Parlamentskorrespondenz Nr. 11 vom 15.01.2003

ÖSTERREICH-KONVENT

Wien (PK) - Nationalratspräsident Andreas Khol und Bundesratspräsident Herwig Hösele haben am 15. Jänner im Rahmen einer Pressekonferenz im Parlament Vorschläge für einen Österreich-Konvent präsentiert. Die Parlamentskorrespondenz dokumentiert die Vorschläge im Wortlaut:

1. Einsetzung

Durch eine politische Vereinbarung zwischen Nationalrat (Präsidialkonferenz), Bundesrat (Präsidialkonferenz), den Landtagen (vertreten durch die Konferenz der Landtagspräsidenten), der Bundesregierung, der Landeshauptleutekonferenz (vertreten durch den vorsitzenden Landeshauptmann), dem Gemeindebund und dem Städtebund wird ein Österreich-Konvent eingerichtet. Dieser Österreich-Konvent hat nachstehendes Mandat, es gelten für ihn die unter Punkt 3 aufgezählten Grundsätze, die im Punkt 4 genannte Zusammensetzung, der im Punkt 5 genannte Vorsitz und der im Punkt 6 genannte Verfahrensvorschlag sowie die im Punkt 7 genannte Zeitplanung.

2. Mandat des Österreich-Konvents

Ausarbeitung einer erneuerten Bundesverfassung, die an die Stelle des Bundesverfassungsgesetzes 1920, der verfassungsgesetzlichen Nebengesetze und der Verfassungsbestimmungen tritt:

Aus dem selbst für Verfassungsjuristen unübersehbar gewordenen Verfassungsrecht soll durch Straffung eine Kernverfassung in dem in Europa geläufigen Sinn (Reduktion) gewonnen werden, die zum anderen die Verfassung so geräumig macht, dass sie einer zukunftsorientierten Staats- und Verwaltungsorganisation nicht entgegensteht.

3. Grundsätze für die Erneuerung der Bundesverfassung

3.1. Die Grundsätze des geltenden Bundesverfassungsrechtes haben sich bewährt und gelten weiter:

die auf die Volkssouveränität gegründete Republik

die parlamentarische repräsentative Demokratie mit plebiszitärem Einschlag

der soziale Rechtsstaat

das bundesstaatliche Prinzip, wonach der Gesamtstaat auf dem Zusammenschluss der neun Bundesländer beruht

die Gemeindeautonomie und die Vielfalt der Selbstverwaltungskörper

3.2. Im Zuge einer Bundesverfassungsrechtsbereinigung werden überholte Verfassungsbestimmungen zum Teil sofort außer Kraft gesetzt, zum Teil in einem Verfassungsübergangsgesetz nach einem bestimmten Zeitplan außer Kraft gesetzt. Das Ziel ist das so genannte Inkorporierungsgebot: das gesamte Verfassungsrecht steht nur in einer einzigen, "der Verfassung".

3.3. Der gesamte Behördenaufbau wird zur Ermöglichung einer flexiblen Verwaltungsorganisation überprüft.

3.4. Die Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden wird in abgerundeten Kompetenztatbeständen niedergelegt.

3.5. Verfassungsaktualisierung auf folgenden Gebieten (beispielsweise): neue Verfassungsautonomie der Länder; klare Vollzugsverantwortung; Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit; Neuordnung des Finanzausgleiches; Neuordnung der ordentlichen Gerichtsbarkeit.

4. Zusammensetzung des Österreich-Konvents

6 Vertreter des Nationalrates

4 Vertreter des Bundesrates

18 Vertreter der Landtage, d.h. zwei für jeden Landtag

6 Vertreter der Bundesregierung

9 Vertreter der Landesregierungen, also einer für jede Landesregierung

3 Vertreter des Städtebundes

3 Vertreter des Gemeindebundes

8 Vertreter der Sozialpartner (also je zwei für WKÖ, Präsidialkonferenz der Landeslandwirtschaftskammern, ÖGB, AK)

23 Virilisten (Präsidenten der Höchstgerichte, Volksanwalt, Rechnungshof, österreichische Mitglieder des Europa- Konvents, "wise women/wise men", IV)

5. Leitung des Konvents

Die Leitung des Konvents wird von einem Vorsitzenden, seinen drei Stellvertretern und einem Generalsekretär wahrgenommen. Sie bilden das Präsidium. Der Vorsitzende darf kein aktiver Politiker sein bzw. in den letzten vier Jahren keine aktive politische Tätigkeit ausgeübt haben und keine auf Erwerb gerichtete berufliche Tätigkeit ausüben. Das Präsidium wird von einer Arbeitsgruppe bestellt, der der Bundeskanzler (Vorsitzender), der/die Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, der Präsident des Nationalrates, der Präsident des Bundesrates, der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes, der Präsident des Städtebundes und der Präsident des Gemeindebundes angehören.

6. Der Österreich-Konvent

wird im Kleid einer Enquetekommission des Nationalrates formell beim Nationalrat angesiedelt, in dessen Haushalt auch für alle administrativen Erfordernisse Vorkehrung getroffen wird; damit ist auch das notwendige administrative Hilfspersonal, die Räumlichkeiten und die Geschäftsordnung klargestellt.

7. Zeitrahmen

Der Österreich-Konvent schließt seine Arbeiten für zwei Jahre nach der Arbeitsaufnahme ab. Das Präsidium erstattet darüber einen öffentlichen Bericht.

(Schluss)

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