Parlamentskorrespondenz Nr. 172 vom 13.03.2002

GROSSE MEHRHEITEN UND EINHELLIGKEIT IM JUSTIZAUSSCHUSS

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Wien (PK) - Eine umfangreiche Tagesordnung hatte heute der Justizausschuss des Nationalrats zu bewältigen. Ausschuss-Obfrau Maria Theresia Fekter (V) begrüßte zu Beginn der Sitzung neben Justizminister Dieter Böhmdorfer auch Wirtschaftsminister Martin Bartenstein bei der Sitzung, deren Themenbogen von Änderungen im Wettbewerbsgesetz sowie einer Novellierung des Insolvenzrechts und des Zivilverfahrens über das Mietrecht bis zum Vereinsgesetz reichte. Die Vorlage zum Wettbewerbsgesetz - in der Fassung eines F-V-Abänderungsantrags - fand im Ausschuss die Zustimmung von Regierungsfraktionen und Sozialdemokraten. Der Vorlage zum Insolvenzrecht sowie der Zivilverfahrensnovelle (beide ebenfalls in der Fassung von F-V-Abänderungsanträgen) stimmten die Abgeordneten aller Fraktionen zu.

WEG FREI FÜR EINE WEISUNGSFREIE WETTBEWERBSBEHÖRDE

Durch ein Wettbewerbsgesetz soll eine unabhängige Wettbewerbsbehörde beim Wirtschaftsministerium eingerichtet werden, deren Aufgabe es sein wird, Fälle von kartellrechtswidrigen Praktiken aufzugreifen und zu untersuchen sowie diesbezügliche Entscheidungen durch Antragstellung an das Kartellgericht vorzubereiten. Die Behörde soll zu diesem Zweck mit entsprechenden Ermittlungsbefugnissen ausgestattet werden. Das Kartellrecht soll dadurch verbessert werden, dass nun das amtswegige Einschreiten des Kartellgerichtes durch die

Einrichtung eines Bundeskartellanwaltes beim Justizressort ersetzt wird. Die Wettbewerbsbehörde wird an die Stelle der bisherigen Amtsparteien treten, der Einfluss der fachmännischen Laienrichter beim Kartellgericht soll reduziert, der Paritätische Ausschuss abgeschafft werden.

F-Abgeordneter Michael Krüger würdigte als Berichterstatter die Vorlage als Reformwerk und ging dabei insbesondere auf die weisungsfreie Wettbewerbsbehörde ein. Er begrüßte, dass Zusammenschlüsse, wie sie in jüngster Vergangenheit im Bereich der Printmedien zu Stande gekommen sind, in Zukunft schwieriger wären und meinte in diesem Zusammenhang kritisch, dass die daraus resultierende Perpetuierung der gegebenen Verhältnisse eine gewisse Schwäche des Gesetzes darstelle. Ob Entflechtungen wirklich möglich und nicht bloß ein Lippenbekenntnis seien, hänge vom Mut der handelnden Personen ab, betonte Krüger.

Der Abgeordnete brachte Namens der Regierungsfraktionen einen Abänderungsantrag ein, der die Stärkung der Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Behörde zum Ziel hat und zusätzliche Transparenz schafft sowie die Bestimmungen bei Hausdurchsuchungen präzisiert. In einer gleichfalls von Krüger eingebrachten Ausschussfeststellung geht es um Amtshilfe der Behörde gegenüber dem Kartellgericht.

Abgeordneter Johannes Jarolim (S) sieht in dem Gesetz eine Verbesserung, wenn auch nicht den erhofften großen Schritt. Seiner Fraktion liege an der Weisungsfreiheit der Wettbewerbsbehörde, die sie mit ihrer Zustimmung - durch die damit gegebene Zwei-Drittel-Mehrheit - absichere. Kritisch vermerkte der sozialdemokratische Justizsprecher, dass die neue Behörde keine Entscheidungs-, sondern eine Antragsbehörde sei.

Sehr zufrieden mit der Vorlage einschließlich der zuletzt eingebrachten Änderungen sowie mit der Zustimmung der großen Oppositionspartei zeigte sich Abgeordneter Josef Trinkl (V). Froh ist Trinkl über die weiterhin gegebene Einbindung der Sozialpartner, weil damit auf deren Expertenwissen zurückgegriffen werden könne.

Kritisch hingegen setzte sich G-Abgeordnete Gabriela Moser mit der Vorlage auseinander: Sie stelle keine fundamentale Änderung dar, die Schaffung eines einheitlichen Wettbewerbsrechts wäre ein großer Schritt gewesen. Die Unabhängigkeit der Wettbewerbsbehörde beurteilte sie positiv, man müsse allerdings sehen, wie die Behörde ausgestattet werde und wie die Bestellung des Leiters erfolge. Sie regte an, vor dieser Bestellung ein Hearing durchzuführen. Im Zusammenhang mit den Verflechtungen auf dem Mediensektor kritisierte sie, dass vorhandene Fakten bleiben und damit eine Monopolstellung von Arbeitgebern in diesem Bereich gegeben sei.

Justizminister Dieter Böhmdorfer bekannte sich dazu, lieber kleine und schnelle Reparaturen im Konsens durchzuführen als auf ein "Jahrhundertwerk" zu warten. In Richtung der Abgeordneten Moser meinte der Ressortchef, die Schaffung eines einheitlichen Wettbewerbsrechts bliebe als Fernziel akzeptabel.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein wies auf die Bedeutung eines funktionierenden Wettbewerbsrechts für ein Land und dessen Konsumenten hin und strich die Weisungsfreiheit der neuen Behörde heraus. Gegen ein Hearing vor der Bestellung des Generaldirektors, wie dies Abgeordnete Moser angeregt hatte, habe er nichts, sagte der Minister.

Die Regierungsvorlage wurde mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und der SPÖ in der Fassung des Abänderungsantrags mehrheitlich angenommen, die gleiche Mehrheit fand die Ausschussfeststellung.

INSOLVENZRECHTS-NOVELLE FINDET EINHELLIGE ZUSTIMMUNG IM AUSSCHUSS

Die in der Folge diskutierte Regierungsvorlage zur Insolvenzrechts-Novelle und ein dazu von den Regierungsfraktionen eingebrachter Abänderungsantrag sowie eine Ausschussfeststellung fanden die einhellige Zustimmung aller vier Fraktionen.

Durch Änderungen im Bereich des Insolvenzrechts soll den Erfahrungen mit der Privatkonkursregelung beim Schuldenregulierungsverfahren Rechnung getragen, Unzulänglichkeiten bei der Bestellung von Masseverwaltern behoben und dem Missbrauch des Insolvenzverfahrens für den Verkauf des Unternehmen zu einem unangemessen niedrigen Preis an eine Auffanggesellschaft des Schuldners einen Riegel vorgeschoben werden. Der Entwurf sieht vor, dass bei bevorstehender Unternehmensveräußerung neben dem Konkursgericht künftig auch ein Gläubigerausschuss die Veräußerung zu genehmigen hat. Im Bereich des Schuldenregulierungsverfahrens ("Privatkonkurs") bleiben die bewährten Bestimmungen aufrecht, neben punktuellen Verbesserungen soll die Stellung des Treuhänders im Abschöpfungsverfahren gestärkt werden.

Als Berichterstatter erläuterte Abgeordneter Michael Krüger (F) die Vorlage sowie den Abänderungsantrag - der im wesentlichen der Erreichung des Zieles "Verhinderung des Insolvenzmissbrauchs" und dem Schutz der ArbeitnehmerInnen dient - und die Ausschussfeststellung.

Abgeordneter Johann Maier (S) begründete die Zustimmung seiner Fraktion mit den gegebenen Verbesserungen, wies aber auf bleibende Probleme beim Privatkonkurs hin. Er sprach sich für ein umfassendes Konzept zur Bekämpfung der Verschuldung aus, bei dem auch der Finanzminister - etwa in der Frage der Kreditvergabe an Jugendliche - gefordert sei. In ähnlichem und zustimmenden Sinn äußerten sich Terezija Stoisits (G), Josef Trinkl (V) und Edith Haller (F).

Regierungsvorlage (in der Fassung des Abänderungsantrags) und Ausschussfeststellung fanden die Zustimmung der Abgeordneten aller vier Fraktionen.   

GERICHTLICHE VERFAHREN SOLLEN BESCHLEUNIGT WERDEN

Die Beschleunigung gerichtlicher Verfahren will die Regierung durch die Zivilverfahrens-Novelle 2002 erreichen, und dieser Zielsetzung wollte sich im Justizausschuss keine Fraktion verschließen. Schwerpunkte der Novelle, die neben einer Beschleunigung auch eine Vereinfachung und die Steigerung der Effizienz des Verfahrens anstrebt: Bereits in der vorbereitenden Tagsatzung ist der Prozessstoff umfassend zu präsentieren und zu erörtern. Grob schuldhaft verspätet neues Vorbringen der Parteien kann zurückgewiesen werden.

Auch zu diesem Punkt der Tagesordnung brachte der Berichterstatter - Abgeordneter Heribert Donnerbauer (V) einen Abänderungsantrag der Regierungsfraktionen im Sinne besserer Zielerreichung und eine Ausschussfeststellung ein.

G-Justizsprecherin Stoisits sprach von einem "sehr brauchbaren Ergebnis"; die Praxis werde zeigen, ob die Intention des Gesetzgebers ernst genommen werde. Auch S-Mandatar Johannes Jarolim sprach von einer "vernünftigen Regelung", V-Abgeordneter Heribert Donnerbauer von einer "Erhöhung der Qualität der Justiz".

Justizminister Dieter Böhmdorfer betonte, dass alle Beteiligten zur Erreichung des Ziels zusammenwirken müssten. Auf eine Frage von Abgeordnetem Maier (S) nach dem aktuellen Stand beim Außer-Streit-Verfahren kündigte der Minister an, der Entwurf werde - da er fast fertig sei - noch im Sommer den Ministerrat erreichen und noch in dieser Gesetzgebungsperiode in Kraft treten.

Vorlage (in der Fassung des Abänderungsantrags) und Ausschussfeststellung fanden die Zustimmung aller Fraktionen. (Forts.)