Parlamentskorrespondenz Nr. 802 vom 21.11.2001
KEIN KONSENS ZU TEMELIN IM NATIONALRAT
Wien (PK) - Dissens zwischen den Fraktionen der Koalition und der Opposition in der Frage Temelin offenbarte die rund dreistündige Debatte des Nationalrats zu einer Dringlichen Anfrage der Sozialdemokraten.
Abgeordneter Dr. CAP (S) übte in der Begründung der Dringlichen Anfrage scharfe Kritik an den seiner Ansicht nach uneinheitlichen Positionen innerhalb der Regierungsparteien zu Temelin und wandte sich insbesondere gegen Veto-Drohungen. Er halte nichts davon, Temelin als Kartenspiel zu sehen und eine Veto-Karte im Ärmel zu haben, wie dies auch einige Landeshauptleute der ÖVP verlangten, sagte er. "Wenn man Karten im Ärmel hat, ist man ein Falschspieler."
Ein Veto gegen den EU-Beitritt Tschechiens könne weder Temelin verhindern, noch würde es ein Mehr an Sicherheit für die österreichische Bevölkerung bringen, bekräftigte Cap. Die Österreicher würden bewusst in die Irre geführt, wenn man ihnen das Gegenteil garantiere. Zudem treibe die Veto-Drohung Österreich innerhalb der EU in die Isolation und gefährde die Entwicklung eines europaweiten Ausstiegsszenarios aus der Kernenergie. Der Abgeordnete wies darauf hin, dass auch Wirtschaftsminister Bartenstein in einer heutigen Presseaussendung ähnlich argumentiert habe.
Warum es keinen gemeinsamen Entschließungsantrag aller vier Parteien gegen Temelin gibt, führte Cap auf das Beharren der FPÖ auf die Veto-Drohung zurück. Diese wolle in Wahrheit die EU-Erweiterung verhindern, glaubt er. Den gemeinsamen Entwurf der beiden Koalitionsparteien lehnte der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann als zu wenig weitreichend ab, einige der in Melk getroffenen Vereinbarungen würden darin fehlen.
Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL meinte, Abgeordneter Cap sei die Begründung schuldig geblieben, warum die SPÖ dem gemeinsamen Antrag der beiden Koalitionsparteien nicht zugestimmt habe. Seiner Ansicht nach hat die SPÖ damit als erste Partei den rot-weiß-roten Konsens verlassen und Parteipolitik vor Staatsräson gestellt. Es schwäche die österreichische Position, wenn man aus dem wichtigen Thema Temelin einen parteipolitischen Disput mache, klagte er.
Schüssel betonte darüber hinaus, dass Österreich in der Frage der Atompolitik schon viel erreicht habe. So seien nukleare Sicherheitsstandards für die Erweiterungskandidaten zu einem europäischen Thema geworden, für drei Kernkraftwerke habe man einen präzisen Zeitplan zur Stilllegung festgelegt. Aber auch in Bezug auf Temelin sei einiges geschehen, verwies Schüssel auf den "Melker Dialog". In diesem Zusammenhang machte der Bundeskanzler darauf aufmerksam, dass Österreich sich verpflichtet habe, den EU-Beitritt Tschechiens zu unterstützen, wenn Tschechien die in Melk getroffenen Vereinbarungen erfülle.
In Beantwortung der einzelnen Fragen der Dringlichen Anfrage hielt Schüssel u. a. fest, dass Tschechien die Lösung von sieben zentralen Sicherheitsfragen verbindlich zu garantieren habe, wobei diese Verpflichtung auch für einen möglichen privaten Betreiber von Temelin gelten müsse. Dies sollte im Rahmen des Beitrittsvertrags verankert werden, damit Österreich die erforderlichen Maßnahmen im Bedarfsfall einklagen könne.
Den Vorwurf, der Regierung sei es nicht gelungen, die Unterstützung der EU-Kommission und anderer EU-Mitgliedstaaten in der Frage Temelin zu gewinnen, wies Schüssel zurück. Ihm zufolge gibt es sehr wohl "eine Europäisierung dieses Themas". Auch die Europäische Kommission sehe offene Sicherheitsfragen. Wenn Österreich nachdrücklich und konsequent verhandle, werde es sicher nicht isoliert sein, zeigte sich der Bundeskanzler überzeugt.
Die Prüfung einer "Nulloption" seitens Tschechien ist Schüssel zufolge immer wieder von der österreichischen Regierung gefordert worden. Ein in Auftrag gegebenes Gutachten, wonach Temelin weder ökonomische noch ökologische Vorteile bringe, sei von Tschechien aber nicht akzeptiert worden. Schüssel hofft aber dennoch, wie er sagte, dass der Widerstand gegen Temelin in der tschechischen Regierung und in der Bevölkerung wachsen werde.
Die Fragen betreffend die Haltung der FPÖ zu Temelin beantwortete Schüssel kurz mit einem Verweis auf das Regierungsübereinkommen.
Abgeordnete Mag. SIMA (S) konstatierte, Österreich stehe vor einem "Scherbenhaufen" in der Temelin-Politik. Sie führt das auf die Uneinigkeit innerhalb der Regierungsparteien zurück und qualifizierte es als "lächerlich", der SPÖ vorzuwerfen, den rot-weiß-roten Konsens verlassen zu haben. Es sei die FPÖ, die seit Monaten "aggressivste Vetopolitik" verfolge. Daran sei auch der Vier-Parteien-Konsens gescheitert. Sima ist sich sicher, dass ein Veto Temelin nicht verhindern würde, sondern lediglich den EU-Beitritt Tschechiens. "Das ist das, was wir nicht wollen."
Den Vorwurf, die Regierung habe es monatelang nicht geschafft, in der Frage Temelin auch nur einen einzigen Verbündeten auf EU-Ebene zu gewinnen, hielt Sima aufrecht. Ihrer Auffassung nach gibt es kein Einvernehmen zwischen Österreich und der EU-Kommission, wie dies Schüssel darzulegen versucht habe.
Abgeordneter Ing. WESTENTHALER (F) hielt Abgeordnetem Cap vor, mit seiner Rede ein Ablenkungsmanöver veranstaltet zu haben und einen "Eiertanz" in der Atompolitik hinzulegen. Die SPÖ habe keine Exit-Strategie, erklärte er. Sollte Tschechien weder die Nullvariante noch die vereinbarten Sicherheitsbedingungen erfüllen, bleibe der SPÖ nichts anderes übrig, als entweder "krachend umzufallen" oder "zu uns auf den Schoß zu kommen" und das Energiekapitel nicht abzuschließen.
Heftig kritisiert wurde von Westenthaler außerdem die ablehnende Haltung der SPÖ zum Temelin-Volksbegehren. Er empfindet dies als Verhöhnung und Verachtung der Bevölkerung. Die SPÖ wolle die Österreicher offenbar nicht mitreden lassen.
Abgeordneter Dr. KHOL (V) bedauerte, dass es ab heute keinen Vier-Parteien-Konsens mehr zum AKW Temelin gebe, und daran sei die SPÖ schuld. Er warf Gusenbauer vor, im Gegensatz zu dessen Äußerungen im Inland, in Berlin keinen offensiven Kampf für den europaweiten Ausstieg aus der Kernenergie geführt zu haben. Der Melker Prozess werde weiter verfolgt, und es wäre gut, wenn alle Fraktionen des Parlaments Bundesminister Molterer und die Bundesregierung dabei unterstützten.
Khol fasste dann die Kernpunkte des eingebrachten V-F-Entschließungsantrages zusammen, über den es seiner Meinung nach Konsens unter den vier Parteien geben müsste: Unterstützung des europaweiten Ausstiegs aus der Kernkraft; Schaffung einheitlicher europäischer Sicherheitsstandards; keine Zustimmung zum vorläufigen Abschluss des Energiekapitels mit Tschechien, solange die Forderungen nach bilateraler Nuklearinformation auf höchster Ebene, nach Lösung der sieben zentralen Sicherheitsprobleme und Umsetzung der 21 Punkte der tschechischen Umweltverträglichkeitsprüfung nicht gelöst seien; der Gegenstand der Sicherheitsvereinbarung zwischen Tschechien und Österreich sollte auch rechtlich für die späteren Betreiber des Kernkraftwerkes verbindlich sein, und dies alles sollte auch im Rahmen des Beitrittsprozesses rechtswirksam verankert werden. Schließlich wird die Bundesregierung auch aufgefordert, die Nullvariante weiterzuverfolgen.
Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) wollte aus ihrer Sicht einige Dinge sachlich richtig stellen und erläuterte die Gründe für das Scheitern, zu einer gemeinsamen Linie zu kommen. Die Verantwortung für die Aufkündigung der gemeinsamen Vorgangsweise sieht sie bei den Freiheitlichen. Die Grünen wären dafür eingetreten, einen finanziellen Beitrag für die Abschaltung Temelins zu leisten, die FPÖ sei aber gegen die Aufnahme dieses Punktes in den Antrag gewesen. Außerdem sei der nun vorliegende Antrag der Koalitionsparteien schwächer als die bisherige konsensuale Linie auf Grund der alten gemeinsamen Entschließung.
Bundeskanzler Schüssel warf sie vor, dass er im Rat zugestimmt habe, Bohunice erst 2006, 2008 zuzusperren, obwohl dies schon im Jahr 2000 hätte der Fall sein sollen. Es sei verabsäumt worden, entsprechende Lobbying-Politik zu betreiben.
Glawischnig brachte abschließend einen Entschließungsantrag ein, in dem der Nationalrat für einen europaweiten Ausstieg aus der Kernenergie eintreten soll. Die Grünen sprechen sich darin gegen das EURATOM-Forschungsprogramm aus, verlangen die Schaffung einheitlicher und hoher Sicherheitsstandards von AKW-Anlagen, und sind gegen den vorläufigen Abschluss des Energiekapitels mit Tschechien, solange wesentliche Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Über den koalitionären Antrag hinaus, sprechen sich die Grünen für den Ausbau von Energiepartnerschaften mit Tschechien und für einen finanziellen Zuschuss zur Stillegung Temelins aus.
Abgeordneter OBERHAIDINGER (S) widersprach Westenthalers Vorwurf, Gusenbauer habe in Berlin nicht für den österreichischen Standpunkt geworben. Nicht die SPÖ habe den gemeinsamen Anti-Temelin-Kurs verlassen, sondern die FPÖ, meinte Oberhaidinger. Der Grund, warum die SPÖ nicht mitgehen könne, liege darin, dass innerhalb der ÖVP große Uneinigkeit herrsche und der vorliegende Entschließungsantrag zu verwaschen sei. Außerdem komme darin die Nulloption nicht vor, weil dies offenbar Minister Molterer nicht wünsche.
Auch er brachte seitens der sozialdemokratischen Fraktion einen eigenen Entschließungsantrag ein, der die Position Österreichs für den europaweiten Ausstieg aus der Kernenergie festlegt. Dieses Thema sollte zu einem Gegenstand der Debatte über die Zukunft Europas werden. Im Rahmen eines europaweiten Ausstiegsszenarios sollen Maßnahmen zur Effizienzsteigerung der Energienutzung sowie der Förderung erneuerbarer Energieträger vorangetrieben werden. Auch die SPÖ legt sich gegen eine Aufstockung des EURATOM-Kreditrahmens quer und tritt für einheitliche hohe Sicherheitsstandards von AKW-Anlagen in Europa ein. Ihrer Meinung nach soll es ebenfalls keine Zustimmung zum vorläufigen Abschluss des Energiekapitels mit Tschechien geben, solange wesentliche Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Ein Veto lehnen die SozialdemokratInnen jedoch ab und fordern die Bundesregierung auf, den Verhandlungsprozess hinsichtlich des Beitritts Tschechiens zur EU fortzusetzen.
Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) ging nochmals auf das Jahr 1978 zurück. Wenn damals die Volksabstimmung anders ausgegangen wäre, hätte heute die SPÖ keinerlei Legitimation für eine Anti-Atom-Politik, sagte er. Schweitzer erwähnte auch, dass Abgeordnete Sima mit Global-2000 und Greenpeace im Jahr 1999 ein Temelin-Volksbegehren starten wollte. In Richtung des Abgeordneten Cap fragte er, was es denn bedeute, das Energiekapitel nicht abzuschließen? Die Haltung der SPÖ sei seiner Meinung nach nicht nachvollziehbar und werde auch von den Leuten nicht verstanden.
Abgeordnete RAUCH-KALLAT (V) plädierte nochmals für eine parteiübergreifende Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen. Sie bedauerte daher, dass die SPÖ und die Grünen die gemeinsame Linie verlassen haben und stellte in den Raum, dass es Abgeordnetem Cap nicht um die Sicherheit gehe. Die SPÖ wolle die Frage Temelin nur im Muster parteipolitischer Auseinandersetzung abwickeln, für parteipolitische Taktik sei ihr Temelin aber zu wichtig. Die SPÖ habe auch ihre vermeintlich guten Kontakte zu SozialdemokratInnen in der EU offensichtlich nicht genützt, um diese für die österreichischen Sorgen zu gewinnen. Für Österreich sei klar, dass die Kernenergie keine nachhaltige Energiegewinnung ist, und deshalb habe auch der Bundeskanzler in der EU für einen europaweiten Ausstieg geworben.
Abgeordnete Dr. MOSER (F) wies darauf hin, dass es immer wieder die Grünen gewesen seien, die für eine Vier-Parteien-Einigung eingetreten seien. Der Knackpunkt sei das Energiekapitel, das nicht abgeschlossen werden dürfe. Es sei aber zu befürchten, dass die Außenminister das Energiekapitel nun bald abhaken würden. Dem einen Riegel vorzuschieben, wäre nur durch einen Vier-Parteien-Antrag des Parlaments möglich. Moser sagte, dass es vor allem Mitte der neunziger Jahre daran gefehlt habe, deutliche Signale zu setzen, dass der Beitritt Tschechiens bei der Inbetriebnahme Temelins nur schwer möglich sein werde.
Abgeordneter Dr. EINEM (S) replizierte auf den Bundeskanzler und unterstrich, dass die Bundesregierung die Aufgabe habe, sich um die Sicherheit der Bevölkerung zu kümmern. Der Bundeskanzler habe aber eine Partei in die Regierung geholt, die immer eine Politik gemacht habe, Außenfeinde zu schaffen. So sei auch das Volksbegehren Temelin ein Volksbegehren gegen den Beitritt der Tschechischen Republik, und das habe mit einer verantwortlichen Politik nichts zu tun. Die SPÖ wolle auch nach dem Beitritt der Tschechischen Republik alles dazu beitragen, dass Europa AKW-frei werde, sie wolle ein nachhaltige Bemühung um dieses Ziel und deshalb könne sie einem kurzfristigen Populismus in dieser Frage nicht zustimmen. Die ÖVP opfere den Konsens dafür, dass der Bundeskanzler auf seinen Sessel sitzen bleibe, so Einem in Richtung Khol.
Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL meinte, die SPÖ werde die Frage beantworten müssen, was geschehe, wenn die Tschechische Regierung die berechtigten Wünsche nicht erfülle. In Richtung der Grünen fragte er, warum Österreich das Energiekapitel nicht abschließen solle, wenn Tschechien die berechtigten Wünsche erfüllen sollte. Mit Mentalvorbehalten, wie sie die Grünen hätten, werde man eine gute Nachbarschaft und eine gute Atmosphäre nicht zusammenbringen. Es wäre daher gut für alle, wenn man die sachlichen Verhandlungspunkte, die für alle gemeinsam seien, nun auch gemeinsam beschlösse.
Abgeordneter Mag. KUKACKA (V) appellierte an die Abgeordneten, die Anti-Atompolitik gemeinsam zu betreiben, statt sie zu parteipolitischen Manövern zu missbrauchen. Temelin sei ein Thema gemeinsamen nationalen Interesses von Regierung und Opposition, sagte Kukacka und fügte hinzu, dass er keine sinnvolle Alternative zum Melker Prozess sehe. Kukacka warnte vor der Illusion, ein österreichischer Politiker oder eine österreichische Partei könnten die Inbetriebnahme von Temelin verhindern. "Wir brauchen die europäische Solidarität". Statt parteipolitisches Kleingeld zu schlagen, sollten SPÖ und Grüne daher ihre europäischen Kontakte nutzen, um die österreichischen Interessen auf europäischer Ebene zu stärken. Die ÖVP will, dass Tschechien der EU beitritt, "aber wir verlangen höchstmögliche Sicherheitsstandards für Temelin", stellte Kukacka klar.
Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) klagte, dass die ÖVP die Frage nach dem Veto nicht beantwortet habe. Das Problem sei, dass die FPÖ reine Parteipolitik betreibe und damit punkten möchte. Aufgabe der ÖVP sei es, der FPÖ klar zu sagen: kein Veto gegen einen EU-Beitritt Tschechiens. Diese Aussage fehle im Entschließungsantrag der Koalitionsparteien. Weiters kritisierte Lunacek die Zustimmung des Kärntner Landeshauptmannes Haider zu Atomstromimporten nach Kärnten. Grundsätzlich meinte Lunacek, ein Veto gegen den EU-Beitritt Tschechiens würde Temelin nicht verhindern. Es würde nur dazu führen, dass in Tschechien jene die Wahlen gewinnen, die der EU nicht beitreten wollen, Temelin würde trotzdem in Betrieb gehen.
Abgeordneter Ing. FALLENT (F) machte darauf aufmerksam, dass Temelin nicht imstande sein werde, die laufenden Betriebskosten zu erwirtschaften. Temelin werde von den tschechischen Steuerzahlern Geld brauchen. Das Kernkraftwerk Temelin verglich Fallent mit einem russischen Roulette - niemand wisse, was der nächste Störfall bringe. "Wir müssen diese Gefahr abwenden", sagte Fallent und formulierte pointiert: "Temelin muss zu Zwentendorf werden". In ganz Europa müsse es zum Atomausstieg kommen, Kernenergie müsse durch alternative Energieträger ersetzt werden - das ist die Linie der FPÖ.
Abgeordneter DI HOFMANN (F) forderte die SPÖ auf, klar die Bedingungen für einen Abschluss des Energiekapitels aus ihrer Sicht zu nennen. Seiner Auffassung nach gehe es darum, den Tschechen klar zu machen, dass es nicht möglich sein wird, in der EU ein quersubventioniertes Kernkraftwerk zu betreiben.
Abgeordneter Ing. GRAF (F) unterstrich die Auffassung, dass es kein sicheres Atomkraftwerk gebe und hielt die Zeit für reif, die tschechische Bevölkerung zu befragen, ob sie mit dem Kernkraftwerk Temelin einverstanden sei.
Abgeordneter Dr. CAP (S) beklagte, dass der Bundeskanzler die an ihn gerichteten Fragen nicht ausreichend beantwortet habe, insbesondere jene nicht, die sich auf die zentrale Frage nach der Vetopolitik gerichtet haben. Der Regierung stehe das Wasser bis zum Hals, konstatierte Cap und forderte einmal mehr einen klaren Bericht der Bundesregierung zum Stand der Verhandlungen mit Tschechien ein. Die SPÖ habe aufgezeigt, was ihre Bedingungen für einen Abschluss des Energiekapitels seien, wenn die Bundesregierung nicht imstande sei, diese Punkte auszuverhandeln, sei sie rücktrittsreif. Die Regierung trage die Verantwortung, sie müsse Ergebnisse auf den Tisch legen. Den Bundeskanzler sah Cap aber nur zwischen der FPÖ einerseits und den ÖVP-Landeshauptleuten andererseits "hin und her torkeln". Demgegenüber enthalte der Entschließungsantrag der SPÖ eine taxative Aufzählung der Bedingungen für einen Abschluss des Energiekapitels und eine klare Stellungnahme zu den Vetodrohungen der FPÖ.
Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) legte auch einen Entschließungsantrag vor, der darauf ausgerichtet war, kein österreichisches Steuergeld für Atomforschungen der EU zur Verfügung zu stellen und dem EURATOM-Forschungsprogramm keine Zustimmung zu erteilen. Die Zeit der Beitrittsverhandlungen soll genützt werden, um das Bestmögliche für Österreich herauszuholen. Die Erfahrung zeige aber, dass gegen Zurufe aus dem Ausland der nationale Schulterschluss eingefordert werde. Genau dies bewirkten die Vetodrohungen der FPÖ in Tschechien.
Abgeordneter KOPF (V) warf den SozialdemokratInnen vor, zur Zeit der Ministerin Prammer in der Antiatompolitik "nur heiße Luft" produziert zu haben. Das einzig herzeigbare Ergebnis in der Frage Temelin stamme von Bundeskanzler Schüssel und Minister Molterer, die den Melker Prozess eröffnet haben. Nur deren Bemühungen seien zielführend für die größtmögliche Sicherheit der österreichischen Bevölkerung.
In namentlicher Abstimmung wurde der Entschließungsantrag der Regierungsparteien betreffend Umsetzung des Protokolls von Melk mit 104 gegen 72 bei 176 abgegebenen Stimmen angenommen.
Ebenfalls in namentlicher Abstimmung wurde der SP-Entschließungsantrag für eine gemeinsame Anti-AKW-Politik Österreichs abgelehnt. Bei 177 abgegebenen Stimmen waren die Ja-Stimmen mit 59:118 in der Minderheit geblieben.
Mangels Mehrheit abgelehnt wurden auch die beiden G-Entschließungsanträge betreffend aktive europäischen Anti-AKW-Politik bzw. kein österreichisches Steuergeld für die EU-Atomindustrie. (Schluss Dringliche/Forts. NR)