Parlamentskorrespondenz Nr. 309 vom 29.04.2002
DER KAISER DER ZEITENWENDE
Folgt man Sueton, so hat Augustus über sein Lebenswerk selbst gesagt: " Möge es mir vergönnt sein, die Republik auf eine gesunde und sichere Grundlage zu stellen und dafür den Lohn zu empfangen, nach dem ich strebe: der Schöpfer der bestmöglichen Verfassung genannt zu werden und die Hoffnung mit ins Grab nehmen zu können, dass die von mir errichteten Fundamente des Staates nie wanken mögen." Die Erfüllung dieses Wunsches war ihm zwar nicht in der von ihm formulierten Absolutheit vergönnt – was ist schon die bestmögliche Verfassung –, aber sein Vermächtnis liegt tatsächlich in der Festigung des römischen Staatswesens auf Jahrhunderte hin. Die Sorge um die Absicherung der Republik war auch eine Verschleierung der Tatsache, dass er ihr in Wahrheit den Todesstoß versetzt hatte, doch brachte er seinem Volk nach blutigem Bürgerkrieg die "Pax Romana" und ließ damit die grausame Vergangenheit vergessen. Somit wurde er zum Vorbild späterer Herrscher, versinnbildlicht dadurch, dass diese ebenfalls den Titel "Augustus" annahmen.
Augustus, tituliert als "Imperator Cäsar Divi Filius Augustus", "Princeps", "Pater Patriae", zählt zu den begabtesten, energischsten und fähigsten Staatsmännern der Antike. Aus dem knabenhaften Jüngling (puer), der auszog, das Erbe seines Adoptivvaters Cäsar anzutreten, und dies trotz seiner mangelnden militärischen Begabung mit zähem Willen, Grausamkeit und Skrupellosigkeit auch erreichte, wurde der bedeutendste Herrscher Roms, dessen lange, durch Besonnenheit und ohne jegliche monarchische Allüren geprägte Regierungszeit man auch das Augusteische Zeitalter bezeichnet. Auch der Name des Monats August geht auf ihn zurück, nachdem der römische Monat Sextilis zur Erinnerung an die Einnahme Alexandrias und Unterwerfung Ägyptens im August 30 v. Chr. in "Augustus" umbenannt wurde.
Er war es auch, der die Macht der Propaganda für seine Zwecke zu nützen wusste und es verstand, die Kunst seinem Ansehen dienstbar zu machen. Vergil und Horaz waren in diesem Sinne echte Staatskünstler der augusteischen Reichskultur, nicht zuletzt auch ein Ergebnis der Politik eines Maecenas. Vergil wollte zwar kurz vor seinem Tod sein Hauptwerk, die "Aeneis", vernichten, der Kaiser wusste dies jedoch zu verhindern. Dass die Verse noch nicht die vollendete Form gefunden hätten, war wahrscheinlich eine Ausrede des Dichters für sein Vorhaben. Viel eher ist anzunehmen, dass Vergil zu spät erkannte, wie sehr er mit seiner Dichtung zum politischen Handlanger geworden war, da er das Römertum und Augustus darin nur verherrlicht, aber nicht geschildert hat. Hermann Broch hat diesen Gewissenskampf in seinem Roman "Der Tod des Vergil" in berührender und tiefblickender Weise dichterisch analytisch gestaltet. Horaz wiederum, einer der bedeutendsten Lyriker der römischen Literatur, kann als Wendehals gelten, da er zunächst auf der Seite der Gegner des nunmehrigen Kaisers, Brutus und Cassius, gestanden ist. Die Kehrtwendung hat ihm dann jedoch ein sehr angenehmes Leben beschert. Die frivolen Gedichte des Ovid fanden jedoch – wenn auch nicht sofort - das Missfallen des frömmelnden Staatslenkers Augustus. Die behauptete zersetzende Wirkung seines Werkes war wohl nur ein Vorwand für seine Verbannung an die unwirtliche Schwarzmeerküste in die Stadt Tomis, dem heutigen Konstanza in Rumänien. Anzunehmen ist vielmehr, dass der Dichter seine Mitwisserschaft an so manchen Verfehlungen der kaiserlichen Tochter Julia mit dem Schicksal des Ausgestoßenen büßte.
So sehr die Verdienste des Augustus sein Wirken insgesamt auch überstrahlen, so darf man bei der Beurteilung seiner Person die negative Seite nicht vergessen, die sich vor allem während der beiden Triumvirate und während des Bürgerkrieges zur Durchsetzung seiner Interessen offenbarte und die nur notdürftig durch sein frommes Gehaben verdeckt wurde. Er war ein Meister der Berechnung, ein Pragmatiker der Macht, der kurzfristige Benachteiligungen mit Blick auf fernere Ziele in Kauf nahm und auch nicht davor zurückschreckte, Menschen, die ihm nicht mehr nützlich sein konnten, in den Tod zu schicken, wie es das Schicksal seines einstigen Förderers Cicero zeigte. Augustus gelang es, die Monarchie einzuführen, gleichzeitig aber als Retter der republikanischen Tugenden aufzutreten, ein Balanceakt, der seinesgleichen sucht. Er handelte mit einer solchen Klugheit, dass nach außen hin nicht er selbst sich der absoluten Herrschaft im Staate bemächtigte, sondern er vom Senat und vom Volk jedes Mal darum gebeten wurde. Er handelte sozusagen als Vollstrecker des Volkswillens.
Oktavian, der spätere Augustus, stieg wie Phönix aus der Asche. Niemand nahm den schmächtigen 19-jährigen Großneffen und Adoptivsohn Cäsars wirklich ernst, als er 44 v. Chr. in der Höhle des Löwen, Rom, eintraf, um das Testament Cäsars zu vollziehen und die Erbschaft anzutreten. Aber schon damals zeigte sich seine Begabung, durch öffentlichkeitswirksame Aktivitäten und durch kühle Überlegung sowohl die Masse als auch den Senat in den Dienst seiner Vorhaben zu stellen. Da sich inzwischen der Konsul Markus Antonius nicht nur des Staatsschatzes sondern auch des Privatvermögens und des Geheimarchivs des ermordeten Tyrannen Cäsar bemächtigt hatte, und gemeinsam mit dem unfähigen Lepidus, Cäsars Reiteroberst, die Cäsarianische Sache gegenüber den Mördern vertrat, setzte Oktavian sein Privatvermögen ein, um die im Testament festgelegten Legate für die städtische Plebs auszuzahlen. Auch rüstete er die von Cäsar eingerichteten Siegesspiele mit großem Pomp aus. Die von ihm zu einer Privatarmee gesammelten 3000 Veteranen stellte er dem Senat für dessen Kampf gegen Antonius zur Verfügung. Cicero, der in fatalem Irrtum in ihm die letzte Chance zu sehen schien, die Republik zu retten, bereitete das Feld durch seine berühmt gewordenen Philippischen Reden auf und erreichte, dass Oktavian am 7. Jänner 43 v.Chr. offizielle Vollmacht in Gestalt eines proprätorischen Imperiums erlangte. Damit beginnt im Grunde genommen seine über 50-jährigr Regierungszeit.
Antonius erlitt dann auch in zwei oberitalischen Schlachten eine vernichtende Niederlage, doch der Senat und mit ihm Cicero hatten sich verrechnet. Oktavian forderte mit Hilfe des Drucks der ihm untergebenen Soldaten erfolgreich das Konsulat, brach die Bande mit dem Senat und suchte Verbindung mit Antonius und Lepidus, was zum Triumvirat und damit zur Auslöschung des noch bestehenden Flämmchens Republik führte. Mit dem Sieg über Brutus und Cassius in der Schlacht bei Philippi (42 v. Chr.) war das Todesschicksal der Republik endgültig besiegelt. Was folgte, war eine Zeit der Schreckensherrschaft. Blühende Städte wurden der Soldateska zum Raub überlassen, den Proskriptionen fielen hunderte Senatoren und tausende Ritter zum Opfer, darunter auch Cicero. Gegner wurden erbarmungslos hingeschlachtet. Dazu kamen Hungersnöte.
Die nunmehrigen Machthaber teilten das Reich unter sich auf: Lepidus wurde nach Afrika abgeschoben, Antonius, noch immer der Mächtigste unter den dreien, ging in den Osten und schließlich in die Netze der klugen Kleopatra. Oktavian begnügte sich mit Spanien - er konnte offensichtlich auf die richtige Stunde warten. Erst später kam auch Gallien hinzu. Sein Vorteil war aber, dass er praktisch auch über Italien, das ihnen formal gemeinsam unterstand, verfügte. Das unausweichliche Machtspiel zwischen Oktavian und Antonius (Lepidus war zu schwach und unbedeutend) nahm seinen Anfang, der fragile Zusammenhalt konnte zwei Mal durch die Verträge von Brundisium (40 v. Chr.), und Tarent (37 v. Chr.), nach Vermittlung durch Antonius' Ehefrau und Oktavians Schwester Oktavia notdürftig gekittet werden. Das Triumvirat wurde 38 v. Chr. auf weitere fünf Jahre verlängert; nach dem Sieg über Sextus Pompeius - einem Sohn Pompeius des Großen - bei Naucholos (36 v. Chr.), wonach sich Lepidus Siziliens bemächtigen wollte, wurde dieser dann aus dem Triumvirat ausgestoßen.
Antonius hatte noch immer alle Trümpfe in der Hand, zumal Oktavian ob seiner Diktatur verhasst war. Oktavian aber, durch den Sieg über Pompeius gestärkt, sah nun die Zeit gekommen, sich auf die entscheidende Auseinandersetzung mit Antonius vorzubereiten. Er begann daher, seine Strategie zu ändern, erklärte die Epoche der Bürgerkriege mit ihren Gräueln für beendet und trat von nun ab unter dem Einfluss seiner zweiten Frau Livia als fürsorglicher Herrscher in Erscheinung.
Der Stern des Antonius als Kriegsherr hingegen, dessen Versuch misslang, die Befriedung der Ostgrenze durch die Niederschlagung der Parther zu erreichen, begann zu sinken. Als Achillesferse des Mark Anton erwies sich sein Privatleben. Mit Kleopatra, seiner, nach ägyptisch-hellenistischem Ritus angetrauten zweiten Frau, gebärdete er sich immer mehr als ptolemäischer Herrscher. Cäsarion, der Sohn Cäsars und Kleopatras, wurde zum Mitregenten erhoben – ein Schlag ins Gesicht Oktavians – , die Kinder, die er selbst mit Kleopatra gezeugt hatte, erhielten den Titel Großkönig. Darüber hinaus wurden großzügige Schenkungen getätigt. Schließlich schickte Antonius Oktavia den Scheidebrief. Dies nützte Oktavian propagandistisch aus und hatte die Stimmung gegen Antonius so aufgeheizt, dass er den Versuch des Antonius, am Ende des zweiten Triumvirats die Republik zu restaurieren, unterlaufen konnte. In einer Art Akklamation, der sich in einem Treueid der italischen Bevölkerung vollzog, ließ sich Oktavian die diktatorischen Vollmachten erneuern und erzwang die Herausgabe des bei den Vestalinnen deponierten Testaments des Antonius, wonach dieser an der Seite Kleopatras in Alexandria begraben werden wollte - der beste Beweis für Oktavian, dass Rom Ägypten untertan werden sollte. Antonius wurde der bellum justum erklärt, die Schlacht bei Aktium im September 31 v. Chr. besiegelte dann das Schicksal des Antonius und der Kleopatra, die beide durch Selbstmord endeten.
Damit war der 30jährige Oktavian alleiniger Gebieter über die Mittelmeerwelt. In einem geschickt inszenierten Staatsakt gab er im Jahr 27 v. Chr. seine allmächtige Herrscherstellung auf und legte seine Befugnisse in die Gewalt von Senat und Volk zurück, um sich gleichzeitig vom Senat auf Knien bitten zu lassen, seiner Pflicht nicht untreu zu werden, denn er schien allen der einzige Garant des endlich errungenen Friedens zu sein und genoss das Vertrauen aller Klassen. Nachdem er schon den Titel "Princeps" geführt hatte, verlieh man ihm den Titel "Augustus" (der Erhabene), darüber hinaus erhielt er das Recht, den Beinamen "Imperator" zu tragen. Er war Inhaber des "Imperium Proconsulare", das nicht nur die Verantwortung für die Provinzen bedeutete, sondern auch den Oberbefehl über das römische Heer mit einschloss. Das Konsulat, das er jährlich bekleidet hatte, legte er im Jahr 23 v. Chr. nieder, wurde aber durch die tribunizische Amtsgewalt entschädigt, die ihm auch die Unantastbarkeit brachte. Wenig später wurde er durch Verleihung der konsularischen Ehrenrechte den Konsuln gleichgestellt. Somit hielt er sich formal hinsichtlich der Ämter und Kompetenzen strikt an den republikanischen Rahmen, de facto war es aber nur eine geschickte Fassade zur Verkleidung der absoluten Monarchie. Schließlich gelang es ihm, im Jahr 12 v. Chr. auf Grund einer Volksabstimmung das Oberpontifikat mit dem Prinzipat zu vereinigen. Die Erhebung zum "Vater des Vaterlandes" 2 v. Chr. war dann die Krönung der Verfassungsentwicklung. Seiner Familie konnte er die Nachfolge sichern.
Außenpolitische Erfolge in dieser Zeit der Stabilität verbuchte Augustus durch die Beruhigung noch bestehender Unruheherde sowie durch die Festigung der Herrschaft in Spanien und Gallien. Mit den Parthern konnte ein Verständigungsvertrag geschlossen werden. Zur Erreichung natürlicher Grenzen begann dann Rom die Offensive im Norden. Noricum wurde 15 v. Chr. zur Provinz, die Eroberung Pannoniens war 12 v. Chr. abgeschlossen. In den Jahren 4 und 5 v. Chr. gelang Tiberius schließlich die Unterwerfung der Germanen bis zur Elbe. Nach einem Aufstand der Germanen unter dem Cheruskerfürsten Arminius und der vernichtenden Niederlage des Varus im Teutoburger Wald gingen die rechtsrheinischen Besitzung 9 n. Chr. jedoch wieder verloren.
Weniger glücklich verlief das Privatleben des Augustus. Seine Tochter Julia aus erster Ehe mit Scribonia führte ein ausschweifendes Leben, was zu deren Verbannung führte. Seine zweite überaus geliebte Frau Livia schenkte ihm keine eigenen Kinder, sie brachte aber Tiberius und Drusus aus ihrer ersten Ehe mit. Augustus' Hoffnungen auf Drusus wurden ebenso begraben wie jene auf seine Enkelkinder Gaius und Lucius, da sie alle vorzeitig starben. Somit wurde Tiberius durch Adoption zum Nachfolger bestimmt.
Augustus starb am 19. August 14 n. Chr. Sein Standbild, ausgeführt vom Bildhauer Anton Brenek, befindet sich im Sitzungssaal des Abgeordnetenhauses des Reichsrates. Wie antike Vergleichsbeispiele zeigen, trägt die Plastik porträthafte Züge. Eine weitere Statue dieses bedeutenden römischen Kaisers ist auf der Attika des Herrenhauses an der Außenseite des Parlamentsgebäudes zu sehen. (Schluss)