für heuer ein Defizit der Krankenkassen von 5 Mrd. S vorausgesagt, nach gestrigem Stand dürften es aber lediglich knapp über 3 Mrd. S werden. Auch die Einsparungseffekte bei Medikamenten seien mit über 600 Mill. S im Jahr 2000 deutlich besser ausgefallen als ursprünglich angenommen. Schließlich stimmten auch die Befürchtungen, wonach manche Gebietskrankenkasse zahlungsunfähig werden könnten, nicht, so habe etwa die Wiener Gebietskrankenkasse 1,8 Mrd. S an Rücklagen bei einer Zahlungsverpflichtung von 300 Mill. S.

Ausführlich nahm Haupt zur Frage der Medikamentenkosten Stellung, wobei er darauf hinwies, dass bereits zwei Methoden zur Senkung dieser Kosten erfolgreich praktiziert würden. Zu wenig Anreize für die Ärzte sieht Haupt momentan hingegen noch dafür, Nachfolgeprodukte, so genannte Generika, statt Originalpräparate zu verschreiben. Um die Spannen bei Medikamenten zu senken, ist sein Ressort laut Haupt mit allen Seiten in Verhandlung, wobei seiner Auffassung nach den Spannen bei Diagnostika bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden ist.

Auf eine konkrete Frage von Abgeordneter Brunhilde Plank (S) hielt Haupt wie zuvor bereits VP-Abgeordneter Donabauer fest, dass die Krankenversicherung der Bauern keine Überschüsse, sondern Abgänge habe. Es stimme aber nicht, dass sie, wie des öfteren behauptet, für das Defizit der Krankenkassen insgesamt hauptverantwortlich sei, da sie erst ab dem Jahr 2002 Anspruch auf Mittel aus dem Ausgleichsfonds haben werde.

In diesem Zusammenhang zeigte sich Haupt über die seiner Meinung nach bestehende mangelnde Solidarität zwischen den Krankenversicherungsträgern enttäuscht. Manche Krankenversicherung habe es - im gesetzlichen Einklang - verstanden, durch die Gestaltung der Rücklagen mehr aus dem Ausgleichsfonds zurückzubekommen als sie auf Grund ihrer finanziellen Situation eigentlich zurückbekommen hätte sollen, klagte er. Schließlich seien die Kassen mancher Bundesländer wegen der unterschiedlichen Versicherungsstruktur unverschuldet im Nachteil.

Zur Senkung der Krankenversicherungsbeiträge für Kindergeldbezieher und für Arbeitslosengeldbezieher merkte Haupt an, die Mindereinnahmen der Krankenversicherungen würden deutlich geringer ausfallen als von Abgeordnetem Öllinger behauptet. Er geht davon aus, dass es um die Größenordnung von 1 Mrd. S gehe, die durch diverse Einsparungen wettgemacht werden könnten.

Was die Abschaffung der beitragsfreien Mitversicherung betrifft, mussten die Einnahmenschätzungen nach Auskunft von Haupt von ursprünglich geschätzten knapp 800 Mill. S auf knapp 300 Mill. S revidiert werden. Genaue Zahlen würden aber erst nach der Endabrechnung 2001 vorliegen. Offenbar hätten viele Personen günstigere Versicherungsmöglichkeiten, etwa über eine geringfügige Beschäftigung gewählt, vermutet der Minister.

Dem Vorwurf der mangelnden Einbindung der Opposition in die Pläne der Regierung begegnete Haupt mit dem Vorschlag, jeden ersten Montag im Monat einen jour fixe mit Abgeordneten aller Fraktionen in seinem Ministerium abzuhalten. Zudem versicherte er, die Regierungsvorlage zum Kinderbetreuungsgeld so schnell wie möglich weitergeleitet zu haben.

Auf die von Ausschussvorsitzendem Helmut Dietachmayr (S) zur Sprache gebrachte Forderung nach einer Gratisimpfung von Feuerwehrleuten gegen Hepatitis erklärte der Sozialminister, es gebe nicht genug Geld, um jedem Feuerwehrmitglied eine Gratisimpfung zukommen zu lassen. Die Feuerwehren seien daher gefordert, tatsächlich nur jene zu nennen, die im technischen Bereich eingesetzt würden und damit in Gefahr gerieten, sich mit Hepatitis A, B oder C zu infizieren. Die Zahl der begünstigten Behinderten nach dem Behinderteneinstellungsgesetz bezifferte Haupt mit 18.800.

Vor der Aktuellen Aussprache waren die am 2. April unterbrochenen Beratungen des Sozialausschusses über die Änderung der Ambulanzgebühren ohne weitere Wortmeldung formal beendet worden, nachdem der entsprechende Verhandlungsgegenstand inzwischen bereits vom Plenum des Nationalrates erledigt worden ist. (Fortsetzung)