Parlamentskorrespondenz Nr. 5 vom 07.01.2002

ZEUS - DER OLYMPISCHE CASANOVA MIT DONNER UND BLITZ

Wien (PK) – Die großen Dichter und Philosophen, wie Xenophon und Sokrates, begegneten ihm mit großer Ehrfurcht und übersahen die allzu menschlich-männlichen Züge seiner göttlichen Person – ja sie verwarfen sogar jene Mythen, in denen er als listenreicher Verführer dargestellt wird, vor dessen Nachstellungen und Begierden keine schöne Göttin aber auch kein schönes Menschenkind sicher sein konnte. In der Ilias und Odyssee wird er als majestätischer und unparteiischer Herrscher und Herr über die Geschicke der Menschen geschildert, gleichzeitig erleben wir ihn aber auch als gemeinen und hinterhältigen Weltenlenker sowie als schwachen hintergehbaren Gott, den Hera ohne besondere Mühe bezirzt und einschläfert. Aischylos war der erste griechische Tragiker, der immer wieder sein widersprüchliches Wesen thematisierte. Vor allem aber seine Liebesabenteuer und seine Phantasie, in welcher Verwandlung er sich seiner Geliebten nähern wird, haben zahllose bildende Künstler inspiriert, und die Museen wären heute um vieles ärmer, könnten sie nicht die meisterhaften Darstellungen der Verführungskünste und erfolgreichen Annäherungsversuche des griechischen Göttervaters präsentieren.

Die Rede ist von Zeus, dem Herrscher über die griechische Götterwelt, Sohn des Geschwisterpaares Kronos und Rhea, Gatte seiner Schwester Hera. Seine Geschwister sind neben Hera die großen Göttinnen, Hestia und Demeter und die großen Götter Hades und Poseidon. Etymologisch ist der Name des Zeus mit dem Himmel verwandt, und er scheint auch immer ein Wettergott gewesen zu sein, der besonders für Regen, Schnee, Hagel und Gewitter verantwortlich zeigte. Im oberen Vestibül des Parlamentsgebäudes, zwischen Pallas Athene und Hera platziert, zeigt er sich dem Betrachter deshalb auch mit einem Blitzbündel in der rechten Hand. Die Staue wurde vom Bildhauer Edmund Hoffmann gestaltet, und sie stellt Zeus mit wallendem Haupthaar, der so genannten Löwenmähne, dar. Neben dem rechten Bein sitzt ein Adler, der Legende nach einstmals ein schöner Knabe, der von Hera in einen Adler verwandelt wurde, weil sie glaubte, er sei der Knabengeliebte des Zeus. Ganymed wurde ja ein ähnliches Verhältnis zu Zeus nachgesagt, weshalb er geraubt und zum Mundschenk der Götter gemacht wurde.

Bevor Zeus jedoch die Herrschaft an sich reißen konnte, musste er seinen Vater stürzen und die Titanen besiegen. Seine Geburt stand aber unter keinem guten Stern, denn sein Vater Kronos, der wiederum seinen Vater Uranus entthront hatte, verschlang alle seine Kinder aus Furcht, diese könnten sich gegen ihn erheben. Dies bereitete natürlich Rhea unerträglichen Kummer, und sie ergriff eine List, um wenigstens ihr nächstes Kind Zeus vor ihrem Mann zu retten. In ihrer Verzweiflung wandte sie sich an ihre Eltern, die Erde Gaia und den gestirnten Himmel Uranos, welche Rhea nach Lyktos auf die Insel Kreta schickten, um dort in einer Höhle des Idagebirges ihr Kind heimlich zur Welt bringen zu können. Kronos aber reichte sie einen in Windeln gewickelten Stein, den dieser sofort in seinen Bauch legte, ohne die List zu bemerken.

Übrigens muss das Verschlingen damals en vogue gewesen sein, denn der Geburtsmythos von Pallas Athene gründet sich ebenfalls auf ein derartiges Vorgehen, nur dass Zeus später nicht seine Kinder, sondern die von ihm geschwängerte Geliebte Metis verschlang. Geholfen hat die ganze Prozedur eher wenig, denn Pallas Athene entsprang Zeus aus dessen Haupt und wurde sogar seine Lieblingstochter, und auch Kronos kam nicht umhin, seine Kinder wieder auszuspeien. Zeus hatte ihm vorher eine Art Brechmittel verabreichen können und rettete so seine Geschwister und die Brüder seines Vaters. Aus Dankbarkeit schenkten ihm die Kyklopen Donner und Blitz, die Zeichen und Mittel seiner Macht. Mit seinen Brüdern teilte er dann die Weltherrschaft. Poseidon bekam das Wasser zugesprochen, Hades erhielt die Unterwelt als sein Hoheitsgebiet und Zeus regierte über den Himmel. Ihm wurde auch die Oberherrschaft übertragen. Der Stein, der an seiner Stelle im Magen des Vaters lag, wurde später von Zeus nach Delphi gebracht, wo er als "omphalos", Nabel oder Mittelpunkt der Erde, verehrt wurde.  

Der Weg zur Herrschaft war jedoch mehr als steinig. Zeus wurde von Kronos unbemerkt in Kreta von der Nymphe oder Ziege Amaltheia aufgezogen, die dem göttlichen Kind aus dem unerschöpflichen Horn zu trinken gab. Genährt wurde er mit dem Honig der Nymphe Melissa. In anderen Sagen wird davon gesprochen, dass auch eine Ziege, eine Sau, Bienen und Tauben als Ammen fungiert hätten. Als er herangewachsen und stark genug war, gegen die Titanen zu kämpfen, besaß er aber keine Waffen. Und so tötete er nach Weisung eines Orakels die Ziege, deren Fell ihm Unverwundbarkeit verlieh und die außerdem noch das schreckliche Gorgo-Antlitz auf dem Rücken hatte.

Gegen die Titanen kämpften an der Seite des Zeus dessen Geschwister. Der Kampf zog sich aber in die Länge, und es schien zu keiner Entscheidung zu kommen. Wie Hesiod berichtet, holte die neue Göttergeneration nach einem Hinweis der Gaia die drei Hundertarmigen, die Hekatoncheiren, aus der Tiefe und stärkten sie mit Nektar und Ambrosia. Mit den Steinen in ihren dreihundert Händen überwältigten die neuen Mitkämpfer die Titanen und besiegelten damit deren Ende. Aber damit war die Macht für die neue Götterelite noch nicht gefestigt, denn Gaia gebar den fürchterlichen Drachen Typhoeus, der bis zu den Hüften Menschengestalt hatte und so hoch war, dass sein Haupt oft die Sterne berührte. Gegen ihn schien Zeus zunächst machtlos zu sein und geriet in große Bedrängnis, als ihm der Drache mit einer Sichel die Sehnen aus Händen und Füßen schnitt und versteckte. Diese wurden aber glücklicherweise von Hermes und Aigipan wieder gefunden und dem Gott unbemerkt zurückgegeben, der sich rasch wieder erholte. Zeus verfolgte seinen Gegner schließlich bis nach Sizilien und schleuderte dort den Ätna auf ihn. Der Berg speit heute noch Blitze zurück, die auf den Drachen fielen.

Die letzte Hürde bis zur Herrschaft waren dann die Giganten, die von Rhea aus Wut darüber geboren wurden, dass Zeus ihre Kinder, die Titanen, erschlagen hatte. Sie versuchte diese durch eine Pflanze unsterblich zu machen, Zeus fand das Kraut jedoch selbst und hielt es versteckt. Von einem Orakel erfuhren die neuen Götter, genannt die Olympier, aber, dass sie die Giganten nur mit Hilfe von Sterblichen besiegen werden können. Zum Glück hatte Zeus zwei Kinder von sterblichen Müttern, und zwar Dyonosos von Semele und Herakles von Alkmene. Sie entschieden den Kampf mit den Giganten zu Gunsten der Olympier, womit deren Vorherrschaft und vor allem die des Zeus endgültig unangefochten war. Einmal nur organisierte Hera gemeinsam mit Apollon und Poseidon einen Aufstand gegen ihn, der ihn ziemlich in die Enge trieb. Er wurde nämlich durch hundertfach verknotete lederne Seile ans Bett gebunden, Thetis ließ ihn jedoch von einem der Hundertarmigen, Briareos, befreien.

Diese Episode der Ilias zeigt, dass Zeus doch nicht ganz unangreifbar, nicht ganz allmächtig war. Dennoch wissen wir, wie der Herrscher der Götter gnadenlos seine Macht gegenüber Frevlern und Empörern ausübte, wie zum Beispiel im Fall des Prometheus, der an einem hohen Felsen am Rande des Okeanus angeschmiedet wurde und dessen Leber täglich von einem Adler ausgepickt wurde. Prometheus hatte vorher die Menschen erschaffen und Ihnen das Feuer gebracht, das er vorher den Göttern gestohlen hatte. Tantalos wurde in den Tartaros verbannt, weil er die Geheimnisse der Götter an die Menschen verraten hatte. Sisyphus, dessen Schlauheit sprichwörtlich war und der diese auch gezielt einsetzte, um die Götter zu hintergehen, musste in der Unterwelt einen schweren Stein auf einen Hügel rollen, der dann knapp vor dem Ziel wieder hinunterfiel. Hera selbst wurde am Himmel aufgehängt, ihre Füße beschwert mit einem Amboss. Befreit wurde sie dann von Hephaistos.  

Legendär und in unserem Gedächtnis verhaftet ist aber weniger sein Ringen um die Macht, sondern sind die zahlreichen Liebesabenteuer des Zeus, die auch die Künstler beflügelten. Zeus scheute zum Leidwesen seiner Gattin Hera auch keine Mühe, um ans Ziel zu kommen, und seine Verwandlungskünste schienen unbegrenzt zu sein. Vor Hera hatte er auch bereits einige Göttinnen zur Frau genommen, sie, seine Schwester, erkor er aber dann zu seiner dauernd Angetrauten. Die Kinder, die sie ihm schenkte waren Ares, Hebe und Eileithia; Hephaistos gebar sie ohne sein Zutun.

Laut Hesiod war die erste Frau des Zeus Metis, die Mutter der Athene. Ihr Name bedeutet Klugheit, weshalb er sie ja auch samt dem ungeborenen Kind verschlang, um sich deren Weisheit anzueignen. Dieser Verbindung folgte die Ehe mit der weissagenden Titanin Themis, einer Schwester seiner Mutter, die ihm die Horen gebar, Göttinnen mit dem goldenen Stirnband, welche die herrlichen Früchte bringen. Die drei Horen, Eunomia, die gesetzliche Ordnung, Dike, die gerechte Vergeltung, und Eirene, der Frieden, wurden auch "wahrhaftig" genannt, weil sie weder Trug noch Täuschung kannten. Auch die Moiren stammen aus dieser Verbindung. Eine andere Tochter der Gaia und des Uranus und damit seine Tante war Mnemosyne, die Göttin des Gedächtnisses und der Erinnerung. Mit ihr zeugte er die neun Musen, nachdem er die übrigen Götter gefragt hatte, was ihnen noch fehlte, und diese geantwortet hatten: die Rühmenden. Von Eurynome wurde er Vater der Chariten, der drei Grazien, von denen immer zwei nach vorne gewandt dargestellt sind, während die mittlere dem Betrachter den Rücken kehrt. Die Pleiade Maia wurde Mutter des Hermes.

Zeus schien auch ein Faible für seine Schwestern zu haben, denn vor Hera erkor er auch Demeter, die Göttin der Erde und all dessen, was darauf wächst, zur Frau, die ihm Persephone schenkte. Er konnte aber auch nicht von dieser seiner Tochter lassen und so konnte Zagreus das Licht der Welt erblicken. Dionysos wird der Verbindung mit Semele zugeschrieben, die den Göttervater nach einem tückischen Rat Heras in dessen wahrer Gestalt zu sehen wünschte, worauf sie ob des Anblicks zu Asche verbrannte. Vor Hera liebte Zeus noch Leto, die Apollon und Artemis zur Welt brachte. In den Sagen scheint eine weitere Gattin namens Dione auf, dieser Verbindung soll laut Homer Aphrodite entstammen.

Manchmal war es für Zeus sehr aufwendig, sich der (widerspenstigen) Auserwählten zu nähern und er musste all seine Verwandlungskünste aufbieten. Nemesis, die Göttin des gerechten Zorns, floh vor ihm und nahm die Gestalt einer Gans an, worauf Zeus als Schwan erschien und mit ihr die schöne Helena gezeugt haben soll. Die viel berühmtere Schwanengeschichte kennen wir aber im Zusammenhang mit Leda, die dann Mutter der beiden Dioskuren Kastor und Polydeukes wurde. Auch ihr wird Helena als Tochter zugeschrieben.

Vor allem sterblichen Frauen erschien Zeus in tierischer Gestalt. Europa, der phönikischen Prinzessin, näherte er sich als Stier, der einen unheimlichen und zahmen Eindruck auf die junge Dame gemacht haben dürfte, setzte sie sich doch bereitwillig auf dessen Rücken und ließ sich von ihm nach Kreta tragen. Dort verwandelte er sich in einen schönen Jüngling, der offensichtlich auch unwiderstehlich war, und machte sie zur Mutter des späteren kretischen Königs Minos sowie des lykischen Königs Sarpedon und des Rhadamanthys, der auf der Insel der Seligen (hier ist nicht Österreich gemeint!) herrschen sollte.

Alkmene eroberte er in Gestalt ihres eigenen Ehemanns Amphitryon. Aus dieser Verbindung entsprang kein Geringerer als Herakles. Heinrich von Kleist hat diese Liebesepisode nach einem Lustspiel von Moliere zu einer herrlichen Komödie gestaltet. Antiope schließlich besuchte Zeus als Satyr, die Folge waren die Kinder Amphion und Zethos, zwei spätere thebanische Könige. Danae, der Mutter des Perseus, erschien er als Goldregen, da ihr Vater sie in einem Turm gefangen hielt. Die schöne Io aber wurde selbst in ein Tier, nämlich in eine Kuh, verwandelt, um sie vor der stets wachsamen und eifersüchtigen Hera zu verbergen. Diese ließ sich aber nicht überlisten und erbat sich die Kuh als Geschenk, die sie dann vom hundertäugigen Argos bewachen ließ. Hermes gelang es jedoch, Argos zu überlisten und befreite Io, die von Hera weiterhin verfolgt wurde, bis sie ermattet nach Ägypten gelangte, wo sie später als Isis verehrt wurde. Zeus versprach, sie nie wieder zu treffen, worauf sie von Hera endlich in Ruhe gelassen wurde. Die Verbindung blieb aber nicht folgenlos und so gebar Io Epaphos, den Ahnherrn der ägyptischen Könige, der die Stadt Memphis gründete.

Die amourösen Abenteuer lassen sich fortsetzen: Mit Elektra zeugte er den Dardanos, mit Kallisto Arkas, mit Taygete Lakedaimon, mit der Nymphe Libye Iarbas und wahrscheinlich mit Dia Peirithoos. Alles in allem – ein abwechslungsreiches Götterleben, nicht unbedingt als Vorbild für Volksvertreter geeignet. (Schluss)