Parlamentskorrespondenz Nr. 479 vom 25.06.2002

NACHTARBEIT: SOZIALAUSSCHUSS STIMMT VORSCHLÄGEN DER REGIERUNG ZU

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Wien (PK) - Der Sozialausschuss des Nationalrates stimmte heute mehrheitlich den von der Regierung vorgeschlagenen neuen Bestimmungen in Bezug auf Nachtarbeit zu. Demnach gilt künftig als Nachtarbeitnehmer, wer mindestens 48 Nächte im Jahr zumindest drei Stunden in der Nacht arbeitet, wobei als Nacht die Zeit zwischen 22 Uhr und 5 Uhr definiert wurde. Die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit für Nachtarbeiter ist grundsätzlich auf acht Stunden beschränkt, kommt es durch Arbeitsbereitschaften zu Überschreitungen dieser Normalarbeitszeit, stehen dem Arbeitnehmer zusätzliche Ruhezeiten zu. Gleiches gilt für Nachtschwerarbeiter, die aufgrund von kollektivvertraglichen Regelungen oder von Betriebsvereinbarungen durchschnittlich länger als 8 Stunden pro Tag arbeiten.

Für Nachtarbeitnehmer besteht ein Rechtsanspruch auf regelmäßige unentgeltliche Untersuchungen des Gesundheitszustandes. Außerdem haben sie bei gesundheitlichen Schwierigkeiten und bei unbedingt notwendigen Betreuungspflichten gegenüber Kindern bis zu 12 Jahren das Recht auf Versetzung auf einen Tagesarbeitsplatz, allerdings nur unter der Maßgabe, dass entsprechende betriebliche Möglichkeiten bestehen. Das Nachtarbeitsverbot für Frauen wird gänzlich aufgehoben.

Notwendig wurde die Änderung des Arbeitszeitgesetzes und damit in Zusammenhang stehender Gesetze deshalb, weil insbesondere das österreichische Nachtarbeitsverbot für Frauen nicht EU-konform ist und die im EU-Beitrittsvertrag festgelegte Übergangsfrist bereits Ende 2001 ablief. Zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen für geleistete Nachtarbeit sollen, wie es in den Erläuterungen zum EU-Nachtarbeits-Anpassungsgesetz heißt, durch Kollektivvertrag und unter Berücksichtigung der Belastungen durch Nachtarbeit in der betreffenden Branche festgelegt werden.

Sowohl SPÖ als auch Grüne übten massive Kritik am Gesetz. Die Sozialdemokraten warfen dem Wirtschaftsminister insbesondere vor, lediglich die Wünsche der Arbeitgeber-Seite im Entwurf berücksichtigt zu haben, und orten auch Verschlechterungen für Personen, die bereits jetzt Nachtarbeit leisten. Ihre Kritik bezieht sich u.a. auf die Eingrenzung der Nachtarbeitszeit bis 5 Uhr und das ihrer Meinung nach nur sehr eingeschränkte Rückkehrrecht auf einen Tagesarbeitsplatz. Seitens der Grünen bemängelte Abgeordneter Karl Öllinger, das Gesetz ermögliche im Wesentlichen eine ungebremste Ausweitung der Nachtarbeit, was - aufgrund vermehrter gesundheitlicher Schäden der Betroffenen - hohe Folgekosten nach sich ziehen werde. Wirtschaftsminister Martin Bartenstein sprach hingegen von einer "vernünftigen, ausgewogenen Lösung im Sinne der Arbeitnehmer und Arbeitgeber" und wurde darin von den Abgeordneten der Koalition bestärkt.

Eingangs der Diskussion warf SPÖ-Sozialsprecherin Heidrun Silhavy dem Wirtschaftsminister vor, mit der Vorlage des Gesetzentwurfes säumig zu sein. Auch treffe das Sprichwort "Was lange währt, wird gut" auf die Regierungsvorlage nicht zu, meinte sie. Kritisch bewertete Silhavy unter anderem, dass laut Gesetz Nachtarbeit lediglich zwischen 22 Uhr und 5 Uhr geleistet wird, außerdem stellen 48 Tage Nachtarbeit ihrer Ansicht nach eine relative hohe Anforderung dar. Ein Abänderungsantrag der SPÖ, demzufolge jemand schon dann als Nachtarbeiter gelten soll, wenn er in mindestens 30 Nächten pro Jahr zumindest zwei Stunden arbeitet, und der den Zeitraum der Nachtarbeit außerdem auf 22 Uhr bis 6 Uhr festgelegt hätte, blieb bei der Abstimmung jedoch in der Minderheit.

Weiters zeigte sich Silhavy mit dem ihrer Ansicht nach sehr eingeschränktem Rückkehrrecht auf einen Tagesarbeitsplatz und mit den Regelungen über die Ersatzruhezeiten unzufrieden. Ersatzruhezeiten hätten den Sinn, dass sich der Arbeitnehmer regeneriert, skizzierte sie, bei einem Durchrechnungszeitraum von 26 Wochen könne davon aber keine Rede mehr sein. Ähnlich äußerten sich auch Silhavys FraktionskollegInnen Franz Riepl, Barbara Prammer, Sophie Bauer und Josef Horn, die Wirtschaftsminister Bartenstein vorwarfen, dem Druck der Wirtschaft nachgegeben und nur das umgesetzt zu haben, was die Arbeitgeberseite wollte. Bauer gab außerdem zu bedenken, dass viele Frauen auch in Zukunft keiner Nachtarbeit nachgehen könnten, weil im ländlichen Raum öffentliche Verkehrsmittel fehlten.

Abgeordnete Ridi Steibl (V) hielt dem entgegen, dass der Gesetzentwurf auch einige Verbesserungen für ArbeitnehmerInnen bringe. So dürfe man beispielsweise nicht "zwangsversetzt" werden, wenn man ein Kind unter 12 Jahren zu betreuen habe. ÖVP-Abgeordneter Reinhold Mitterlehner führte ergänzend aus, dass es unter gewissen Voraussetzungen einen Versetzungsanspruch auf einen Tagesarbeitsplatz gebe und der Gesetzentwurf auch in Bezug auf Gesundenuntersuchungen Verbesserungen für die Arbeitnehmer enthalte. Im Übrigen machte er geltend, dass die Gesetzesänderungen aufgrund von EU-Vorgaben notwendig seien.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) fände es, wie er sagte, notwendig und wichtig, sich im Zusammenhang mit Nachtarbeit stärker mit dem Aspekt Gesundheit auseinanderzusetzen. Das Gesetz ermögliche im Wesentlichen eine ungebremste Ausweitung der Nachtarbeit, skizzierte er, was aufgrund gesundheitlicher Schäden der Betroffenen hohe Folgekosten nach sich ziehen werde. Betriebliche Erfordernisse stünden offenbar über drohenden gesundheitlichen Schäden. Öllinger bekräftigte, er wolle kein generelles Nachtarbeitsverbot, ein kritischer Umgang mit dem Thema sei aber erforderlich.

Konkrete Kritik übte Öllinger auch daran, dass für die Definition von Nachtarbeit ein Zeitrahmen von 22 Uhr bis 5 Uhr festgelegt wurde. Ein Bäcker, dessen Dienst um 2.30 Uhr beginne, leiste demnach keine Nachtarbeit, veranschaulichte er, da schließlich eine dreistündige Dienstzeit im definierten Zeitrahmen Voraussetzung für eine Anerkennung als Nachtarbeiter sei.

Seitens der FPÖ meinte Abgeordneter Sigisbert Dolinschek, man solle "die Kirche im Dorf lassen". Schließlich handle es sich bei den Änderungen lediglich um eine Anpassung an EU-Recht. Er wies außerdem darauf hin, dass der EU-Richtlinie zufolge Arbeit nur dann als Nachtarbeit definiert werden müsste, wenn sie zwischen 24 Uhr und 5 Uhr liege. Das Recht auf Versetzung auf einen Tagesarbeitsplatz unter bestimmten Bedingungen qualifizierte Dolinschek als sozialpolitische Maßnahme, die vorbildlich sei. Abgeordneter Alois Pumberger (F) hielt fest, man könne Nachtarbeit nicht gänzlich verbieten, auch wenn sie gesundheitsschädlich sei. Er und seine Fraktionskollegin Edith Haller zeigten sich überdies erfreut, dass es endlich geschlechtsneutrale Nachtarbeits-Regelungen gebe.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein erklärte, er habe den Gesetzentwurf deswegen verspätet eingebracht, weil er den Sozialpartnern die Gelegenheit habe geben wollen, in dieser wichtigen Frage zu einer Einigung zu kommen. Eine solche sei zu seinem Bedauern aber nicht zustande gekommen.

In Bezug auf den Inhalt betonte Bartenstein, es gehe bei den gesetzlichen Änderungen auch um Chancengleichheit für Frauen. Er ist überzeugt, dass das Nachtarbeitsverbot den Frauen geschadet hat.

Was die Festlegung der Nachtarbeitszeit auf 22 Uhr bis 5 Uhr betrifft, merkte Bartenstein an, dies ändere nichts an Bestimmungen in anderen Gesetzen, beispielsweise im Nachtschwerarbeitsgesetz, wo Nachtarbeit als Arbeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr definiert wird. Im Übrigen habe Österreich die Mindestvorgabe der EU - eine Zeitspanne zwischen 24 Uhr und 5 Uhr - übererfüllt.

Kritik, wonach er nur die Wünsche der Arbeitgeber-Seite umgesetzt habe, wies Bartenstein zurück. So sei mit der Wirtschaft über das Recht, unter gewissen Voraussetzungen auf einen Tagesarbeitsplatz zurückkehren zu können, überaus hart verhandelt worden, erklärte er. Außerdem gebe es bei den Gesundenuntersuchungen klare Verbesserungen für die Arbeitnehmer. In diesem Sinn sieht der Minister im Gesetz eine "vernünftige, ausgewogene Lösung im Sinne der Arbeitnehmer und Arbeitgeber".

Den Vorschlag der Gewerkschaft, Zeitguthaben für geleistete Nachtarbeitsstunden gesetzlich festzulegen, lehnten sowohl Bartenstein als auch ÖVP-Abgeordneter Reinhold Mitterlehner ab. Beide betonten, dass dies zu einer 10%-igen Lohnerhöhung führen würde. Lohnfragen seien aber zu Recht eine Domäne der Sozialpartnerschaft und von Kollektivverträgen, sagte Bartenstein, der Gesetzgeber sollte nicht auf die Lohngestaltung Einfluss nehmen.

Das EU-Nachtarbeits-Anpassungsgesetz passierte mit VP-FP-Mehrheit den Sozialausschuss, der Abänderungsantrag der SPÖ fand über die Opposition hinaus keine Zustimmung. Durch diesen Beschluss sind auch ein Antrag der SPÖ und ein Antrag der Grünen zum Thema Nachtarbeit miterledigt. Die SPÖ wollte mit ihrem Antrag u.a. erreichen, dass die tägliche Arbeitszeit von NachtarbeiterInnen begrenzt wird, NachtarbeiterInnen eine Zeitgutschrift von 10 % pro nächtlichem Einsatz erhalten und einen Rechtsanspruch auf Versetzung auf einen Tagesarbeitsplatz bekommen, wenn sie gesundheitlich gefährdet sind oder ein Kind unter 12 Jahren bzw. einen pflegebedürftigen Angehörigen betreuen müssen. Der Antrag der Grünen zielte darauf ab, dass Nachtarbeit ausdrücklich als Ausnahme und als aus gesundheitlichen Erwägungen unerwünscht definiert wird und dass durch Nachtarbeit erbrachte Mehrleistungen insbesondere in Freizeit auszugleichen sind.

Einstimmig genehmigte der Sozialausschuss ein Abkommen über soziale Sicherheit zwischen Österreich und der Slowakei. (Schluss)