Parlamentskorrespondenz Nr. 536 vom 05.07.2001
DEBATTE ÜBER GEWALTTÄTIGE DEMONSTRATIONEN BEIM WELTWIRTSCHAFTSGIPFEL
Wien (PK) - Abgeordneter Mag. KUKACKA (V) begründete die Dringliche Anfrage der Koalitionsparteien mit der "erschreckenden Bilanz", die nach den Demonstrationen beim vergangenen Weltwirtschaftsforum in Salzburg gezogen werden müsse. "Wie lange müssen die Exekutivbeamten noch ihre Köpfe hinhalten?", fragte der Redner. Er stellte auch zur Diskussion, Veranstalter schriftlich zu verpflichten, für etwaige Schäden aufzukommen, denn die Ausschreitungen des vorangegangenen Wochenendes kosteten die Steuerzahler rund 100 Mill. S. Ebenso zog er das derzeit bestehende Vermummungsverbot bei Demonstrationen in Zweifel, da derjenige, der in einer Demokratie und in einem Rechtsstaat demonstriere, sich nicht zu vermummen brauche, es sei denn, er wolle das Gesetz verletzen oder Gewalt anwenden, so Kukacka. Zur Ausübung des demokratischen Demonstrationsrechts sei uneingeschränkt ja zu sagen, die Ausnützung dieses Rechts zu gewalttätigen Ausschreitungen im Schutze der Vermummung, sei klar abzulehnen, meinte der Redner.
Der Rechtsstaat dürfe in wichtigen Bereichen der inneren Sicherheit nicht in die Defensive geraten, fuhr Kukacka fort. Daher sei ein konsequenter Trennungsstrich zwischen rechtstreuen Bürgern und Rechtsbrechern zu ziehen, sonst laufe der Rechtsstaat Gefahr, von seinen Feinden missbraucht zu werden. Wer solchen Tätern klammheimlichen Beifall zolle und politische Deckung gebe, mache sich in jedem Fall moralisch mitschuldig.
Kukacka griff scharf die Grünen sowie die Sozialdemokraten an und warf ihnen Doppel- und Scheinmoral vor, da sie zwar täglich Toleranz, sogar gegen Drogendealer und Gewalttäter, predigten, jedoch keinerlei Toleranz gegenüber den Werten der bürgerlichen Gesellschaft zeigten. Er halte es jedenfalls für demokratiepolitisch bedenklich, wenn SPÖ, Grüne und Arbeiterkammer offenbar mit gewaltbereiten Demonstranten zusammenarbeiten. Den Vorwurf des "gewaltbereiten Aktivisten", den er an Abgeordneten Pilz richtete, schwächte Kukacka nach Aufforderung des Nationalratspräsidenten zu "linken Aktivisten" ab. Er wolle die Grünen nicht diffamieren, forderte sie aber auf, eine klare Abgrenzung zu treffen. Im Zweifel sei ihnen offensichtlich die gemeinsame Ideologie wichtiger als der Rechtsstaat, sagte Kukacka. Er verurteilte auch die Verbreitung kommunistischer Kampflieder durch die Sozialistische Jugend auf deren Homepage und verlangte auch von der SPÖ eine entsprechende Klarstellung.
Abschließend unterstrich Kukacka, dass diejenigen, die das Demonstrationsrecht mit gewalttätigen Aktionen verwechseln, dieses Grundrecht nicht verstanden hätten. In einer Demokratie gebe es für Gewalt keine Rechtfertigung, das Gewaltmonopol liege beim Staat und seinen verfassungsmäßigen Institutionen.
Bundesminister Dr. STRASSER stellte zusammenfassend fest, dass das Weltwirtschaftsforum ein großer Erfolg für Österreich als Veranstaltungsort und ein großer Erfolg der Sicherheitskräfte gewesen sei, die bewiesen hätten, gefährlichste Einsätze mit Bravour lösen zu können. Man werde sich aber auf den Lorbeeren nicht ausruhen, vielmehr würden demnächst die Innenminister der EU-Staaten zusammenkommen, um ein Netzwerk zu schaffen, das Gewaltbereiten einen internationalen Schutzschild vorschiebt.
Bevor er in die Beantwortung der Fragen einging, brachte der Innenminister explizit seinen Dank an die Beamten zum Ausdruck, die dafür gesorgt hätten, dass Österreich in sicherer Hand und geschützt ist, dass viele Gewaltbereite die Grenze nicht überschreiten und dennoch die Gäste ohne Schwierigkeiten passieren konnten. Besonders hob er die umsichtige Tätigkeit des Polizeidirektors von Salzburg hervor und dankte auch der Salzburger Bevölkerung für deren Verständnis, Toleranz und Unterstützung.
Sein Dank galt auch den Medien, die Verständnis für die Sicherheitsarbeiten gezeigt hätten. Umso mehr zeigte sich der Minister aber "erstaunt und enttäuscht" über die Berichterstattung in der ZiB 1, wo von Gewalt auch von Seiten der Polizei die Rede gewesen ist. Dieser Bericht sei kein guter Dienst an der Sicherheit Österreichs und seinem Sicherheitsapparat gewesen, sagte Strasser, und berichtete, dass sogar der Vertreter des Menschenrechtsbeirates das verhaltene Reagieren der Polizei bestätigt habe. Er könne auch nicht nachvollziehen, warum in der Sendung "Thema" vom 2.7. Grüne und Aktivisten von Gewaltanwendung seitens der Exekutive gesprochen haben. Man solle die Vorwürfe konkretisieren, forderte der Minister die Abgeordneten auf, er werde jedem Hinweis nachgehen.
Die Grundlinie bei jedem Einsatz laute Dialog, Deeskalation und konsequentes Einschreiten bei Übergriffen, und danach werde mit Beharrlichkeit gehandelt, bekräftigte Strasser. Die Grundrechte der Demonstration seien zu verteidigen, dennoch müsse man klare Worte sprechen und bei Gewalt einschreiten, denn wir wollen keine blutigen Straßenschlachten und keine Massenkrawalle. Die zuständigen Behörden würden ihre Entscheidungen aufgrund der maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen und nach sorgfältiger Abwägung treffen, so Strasser. Im Fall von Salzburg habe dies bedeutet, dass man ein großes Risiko eingegangen sei, als man die Standdemonstration genehmigt hatte.
Anhand einer Stange und des beschädigten Helms, durch den hindurch eine der erfahrensten Beamten bewusstlos geschlagen wurde, demonstrierte Strasser auch die Gefährlichkeit und Brutalität der gewaltbereiten Gruppe. Unter den 69 gefährlichen Gegenständen, die bei 52 Personen beschlagnahmt wurden, hätten sich 24 Stichwaffen, 3 Schlagstöcke, 4 Benzinbehälter und 2 Feuerkugeln befunden.
In der konkreten Beantwortung der 24 Fragen berichtete Strasser, dass rund 2.900 Beamte im Einsatz gewesen seien und sich die Kostenschätzung für den polizeilichen Einsatz auf voraussichtlich 109 Mill. S belaufe. Er werde auch die Möglichkeit der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen des Bundes nach Demonstrationen rechtlich prüfen lassen. Strasser bestätigte auch, dass eine Abgeordnete der Grünen beim Journaldienst der Generaldirektion für öffentliche Sicherheit im Zusammenhang mit angekündigten Identitätsfeststellungen interveniert habe. Unter den 919 Demonstranten, die von der Exekutive am Versammlungsort fixiert worden waren, hätten sich auch 100 Mitglieder der Sozialistischen Jugend befunden, wobei erst Analysen nachweisen müssten, ob diese auch tatsächlich gewalttätig gewesen seien. Das selbe gelte für Teilnehmer türkischer Staatsangehörigkeit, wobei man davon ausgehen könne, dass eine dieser Personen einem Gendarmen schwere Verletzungen zugefügt habe.
Strasser bekräftigte, dass das verfassungsrechtliche Grundrecht der Versammlungsfreiheit als eines der höchsten Rechtsgüter zu respektieren sei, wobei auch ein als störend empfundenes Ausmaß in Kauf genommen werden müsse. Dies könne aber keineswegs schrankenlos gelten. Zum Vermummungsverbot meinte der Minister, dass es in den einzelnen Staaten unterschiedliche Regelungen gebe, wobei sich die Vor- und Nachteile die Waage hielten. Fachleute in seinem Ressort sähen aber derzeit keinen Bedarf, ein Vermummungsverbot zu verankern.
"Demonstrationsrecht ja, Straßenschlachten nein", das sei die Ansage der Reformkoalition, begann Abgeordneter HAIGERMOSER (F) seinen Debattenbeitrag. Das "Spiel mit dem doppelten Boden der Vereinigten Linken" sei durchschaut, "das gefährliche Spiel mit virtuellen Brandsätzen spiele sich subtil ab". So kritisierte Haigermoser vor allem die Grünen, die er anhand von Beispielen bezichtigte, die freiheitliche Gesellschaftsordnung verhindern zu wollen. Van der Bellen forderte er auf, sich von den "Linken Chaoten" zu distanzieren, gleichzeitig warf er ihm vor, dies deshalb nicht zu tun, weil diese Gruppen zu den Sympathisanten der Grünen gehörten. "Wir verteidigen die Opfer, sie offensichtlich die Täter", prangerte er das Verhalten der Grünen an. Als Beispiel dafür zitierte er den Salzburger Grünen Hüttinger, der gemeint haben soll, "die Polizei wollte ihre Gaudi haben". Gaudi sehe aber anders aus, so Haigermoser. Van der Bellen solle sich nicht hinter der Maske des Biedermanns verstecken, sondern sich von der Linken Gewalt, die den Staat destabilisieren will, klar distanzieren. Der Grüne Klubobmann sei aber nun ertappt, indem er durch Solidarität mit der Anarchoszene den Helfershelfer spiele. Salzburg sei nur ein Mosaikstein des rot-grünen Destabilisierungsplans, die Rechnung gehe aber nicht auf, zeigte sich Haigermoser überzeugt.
Abgeordneter Mag. MAIER (S) stellte in einer tatsächlichen Berichtigung fest, die SPÖ und die AK hätten in der gegenständlichen Frage deeskalierend gewirkt und sich von Gewalttätigkeiten eindeutig und unmissverständlich distanziert.
Abgeordnete SILHAVY (S) korrigierte in einer weiteren tatsächlichen Berichtigung eine unrichtige Formulierung Haigermosers bezüglich einer von ihr eingebrachten Anfrage.
Abgeordnete Mag. KUNTZL (S) hielt eingangs fest, dass es in Salzburg glücklicherweise nicht zu solchen Ausschreitungen wie zuletzt in anderen Städten gekommen sei. Das Gros der Demonstranten sei friedlich gewesen, die Polizei habe besonnen agiert. Den verletzten Polizisten übermittelte sie die Genesungswünsche ihrer Fraktion. Sie dankte der Polizei, den friedlichen Demonstranten und vor allem Bürgermeister Schaden, der sich besonders verdient gemacht habe. Die SP-Jugendorganisationen nähmen ihr Recht auf freie Demonstration wahr und seien überdies Garanten dafür, dass derlei Manifestationen friedlich über die Bühne gingen.
Kuntzl bedauerte, dass die Anliegen der Demonstranten ob solcher Debatten über Eskalationen in den Hintergrund träten. Die Demonstranten thematisierten Fragen, die Sinn machten und entsprechend diskutiert werden sollten. Generell habe Demokratie viele Ausformungen, die allesamt respektvoll behandelt werden sollten. Den Regierungsparteien fehle oftmals der Respekt und die Achtung vor dem politischen Gegenüber, beklagte Kuntzl. Doch bei der Politik der Regierung werde diese auch weiterhin mit Demonstrationen rechnen müssen, stellte die Rednerin in Aussicht.
Abgeordneter Dr. PUTTINGER (V) meinte, es gehe nicht um die Inhalte, es gehe um die Eskalationen, die mit den Demonstrationen in Salzburg einhergegangen seien. Schon vor Monaten hätten sich linke Gruppierungen für diese organisiert. Daher stelle sich die Frage, wer diese Chaoten unterstützt und sich mit ihnen solidarisiert habe.
In Salzburg habe man eine "gemeinsame linke Auferstehung" erlebt, hätten doch nicht nur AK- und SP-Funktionäre an der Demonstration teilgenommen, sondern auch der Chef der KPÖ. Das Demonstrationsrecht sei demokratiepolitisch ein wichtiges Gut, es dürfe aber nicht missbraucht werden. Die Exekutive hingegen habe bewiesen, dass sie Österreich und seinen Gästen wirkungsvollen Schutz geben kann und Salzburg somit die sicherste Kongressstadt der Welt bleibt.
Abgeordnete HAIDLMAYR (G) sagte, das Demonstrationsrecht sei wichtig, weil man sich damit gegen Ungerechtigkeiten wehren und für sein Recht auf die Straße gehen könne. Die Diffamierungen von Demonstranten wies sie kategorisch zurück. Persönlich habe sie sich gegen solche Vorwürfe durch eine Klage gewehrt und auch Recht bekommen. Bei einer Fortsetzung solcher Vorwürfe werde sie wieder klagen, kündigte die Rednerin an.
Die Grünen könnten sich nicht von Gewalt distanzieren, weil sie nicht gewaltbereit sind. Im Übrigen würde die Regierung mit ihren eigenen Leuten ein Problem bekommen, da auch der Landeshauptmann von Oberösterreich gegen Temelín demonstriere. Was die Anregung Kukackas, wer etwas zerstöre, solle auch dafür aufkommen, anbelange, so sei sie dafür, diese im Verkehrsbereich aufzugreifen.
Abgeordneter Mag. MAINONI (F) konstatierte, hier sei aus politischen Gründen die Sicherheit der Bürger auf´s Spiel gesetzt worden. Das Verhalten von Bürgermeister Schaden sei kontraproduktiv gewesen und habe real einen "Freibrief für Randalierer" erwirkt. Die Demonstration sei illegal gewesen, ein "Sammelsurium" an Berufsdemonstranten habe sich dort eingefunden. Die Leistung der Einsatzkräfte hingegen sei vorbildlich gewesen und dies trotz widriger Umstände, wie die Quartiere der Exekutivbeamten belegten.
Abgeordneter PARNIGONI (S) bezeichnete diese Dringliche Anfrage als einen "Bauchfleck", seien doch nur elf Abgeordnete der ÖVP anwesend gewesen, was zeige, dass diese ihre eigene Anfrage nicht interessiere. Dies umso mehr, als solche Themen schon mehrmals von der ÖVP ventiliert worden seien. Er stehe aber nicht an, die klare Haltung seiner Partei ein weiteres Mal darzulegen. Seine Fraktion lehne Gewalt ab und spreche den Beamten ihren Dank aus. In diesem Zusammenhang forderte Parnigoni den Innenminister auf, den Beamten eine außerordentliche Belohnung zukommen zu lassen, und sprach sich gegen die Schließung von Gendarmerieposten aus.
Abgeordneter MIEDL (V) attestierte seinem Vorredner eine "schwache Meldung". Er, Miedl, erwarte sich von der Opposition eine eindeutige Distanzierung von jeder Form von Gewalt. Des weiteren schloss sich Miedl der Kritik seiner Fraktionskollegen an linken Gruppierungen wie den Globalisierungsgegnern an. In der Exekutive herrsche erstmals seit langem eine Aufbruchstimmung, weil man dort erkenne, dass die Politik nun hinter ihr stehe.
Abgeordneter Mag. KOGLER (G) warf den Regierungsparteien vor, sie wollten mit dieser Dringlichen bloß die aktuelle ÖGB-Kundgebung "madig machen", und darüber hinaus das Recht der Opposition, die Exekutive kritisch zu beobachten, in Frage stellen.
Abgeordneter Dr. BÖSCH (F) wies darauf hin, dass Abgeordnete der Grünen an mehreren Demonstrationen teilgenommen hatten, bei denen es zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen ist. Die Linken sollten ihr Verhältnis zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie und zur gewaltfreien politischen Auseinandersetzung überprüfen, meinte Bösch.
Abgeordnete JÄGER (S) zeigte Verständnis für die Sorgen jener, die in Salzburg gegen die Globalisierung demonstriert hatten, und betonte, man dürfe nicht sämtliche Demonstranten kriminalisieren. Mit Nachdruck bedauerte Jäger allerdings, dass es bei den Antiglobalisierungs-Demonstrationen immer wieder zu Ausschreitungen kommt, die von kleinen gewaltbereiten Gruppen verursacht werden.
Abgeordneter KISS (V) stellte fest, der gewaltbereite harte Kern der Demonstranten komme eindeutig aus dem Lager der Grünen und der "Roten". Keiner der Verantwortlichen der beiden Oppositionsparteien habe heute in dieser Debatte auch nur ein einziges Wort der echten und ehrlichen Distanzierung von der Gewalt bei der Salzburger Kundgebung geäußert, resümierte Kiss.
Abgeordneter EGGHART (F) forderte die Sozialdemokraten auf, in Zukunft alles zu unternehmen, damit es zu keinen Übergriffen durch der SPÖ nahe stehende Jugendgruppen mehr kommt.
Abgeordneter PRÄHAUSER (S) wies die an seine Fraktion gerichteten Vorwürfe scharf zurück und erinnerte an die Vermittlung durch den Salzburger Bürgermeister und durch die Arbeiterkammer. (Schluss)