Parlamentskorrespondenz Nr. 307 vom 26.04.2002
AKTUELLE AUSSPRACHE IM LANDWIRTSCHAFTSAUSSCHUSS
Wien (PK) - Im Anschluss an die Beratungen über den Waldbericht sowie den Wildschadensbericht fand im heutigen Landwirtschaftsausschuss noch eine aktuelle Aussprache statt. Die Abgeordneten richteten zahlreiche Fragen an Minister Molterer, die von der EU-Erweiterung, der Pestizidproblematik, der Agentur für Ernährungssicherheit, den AKP-Abkommen bis hin zum Bienenvölkersterben reichten. Danach befassten sich die Mandatare noch mit Anträgen der Opposition zum Thema gentechnisch verunreinigtes Saatgut.
In der Aussprache wurden von den Ausschussmitgliedern u.a. folgende Themen angesprochen: Dürreschäden (Abgeordnete Evelyn Freigaßner, F), Projekt Genmarille, Wasserstudie und Österreichische Bundesforste (Abgeordnete Ulrike Sima, S), BSE-Vorsorgemaßnahmen, Futtermittel (Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber, G), Milchquote (Klaus Wittauer, F), ländliche Entwicklung (Abgeordneter Werner Kummerer, S).
Bundesminister Wilhelm Molterer teilte Abgeordneter Moser mit, dass die Ausschreibung für die Geschäftsführung der Agentur für Ernährungssicherheit vorbereitet ist und Mitte Mai erfolgen wird. Was die von Moser angesprochene Problematik hinsichtlich des Verkaufs von Pestiziden im Internet betrifft, so halte er es für sehr wichtig, dass einheitliche europäische Zulassungsnormen erlassen werden, insbesondere vor dem Hintergrund der EU-Erweiterung.
Molterer wies sodann darauf hin, dass ein Finanzkonzept der EU bezüglich der EU-Erweiterung vorliege; dieses sehe Kosten in der Höhe von 58 Mrd. S vor (2002-2006), derzeit gehe man von 40 Mrd.S aus. Wir nehmen an, dass alle Kandidatenländer zunächst als Nettoempfänger einzustufen sind, meinte Molterer, was sich seiner Meinung nach jedoch relativ rasch, zumindest für Tschechien und Slowenien, ändern wird.
Falls die Verhandlungen weiter so gut laufen, könne man mit einem Abschluss der Agrarkapitel eventuell schon Ende des heurigen Jahres rechnen. Langfristig sei diese Entwicklung auch im Interesse der Bauern, ist der Minister überzeugt, da durch die Erweiterung der EU ein fairer Wettbewerb entstehe. Für wichtig erachte er es auch, dass vor einer Erweiterung die unterschiedlichen Standards und Produktionsbedingungen in den "alten" Mitgliedstaaten vereinheitlicht werden, wie dies von der Abgeordneten Achatz angesprochen wurde. Hinsichtlich der "midterm review" erklärte Molterer, dass erst im Juni die Vorschläge der Kommission vorliegen werden. Für Österreich stünden vor allem die ländliche Entwicklung, die Verwirklichung des Binnenmarktes, die Verwaltungsvereinfachung (z.B. bei den Rinderprämien) sowie die Frage der verschiedenen Marktordnungen im Vordergrund.
Sodann ging Molterer auf die Wortmeldung des Abgeordneten Wenitsch ein, der darauf hinwies, dass der Vorschlag der Europäischen Kommission bezüglich eines AKP-Abkommens große Probleme für die Rübenbauern bringen würde. Die österreichische Position sei hier ganz klar, betonte Molterer, und zwar dürfe die Zuckermarktordnung nicht unterlaufen werden. Es gehe bei dieser Diskussion naürlich auch um die grundsätzliche Frage, wie Entwicklungsländern effektiv geholfen werden kann. Er sei etwa der Auffassung, dass ein Abbau von Exporterstattungen zu keinem Gleichgewicht auf den Märkten führe, sondern nur zu niedrigeren Preisen in Europa.
Auf eine Frage des Abgeordneten Blasisker (F), stellte Molterer fest, dass die österreichischen Bauern dann am besten abgesichert sind, wenn die Milchquote erhalten bleibt. Aus kurzfristiger Sicht sei es zudem äußerst wichtig, dass die Exportmärkte wieder geöffnet werden. In Richtung der Abgeordneten Freigaßner merkte Molterer an, er glaube nicht, dass die Errichtung von Staubecken eine geeignete Lösung darstelle, um für Dürreperioden vorzusorgen. Vielmehr sollte man prüfen, ob die Ernteversicherung nicht auch um das Grünland erweitert werden soll, regte der Ressortchef an. In Richtung des Abgeordneten Hornegger, der sich mit dem Bienenvölkersterben befasste, sagte der Minister, dass er derzeit in einem intensiven Dialog mit Experten stehe. Es gehe dabei um die Rückstandsproblemtik und um die Frage, ob kurzfristig Antibiotika eingesetzt werden sollen.
Molterer informierte die Abgeordneten weiters darüber, dass die Österreichische Bundesforste bereits 7.000 Hektar verkauft haben. Hinsichtlich der noch nicht aufgebrachten Mittel fürs Budget gebe es derzeit Gespräche mit dem Finanzminister. Dem Abgeordneten Pirklhuber teilte der Minister mit, dass die gerichtlichen Verfahren rund um den österreichischen BSE-Fall derzeit im Laufen sind; ein Endergebnis bzw. ein Endbericht könne daher erst nach Abschluss dieser Verfahren vorliegen. Was die Frage der Futtermittel anlangt, so liege nun endlich ein Vorschlag der Kommission vor, der auf ein gänzliches Verbot von Antibiotika abzielt.
Bezüglich der immer wieder geäußerten Sorgen betreffend den Verkauf des österreichischen Wassers stellte Molterer mit Nachdruck fest, dass Österreich auch in Zukunft eigenständig über das Wasser verfügen werde, da am Einstimmigkeitsprinzip eisern festgehalten werde. Wenn man davon ausgehe, dass das Investitionsvolumen für die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung bis 2012 11,7 Mrd. Euro betrage, dann müsse man dafür sorgen, dass die Mittel aus ökologischer und ökonomischer Sicht bestmöglich verwendet werden. Gemeinsam mit den Ländern und dem Gemeindebund habe man deshalb Pilotprojekte initiiert (eines in Niederösterreich, ein zweites im Vorbereitungsstadium in Oberösterreich), um Optimierungsmöglichkeiten auszuloten. Eine Möglichkeit könnte etwa ein Private Public Partnership-Modell sein, was aber natürlich nicht mit einer Privatisierung gleichzusetzen ist. Letztendlich gehe es vorrangig darum, wettbewerbsfähig im Sinne der Gebührenzahler zu sein, betonte Molterer.
In Richtung der Abgeordneten Sima machte Molterer darauf aufmerksam, dass die Fortführung des Projektes "Gentechnische Marille" geplant sei. Derzeit liege aber keine Antrag auf Freisetzung vor. Die von Sima aufgeworfene Frage der Summenwerte bei den Pestiziden müsse nach Auffassung Molterers europaweit diskutiert werden, da nur ein gemeinsames Vorgehen sinnvoll sei. Er glaube zudem, dass dieser Ansatz nicht die beste Lösung darstelle, da natürlich der Summenwert immer höher als der Einzelwert sei; dies müsse man bedenken.
In Beantwortung einer Frage des Abgeordneten Kummerer machte Molterer darauf aufmerksam, dass die Kompetenz seines Ressorts im Bereich der ländlichen Entwicklung primär darin liege, dass die diesbezügliche Richtlinie umgesetzt wird. Darin enthalten seien das Umweltprogramm, die Förderung der benachteiligten Gebiete, die Investitionsförderung, die Unterstützung von jungen Unternehmern, die Sektorplanförderung und die klassische ländliche Entwicklung. Zudem obliege dem Ministerium die globale Abwicklung der Leader-Plus-Programme. Er gab zu bedenken, dass die Förderung der Grenzregionen, in die in letzten Jahren soviel investiert wurde wie noch nie, nicht mit der ländlichen Entwicklung gleich zu setzen ist.
Was die Zusammenlegung diverser Bundesanstalten betrifft, so komme es zu einer Umstrukturierung, die jedoch nicht alle Bundesanstalten einbezieht. Ausgenommen sind die Bundesanstalten für Weinbau und Wasserwirschaft sowie die Bundesgärten, erklärte Molterer abschließend.
ANTRÄGE BETREFFEND GENTECHNISCH VERUNREINIGTES SAATGUT VERTAGT
Drei Anträge der Oppositionsfraktionen zum Thema Gentechnik wurden anschließend unter einem debattiert und schließlich mit den Stimmen der Regierungsfraktionen vertagt. Die Anträge - ein Entschließungsantrag der Sozialdemokraten(454/A[E]) und zwei Entschließungsanträge der Grünen(456/A[E] und 548/A [E ]) - befassen sich mit der Problematik von gentechnisch verunreinigtem Saatgut. Die G-Mandatare treten zudem für geschlossene Anbaugebiete ein, um eine gentechnikfreie Produktion sicherzustellen.
In der Debatte wies zunächst S-Abgeordnete Ulrike Sima darauf hin, dass einige Punkte ihres Antrags durch die inzwischen erlassene Saatgutverordnung überholt seien. Gleichwohl seien Fragen nach der Kompetenzaufteilung zwischen dem Landwirtschafts- und dem Sozialressort offen. An Bundesminister Molterer richtete sie die Frage nach einer mittelfristigen Strategie, vor allem auf die Zeit nach dem Auslaufen des EU-Moratoriums.
Im Zusammenhang mit der Saatgutverordnung stellt sich für Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber (G) die Frage, ob damit "alles eingelöst worden" sei. Er fragte nach Details bei der Kontrolle von Saatgut und sieht große - auch ökonomische - Chancen für gentechnikfreies Saatgut, die Österreich nützen sollte.
Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer zeigte sich zufrieden mit den bisher gemachten Erfahrungen mit der Saatgutverordnung; bisher habe es keine Hinweise auf Verunreinigung gegeben. Auch in der Frage der Kompetenzabgrenzung gebe es keine Probleme. Zum Thema gentechnikfreie Zonen zeigte sich der Minister skeptisch und meinte, hier sei international eine deutliche Differenzierung zu beobachten, und zwar zum einen auf der Seite der Lebensmittel, wo zunehmend Wert auf gentechnikfreie Produkte gelegt werde, und zum anderen in der Rohstoffproduktion, wo es sehr wohl eine Diskussion über die Anwendung dieser Technologie gebe. Er sei interessiert an einer "strategischen Diskussion", betonte Molterer.
Abgeordneter Pirklhuber wollte die Skepsis des Ministers bezüglich gentechnikfreier Zonen nicht teilen und wies auf die wirtschaftlichen Chancen hin, die damit verbunden wären. Abgeordnete Sima plädierte dafür, möglichst rasch Weichenstellungen vorzunehmen, damit Österreich nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werde. Eine Abgrenzung zwischen Nahrungsmittelbereich und Nonfood-Bereich hält sie nicht für durchhaltbar.
Grüne wie Sozialdemokraten wandten sich gegen den von Abgeordnetem Franz Kampichler (V) unter Hinweis auf einen einschlägigen Vier-Parteien-Antrag, der im Gesundheitsausschuss in der Frage Gentechnik vorbereitetet werde, eingebrachten Vertagungsantrag; Abgeordneter Heinz Gradwohl (S) befürchtet mit der Vertagung "ein Begräbnis 3. Klasse" für die Anträge.
Alle drei Anträge wurden mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen vertagt. (Schluss)