Parlamentskorrespondenz Nr. 645 vom 19.09.2002

GRÜNE VERLANGEN ABFANGJÄGER-BESCHAFFUNGSSTOPP

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Wien (PK) - Abgeordneter Dr. PILZ (G) wies im Rahmen der debatte über diesen Dringlichen Antrag der Grünen auf eine "bemerkenswerte Aussendung" der Salzburger Offiziersgesellschaft hin. Darin wurde nämlich festgestellt, dass ein Radarsystem ohne Abfangjäger vergleichbar sei mit einer Feuerwehr ohne Schlauch. Aufgrund der vorliegenden Fakten sei er der Auffassung, dass es sich beim österreichischen Abfangjägersystem bestenfalls um einen Schlauch handelt, "der sich noch seine Feuerwehr suchen muss". Aus einem Akt des Landesverteidigungsministeriums gehe auch hervor, "dass eine Luftraumüberwachung in dieser Republik technisch nicht einmal möglich ist", zeigte Pilz auf. Eine tschechische Mobilfunkfirma hat sich nämlich eine Frequenz gekauft und rechtlich durchgesetzt, dass das Bundesheer diese Frequenz nicht mehr verwenden darf. Dies führe dazu, dass in jenen Fällen, in denen das Sekundärradar ausgeschaltet ist, das System Goldhaube nicht mehr funktioniert.

Er frage sich daher, warum die Bundesregierung trotzdem Abfangjäger um 2 bis 3 Mrd. Euro kaufen will, von denen jeder weiß, dass sie gar nicht eingesetzt werden können. Es sei auch nicht einzusehen, warum die Luftwaffe gerade die teuersten Flugzeuge braucht, zumal sich der Verteidigungsminister und seine führenden Beamten monatelang für das schwedische Projekt eingesetzt haben. "Stimmt es, dass Ihnen am Abend vor dem entscheidenden Ministerrat telefonisch die neue Parteilinie durchgegeben worden ist?", fragte Pilz Bundesminister Scheibner. Während die Bundesregierung die Verschiebung der endgültigen Unterzeichnung des Vertrages mit EADS öffentlich angekündigt hat, verhandeln 40 Vertreter von EADS weiter mit den Vertretern des BMLV. Nach wie vor sei es daher möglich, dass ein Vorvertrag unterzeichnet oder eine vergleichbare Verpflichtung eingegangen wird, befürchtete Pilz. Die Grünen fordern daher den Bundesminister auf, die Verhandlungen mit EADS sofort abzubrechen und sicherzustellen, dass bis zu den Neuwahlen keine vertraglich verpflichtenden Vereinbarungen mit EADS eingegangen werden.

Aus seinen bisherigen Gesprächen mit Abgeordnetem Pilz und anderen Angehörigen der Opposition habe er nicht den Eindruck gewonnen, dass es eine Bereitschaft gegeben hat, ernsthaft über die Voraussetzungen und Notwendigkeiten der Luftraumüberwachung zu diskutieren, meinte einleitend Bundesminister SCHEIBNER. Außerdem sei es interessant, dass Abgeordneter Pilz immer wieder aus heeresinternen Akten zitiere. Im vorliegenden Fall sei es aber noch bedenklicher, meinte Scheibner, da der angesprochene Originalakt im Ministerium verschwunden ist. Er werde daher eine Untersuchung einleiten, da gerade im Bereich der Luftabteilung zwei weitere Akte nicht mehr auffindbar sind, teilte Scheibner mit.

Was die technischen Voraussetzungen betrifft, so wies Scheibner auf eine Stellungnahme des Generaltruppeninspektors hin, der davon ausgeht, dass durch die Abschaltung einiger Frequenzen eine unerhebliche Reduzierung der Radardaten erfolge. Es sei daher nicht richtig, dass alle drei Radaranlagen funktionieren müssen, um Flugzeuge orten zu können. Außerdem stehen im Einsatzfall mobile Radaranlagen zur Verfügung und durch die Beschaffung des 3-D-Radars kam es zu einer wichtigen Verbesserung, unterstrich der Landesverteidigungsminister. Das Luftraumüberwachungssystem in Österreich funktioniere ausgezeichnet und biete im Vergleich zu Systemen in anderen Ländern wesentlich bessere Möglichkeiten im Primär- und Sekundärbereich. Scheibner betonte weiters, dass vor dem Ermächtigungsgesetz, das der Nationalrat zu beschließen hat, es keine Unterschrift des Verteidigungsminister für den Beschaffungsakt geben wird. Dass die Verhandlungen weitergeführt werden bzw. werden müssen, halte er jedoch für selbstverständlich. Denn durch die Neuwahlen ist der Auftrag, dieses Projekt weiterzuführen, nicht außer Kraft gesetzt, unterstrich er. Er sei sicher, dass - egal wer in der nächsten Regierung sein wird - alle vor der Aufgabe stehen, diesem gesetzlichen Auftrag zu folgen, um die Souveränität Österreichs in der Luftfahrt abzusichern.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) rückte den zentralen Inhalt des Antrages der Grünen nochmals in den Vordergrund und meinte, es gehe vor allem darum, dass weiterer Schaden abgewendet wird. Kogler war der Auffassung, dass EADS in dieser Phase der Verhandlungen von einem Vorvertrag ausgehen könne, was dazu führe, dass die Aufwendungen täglich steigen. Das Versprechen des Bundeskanzlers, die Unterzeichnung des Vertrags zu verschieben, müsse unbedingt eingehalten werden, forderte er. Es sei daher ganz einfach: "Auf Wiedersehen mit dieser Schnapsidee und Guten Tag dem Untersuchungsausschuss".

Was war wirklich der Grund dafür, dass sich die Regierung - obwohl faktisch alle im Landesverteidigungsministerium für das schwedische Modell waren - letztlich für den Eurofighter entschieden hat?, fragte Abgeordneter Dr. CAP (S). Der EADS-Lobbyist Gernot Rumpold, der einmal Geschäftsführer der FPÖ war, habe etwa im "Format" gesagt, dass es in Österreich wie in Uganda sei: Wenn man in Österreich nämlich nicht mit dem Goldkoffer auftauche, klappe gar nichts. Heißt das nun, dass hier Bestechung und Korruption im Gange ist?, fragte sich Cap. Wenn sich das Parlament ernst nehme, dann sei es dazu verpflichtet, einen Untersuchungsausschuss in dieser Frage einzusetzen. Schließlich brachte er noch einen Entschließungsantrag ein, in dem die Bundesregierung u.a. aufgefordert wird, den Beschaffungsvorgang für die Kampfflugzeuge sofort abzubrechen und auf den Kauf der Abfangjäger zu verzichten.

Seine Fraktion werde den dringlichen Antrag ablehnen, da wir den Worten des Bundeskanzlers und des Verteidigungsministers, wonach die Beschaffung der Abfangjäger auf Eis gelegt wird, voll vertrauen, erklärte Abgeordneter MURAUER (V). Er forderte die Opposition auf, seriös zu diskutieren, denn die Sicherheitspolitik habe keinen Platz im Parteienstreit. Hinsichtlich der Gegengeschäfte merkte Murauer an, dass diese in der Beschaffung eine zentrale Rolle spielen, und zwar nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen Ländern. Man sei daher bestrebt, die Wirtschaft noch mehr einzubinden und auf die Bedürfnisse der Forschung und Entwicklung Rücksicht zu nehmen. Sodann legte er ein klares Bekenntnis zur Landesverteidigung, zum Bundesheer und zu einer rot-weiß-roten Sicherheitspolitik ab. Er sei überzeugt davon, dass die Österreicher am 24. November für Bundeskanzler Schüssel stimmen werden, weil er für Sicherheit und Verlässlichkeit stehe.

Die Initiativen der Opposition seien überflüssig, erklärte F-Abgeordneter JUNG, da Vertragsunterzeichnung und Beschaffung in der laufenden Gesetzgebungsperiode nicht mehr möglich seien. Im Hinblick auf Forderungen von sozialdemokratischen Gewerkschaftern nach rascher Durchführung der Beschaffung stelle sich aber die Frage nach der grundsätzlichen Linie der SP in der Sicherheitspolitik. Jung konstatierte einen Riss, der in dieser Materie durch die sozialdemokratische Fraktion gehe. Den Koalitionspartner ÖVP warnte der freiheitliche Mandatar, Überlegungen zur Schaffung eines Sicherheitsministeriums fortzusetzen.

Nach den Aussagen von Verteidigungsminister Scheibner sei klar, dass es bei einer Fortsetzung von Schwarz-Blau diese Flieger geben werde, betonte Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G). Würden im Sinn eines "Schweigekegels" über dem Verteidigungsministerium jetzt eingegangene Bindungen nicht offengelegt, stünde die nächste Regierung vor einem Scherbenhaufen. Daher treten die Grünen für einen sofortigen Stopp der Verhandlungen ein.

Abgeordneter PRÄHAUSER (S) forderte unter Hinweis auf die Budgetsituation den Verzicht auf die Kampfflugzeuge. Statt dessen sollte in die Infrastruktur des Bundesheeres und in die Sicherheit der Soldaten investiert werden.

"Wahlkampf pur" stellte Abgeordneter Dr. OFNER (F) in Richtung Opposition fest; "wie ein Ertrinkender nach dem Strohhalm" greife die SPÖ nach dem Thema Abfangjäger. Ofner erinnerte an die völkerrechtliche Verpflichtung zur Verteidigung des Luftraums; wer nicht bereit sei, seine Pflichten zu erfüllen, werde bald auch keine Möglichkeiten haben, seine Rechte wahrzunehmen, und wer glaube, seine Nachbarn würden das für ihn tun, sei ein Illusionist.

S-Abgeordnete PFEFFER nannte die Beschaffung der "sündteuren Abfangjäger" ironisch eine "Spitzenleistung" der Regierung. Verteidigungsminister Scheibner, den sie durchaus schätzen gelernt habe, sei bei den Verhandlungen möglicherweise "über den Tisch gezogen" worden, meinte sie.

Auch F-Mandatarin Mag. HARTINGER erinnerte an die völkerrechtlichen Verpflichtungen und an die politische Verantwortung in der Sicherheitspolitik. Wirtschaftlich bringe der Ankauf der Eurofighter doppelt so viel wie er koste.

"Doppelgleisigkeit" ortete Abgeordneter GRADWOHL (S) bei den Regierungsfraktionen. Während der Bundeskanzler sage, es würden keine Abfangjäger gekauft, sage der Verteidigungsminister das Gegenteil. Die Menschen in Österreich wollten faire Chancen und keine Abfangjäger.

In ähnlichem Sinn äußerte sich Abgeordneter Dr. PILZ (G): Die Frage, ob und wenn ja welche Flugzeuge gekauft werden sollen, sollte von der kommenden Regierung entschieden werden. Die Sache mit den im Verteidigungsministerium verschwundenen Akten erinnere an den "Fall Lucona", sagte Pilz und kündigte an, der Staatsanwaltschaft eine Sachverhaltsdarstellung bezüglich des Verdachts auf Amtsmissbrauch im Verteidigungsressort zu übergeben.

In einer weiteren Wortmeldung stellte Verteidigungsminister SCHEIBNER klar, dass aufgrund der Neuwahlen das Projekt Abfangjäger auf die nächste Gesetzgebungsperiode verschoben sei. Es gebe kein Finanzierungsgesetz, der Minister könne daher auch den Vertrag nicht unterschreiben. Es sei aber sinnvoll und notwendig, die Verhandlungen weiter zu führen, damit die nächste Regierung rasch entscheiden könne.

Dieses Weiterverhandeln stehe im Widerspruch zu anderen Aussagen aus den Koalitionsfraktionen, stellte G-Abgeordneter ÖLLINGER dazu fest.

Sowohl der Antrag der Grünen als auch der Entschließungsantrag der Sozialdemokraten blieben in der Minderheit der Oppositionsfraktionen und verfielen somit der Ablehnung. (Schluss)