Parlamentskorrespondenz Nr. 666 vom 11.10.2001

EINGEHENDE TOURISMUSDEBATTE IM WIRTSCHAFTSAUSSCHUSS

Einstimmiger Beschluss zur Lehrstellensicherung

Wien (PK) - Topthema im heutigen Wirtschaftsausschuss waren die aktuellen Entwicklungen im heimischen Fremdenverkehr, die die Abgeordneten unter der Verhandlungsführung von Ausschussobmann Günter Puttinger anhand des Tourismusberichtes 2000 ( III-119 d.B.) debattierten. Aus dieser Unterlage geht hervor, dass Österreich seine Spitzenposition im internationalen Reiseverkehr auch im Vorjahr eindrucksvoll bestätigte und die seit 1997 anhaltende Erholung mit deutlich wachsenden Tourismusumsätzen fortgesetzt werden konnte, wobei die Wintersaison überdurchschnittlich gute Ergebnisse brachte. Insgesamt erwirtschaftete die Branche 211 Mrd. S, wobei das nominelle Plus mit 8,5 % bei der Inländer-Nachfrage stärker ausfiel als bei den ausländischen Gästen mit 5 %.

Die Sprecher der Opposition, allen voran Emmerich Schwemlein (S) und Evelin Lichtenberger (G) wiesen kritisch auf die prekäre Lage kleiner Tourismusbetriebe hin und sahen die Politik angesichts schlechter Eigenkapitalausstattung, geringer Investitionen und mangelnder Rentabilität gefordert. Staatssekretärin Mares Rossmann führte das "Wegbrechen" der Ein- und Zwei-Sterne-Betriebe sowie vieler Privatzimmervermieter einerseits auf den Strukturwandel in Richtung Qualitätstourismus zurück und unterstrich andererseits die Notwendigkeit einer allumfassenden Steuerreform. Auf die neue Situation im Tourismus seit den Ereignissen vom 11. September reagiere die Österreich Werbung mit besonderem Engagement im Sektor Städtetourismus und auf nahen Märkten, da der Ferntourismus mit Einbußen rechnen müsse. Einig waren sich Staatssekretärin und Abgeordnete in der Einschätzung, dass die Tourismusberufe einer Imageverbesserung bedürfen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. In diesem Sinne wird der Tourismusbericht 2001 schwerpunktmäßig dem Thema "Arbeitswelt Tourismus" gewidmet sein.

DIE TOURISMUSDEBATTE IM EINZELNEN 

Abgeordnete Evelyn Lichtenberger (G) übte Kritik an der Gestaltung des Tourismusberichts und verlangte für künftige Berichte eine höhere Datenqualität sowie strukturiertere Aussagen über Förderungen und die Größenentwicklung der Betriebe, da ein enger Zusammenhang zwischen Strukturentwicklung und Nachhaltigkeit bestehe. Während die Ein- bis Zweistern-Betriebe in der Hotellerie "wegbrechen", bauen die Drei- bis Vierstern-Betriebe ihre Kapazitäten aus. Dies habe Auswirkungen auf Naturverbrauch und Energiebilanz. Da das Personal im Tourismus wesentlich zum Erfolg der Betriebe beitrage, sei es unverständlich, dass der Bericht nicht auf die Situation der Arbeitnehmer eingehe. Weitere Kritikpunkte Lichtenbergers galten finanziellen Kürzungen im Bereich der alpinen Vereine und Widersprüchen im Kapitel über die Seilbahnwirtschaft. Besonderes Augenmerk lenkte die Rednerin auf Kürzungen im Angebot des öffentlichen Verkehrs, wodurch Schaden für den Tourismus entstehe.

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (S) sprach von einem brauchbaren Bericht, warnte aber davor, angesichts der positiven Umsatzdaten die dramatischen Entwicklungen im Tourismus zu übersehen. Angesichts halbleerer Häuser im letzten Juli und August laute die Frage: "Wie können wir einer Branche helfen, die 16 % des BIP erwirtschaftet?" Darüber hinaus ersuchte Schwemlein um Auskunft über die Auswirkungen des 11. September auf den heimischen Tourismus und gab seiner Überzeugung Ausdruck, dass es notwendig sei, den Flughafen Wien als Standort abzusichern, da die Konkurrenz in München, Prag und Budapest eine starke Dynamik erkennen lasse.

Abgeordneter Helmut Haigermoser (F) führte die Entwicklung des europäischen Tourismus auf die Ostöffnung zurück und bezeichnete die Daten zum österreichischen Fremdenverkehr als hervorragend. Der SPÖ warf Haigermoser vor, die Tourismusbranche in die Ecke der Preistreiber zu stellen, wobei sie völlig übersehe, dass die Touristiker hohe Preisdisziplin bei wachsender Dienstleistungsqualität aufweisen. Auf guten Schienen sah Haigermoser auch die Österreich Werbung.

Abgeordneter Günter Puttinger (V) sprach sich dafür aus, in künftigen Tourismusberichten auch die Auslastungszahlen wieder zu berücksichtigen. Besondere Bedeutung gewinnen in der aktuellen Situation der Inländertourismus und die deutschen Gäste. Besorgt zeigte sich der Abgeordnete wegen der rückgängigen Eigenkapitalquote und der geringen Investitionen. Hinsichtlich der neuen Eigenkapitalvorschriften für die Banken im Sinne von Basel 2 befürchtete Puttinger Auswirkungen auf kleine und mittlere Tourismusunternehmen. Zustimmend äußerte sich Puttinger zu den Schwerpunktsetzungen beim Kongress- und Wellnesstourismus.

Abgeordneter Günter Kiermaier (S) zeigte sich betroffen

von der Feststellung, dass Betriebe mit weniger als 100 Betten oder weniger als 10 Mill. S Umsatz "suboptimale" Betriebsgrößen darstellten, die mit Problemen rechnen müssten. "Das sind mehr als 80 % der Betriebe, darüber müsste man im Plenum reden", sagte der Abgeordnete, der gemeinsam mit G-Abgeordneter Lichtenberger den Antrag seines Fraktionskollegen Schwemlein unterstützte, den Tourismusbericht 2000 nicht im Ausschuss endzuerledigen -  was die Koalitionsparteien eingangs der Sitzung aber abgelehnt hatten.

Abgeordneter Reinhold Mitterlehner (V) befasste sich mit dem negativen Investitionsverhalten und der immer schlechter werdenden Eigenkapitalausstattung im Bereich der Dreistern-Betriebe und hielt es für notwendig, die Betriebe zu unterstützen. Abgeordnete Evelyn Lichtenberger (G) antwortete, indem sie die Probleme des Dreisterne-Segments auf die Zentralisierung der Reisebüros zurückführte und von daher für Maßnahmen zur Erhaltung der Vielfalt auf dem Reisebüromarkt plädierte.

Lob spendete Lichtenberger Staatssekretärin Mares Rossmann für ihren Einsatz, eine Selbstverpflichtung der Reisebüros zum Verzicht auf den Abschluss von Sextourismusgeschäften zu erreichen.

Staatssekretärin Mares Rossmann kündigte an, dass sich der nächste Tourismusbericht schwerpunktmäßig mit der "Arbeitswelt Tourismus" befassen werde. Auch stellte die Staatssekretärin eine Evaluierung der Förderungspakete in Aussicht, die sich insbesondere der Frage widmen werde, welche Strukturveränderungen durch die einzelnen Förderungen bewirkt werden.

Das "Wegbrechen" des Ein- bis Zweisterne-Segments und vieler Privatzimmer gehöre zum Strukturwandel vom Massentourismus zum Qualitätstourismus. "Der Gast will im Urlaub dieselbe Qualität haben wie zu Hause!"

Die Kritik am Schutzhütten-Programm reichte die Staatssekretärin an die Länder weiter. Der Bund habe seine Aufwendungen aufgestockt. Die Sorge um den öffentlichen Verkehr teilte Rossmann und wies auf zukunftsträchtige Projekte unter dem Titel "sanfte Mobilität" hin, etwa den Aufbau einer "Kofferlogistik" in Salzburg, die es den Gästen leichter machen soll, auf ihr Auto zu verzichten.

Grundsätzlich machte Mares Rossmann darauf aufmerksam, dass der Tourismus europaweit 3-prozentige Wachstumsraten aufweise und EU-weit bereits 9 Mill. Arbeitsplätze sichere. Experten prognostizieren bis zum Jahr 2020 eine Verdoppelung der Tourismuszahlen.

Zur dramatischen Eigenkapitalssituation stellte die Staatssekretärin fest, dass dies Folge der verfehlten Politik vergangener Regierungen sei. Der Tourismus bedürfe als energieintensiver Dienstleistungsbereich einer allumfassenden Steuerreform, sagte Rossmann.

Eine dritte Piste für den Flughafen Wien-Schwechat bezeichnete Rossmann als eine sensible Frage für die Wettbewerbsfähigkeit der Flugdestination Wien. Das Reiseverhalten unterliege seit dem 11. September dramatischen Veränderungen. Experten sprechen, so die Staatssekretärin, von einer "Neudefinition des Tourismus". Angesichts der schlechten Situation der Reisebüros habe das AMS rasch gehandelt und Kurzarbeitsmodelle entwickelt. Die Österreich-Werbung schichte Mittel von den Fernmärkten auf Nahmärkte um und intensiviere das Städtemarketing, berichtete die Staatssekretärin.

Die Österreich-Werbung sei auf dem besten Weg, mit Altlasten aus den vergangenen Proporzzeiten aufzuräumen, sagte Rossmann und wertete es als Erfolg, die Österreich Werbung aus den Medien gebracht zu haben.

Mit den Auswirkungen von Basel 2 befasse sich eine Arbeitsgruppe. Kleineren Tourismusbetrieben werde mit Kooperationen und Holdingstrukturen geholfen werden können.

Weitere Arbeitsgruppen beschäftigen sich mit dem vom Abgeordneten Sigisbert Dolinschek (F) aufs Tapet gebrachten Fachkräftemangel im Tourismus. Schließlich wies Rossmann auf die Unterstützung von Saisonverlängerungsprojekten, die Förderung von Investitionen in Freizeiteinrichtungen und die Jungunternehmerförderung hin.

In einer zweiten Verhandlungsrunde konzentrierte sich Abgeordneter Schwemlein (S) auf die Ursachen des Fachkräftemangels im Tourismus und nannte die niedrigen Einkommen, die schlechten Arbeitsbedingungen und das hohe Berufskrankheitenrisiko. Schwemleins Appell lautete, intensiv über die Arbeitsbedingungen im Tourismus nachzudenken. Außerdem verlangte der SP-Tourismussprecher Maßnahmen, um Wien als Drehscheibe des internationalen Flugtourismus zu erhalten, Kooperationen voranzutreiben und die Ein- Zweisternbetriebe zu erhalten.

Abgeordneter Hannes Bauer (S) betonte die Bedeutung der Tourismusregionen und forderte politische Konsequenzen aus der Feststellung, dass kleine Betriebe im Tourismus nur schlecht geführt werden können. "Wir brauchen Konzepte, sie sollten bald nachgereicht werden."

Staatssekretärin Rossmann räumte ein, dass Tourismusberufe ein Imageproblem haben und plädierte dafür, in der Berufsberatung nicht nur die negativen Seiten der Berufe darzustellen, sondern den jungen Menschen auch klar zu machen, dass etwa österreichische Köche weltweit gefragt sind und große internationale Berufschancen haben.

Den österreichischen Tourismus sah die Staatssekretärin auf gutem Weg. Sie wies auf die Entwicklungen im Destinationsmanagement und die Förderung der Kooperationen hin und hielt es für realistisch, dass die Tourismuseinnahmen im Jahr 2001 auf 220 Mrd. S steigen werden. - Bei der Abstimmung wurde der Tourismusbericht 2000 mit der Mehrheit der Koalitionsparteien zur Kenntnis genommen.

NEUER ANLAUF FÜR VERFASSUNGSKONFORME PENSIONSVORSORGE DER WIRTSCHAFTSTREUHÄNDER

Zweiter Punkt der Tagesordnung war ein Antrag zur Änderung des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes, mit dem die Abgeordneten Haigermoser (F) und Puttinger (V) einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Rechnung trugen. Der VfgH hatte, wie Berichterstatter Abgeordneter Kopf (V) ausführte, die Bestimmungen für die Pensionsvorsorge der Kammermitglieder als gesetzwidrig erkannt. Der F-V-Antrag und ein in der Debatte vorgelegter Abänderungsantrag enthält die zur Wiederherstellung der Rechtssicherheit notwendigen detaillierteren Bestimmungen über das Pensionsvorsorgemodell der Wirtschaftstreuhänder ( 500/A). - Nach einer zustimmenden Wortmeldung des Abgeordneten Maximilian Hofmann (F) verabschiedete der Ausschuss den Antrag mit der Mehrheit von SP, FP und VP.

AUSSCHUSS EINSTIMMIG FÜR SICHERUNG DER LEHRSTELLEN

Da die Zahl der Lehrstellensuchenden im August 2001 gegenüber dem Vorjahr um 14,7 % auf 8.102 zunahm, beantragen Abgeordnete der ÖVP und der FPÖ, die in den letzten Jahren erfolgreichen Maßnahmen im Sinne des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes weiterzuführen. Dies soll insbesondere für jene Bundesländer gelten, wo Ungleichgewicht auf dem Ausbildungsmarkt herrscht. Es geht um Projekte zur Akquisition von Lehrplätzen und zur Ausbildung in Lehrgängen mit verstärkter Ausrichtung auf die neuen Technologien durch das Arbeitsmarktservice unter finanzieller Beteiligung des jeweiligen Bundeslandes ( 519/A).

Abgeordneter Franz Riepl (S) leitete die Debatte mit der Feststellung ein, dass die Bereitschaft der Betriebe, Lehrlinge auszubilden zwar gestiegen sei, die Lehrstellenknappheit aber dennoch befürchten lasse, dass Jugendliche in diesem Herbst auf der Straße bleiben. Der Vorschlag der Regierungsparteien, zusätzlich 100 Mill. S einzusetzen, gehe zwar in die richtige Richtung, sei aber völlig unzureichend, sagte der Abgeordnete, der überdies konkrete Angaben über die vorgesehene Beteiligung der Länder sowie zur Frage vermisste, auf welche Bundesländer die Maßnahmen konzentriert werden sollen. Schließlich sprach Riepl sein Bedauern darüber aus, dass FPÖ und ÖVP sich geweigert haben den SP-Antrag 503/A(E) im Sozialausschuss zu behandeln, der 500 Mill. S für die Sicherung der Jugendausbildung vorsieht.

Abgeordnete Heidrun Silhavy (S) appellierte an die Koalitionsparteien, bis zum Plenum eine finanzielle Nachbesserung zustande zu bringen. Kritisch wandte sich Silhavy gegen die Absicht der Regierung, keine neuen Lehrlingsstiftungen mehr einzurichten. Während die Wirtschaft über Facharbeitermangel klage, drängen mehr als 100 junge Menschen in eine Lehrstelle als EDV-Techniker.

Abgeordneter Helmut Haigermoser (F) bekannte sich zu Förderungen für diejenigen, die Lehrlinge ausbilden und plädierte dafür, eine gesamthafte und tiefgehende Diskussion über die duale Ausbildung - zu der er sich nachdrücklich bekannte - zu führen.

Abgeordneter Reinhold Mitterlehner (V) sprach von Übergangsproblemen auf dem Lehrlingsarbeitsmarkt, die mit einer Übergangslösung gelöst werden sollen. Die Einbindung der Länder sei zu begrüßen, weil sie eine bedarfsgerechte Gestaltung sicher stelle.

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (S) ging auf die großen Probleme der Jugendlichen im ländlichen Raum ein und unterstrich die Bedeutung von Stiftungen, die es möglich machen, dramatische Situationen auf dem Lehrstellenmarkt zu vermeiden. Auch Abgeordnete Silhavy nannte Stiftungen als wichtige Auffangnetze, für Jugendliche, die keine Lehrstellen finden können.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) strich die Bedeutung der dualen Ausbildung in Österreich hervor. Sie garantiere die höchste Jugendbeschäftigung der Welt und eine qualitativ hervorragende Ausbildung, wie die guten österreichischen Ergebnisse bei Berufsolympiaden zeigen. Globale Kritik an der Wirtschaft gehe an den Fakten vorbei, sagte Stummvoll und betonte die großen Leistungen der Betriebe bei der Ausbildung junger Menschen.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein wandte sich entschieden gegen die Rhetorik der SPÖ, die behaupte, die Regierung wolle tausende Lehrlinge "auf der Straße stehen lassen". Diese Behauptung sei unrichtig. Unrichtig sei auch die Auffassung, dass Stiftungen "Rettungsringe" darstellten -  sie seien in Wahrheit nur zweitbeste Lösungen, daher werde die Regierung keine neuen mehr einrichten. Der Lehrstellenandrang habe sich im Jahr 2001 kaum verändert, sagte der Minister. Dem Verlangen der SPÖ, 500 Mill. S für die Sicherung der Lehrlingsbeschäftigung einzusetzen, stimmte der Minister zu und rechnete vor: 400 Mill. S stehen zur Finanzierung der auslaufenden Stiftungen bereit, dazu kommen 100 Mill. S an zusätzlichen Mitteln. Besondere Sorgen machen die Länder Burgenland, Niederösterreich, Steiermark und Wien, beantwortete der Minister diesbezügliche Fragen und bekannte sich dazu, Lehrgänge für jene einzurichten, die keine Lehrplätze finden. - Der Antrag wurde einstimmig angenommen. (Schluss)