Parlamentskorrespondenz Nr. 418 vom 06.06.2001

ZITATESCHLACHT UM VERSTAATLICHTE UND PRIVATISIERUNG

Wien (PK) - Zu einer wahren Zitateschlacht gestaltete sich die Debatte über die Dringliche Anfrage (2517/J ) der Sozialdemokraten zur Zukunft der ÖIAG.

Abgeordneter EDLINGER (S) begründete die Dringliche Anfrage damit, dass ihm die "wirtschaftspolitisch chaotische Wendepolitik" Sorgen bereite. Derzeit sei eine Repolitisierung der ÖIAG im Gange, die Besetzung von Aufsichtsräten und Vorständen erfolge mit Personen, deren Qualifikationen zumindest zu hinterfragen seien; die Unternehmen würden auf eine Totalprivatisierung vorbereitet, womit es zu einem Ausverkauf der österreichischen Industrie käme, zeichnete Edlinger das Szenario, wie er die gegenwärtige Wirtschaftspolitik sieht. Aufgrund dieser Analyse, die der Redner mit zahlreichen Zitaten aus heimischen Medien untermauerte, könne er nur Unprofessionalität und Management by Chaos feststellen. Eigenständigkeit sei nicht mehr gefragt, vielmehr hätten stromlinienförmige Karrieristen Hochsaison. Die Handlungsfähigkeit und Unabhängigkeit der Unternehmen werde ausgehöhlt.

Edlinger kritisierte scharf die Ablöse zahlreicher Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder der ÖIAG durch Personen, die Präsident Prinzhorn in seiner Stiftung Freundschaftsdienste geleistet hätten. Diese Verflechtung sei ein Skandal, der seinesgleichen in Europa sucht, wetterte Edlinger in Richtung Koalitionsfraktionen. Es seien auch Leute bestellt worden, die mehr Erfahrung in der Politik als in der Wirtschaft vorweisen könnten oder Verkehrsbetriebe nur durch massiven Abbau von Arbeitsplätzen saniert hätten, fuhr Edlinger fort. Das Muster, nach dem man vorgehe, laufe folgendermaßen ab: Aufsichtsräte würden gesäubert, unliebsame Vorstandsmitglieder liquidiert. Die hohen Summen, die für die Abfertigungen ausbezahlt werden müssten, seien eine Verschleuderung öffentlichen Vermögens. Edlinger bezeichnete Prinzhorn als "Drahtzieher der österreichischen Industriepolitik", den die FPÖ mangels Kompetenz und die ÖVP mangels Rückhalt schalten und walten ließen. Der Regierung gehe es nicht um Standortsicherung und Kompetenz, auch nicht um kluge Konzepte für Österreichs Wirtschaft, sondern um "brutale Durchsetzung macht-, partei- und gesellschaftspolitischer Interessen". Die von Prinzhorn immer wieder als Grund für die Ablöse unliebsamer Personen geäußerte "Unfähigkeit" heiße lediglich, dass diese Leute nicht in das Konzept der gegenwärtigen Bundesregierung passen, weil sie eine geistige Gleichschaltung ablehnen.

"Privat ist besser als der Staat", so begann Bundesminister GRASSER die Beantwortung der Dringlichen Anfrage und warf der SPÖ vor, zurück zum staatlichen Eigentum zu wollen. Während die SPÖ-dominierten Regierungen zwischen 1993 und 1998 zwölf Unternehmen zu 100 % privatisiert hätten, seien die SozialdemokratInnen aus Fundamentalopposition nun gegen alles. Er, Grasser, lehne diesen Schritt in die Vergangenheit zurück ab, wo der Steuerzahler enorme Summen zuschießen musste und viele Menschen ihren Arbeitsplatz verloren hätten. Als ein herausragendes Beispiel, um wie viel besser Private arbeiten, nannte er die Firma AT&S.

Um zu beweisen, wie gut die derzeitige Bundesregierung wirtschaftspolitisch unterwegs sei, rechnete Grasser vor, dass in den Jahren 1982 bis 1997 Privatisierungserlöse in der Höhe von 20,4 Mrd. S angefallen seien, in den letzten eineinhalb Jahren seien 30 Mrd. S erzielt worden. Die Schulden der ÖIAG von 86,6 Mrd. S seien auf 37,9 Mrd. S reduziert worden. Im Mai 2000 habe der Börsewert der ÖIAG 28,9 Mrd. S betragen, im Mai 2001 35,15 Mrd. S - trotz schlechter Erträge an den Börsen, so der Finanzminister ergänzend.

Die SPÖ forderte er auf, die eigene Zeit der Freunderlwirtschaft nicht auf die neue Bundesregierung zu übertragen, denn diese gebe  die Kriterien der Qualität, der Leistung und der Parteiunabhängigkeit vor.

Bevor Grasser auf die konkreten Fragen einging, wies er darauf hin, dass die meisten Fragen nicht Angelegenheiten der Vollziehung des Finanzministers beträfen. Er nehme nur die Rechte der Republik Österreich als Alleineigentümerin der ÖIAG in der Hauptversammlung wahr und habe daher auch keine Möglichkeit, die Auswahl und Bestellung von Organmitgliedern in Beteiligungsgesellschaften oder Konzerngesellschaften zu beeinflussen. Zum großen Teil würden in den Fragen auch Entscheidungen von Beteiligungs- und Konzerngesellschaften angesprochen, wofür ebenfalls keine Vollzugszuständigkeit des Finanzministers bestehe. Da somit die Fragen überwiegend nicht vom Fragerecht erfasst seien, könne er sich nur im Einverständnis mit der ÖIAG äußern.

Grasser hob insbesondere hervor, dass die Bundesregierung eine Politik verfolge, die vom Proporz in den Aufsichtsräten abgehe und nach professioneller Personalsuche mittels privater Firmen den politischen Einfluss auf die Prozesse des Marktes abgeschafft habe und stattdessen privatwirtschaftliches Management ermögliche. In Vorstände und Aufsichtsräten seien Persönlichkeiten bestellt worden, die bewiesen hätten, dass sie große Konzerne managen könnten. Eine moderne Industriepolitik gehe nicht von staatlichem Eigentum und einer Mauerziehung um Österreich herum aus, sondern setze Vertrauen in privates Eigentum, schaffe attraktive Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und erhöhe deren Freiheitsgrad. In einer internationalen Untersuchung sei Österreich deshalb auch vom 25. auf den 15. Platz vorgerückt, was die internationale Anerkennung der erfolgreichen Politik dieser Bundesregierung unter Beweis stelle. Eine Veräußerung von Anteilen des Bundes an der ÖIAG stelle sich derzeit nicht, sagte Grasser dezidiert.

In einer tatsächlichen Berichtigung widersprach Abgeordneter Edlinger der Behauptung Grassers, frühere Finanzminister hätten persönlich und direkt die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern vorgenommen.

Abgeordneter Dr. CAP (S) bezeichnete die Beantwortung des Finanzministers als ein "Beispiel der Arroganz der Macht". Grasser könne sich doch nicht herstellen und sagen, er wisse von nichts, meinte Cap. Die Säuberungsaktionen würden ihresgleichen suchen, Nordkorea könnte sich dabei etwas abschauen, so Cap weiter. Die Devise "Privat ist besser als der Staat" sei reine Ideologie, denn es gebe Privatunternehmen, die in Konkurs gehen und solche, die gut wirtschaften, genauso wie staatliche Betriebe sowohl Erfolge als auch Misserfolge verzeichneten. Für ihn sei es auch eigenartig, dass die Beraterfirmen zufällig immer jene Leute aussuchen, die die Bundesregierung ohnehin wolle. Er vermisste auch eine konkrete Aussage Grassers, wie viel an Abfertigungen dieses Machtspiel der Bundesregierung tatsächlich wert ist.

Cap ging dann näher auf die Rolle Prinzhorns ein und erinnerte daran, dass dessen Firma nur durch die Hilfe ehemaliger Finanzminister noch heute bestehen könne. Er vermutet daher, dass Prinzhorn unter Privatisierung in erster Linie Selbstbedienung, unter Entparteipolitisierung in erster Linie Freunderlwirtschaft verstehe. Die Kernaktionärsdebatte führe zu einem Ausverkauf österreichischer Schlüsselindustrien, zur Gefährdung der Standortsicherung und Beschäftigung, unterstrich Cap. Die FP-Devise "Österreich zuerst" wandle sich nun in "Österreich zuletzt".

Abgeordneter Mag. TRATTNER (F) wollte nicht auf seinen Vorredner eingehen und nahm Bezug auf Edlinger, der vom "Umfärben" gesprochen hatte. Wenn etwas umgefärbt werde, so müsse vorher etwas eingefärbt gewesen sein, sagte Trattner und erinnerte an die Vorgänge bei der österreichischen Kontrollbank, als Bundesminister Scholten als dritter Vorstandsdirektor eingesetzt werden sollte. Er zitierte in diesem Zusammenhang aus dem Abschiedsbrief von Praschak und hielt der SPÖ entgegen: "Das ist Ihr Umgang mit Menschen!"

Unter Aufzählung einer Reihe von Firmenpleiten wie Konsum, Intertrading, Chemie Linz, CA, Länderbank etc. versuchte Trattner zu argumentieren, in welcher Weise die frühere Politik beigetragen habe, Schulden anwachsen zu lassen und Arbeitsplätze zu vernichten. Der Staat müsse sich deshalb aus der wirtschaftlichen Verantwortung der Unternehmen zurückziehen. Trattner kritisierte an früheren Privatisierungen der ÖIAG auch, dass in deren Vorfeld keine Bewertungsgutachten gemacht worden waren. Er gab für den niedrigen Privatisierungserlös von Post und Telekom der SPÖ die Schuld, da die Post in einem miserablen Zustand verkauft worden sei und es hinsichtlich der Telefongebühren einen Zweckbindungsschlüssel gegeben habe. Dennoch zeigte sich Trattner überzeugt, dass die Telekom ein gutes Anlagepapier sei.

Bundesminister GRASSER erinnerte den Abgeordnete Edlinger in einer Replik auf dessen tatsächliche Berichtigung an die Kompetenzen des Finanzministers.

Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) stellte mit Erstaunen fest, die SP spiele sich in dieser Debatte als Retter der heimischen Industrie auf, obwohl sie doch die politische Verantwortung trage für das Debakel der Verstaatlichten Industrie und die Konsum-Pleite. In dieser Anfrage komme, wie Stummvoll fortfuhr, auch die Grundphilosophie der Sozialdemokratie zum Ausdruck, wonach österreichisches Eigentum immer nur staatliches Eigentum sei. Diese Regierung bekenne sich im Gegensatz dazu zum Privateigentum, stelle sich schützend vor den Steuerzahler und saniere nun das, was die SPÖ verursacht hat, unterstrich Stummvoll mit Nachdruck.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) kritisierte die jüngsten Personalentscheidungen bei Telekom und AUA als dilettantisch und bemerkte, der Regierung gehe es bloß darum, jene Manager, die von der alten Regierung eingesetzt wurden, koste es, was es wolle, zu entlassen, und an ihre Stelle Freunde von Prinzhorn einzusetzen. 

Abgeordnete Mag. KUBITSCHEK (S) sprach der Regierung jegliche Wirtschaftskompetenz ab und warf den Koalitionsparteien vor, das Aktienrecht zu ignorieren, die Kontrollorgane zu übergehen und Kursabstürze zu provozieren. Die Personalentscheidungen bezeichnete Kubitschek kritisch als Rückfall in finsterste Zeiten staatlicher Interventionspolitik.

Abgeordneter BÖHACKER (F) erinnerte die SPÖ an ihre wirtschaftspolitische Vergangenheit und betonte, die Sozialdemokraten hätten in der Verstaatlichten Industrie 60.000 Arbeitsplätze vernichtet und 120 Mrd. S. an volkswirtschaftlichem Vermögen verschleudert. Die SPÖ agiere heute wie ein Brandstifter, der die Taktik der Feuerwehr kritisiert.

Abgeordneter Mag. TANCSITS (V) interpretierte die Personalentscheidungen in der ÖIAG als Trennung von Führungskräften und Aufsichtsorganen der alten Denkart des gescheiterten roten Staatskapitalismus. Die Regierung schaffe nun Rahmenbedingungen, die die Unternehmen marktfit machen und nicht durch politische Interventionen zugrunde richten.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) machte eine „miserable Personalpolitik“ der Bundesregierung in der ÖIAG dafür verantwortlich, dass der Wert der Unternehmen reduziert werde und die Privatisierungserlöse hinter den Erwartungen zurückbleiben.

In einem Entschließungsantrag forderte sie den Finanzminister auf, dem Parlament einmal im Jahr einen Bericht über die Entwicklung der ÖIAG und der Beteiligungsstrategien vorzulegen.

Abgeordneter NÜRNBERGER (S) untermauerte die Kritik seiner Fraktion an der Personalpolitik in der ÖIAG und warf der Regierung vor, dadurch Volksvermögen zu verschleudern.

Abgeordneter GAUGG (F) wies den Eindruck zurück, den die SPÖ-Redner erwecken wollten, dass nämlich in der verstaatlichten Industrie vor dem Februar 2000 alles perfekt funktioniert habe. Vor allem Abgeordneter Edlinger spiele das "Unschuldskind" und vergesse die vielen Pleiten in der Verstaatlichten, bei denen Zulieferer ihr Geld und Arbeitnehmer ihre Jobs verloren haben. Was soll schlecht daran sein, wenn die Schulden der ÖIAG von 90 Mrd. S bereits auf 37 Mrd. S reduziert wurden, fragte Gaugg, der auch keinen Grund sah, von feindlichen Übernahmen zu sprechen. Sind der SPÖ Ausländer nur als Sozialhilfeempfänger willkommen, nicht aber, wenn sie gutes Geld in unser Land investieren? fragte Gaugg schließlich weiter.

Für Abgeordneten Mag. KUKACKA (V) bewies die heutige Dringliche Anfrage, dass die SPÖ den Abschied von der Macht noch nicht verkraftet habe. Der designierte Klubobmann Cap wäre gut beraten, bei seinem Thema, der Kulturpolitik, zu bleiben, aber nicht so oberflächlich und unseriös über Wirtschaftspolitik zu sprechen, wie er dies heute getan habe. Nach dem Abdanken ihrer Ideologie konzentriere sich die Sozialdemokratie offenbar auf Personalfragen als eine Art "Ersatzideologie". Dabei lasse sie Widersprüche erkennen. Denn während Abgeordneter Edlinger die Ablöse von ÖBB- Generaldirektor Draxler kritisiere, haben die Gewerkschaftsvertreter ihr im Aufsichtsrat zugestimmt und das Ende der Ära Draxler begrüßt. Dann forderte Kukacka die SPÖ dazu auf, den Wählern und Steuerzahlern zu sagen, dass das von ihr zu verantwortende Verstaatlichten-Debakel 110 Mrd. S und 50.000 Arbeitsplätze gekostet habe. Konkret erinnerte der oberösterreichische Abgeordnete daran, dass das AMAG-Desaster Steuergelder von 11 Mrd. S verschlungen habe, 1.000 Arbeitsplätze verloren gingen und der Betrieb nach einer weiteren Finanzspritze von 1,2 Mrd. S praktisch verschenkt wurde. Heute mache die AMAG wieder Gewinne und die Mitarbeiteranteile stellten in Summe bereits einen Wert von einer Milliarde Schilling dar. - Dies sei eine Erfolgsgeschichte der Privatisierung - das sollte die SPÖ den Arbeitnehmern sagen, statt Panikmache zu betreiben, meinte Abgeordneter Kukacka.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) erinnerte an das Versprechen von Bundeskanzler Schüssel, die Privatisierungspolitik "behutsam und professionell" zu betreiben und stellte dem die jüngste Aussage des Unternehmers Haselsteiner gegenüber, der von einer "unverfrorenen Besitznahme von Machtpositionen" durch die Koalitionsparteien gesprochen habe. Öllinger kritisierte auch das 1,8 Mill. S-Honorar für ein Beratungsunternehmen, dessen Aufgabe bei der Suche nach Mitgliedern des ÖIAG-Aufsichtsrates darin bestanden habe, aus einer Liste von 44 Personen die "14 Bekannten des Präsidenten Prinzhorn" herauszufiltern. Weiters warf Öllinger dem Finanzminister vor, die Telekom-Privatisierung zum "optimal ungünstigsten Zeitpunkt" durchgeführt zu haben, was dazu geführt habe, dass statt der erwarteten 30 bis 40 Mrd. S Verkaufserlös nur 12 Mrd. S übrig geblieben seien. In der Presse sei dies als "Verkauf von Familiensilber zum Schrottpreis" kritisiert worden sei. "Seilschaften sind in der Politik mindestens ebenso schlecht wie in der Wirtschaft", schloss Abgeordneter Öllinger.

Abgeordneter Mag. FIRLINGER (F) warf Abgeordnetem Edlinger "schäbiges Verhalten" vor: Solange Johannes Ditz als Koalitionspartner ein wertvoller Erfüllungsgehilfe gewesen sei, habe er ihn gelobt, nun werde er kritisiert. Und dies, obwohl er, Edlinger, den Telekom-Vertrag des Jahres 1997 ausverhandelt habe, der die wirtschaftliche Zukunft des Unternehmens so sehr erschwert habe. Es sei die SPÖ gewesen, die die Telekom ausgehungert und dann so rasch wie möglich Anteile verkauft habe, um das Budget zu sanieren. Er sei froh darüber, dass es nun ein anderes Management und Aufsichtsräte gebe, die nicht als Apparatschiks agieren.

Bei der Abstimmung erzielte der Entschließungsantrag der Grünen betreffend regelmäßigen Bericht über die Entwicklung der ÖIAG-Holding über die Antragsteller hinaus nur die Zustimmung der SPÖ und blieb damit in der Minderheit.

KURZE DEBATTE: FRIST FÜR DEMOKRATIEPAKET UM EIN JAHR VERLÄNGERT

Abgeordneter KISS (V) begründete den Antrag von ÖVP und FPÖ, dem Verfassungsausschuss die bis 30. Juni 2001 gesetzte Frist zur Berichterstattung über das Demokratiepaket um ein Jahr zu erstrecken. Die Koalition habe registriert habe, dass die Opposition dieses sensible Thema noch länger diskutieren wolle. Angesichts der jüngsten Regierungserklärung des Wiener Bürgermeisters Häupl, der sich für eine Reform des Wahlrechts und die Einführung der Briefwahl ausgesprochen habe, zeigte sich Kiss zuversichtlich, dass es unter dem Nachfolger von Ausschussvorsitzendem Kostelka, der in die Volksanwaltschaft wechsle, möglich sein werde, das Demokratiepaket mit "mehr Drive und Pfiff" zu debattieren als bisher. Kiss klagte, die SPÖ hätte bei der Einführung des Briefwahlrechts bislang gebremst, obwohl kein vernünftiges Argument dagegen vorgebracht werden könne, den Wählern die Stimmabgabe zu erleichtern.

Abgeordneter Dr. KOSTELKA (S) konzedierte den Koalitionsparteien, mit diesem Fristerstreckungsantrag "einen Akt der Vernunft und des Realismus zu setzen". Den Vorwurf, gemauert zu haben, wies er aber mit Entschiedenheit zurück und erinnerte daran, Anfang dieses Jahres zehn Termine für Ausschusssitzungen vorgeschlagen zu haben, von denen die Koalitionsparteien erst einen im Mai akzeptiert hätten. Er habe oft den Eindruck gehabt, die Vertreter von ÖVP und FPÖ wollten nicht reden. Der scheidende SP-Klubobmann richtete daher das dringende Ersuchen an die Koalitionsparteien, möglichst noch vor Ende der Tagung einen Verhandlungsplan für alle Gegenstände von gemeinsamem Interesse aufzustellen.

Abgeordneter Dr. KRÜGER (F) wies darauf hin, dass das Demokratiepaket nicht nur die Einführung der Briefwahl enthalte, sondern auch eine Reihe anderer demokratiepolitisch wichtiger Punkte, wie eine Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes und das Initiativrecht für die Volksanwaltschaft. Einen wesentlichen Unterschied zwischen dem "Regieren neu" und dem "Regieren alt" sah Krüger darin, dass vernünftige Vorschläge umgesetzt werden und darauf verzichtet werde, durch Zustimmung für eine Entscheidung, die man ohnedies unterstütze, von der anderen Seite Zustimmung bei anderen Themen herausschlagen zu wollen. Die Zeiten des "Packelns und Paktierens" seien vorbei. Bei Ausschussobmann Kostelka bedankte sich Abgeordneter Krüger für die objektive Verhandlungsführung und sprach die Befürchtung aus, dass der Abschied des profunden Verfassungsjuristen eine große Lücke in die SP-Fraktion reißen werde. - Der Einführung der Briefwahl stehe er positiv gegenüber, wenn gewährleistet werde, dass der Brief mit dem Stimmzettel nicht erst nach dem Schließen der Wahllokale, womöglich erst am nächsten Tag, abgesendet werden könne.

Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (V) brachte ihre Freude über die Gesprächsbereitschaft der anderen Fraktionen zur Einführung der Briefwahl zum Ausdruck und hielt es für ein Kennzeichen demokratiepolitischer Reife, es den Wählern zu erleichtern, an den Wahlen teilzunehmen. Die Volkspartei stelle bereits seit 1993 Anträge für die Einführung der Briefwahl und könne auf gute praktische Erfahrungen verweisen. So wurde durch die Einführung der Briefwahl bei der Tiroler Arbeiterkammerwahl die Wahlbeteiligung massiv erhöht - die Wähler wollen die Briefwahl, lautete die Schlussfolgerung Baumgartner-Gabitzers.

Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) meinte, der Name "Demokratiepaket" sei für diesen Antrag wohl zu hoch gegriffen, vielmehr müssten darin weit mehr Themen enthalten sein als bloss das Thema Briefwahl. Das Wahlrecht müsste insgesamt verbessert werden, meinte die Rednerin, die auch eine Debatte über die parlamentarischen Kontrollinstrumentarien anregte.

Der Fristerstreckungsantrag wurde einstimmig angenommen.

(Schluss Dringliche/Fortsetzung BSE-Folgen)