Parlamentskorrespondenz Nr. 436 vom 11.06.2001

REGIERUNGSVORLAGEN: ORF-REFORM, PRIVATFERNSEHEN, FINANZAUFSICHT

MEDIENPAKET MIT ORF-REFORM...

Die Regierung hat dem Nationalrat einen Gesetzentwurf zur Reform des ORF vorgelegt. Hauptpunkte sind die Umwandlung des Österreichischen Rundfunks in eine Stiftung und eine Neuformulierung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags. Außerdem ist eine präzise Trennung zwischen den öffentlich-rechtlichen Aufgaben und anderen - kommerziellen - Aktivitäten des ORF vorgesehen.

Konkret soll der ORF dem Gesetzentwurf zufolge per 1. Jänner 2002 in eine Stiftung öffentlichen Rechts umgewandelt werden, als Stiftungszweck wird die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags festgeschrieben. Die Stiftung hat keinen Eigentümer, auch von Bund oder Ländern werden keinerlei Anteile gehalten. Dadurch bleibt, wie es in den Erläuterungen heißt, die Unabhängigkeit des ORF garantiert. Begünstigter der Stiftung ist die Allgemeinheit.

Als Organe des Österreichischen Rundfunks sieht der Gesetzentwurf einen Stiftungsrat, einen Generaldirektor, einen Publikumsrat und eine Prüfungskommission vor, wobei sich die Zusammensetzung des jeweils für vier Jahre gewählten Stiftungsrates an jener des bestehenden ORF-Kuratoriums anlehnt. Die Befugnisse des Stiftungsrates werden allerdings im Vergleich zu jenen des Kuratoriums in vielen Punkten ausgedehnt, dafür haben dessen Mitglieder dieselbe Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit wie Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft.

Neu ist auch, dass der Generaldirektor, der den Generalintendanten ersetzt, ein allgemeines Weisungsrecht erhält. Bestellt wird er vom Stiftungsrat, wobei die Wahl mit einfacher Mehrheit erfolgt, während für eine Abwahl wie bisher eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Seine Amtsperiode ist mit fünf Jahren festgesetzt. Der Publikumsrat, der die Interessen der Hörer und Seher zu wahren hat, setzt sich aus 35 Mitgliedern zusammen. Politische Mandatare und Funktionsträger von Gebietskörperschaften bzw. Angestellte politischer Parteien, Klubs und Bildungseinrichtungen der politischen Parteien sowie Mitarbeiter in Ministerbüros dürfen nicht mehr in den Organen des ORF vertreten sein. Die Rechtsaufsicht über den ORF obliegt laut Gesetzentwurf dem Bundeskommunikationssenat.

Der öffentlich-rechtliche Auftrag wird in einen technischen Versorgungsauftrag und einen Programmauftrag gegliedert. Demnach hat der ORF wie bisher drei österreichweite und neun bundeslandweite Hörfunkprogramme sowie zwei österreichweite Fernsehprogramme auszustrahlen und kann überdies einen Auslandsdienst mit einem öffentlich-rechtlichen Internetservice veranstalten. Daneben werden der Teletext und mit den Rundfunkprogrammen in Zusammenhang stehende Online-Dienste in den Versorgungsauftrag integriert. Freigestellt wird dem ORF hingegen die Fortführung des Mittelwellenprogramms, bei einer weiteren Ausstrahlung kann er diesen Sender aber aus dem Programmentgelt finanzieren. Schließlich findet sich im Gesetzentwurf auch der an den ORF gerichtete Auftrag, für eine digital terrestrische Verbreitung seiner Programme zu sorgen, wobei die sich die Umstellung auf die digitale Verbreitung an dem nach dem Privatfernsehgesetz zu erstellenden Digitalisierungskonzept (siehe dazu 635 d.B.) zu orientieren haben wird.

Neben den klassischen öffentlich-rechtlichen Aufgaben kann der ORF weiterhin kommerzielle, gewinnorientierte Aktivitäten setzen, z.B. Spartenprogramme ausstrahlen. Diese müssen aber, wie es auch die EU vorschreibt, organisatorisch und rechnerisch vom öffentlich-rechtlichen Auftrag getrennt werden. Auch dürfen hiefür keine Programmentgelte verwendet werden. Für die Durchführung der kommerziellen Aktivitäten, die im Übrigen der Genehmigung durch den Stiftungsrat bedürfen, kann der ORF Tochtergesellschaften gründen.

Völlig neu formuliert und inhaltlich ausgeweitet wurde der Programmauftrag des ORF. Dieser hat in Hinkunft beispielsweise das Verständnis für die europäische Integration ebenso zu fördern wie die regionalen Identitäten der Bundesländer und das Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge, muss im Programm nicht nur alle Altersgruppen, sondern ausdrücklich auch die Anliegen von Familien und behinderten Menschen sowie die Gleichberechtigung von Männern und Frauen berücksichtigen und über Themen des Umwelt- und Konsumentenschutzes sowie der Gesundheit informieren. Weiters gilt es, die österreichische künstlerische und kreative Produktion zu berücksichtigen und das Interesse der Bevölkerung an aktiver sportlicher Betätigung zu fördern. Außerdem ist der ORF angehalten, im Rahmen des Gesamtprogramms gleichwertig anspruchsvolle Inhalte anzubieten und das Programm so zu gestalten, dass jedenfalls in den Hauptabendprogrammen (20 Uhr bis 22 Uhr) in der Regel anspruchsvolle Sendungen zur Wahl stehen.

Einen besonderen Auftrag erhält der ORF im Zusammenhang mit der Ausstrahlung von Programmen in den Sprachen der autochtonen Volksgruppen, wobei der ORF entsprechende Sendungen künftig auch in Zusammenarbeit mit privaten Hörfunkveranstaltern (Volksgruppenradios) anbieten kann. Schließlich wird er dazu verpflichtet, einen angemessenen Teil seiner Finanzmittel für die Tätigkeiten der einzelnen Landesstudios vorzubehalten. Zum Nachweis der Erfüllung seines öffentlich-rechtlichen Auftrags muss der ORF dem Nationalrat und dem Bundesrat jährlich einen entsprechenden Bericht vorlegen.

In manchen Bereichen restriktiver gefasst als bisher sind die Bestimmungen bezüglich erlaubter Werbe- und Sponsoring-Aktivitäten. So werden die Möglichkeiten für Unterbrecherwerbung eingeschränkt und Product-Placement außerhalb von Kinofilmen, Fernsehfilmen und Fernsehserien verboten. Künftig untersagt ist auch die Bewerbung von ORF-Hörfunkprogrammen im Fernsehen und umgekehrt, sofern es sich nicht um einzelne Sendungshinweise handelt. Die vorgenommenen Einschränkungen seien notwendig, um privaten Fernsehveranstaltern ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten zu bieten, heißt es in den Erläuterungen zum Gesetzentwurf.

Darüber hinaus wird das Verbot für NachrichtensprecherInnen und ModeratorInnen politischer Sendungen, in Werbespots aufzutreten, auf sämtliche programmgestaltende und journalistisch tätige ModeratorInnen im ORF ausgedehnt. Für periodische Druckwerke gilt, dass sie künftig nicht länger als zwei Minuten pro Woche im ORF-Fernsehen werben dürfen, wobei sich diese Werbung auf Titelwerbung beschränken muss und keine Hinweise auf etwaige Inhalte enthalten darf. Belangsendungen von politischen Parteien und von Interessenvertretungen werden gänzlich gestrichen. (634 d.B.)

...UND ZULASSUNG VON PRIVAT-TV

Mit dem dem Nationalrat vorgelegten Privatfernsehgesetz will die Regierung die gesetzlichen Voraussetzungen zur Veranstaltung von terrestrischem Privatfernsehen schaffen. Vorgesehen ist zunächst eine analoge Ausstrahlung, mit dem Gesetzentwurf wird aber gleichzeitig der Umstieg auf digitale Technologien in die Wege geleitet. Bisher ist Privatfernsehen in Österreich auf den Kabel- und Satellitenbereich beschränkt.

Konkret sieht der Entwurf zwei Arten von Zulassungen für die Veranstaltung von analogem terrestrischen Privatfernsehen vor. Zum einen soll ein bundesweiter Sender mit einem Versorgungsgrad von mindestens 70 % der österreichischen Bevölkerung genehmigt werden, wobei die dazu benötigten Frequenzen in der Anlage des Gesetzes angeführt werden. Zusätzlich ist geplant, lokales bzw. regionales terrestrisches Privatfernsehen zuzulassen. Dafür sollen auch jene Frequenzen zur Verfügung stehen, die vom ORF nur partiell für seine Regionalsendungen genutzt werden. Laut Gesetzentwurf wäre der ORF verpflichtet, die entsprechenden Frequenzen zu jenen Zeiten, zu denen er sie nicht braucht, zur Verfügung zu stellen.

Die Vergabe der Zulassungen für analoges terrestrisches Fernsehen obliegt der Medienbehörde KommAustria und soll nach öffentlicher Ausschreibung in einem Auswahlverfahren erfolgen. Dabei hat die KommAustria für die Vergabe der bundesweiten Frequenzkette folgende Auswahlkriterien heranzuziehen: Meinungsvielfalt, breites Programmangebot, Anteil an eigengestalteten Programmen, Versorgungsgrad sowie Österreichbezug im Programm. Erst in einem zweiten Schritt sollen - übrig gebliebene - regionale bzw. lokale Frequenzen vergeben werden, wobei für die Zulassung ähnliche Auswahlkriterien gelten wie für den bundesweiten Sender, allerdings zusätzlich auf regionalen bzw. lokalen Bezug des Programms Wert gelegt wird. Nach Erteilung der Zulassungen haben die Zulassungsinhaber sicherzustellen, dass innerhalb von zwölf Monaten der Sendebetrieb aufgenommen wird. Für Kabel- und Satelliten-TV werden die Bestimmungen aus dem Kabel- und Satellitenrundfunkgesetz übernommen, gleiches gilt auch für inhaltliche Vorgaben, Werbebeschränkungen und das Redaktionsstatut.

Jene Frequenzen, die von keinem Privatsender beantragt werden, und die Frequenzen, die aufgrund der durchgeführten Frequenzstudie zusätzlich zur so genannten "Dritten Frequenzkette" zur Verfügung stehen, sollen für die Einführung von digitalem terrestrischen Fernsehen verwendet werden. Um die Digitalisierung zu beschleunigen, sieht das Privatfernsehgesetz vor, eine Arbeitsgemeinschaft "Digitale Plattform Austria" einzurichten, an der sich alle interessierten Kreise (Industrie, Handel, Wissenschaft, Netzbetreiber, Länder, Verbraucher etc.) beteiligen können und die auch dem ORF offen steht. Diese Plattform soll in Zusammenarbeit mit der Medienbehörde KommAustria wesentliche Vorarbeiten in Bezug auf die Einführung von digitalem terrestrischen Fernsehen und von digitalen Zusatzdiensten in Österreich leisten. Nach Maßgabe des Digitalisierungskonzeptes soll in weiterer Folge ein Multiplex-Betreiber lizensiert werden, der den Aufbau der technischen Infrastruktur zur Verbreitung digitaler Signale übernimmt.

Im Zuge der Zulassung von terrestrischem Privatfernsehen werden auch die Beteiligungsbeschränkungen für private TV-Sender neu gefasst, wobei sich die vorgesehenen Regelungen an das Konzept des Privatradiogesetzes anlehnen. Durch eine "Überschneidungsregel" wird ausgeschlossen, dass ein einzelnes Medienunternehmen gleichzeitig die bundesweite Frequenzkette als auch regionale bzw. lokale Frequenzen für terrestrisches Privatfernsehen erhält. Mehrere regionale bzw. lokale Zulassungen sind nur dann möglich, wenn sich die Versorgungsgebiete der Sender nicht überschneiden. Für einen Medienverbund gilt, dass er in einem Versorgungsgebiet lediglich ein terrestrisches Hörfunkprogramm und ein terrestrisches Fernsehprogramm betreiben darf. Mit einer "Reichweitenregelung" wird schließlich verhindert, dass Medienunternehmen, die bereits in anderen Medienbereichen - Radio, Kabelnetzinfrastruktur, Tagespresse oder Wochenpresse - eine sehr starke Marktposition einnehmen (Reichweite oder Versorgungsgrad von mehr als 30 %), zusätzlich Privatfernsehen veranstalten.

In Kraft treten soll das Privatfernsehgesetz mit 1. August 2001, zum gleichen Zeitpunkt wird das Kabel- und Satellitenrundfunkgesetz aufgehoben. (635 d.B.)

BUNDESREGIERUNG WILL FINANZMARKTAUFSICHT KONZENTRIEREN

Zentraler Inhalt eines kürzlich vorgelegten Entwurfs für ein Finanzmarktaufsichtsgesetz ist die Einrichtung einer unabhängigen, weisungsfreien, öffentlich-rechtlichen Behörde, die mit allen Aufsichtsfunktionen der Banken-, Versicherung-, Wertpapier- und Pensionskassenaufsicht betraut wird. Damit will die Bundesregierung die Zersplitterung bei der Aufsicht der Banken, Versicherungen und Wertpapiere überwinden. Ihr Hauptargument für die Konzentration der Aufsichtsfunktionen ist die zunehmende Verflechtung der beaufsichtigten Unternehmen, die sich durch Fusionen immer mehr zu "Allfinanzkonzernen" entwickeln. Für eine "Allfinanzaufsicht" spreche auch die Nutzung von Synergien, denn die der Finanzaufsicht gewidmeten personellen und organisatorischen Ressourcen in Finanzressort, Nationalbank und Bundes-Wertpapieraufsicht können in der neuen Behörde zusammengeführt und gebündelt werden. Die neue Finanzaufsichtsbehörde soll Verfahrenszuständigkeit, Vollstreckungskompetenz sowie Verwaltungsstrafzuständigkeit erhalten und damit erhebliche Autorität und Durchsetzungskraft geltend machen können.

Die historisch begründete Zweistufigkeit bei der Aufsicht über die Sparkassen (erste Instanz Landeshauptmann, zweite Instanz Finanzminister) wird überwunden und auch die Sparkassenaufsicht zur Gänze in die neue Finanzmarktaufsichtsbehörde integriert.

Auch materiell soll das Aufsichtsrecht in einigen Punkten

geändert werden, um Vollziehungsdefizite zu beheben. Der Regierung geht es um eine schnellere Durchsetzung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen. Auch sollen die Anforderungen an die persönliche Qualifikation der Bankprüfer strenger gefasst und die Verlässlichkeit der Prüfungen durch ein Rotationsprinzip abgesichert werden. Zudem will die Regierung die Aufsichtsräte in Kreditinstituten bei der Erfüllung ihrer Überwachungsaufgaben stärken und ihnen die Möglichkeit geben, selbst Prüfungen durchführen zu lassen.

Die politische Verantwortung des Finanzministers für die Finanzmarktaufsicht und seine legislative Zuständigkeit bleiben bestehen. Er kann Prüfungen initiieren, erhält alle Informationen über Angelegenheit der Aufsicht und das Recht, Verordnungen der Finanzmarktaufsicht, die dem Gesetz widersprechen, aufzuheben und die Erteilung neuer Bankkonzessionen zu untersagen.

Ergänzt wird die Rechtsaufsicht des Ressortchefs über die Finanzmarktaufsicht durch eine Gebarungskontrolle des Rechnungshofes. Weder Rechtsaufsicht noch Gebarungskontrolle sollen aber die Unabhängigkeit der Finanzmarktaufsicht beeinträchtigen.

Die Sammelnovelle erhält über die neue Aufsichtsorganisation hinaus eine Reihe weiterer Gesetzesänderungen. Die Einführung einer

Zahlungssystemaufsicht in der Nationalbank ergänzt die Umsetzung der EU-Finalitätsrichtlinie. Im Handelsgesetzbuch, im Aktiengesetz und im GmbH-Gesetz werden strengere Regelungen für die Haftung der Abschlussprüfer (HGB) und verschärfte Strafen für die Verletzung von Informationspflichten (AktG, GmbHG) eingeführt.

Schließlich wird im Bankwesengesetz die Möglichkeit der Anrechnung von hybridem Kapital für die Eigenmittel vorgesehen, um der internationalen Wettbewerbssituation Rechnung zu tragen (641 d.B.).

(Schluss Regierungsvorlagen/Forts. Bericht)