Parlamentskorrespondenz Nr. 144 vom 04.03.2002

NUMA POMPILIUS - DER SAGENHAFTE NACHFOLGER DES ROMULUS

Wien (PK) - Schon beim Betreten des historischen Sitzungssaales fallen die zehn Statuen an der Stirnseite des Saales ins Auge. Entsprechend seiner antikisierenden Gesamtidee hat Theophil Hansen Figuren aus dem römischen Kulturkreis dem Abgeordnetenhaus zugeordnet, während die Griechen den Mitgliedern des Herrenhauses vor Augen gestellt werden sollten.

Die - auf der linken Seite beginnend - erste Statue ist die von Emmerich A. Swoboda geschaffene lebensgroße Skulptur des sagenhaften römischen Königs Numa Pompilius (715 bis 673 v.Chr.). Eine zweite Numa-Figur sieht man an der Außenseite des Gebäudes, auf der Attika des Abgeordnetenhauses. In der Darstellung des Josef Lax flankiert Numa dort ein Relief mit dem Titel "Religion", sein Partner an der linken Seite der allegorischen Darstellung ist Orpheus, der Begründer des griechischen Mysterienkultes.

Numa Pompilius war der zweite der sieben Könige Roms und Nachfolger des Romulus. Obwohl historisch von ihm kaum mehr belegbar ist als sein Name, verehrten ihn die Römer späterer Epochen als Friedensherrscher, Gesetzgeber und Begründer ihrer Staatsreligion. Kaisern galt ein Vergleich mit Numa Pompilius als hohes Lob und noch Marc Aurel führte seinen Stammbaum stolz bis auf Numa zurück.

Um die den Römern wichtige und in vielen Überlieferungen lebendige Sagengestalt des Numa zu illustrieren, sei im folgenden die Lebensbeschreibung des Plutarch kurz zusammengefasst:

Als Romulus, der sagenhafte Gründer und erste König von Rom, im Jahr 715 während eines Gewitters in den Himmel auffuhr und "in ein höheres Dasein einging", wie ein Augenzeuge aussagte, um die Patrizier von dem Verdacht freizusprechen, sie hätten ihren strengen König bei einem Opferfest am Ziegensumpf beseitigt, blieben die Bürger der damals noch unbedeutenden Stadt am Tiber in großer Verlegenheit zurück. Erst nach Unruhen und einem Interregnum, in dem die 150 Patrizier Roms die Regierungsgeschäfte abwechselnd handhabten und sich dem Vorwurf ausgesetzt hatten, eine Oligarchie einrichten zu wollen, verständigten sich Römer und zugewanderte Sabiner auf einen Wahlmodus für den Nachfolger des Romulus: Die Alteingesessenen sollten einen König aus dem Kreis der Zuwanderer auswählen. Die Römer wählten den Sabiner Numa Pompilius, einen wegen seiner Tugend, Vernunft und Bescheidenheit hochangesehenen Bürger der Stadt Cures. Dem prunkvollen Leben, das Numa als Schwiegersohn des Tatius, des sabinischen Mitkönigs des Romulus in Rom hätte führen können, hatte er ein ländliches Dasein vorgezogen und sich nach dem Tod seiner Frau vollends der Naturbetrachtung und Frömmigkeit gewidmet. Numa, der am 21. April 753, dem Tag der Gründung Roms, geboren worden war, stand im Ruf eines besonderen Verhältnisses zu den überirdischen Mächten, namentlich zur Göttin Egeria, mit der ihm "inniger Umgang" nachgesagt wurde. Plutarch verglich Numa deshalb mit Herrschern wie Minos, Zoroaster und Lykurg, die ebenfalls im Kontakt mit Göttern gestanden haben sollen. Der spätantike Philosoph hielt es aber auch für möglich, dass Lykurg und Numa "den göttlichen Auftrag nur vorspiegelten, da sie große Veränderungen im Staate vornehmen wollten und es mit schwer zu bändigenden, unlenksamen Massen zu tun hatten".

Numa soll erst nach einigem Zögern die Regierung der Stadt übernommen haben, von der er zunächst meinte, sie bedürfe "mehr eines Heerführers als eines Königs". Er habe dann seine Aufgabe darin gesehen, Rom den Frieden zu geben, den es brauche, um Römer und Sabiner zusammenzuführen. Die erste Tat des neuen Königs galt daher der Vertrauensbildung: Numa löste die Königsgarde auf, da er "nicht misstrauisch gegen ihm Vertrauende und nicht König über ihm Misstrauende sein wollte", wie Plutarch aus der Überlieferung zitiert.

Zur Legende wurde Numa durch die Neuerungen, die ihm die Römer auf religiösem Gebiet zuschrieben: Regeln für rituelle Handlungen sowie für Gebete und ein Bilderverbot, da er es nicht für statthaft hielt, Götter "in minderwertigem Stoff" nachzubilden. Zudem habe er viele neue Priesterämter eingeführt, etwa zu Ehren des Romulus. Numa soll auch die ersten Pontifices ernannt haben. Auch den Rundtempel der Vesta und das Priesteramt der Vestalinnen als Hüterinnen des heiligen Tempelfeuers führten die Römer auf Numa zurück. Zu den Regeln dieses Amtes gehörte auch das Gelübde dreißigjähriger Keuschheit und als Strafe für jene, die dagegen verstießen, die schaurige Zeremonie des Lebend-Begraben-Werdens an der Porta Collina.

Numas Residenz war das Königshaus Regia nahe dem Vestatempel. Dort habe er sich in der mit dem Königsamt verbundenen Funktion des Oberpriesters gottesdienstlichen Handlungen, der Belehrung der Priester und der Klärung theologischer Fragen gewidmet. Plutarch schildert auch die überlieferte Gelassenheit und das Gottvertrauen Numas. Als man ihm während einer Opferhandlung gemeldet habe, "die Feinde rücken an", soll er lächelnd gesagt haben: "und ich opfere."

Innovationsgeist zeigte Numa Pompilius auch in Verwaltung und Wirtschaft. Plutarch zitiert Berichte von der Einteilung des Landes in Gaue, der Ernennung von Vögten und der Verteilung freien Landes an besitzlose Bürger, denn Numa soll den Ackerbau mehr als alle anderen Berufe geschätzt haben, da er die Liebe zum Frieden wecke. Zu Numas Errungenschaften wird auch eine Art Gewerbeordnung gezählt, die den einzelnen Handwerken eigene Kulte zuwies und ihnen das Recht gab, sich zusammenzuschließen.

Wir lesen bei Plutarch auch von einer Kalenderreform Numas und dass er es Vätern verbot, verheiratete Söhne in die Sklaverei zu verkaufen, da der König Ehefrauen davor bewahren wollte, gleichsam über Nacht zur Frau eines Sklaven zu werden. Und schließlich berichtete Plutarch von der Errichtung der "Pforte des Krieges", eines Tempels, der seit den Tagen Numas im Frieden geschlossen, im Krieg aber geöffnet war. Kaum jemals in der Geschichte Roms seien die Türen des Tempels geschlossen gewesen, erzählt der Biograph. "Aber unter der Regierung Numas sah man ihn auch nicht einen Tag geöffnet, sondern dreiundvierzig Jahre lang blieb er ständig geschlossen. So ganz und gar und nach allen Seiten war der Krieg beseitigt. Denn nicht nur das Volk der Römer war zahm und sanftmütig geworden durch die Gerechtigkeit und Milde des Königs, sondern auch die umliegenden Städte begannen, wie wenn ein Hauch oder ein gesunder Wind von Rom her wehte, an der Veränderung teilzunehmen, und in allen regte sich ein Verlangen nach gesetzlicher Ordnung und Frieden, das Land zu bebauen, die Kinder in Ruhe aufzuziehen und die Götter zu ehren. Feste und Lustbarkeiten erfüllten Italien und gegenseitige freundliche Empfänge der Menschen, die sich ohne Furcht besuchten und untereinander mischten, da aus Numas Weisheit wie aus einer Quelle Gutes und Gerechtes zu allen strömte und seine Ruhe sich überallhin verbreitete", heißt es bei Plutarch über die Regierung des sagenhaften römischen Friedensfürsten Numa Pompilius. (Schluss)