Parlamentskorrespondenz Nr. 747 vom 08.11.2001
FINANZAUSSCHUSS STIMMT NEUEM STABILITÄTSPAKT ZU
Wien (PK) - Der Finanzausschuss stimmte heute dem im Juni 2001 zwischen Bund, Ländern und Gemeinden neu vereinbarten Österreichischen Stabilitätspakt zu. Ziel des Paktes ist es, die Haushaltsführung der einzelnen Gebietskörperschaften aufeinander abzustimmen, um die Vorgaben der EU in Bezug auf einen ausgeglichenen Staatshaushalt einhalten zu können. Demgemäß enthält der Stabilitätspakt Bestimmungen über eine verstärkte Stabilitätsorientierung, eine gemeinsame Haushaltskoordinierung, die mittelfristige Ausrichtung der Haushaltsführung, die Erstellung der Stabilitätsprogramme, ein Informationssystem, die Ermittlung der Haushaltsergebnisse, einen Sanktionsmechanismus und die Aufteilung der Konsolidierungslasten auf Bund, Länder und Gemeinden.
Konkret setzt der Pakt für Bund, Länder und Gemeinden jeweils Stabilitätsbeiträge fest, die sicherstellen sollen, dass Österreich ab dem Jahr 2002 einen ausgeglichenen gesamtstaatlichen Haushalt aufweist. Die Verpflichtung des Bundes lautet, im Jahr 2001 ein Defizit von maximal 2,05 % des BIP und von 2002 bis 2004 von maximal 0,75 % des BIP zuzulassen. Die Länder verpflichten sich, von 2001 bis 2004 gemeinsam einen durchschnittlichen Haushaltsüberschuss von 0,75 % des BIP, jedenfalls aber 23 Mrd. S zum gesamtstaatlichen Konsolidierungspfad beizutragen, während die Gemeinden prinzipiell dazu angehalten sind, ausgeglichen zu budgetieren. Für den Fall, dass vereinbarte jährliche Stabilitätsbeiträge nicht erbracht werden, entscheidet ein Schlichtungsgremium (bestehend aus zwei vom Finanzminister und zwei von den Ländern nominierte Mitglieder) über die Hinterlegung eines Sanktionsbeitrages. Dieser besteht aus zwei Teilen: 8 % des jeweils vereinbarten Stabilitätsbeitrages des betroffenen Jahres zuzüglich 15 % der Abweichung von der bestehenden Verpflichtung. Als Obergrenze gilt die Höhe der Abweichung selbst.
In der Debatte betonten die Abgeordneten der SPÖ, ihre Zustimmung zum Stabilitätspakt sei lediglich formal zu sehen und keineswegs als inhaltliche Zustimmung zur Budgetpolitik der Regierung zu werten. Dass die SPÖ die zwischen den Gebietskörperschaften getroffene Vereinbarung unterstütze, ändere nichts an der grundsätzlich negativen Beurteilung der Finanz- und Budgetpolitik der Regierung, sagte etwa Abgeordneter Hannes Bauer (S). Er und SPÖ-Finanzsprecher Rudolf Edlinger kritisierten insbesondere das Festhalten der Regierung am eingeschlagenen Budgetkurs, obwohl sich die wirtschaftliche Ausgangslage inzwischen geändert habe. Auch Abgeordneter Kurt Eder (S) bekräftigte, das Nulldefizit dürfe nicht allein das Dogma der nächsten Jahre sein.
Seitens der Grünen lehnte Abgeordneter Werner Kogler den Stabilitätspakt generell ab, da dieser seiner Ansicht nach zu enge budget- und wirtschaftspolitische Vorgaben enthält. Er hält mehr Flexibilität in der Budget- und Wirtschaftspolitik für erforderlich. Kogler hegt außerdem Zweifel, ob die Länder die Vereinbarung tatsächlich einhalten werden.
Uneingeschränkt begrüßt wurde der Stabilitätspakt hingegen von Abgeordnetem Hermann Böhacker (F), da damit, wie er sagte, das Ziel eines gesamtstaatlichen Nulldefizits erreicht werde. Zudem sei es positiv, dass künftig auch die Gemeinden eine mittel- und langfristige Haushaltsführung verfolgen müssten. Nach Meinung von Böhacker lässt der Stabilitätspakt im Übrigen genügend Spielraum für die Budgetpolitik, da er dem Bund ein Abweichen von den Vorgaben um 0,25 Prozentpunkte und den Ländern von 0,15 Prozentpunkte erlaube.
Abgeordneter Günter Stummvoll (V) verteidigte die Budgetpolitik der Regierung. Er räumte ein, dass es einen Zusammenhang zwischen Budgetpolitik und Konjunktur gebe, hält es aber, wie er betonte, für notwendig, einmal in eine Ausgangssituation ohne neue Schulden zu kommen. Das heißt Stummvoll zufolge aber nicht, dass man in Zukunft jedes Jahr "0,0 Schulden" machen dürfe, vielmehr gehe es um eine prinzipielle Ausgeglichenheit des Budgets.
Ähnlich argumentierte auch Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Seiner Auffassung nach ist es notwendig, im Konjunkturzyklus einen ausgeglichenen Haushalt zu haben, was Defizite in konjunkturschwachen Zeiten bzw. Überschüsse in konjunkturstärkeren Zeiten nicht ausschließe. Der Finanzminister bekräftigte darüber hinaus, er zweifle nicht daran, dass die Länder den Stabilitätspakt einhalten werden.
Zu einer Frage von Abgeordnetem Jakob Auer (V) merkte Grasser an, der Stabilitätspakt sehe auch für Gemeinden einen gewissen Ausgleichsmechanismus vor. Es sei für sie möglich, Defizite bis zu einer Schwankungsbreite von 0,1 % des BIP im darauffolgenden Jahr durch Überschüsse wieder auszugleichen. Darüber hinaus kündigte der Finanzminister an, die Regierung werde trotz der laufenden Budgetkonsolidierung in den nächsten Jahren einen Schwerpunkt beim Ausbau der Infrastruktur setzen. Im Übrigen wies er darauf hin, dass Österreich trotz revidierter Wachstumsprognosen immer noch besser da stehe als viele andere Staaten wie Deutschland oder Italien.
Der Österreichische Stabilitätspakt 2001 erhielt die Zustimmung von SPÖ, Freiheitlichen und ÖVP. Mit der gleichen Mehrheit billigte der Finanzausschuss eine Regierungsvorlage zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes 2001, die vorsieht, dass eine Absicherungsklausel im Finanzausgleichsgesetz gestrichen wird, sobald alle Länder den Stabilitätspakt ratifiziert haben. Mit dieser Absicherungsklausel hat man für den Fall vorgesorgt, dass ein Bundesland den Stabilitätspakt nicht ratifiziert.
Durch einen in der heutigen Sitzung eingebrachten und bei der Abstimmung mitberücksichtigten Abänderungsantrag der Koalitionsparteien zum Finanzausgleichsgesetz 2001 wird darüber hinaus die Dotierung des Katastrophenfonds verringert. Grund für diese Maßnahme ist die geplante Übertragung eines überwiegenden Teils der Bundesstraßen in die vollständige Verantwortung der Länder. Zur Finanzierung dieser zusätzlichen Aufwendungen gewährt der Bund den Ländern einen Zweckzuschuss. Da dieser Zweckzuschuss auch jene Mittel aus dem Katastrophenfonds inkludiert, die bisher für die betroffenen Bundesstraßen verwendet wurden, werden die Mittel des Fonds im selben Ausmaß gekürzt.
ENDGÜLTIGES AUS FÜR STEMPELMARKE
Einstimmig verabschiedete der Finanzausschuss unter dem Titel "Abgabenänderungsgesetz 2001" zahlreiche Änderungen in einer langen Reihe von Steuergesetzen. Die ursprüngliche Regierungsvorlage wurde dabei durch einen umfassenden Abänderungsantrag adaptiert, den die Abgeordneten Hermann Böhacker (F) und Günter Stummvoll (V) in der heutigen Sitzung eingebracht haben. Der Gesetzentwurf bringt nicht nur das endgültige Aus der Stempelmarke in der Bundesverwaltung, sondern zielt, wie Abgeordneter Böhacker erläuterte, auch auf einen Abbau von Steuerbürokratie und mehr Steuergerechtigkeit ab. Ausdrücklich betonte er, dass das Gesetz keine neuen Steuererhöhungen beinhalte.
Die wesentlichsten Neuerungen lauten - stichwortartig zusammengefasst - wie folgt:
Im Einkommensteuergesetz werden obligatorische Beiträge an eine ausländische Krankenversicherung hinsichtlich ihrer Abzugsfähigkeit den Beiträgen an eine inländische Krankenversicherung gleichgestellt.
Im Kommunalsteuergesetz wird dafür gesorgt, dass auch Kleinunternehmer mit mehr als einer Betriebsstätte Freibetrag und Freigrenze in Anspruch nehmen können.
Weiters wird im Kommunalsteuergesetz die Frage der Steuerschuld bei Arbeitskräfteüberlassung neu geregelt: Künftig ist wieder - wie bereits bis Ende 1999 - der Arbeitskräfteüberlasser Steuerschuldner und nicht das Unternehmen, das die überlassenen Arbeitskräfte beschäftigt. Diese Regelung gilt jedoch nur, wenn der Arbeitskräfteüberlasser eine inländische Betriebsstätte unterhält; werden die Arbeitskräfte von einem ausländischen Unternehmen ohne Betriebsstätte in Österreich überlassen, bleibt das Unternehmen, das die überlassenen Arbeitskräfte beschäftigt, Steuerschuldner. Neu ist außerdem, dass eine Gemeinde im Falle einer Arbeitskräfteüberlassung nur dann Kommunalsteuer erhält, wenn die überlassene Arbeitskraft länger als sechs Monate in einem in der betreffenden Gemeinde ansässigen Unternehmen beschäftigt ist. Ist der Zeitraum der Arbeitskräfteüberlassung kürzer, ist jene Gemeinde erhebungsberechtigt, in der der Arbeitskräfteüberlasser seine Geschäftsleitung bzw. seine Betriebsstätte hat.
Im Umsatzsteuergesetz werden EU-Anpassungen vorgenommen sowie Einfuhr und Erwerb von Zahnersatz steuerfrei gestellt.
Auch im Gebührengesetz werden Euro-Anpassungen vorgenommen und die Verwendung von Stempelmarken sowie Freistempelabdrucken mit 1.1.2002 eingestellt. Zudem wird eine neue Gebühr für Unterschriftsbeglaubigungen eingeführt. Dafür werden alle an den Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof gerichteten Eingaben künftig von der im Gebührengesetz geregelten Eingabengebühr befreit.
Im Bereich der Grunderwerbsteuer, der Schenkungssteuer und der Gesellschaftsteuer werden die rechtlichen Grundlagen für ein elektronisches Verfahren zur Selbstberechnung und Anmeldung sowie für die elektronische Übermittlung der Abgabenerklärung im Rahmen von FinanzOnline geschaffen. Bislang war dies nur für die Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer im Rahmen von EDI-GREST möglich.
Weiters enthält das Abgabenänderungsgesetz 2001 redaktionelle Korrekturen, sprachliche Verbesserungen und Klarstellungen im Körperschaftssteuergesetz, im Umgründungssteuergesetz, im Straßenbenützungsabgabegesetz, im Normverbrauchsabgabegesetz, im Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz und im Kapitalverkehrssteuergesetz sowie Glättungen der Euro-Beträge nach unten in der Bundesabgabenordnung, in der Abgabenexekutionsordnung und im Finanzstrafrecht.
Schließlich sieht ein im Rahmen der Ausschussberatungen von der Koalition eingebrachter Gesetzesantrag zur Novellierung des Bundesgesetzes über Sonderregelungen zur Mittelstandsfinanzierung auf dem Gebiet der Gebühren sowie der Verkehrssteuern weitere steuerliche Erleichterungen für Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften vor. Im Gegensatz zum Abgabenänderungsgesetz 2001 wurde dieser Gesetzentwurf nicht einstimmig, sondern mit S-V-F-Mehrheit, also ohne die Stimmen der Grünen, beschlossen.
Im Rahmen der Diskussion zeigte sich Abgeordneter Günter Stummvoll (V) über das endgültige Aus der Stempelmarke erfreut. Er verwies aber auf die Notwendigkeit, die Behörden im Gegenzug entsprechend mit Bankomat-Kassen auszustatten.
Abgeordneter Hermann Böhacker (F) wies darauf hin, dass der Gesetzentwurf einen weiteren Abbau von Steuerbürokratie und mehr Steuergerechtigkeit - etwa bei der Bezahlung von Krankenkassenbeiträgen - bringe. Steuererhöhungen seien nicht vorgesehen. Die Umsatzsteuerbefreiung für importierten Zahnersatz ist ihm zufolge auf Grund der VwGH-Judikatur notwendig geworden.
In Bezug auf eine Frage von Abgeordneter Marianne Hagenhofer (S) erläuterte Finanzminister Karl-Heinz Grasser, man habe mit der Selbstberechnung der Grunderwerbssteuer gute Erfahrungen gemacht, weshalb nun eine Ausweitung der Selbstberechnung auf die Schenkungs- und Gesellschaftsteuer vorgesehen sei.
Was die Abschaffung der Stempelmarken betrifft, machte Grasser geltend, dass die Gebühren künftig bar oder auch mit Erlagschein bezahlt werden könnten, was eine vollständige Ausstattung der Ämter und Behörden mit Bankomat-Kassen nicht unbedingt erforderlich mache. Er richtete aber eine "dringende Bitte" an die Länder und Gemeinden, in ihren Bereichen die Stempelmarke ebenfalls abzuschaffen.
BURGENLAND ERHÄLT ZUM JUBILÄUM 55 MILLIONEN SCHILLING
Einstimmig billigten die Mitglieder des Finanzausschusses die Absicht des Bundes, dem Burgenland aus Anlass seiner 80-jährigen Zugehörigkeit zur Republik Österreich einen Zweckzuschuss in der Höhe von 55 Mill. S als Festgabe zu überreichen. 45 Mill. S davon sind bildungs- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen sowie der Förderung von Arbeitnehmern und Betrieben im Hinblick auf die bevorstehende Erweiterung der EU gewidmet. Jeweils 5 Mill. S sollen für Maßnahmen zur Pflege und Erhaltung der sprachlichen Vielfalt sowie zur Stärkung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit den Nachbarregionen eingesetzt werden (778 d.B.).
EINHELLIGE ZUSTIMMUNG ZU ADAPTIERUNGEN IM PENSIONSKASSENGESETZ
Auch bezüglich einer Adaptierung des Pensionskassengesetzes herrschte Einstimmigkeit im Finanzausschuss. Konkret geht es um eine Adaptierung des Begriffs "Konzern" im Pensionskassengesetz, welche aufgrund von Organisationsänderungen in der Bundesverwaltung und damit verbundenen Ausgliederungen notwendig wurde. Zudem sorgen redaktionelle Korrekturen für einen reibungslosen Übergang der Aufsichtsfunktion vom Finanzminister auf die neue Finanzmarktaufsichtsbehörde.
Namens der SPÖ hielt Abgeordneter Hannes Bauer fest, seine Fraktion stimme der Gesetzesänderung zu, weil diese "tatsächlich notwendig ist". Diese Zustimmung bedeute aber nicht, dass sich die ablehnende Haltung der SPÖ zum Finanzmarktaufsichtsgesetz in irgendeiner Form ändere. (Fortsetzung)
Links
- 775 d.B. - Pensionskassengesetz Gründung einer Bundespensionskasse AG
- 1/A-FI - Finanzausschuss
- 829 d.B. - Österreichischer Stabilitätspakt 2001
- 779 d.B. - Finanzausgleichsgesetz 2001
- 827 d.B. - Abgabenänderungsgesetz 2001, AbgÄG 2001
- 778 d.B. - Bundeszuschusses an das Land Burgenland 80-jährigen Zugehörigkeit zu Österreich