Parlamentskorrespondenz Nr. 432 vom 12.06.2002

DRINGLICHE ANFRAGE DER GRÜNEN ÜBER POSTENSCHACHER IN DER PVA

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Wien (PK) - Stellenbesetzungen in der Pensionsversicherung, konkret die Bestellung des F-Abgeordneten Reinhart Gaugg zum Generaldirektor-Stellvertreter in der PVA, standen am Nachmittag neuerlich im Mittelpunkt der Debatte des Nationalrats. Anlass dazu bot eine von der Fraktion der Grünen eingebrachte Dringliche Anfrage betreffend "Regieren neu - Postenschacher, Privilegien und Proporz in der PVA".

Abgeordneter ÖLLINGER (G) übte in der Begründung der Dringlichen Anfrage scharfe Kritik an der FPÖ. "Regieren neu" heiße offenbar "Proporz neu, Privilegien neu und Postenschacher", meinte er. Nur diesen Schluss könne man ziehen, wenn man die Ereignisse der letzten Woche rund um die Postenbesetzungen bei der neuen Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und Angestellten mitverfolgt habe.

Öllinger erinnerte daran, dass die Abschaffung von Proporz und Postenschacher zentrale Wahlversprechen der FPÖ gewesen seien. Alle freiheitlichen Funktionäre hätten einen "Demokratievertrag", eine Art Ehrenkodex für politische Funktionäre, unterschreiben müssen - bei Nichteinhaltung könnten sie vor einem Parteischiedsgericht geklagt werden.

Selbstverständlich hätten freiheitliche Funktionäre das Recht, sich um Posten zu bewerben, hielt Öllinger fest, das, was bei der PVA passiert sei, sei aber "Postenschacherei" und eine "Verhöhnung jeglichen Bestellungsverfahrens". ÖVP und FPÖ haben ihm zufolge bereits vorab bei einem Treffen vereinbart, wer welche Posten bekommt, noch bevor das für die Personalauswahl zuständige Gremium zusammengetreten sei. Öllinger fragt sich außerdem, warum für den Posten des Generaldirektors nur über eine Person abgestimmt wurde, obwohl es zwei qualifizierte Kandidaten gegeben habe, und warum bei der Wahl des Stellvertreters von vier qualifizierten Personen nur zwei zur Abstimmung gelangten.

Dem Sozialminister warf Öllinger vor, während des gesamten Bestellungsverfahrens seine Aufsichtsfunktion nicht wahrgenommen zu haben. Hätte er dies getan, wäre es nicht zur Bestellung von Abgeordnetem Gaugg in dieser Form gekommen, ist er überzeugt. Nach Ansicht Öllingers hat Gaugg mit zwölf von sechsundzwanzig abgegebenen Stimmen keine ausreichende Mehrheit für seine Bestellung erhalten. Kritisch äußerte er sich schließlich zu den "Gagenforderungen" Gauggs.

Bevor Sozialminister Mag. HAUPT auf die einzelnen Fragen der Dringlichen Anfrage einging, stellte er einige Punkte klar. So betonte er, dass das Personalberatungsunternehmen Jenewein nicht vom Sozialministerium, sondern vom Überleitungsgremium der PVA beauftragt worden sei. Zudem wandte er sich gegen den Ausdruck "Umfärbelungsaktion", da, wie er sagte, nach wie vor zwei Stellvertreter der sozialdemokratischen Fraktion angehörten. Gesetzlich vereinbar ist es Haupt zufolge, als stellvertretender Generaldirektor der PVA ein Nationalratsmandat auszuüben, das habe auch ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten eines Verfassungsexperten eindeutig bestätigt.

Im Rahmen der Beantwortung der konkreten Anfragen stellte Haupt den Wahrheitsgehalt des "angeblichen Protokolls" über das von Öllinger angesprochene Treffen von ÖVP- und FPÖ-Vertretern in Frage. Er habe an dieser ominösen Sitzung nicht teilgenommen, bekräftigte er, sondern sei im Sozialausschuss gewesen und habe erst gegen 18 Uhr die Räumlichkeiten des Freiheitlichen Klubs betreten. Dort habe er einige Teilnehmer der angeblichen Sitzung getroffen und sich nach ihrer Einschätzung der Sachlage erkundigt.

Seines Wissens habe es jedenfalls, unterstrich Haupt, keine Vorabsprache über die Postenbesetzungen in der PVA gegeben. Auch habe er in keiner Form Einfluss auf die Auswahl der BewerberInnen genommen, ihm seien im Vorfeld lediglich die Qualifizierungsgrade einzelner Kandidaten mitgeteilt worden.

Weiters versicherte Haupt den Abgeordneten, dass der Beschluss, Gaugg zum stellvertretenden Generaldirektor der PVA zu bestellen, ordnungsgemäß erfolgt sei. Stimmenthaltungen sind ihm zufolge nämlich bei der Ermittlung der Mehrheit nicht mitzuzählen, das sehe die Geschäftsordnung so vor. Zudem gebe es einen entsprechenden Präzedenzfall. Auch die sozialdemokratischen Mitglieder des Überleitungsausschusses hätten die Rechtsgültigkeit der Wahl anerkannt. Der Sozialminister sieht aus diesen Gründen keinen Anlass, eine Aufhebung des Auswahlverfahrens zu veranlassen.

Verneint wurde von Haupt die Frage, ob er beim Generaldirektor der PVA, Wetscherek, für Abgeordneten Gaugg bzw. für die Ausstellung eines Sondervertrages für Gaugg interveniert habe. Er hielt allerdings fest, dass Gaugg das selbe Recht auf einen Sondervertrag habe wie andere Dienstnehmer bei den Sozialversicherungsträgern, wobei es eine Reihe solcher Sonderverträge gebe. Die Ausgestaltung des Sondervertrags ist ihm zufolge Angelegenheit zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer. Auf die Frage, ob Abgeordneter Gaugg bereits einen gültigen Vertrag mit der PVA hat, sagte der Minister, dieser habe seines Wissens seit 1. Juni einen Arbeitsvertrag nach kollektivvertragsrechtlichen Bestimmungen, jedoch noch keinen Sondervertrag.

Nicht beantworten konnte Haupt die Frage, ob Gaugg gegenüber dem Überleitungsausschuss bzw. seinen Mitgliedern jemals erklärt hat, dass er im Falle seiner Wahl auf sein Abgeordnetenmandat verzichten wird.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) brachte namens der Grünen einen Misstrauensantrag gegen Sozialminister Haupt ein. Für ihn ist es klar, dass Haupt in die Postenbesetzung bei der PVA involviert gewesen ist und seine Aufsichtsverantwortung nicht wahrgenommen hat. Im ASVG sei aber keine Rede davon, meinte Kogler, dass Haupt für diese Postenschacherei "von Anfang an Schmiere stehen soll". Er beklagte darüber hinaus, dass der Sozialminister bei der Beantwortung der Dringlichen Anfrage mit "Nebelwerfern" agiert habe.

Nach wie vor bezweifelt wurde von Kogler, dass die Wahl von Abgeordnetem Gaugg zum stellvertretenden Generaldirektor der PVA korrekt abgelaufen ist. Im Gesetz werde deutlich unterschieden zwischen einer einfachen Mehrheit und einer einfachen Mehrheit der gültigen Stimmen, skizzierte er.

Abgeordneter Dr. CAP (S) erachtet den Misstrauensantrag gegen Sozialminister Haupt für vollkommen berechtigt und kündigte in diesem Sinn die Zustimmung seiner Fraktion an. In seiner Rede übte er aber vor allem heftige Kritik an Abgeordnetem Gaugg. Dieser habe in seinen Reden im Nationalrat keine Gelegenheit ausgelassen, gegen "rote und schwarze Bonzen" zu wettern und sich selbst als Spitze im Anti-Privilegien-Kampf dargestellt, umriss er. Nun, da es um ihn selbst gehe, stärkten ihm Sozialminister Haupt und Landeshauptmann Haider den Rücken, da er "ein Mann der ersten Stunde" der FPÖ gewesen sei.

Generell riet Cap der FPÖ, "Postenbesetzungsseminare der ÖVP" zu besuchen. Dieser gelinge es, flächendeckend Posten zu besetzen, ohne dass dies jemand merke. Auch in den vierzehn Jahren SPÖ-ÖVP-Koalition habe die ÖVP nichts anderes im Kopf gehabt als Postenbesetzungen, sagte der Klubchef der SPÖ.

Abgeordneter Dr. FEURSTEIN (V) konzedierte eingangs, dass nicht alle Begleitumstände bei der Bestellung des Abgeordneten Gaugg allseits goutiert worden seien, doch gelte selbiges auch für den Ton bei dieser Dringlichen Anfrage. Formulierungen wie "Machtergreifung" seien unangebracht, bemerkte Feurstein an die Adresse des SP-Klubobmannes. Man solle die Dinge nicht falsch darstellen, unterstrich der Redner.

Konkret gehe es um zwei Themen: die Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalten der Arbeiter und der Angestellten und die Bestellung des Abgeordneten Gaugg. Zur ersten Frage könne man festhalten, dass diese Zusammenlegung von den Betroffenen gewünscht werde und auch politisch sinnvoll sei. Die Neubesetzung der Führungsstrukturen sei insofern ein konsequenter nächster Schritt, wobei formal an diesem Bestellungsvorgang nichts auszusetzen sei, hielt Feurstein fest.

Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) hielt nochmals fest, dass die Rede des Abgeordneten Öllinger zahlreiche Unwahrheiten und Unwissenheiten offenbart habe. Die so präsentierten Falschmeldungen seien richtigzustellen, so Schweitzer, der u.a. auf die Personen Gaugg, der nicht pensionsberechtigt sei, und Graf, der sehr wohl Wirtschaftstreibender sei, einging. Während es zu früheren Zeiten parteipolitische Postenbesetzungen gegeben habe, sei diesmal alles mit rechten Dingen zugegangen, unterstrich Schweitzer, der meinte, Gauggs Bestellung sei "völlig rechtmäßig" gewesen.

Gaugg habe beste Noten von der Bewertungskommission erhalten, während sein unterlegener Gegenkandidat keinerlei Qualifikationen aufgewiesen habe, führte Schweitzer aus. Und wenn man nun der Ansicht sei, Gaugg müsse daraufhin sein Mandat zurücklegen, dann müsse man auch über all die anderen Abgeordneten reden, die sohin ebenfalls ihr Mandat aufgeben müssten. Konkret sollte über eine Novellierung des Unvereinbarkeitsgesetzes geredet werden, schloss Schweitzer.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) hielt in einer tatsächlichen Berichtigung fest, er habe lediglich behauptet, Abgeordneter Gaugg sei durch seine Tätigkeit als Kommunal- und Landespolitiker gemäß Kärntner Bezügegesetz pensionsberechtigt.

Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) meinte, die Antwort des Bundesministers habe einige Fragen offen gelassen, die entscheidenden Punkte seien sohin immer noch nicht geklärt. Der Bestellungsvorgang sei unzureichend erläutert worden, man müsse daher weiter auf die Beantwortung dieser Punkte drängen, so die Rednerin, die weiter unterstrich, dass der Abgeordnete Gaugg unter keiner der möglichen Interpretationen des Gesetzes die erforderliche Mehrheit für seine Bestellung erhalten habe.

Abgeordneter NÜRNBERGER (S) widersprach den Ausführungen des Abgeordneten Schweitzer in bezug auf den unterlegenen Gegenkandidaten des Abgeordneten Gaugg. Dieser andere Kandidat habe ganz entschieden seine Qualifikationen und verdiene im übrigen weit weniger als vom Abgeordneten Schweitzer behauptet.

Abgeordneter Dr. TRINKL (V) verteidigte den Bestellungsvorgang und bezeichnete die gegenwärtige Regierung als eine "Reformkoalition", die einen erfolgreichen Bericht legen könne. Sie lasse sich von dem Motto "Politik raus, Sachverstand rein" leiten, und ebenso sei man auch bei den Sozialversicherungsanstalten vorgegangen, wo man Einsparungen und Effizienzsteigerungen erzielt habe, sagte Trinkl, der auch die Ernennung Gauggs rechtfertigte, da es sich um eine demokratische Entscheidung handle, die man zur Kenntnis nehmen solle. Weiters befasste sich Trinkl mit der Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Mandat.

Abgeordnete ZIERLER (F) erinnerte die Sozialdemokraten an das menschenunwürdige Verhalten ihres ehemaligen Finanzministers Edlinger in der Causa Praschak und warf ihnen vor, auch heute menschenunwürdig zu handeln: "Sie betreiben Menschenhatz gegenüber Abgeordnetem Gaugg. Ihnen geht es nicht um eine politische Auseinandersetzung, Sie wollen einen Menschen denunzieren und sein gesamtes soziales Umfeld belasten." Zierler schlug demgegenüber vor, eine politische Entflechtung herbeizuführen und ein neues Unvereinbarkeitsgesetz zu formulieren, das den Abgeordneten Gaugg ebenso betrifft wie Abgeordnete in den anderen Fraktionen. "Beschließen wir dieses neue Gesetz gemeinsam", lautete der Appell der Abgeordneten Zierler.

Abgeordnete BURES (S) sprach von einem "skandalösen Abkassierer", einem "Privilegienritter" in den Reihen der FPÖ. Die F-Parteiobfrau habe sich in der Causa Gaugg nicht durchsetzen können. Alle Ablenkungsmanöver der Freiheitlichen könnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die "selbsternannten Saubermänner" der FPÖ bis zum Hals im Sumpf der Privilegien und Sonderverträge steckten. Der wahre Skandal bestehe darin, dass Bundesminister Haupt den Postenschacher decke, der im FPÖ-Klub mit Mauschel-Sitzungen und Geheimprotokollen festgelegt worden sei. Abgeordneter Gaugg habe "null Qualifikation" für eine leitende Position in der Sozialversicherung. Die Tätigkeit der Personalberatungsfirma sei als nachträgliche "Behübschung" einer Entscheidung zu verstehen, die im FPÖ-Klub ausgemacht worden sei. Dass der Sozialminister diese Vorgangsweise decke, mache ihn rücktrittsreif, schloss Bures.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) warf Bundesminister Haupt vor, durch demonstratives Zeitunglesen Desinteresse gegenüber einer Dringlichen Anfrage des Parlaments zu zeigen. Überdies seien seine Antworten inakzeptabel gewesen. Öllinger sah den Minister als "politischen Patenonkel" für die parteipolitischen Absprachen, mit denen die Beschlüsse des Überleitungsausschusses vorweggenommen worden seien. Öllinger klagte über die 50.000 Euro, die für eine Personalberatung in einer Entscheidung ausgegeben wurden, die von vornherein feststand. Öllinger sprach vom Missbrauch der anderen Bewerber, von einem gesetzwidrigen Beschluss, von inakzeptablen Antworten des Ministers und begründete damit den Misstrauensantrag seiner Fraktion.

Abgeordneter Dr. GRAF (F) erinnerte daran, dass der in Rede stehende Wahlvorgang im Rahmen einer Geschäftsordnung durchgeführt worden sei, die von Sozialdemokraten und Christgewerkschaftern beschlossen worden sei. Überdies habe es gegen die Vorgangsweise bei der Wahl keinen Einwand gegeben. Drei der vier sozialdemokratischen Bewerber seien gewählt worden. Von ihm als Versichertenvertreter habe man nicht verlangen können, auch den vierten Personalwunsch der SPÖ zu erfüllen, da er nicht einen "Versager" wähle, der in seinem bisherigen Verantwortungsbereich Schwachstellen in der Dokumentation und Lücken bei der Kontrolltätigkeit zu verantworten habe.

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) wiederholte die Vorwürfe seiner Fraktion gegen eine skandalöse Vereinbarung, die unter der Schirmherrschaft eines Ministers zustande gekommen sei. Die Nervosität der Freiheitlichen sei für ihn verständlich. Denn der Nutznießer dieser Vorgangsweise sei eindeutig der Koalitionspartner. Die Freiheitlich seien bei dieser Postenvergabe, mit der man den Minister ans Messer geliefert habe, "gelegt" worden. Die ÖVP habe die FPÖ wieder einmal über den Tisch gezogen, lautete das Resümee des Abgeordneten Wittmann.

Bei der Abstimmung wurde der Misstrauensantrag der Grünen gegen den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen mit Mehrheit abgelehnt. (Schluss Dringliche/Forts. NR)