Parlamentskorrespondenz Nr. 247 vom 29.04.2003

FÜR GERINGFÜGIG BESCHÄFTIGTE BUNDESABGABE STATT ARBEITGEBERBEITRAG

SPÖ: Mediation auf öffentliches Recht und Strafrecht ausdehnen

Wien (PK) - Als nächste Punkte standen ein Bundesgesetz über eine pauschalierte Abgabe von Dienstgebern geringfügig beschäftigter Personen (F-V-Antrag) und der S- Antrag betreffend ein BG über die Einhebung einer Abgabe für Versicherte, die in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen stehen, auf der Tagesordnung.

Abgeordnete SILHAVY (S) erläuterte die notwendig gewordene Reparatur des ASVG, weil der Verfassungsgerichtshof den Dienstgeberbeitrag aufgehoben habe, der eingeführt wurde, um einen Missbrauch geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse hintanzuhalten. Die ÖVP wolle dem Verlangen des VfGH nachkommen, indem sie den Dienstgeberbeitrag in eine Bundesabgabe umwandle. Der SPÖ gehe es um eine Verbesserung der Situation geringfügig Beschäftigter, in der Mehrzahl Frauen, die nun von der Pensionsreform betroffen seien, vor allem ab 2028, wenn die "Deckelung" wegfällt. In der Weigerung der ÖVP, etwas für die geringfügig Beschäftigten zu tun, sah Silhavy einen Beweis dafür, dass diese Regierung zwar alles unternehme, um Arbeitgeber von Regelungen zu befreien, geringfügig Beschäftigte aber in Stich lasse. Überdies warf Silhavy der Regierung vor, sich bei der Gesetzesreparatur so lange Zeit gelassen zu haben, dass Beiträge in der Höhe von 10 Mrd. Euro entfallen.

Abgeordneter Mag. TANCSITS (V) erinnerte daran, dass Mitte der neunziger Jahre neue arbeitsrechtliche Institutionen zwischen der Selbständigkeit und der Unselbständigkeit entstanden sind. Um Missbrauch auszuschalten und zu verhindern, dass Arbeitgeber Vollzeitarbeitplätze auf mehrere geringfügig Beschäftigte aufteilen, wurde ein Arbeitgeberbeitrag eingeführt, der vom VfGH aus kompetenzrechtlichen Gründen nun aufgehoben wurde und in eine verfassungskonforme Bundesabgabe umgewandelt werden soll. Tancsits sah keine Anlass, die Regelung im Sinne des SPÖ-Vorschlages zu verschärfen. Er wies auch die Kritik am Zeitpunkt der Gesetzesreparatur zurück. Der Gesetzgeber akzeptiere Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs, er nehme für sich aber die Zeit in Anspruch, die er brauche, um sachgerechte Entscheidungen zu treffen.

Abgeordneter DOLINSCHEK (F) erläuterte, Anlass für den heutigen Beschluss sei ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, welcher den Dienstgeberbeitrag für geringfügig Beschäftigte in der bestehenden Form als verfassungswidrig aufgehoben habe. Ohne die vorliegende Ersatzregelung würden der Sozialversicherung 50 Mill. Euro pro Jahr entgehen. Dolinschek schilderte die Details des Gesetzentwurfes und wies darauf hin, dass die Lösung im Prinzip auch von den Sozialpartnern gutgeheißen worden sei.

Staatssekretärin HAUBNER gab zu bedenken, dass der Dienstgeberbeitrag für geringfügig Beschäftigte vom Verfassungsgerichtshof lediglich aus rein formalen Gründen aufgehoben worden sei. Mit der heutigen Beschlussfassung würde nun Rechtssicherheit geschaffen. Generell machte Haubner darauf aufmerksam, dass mehr als zwei Drittel der geringfügig Beschäftigten Frauen seien. Sie erachtet das gerade im Hinblick auf die Alterspension für ein Problem. Bedauern äußerte die Staatssekretärin darüber, dass der Sozialversicherung durch die verspätete Beschlussfassung des vorliegenden Bundesgesetzes 10 Mill. Euro verloren gehen.

Abgeordneter RIEPL (S) erinnerte daran, dass die Regierung ein Jahr Zeit gehabt hätte, im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes eine Gesetzesreparatur vorzunehmen. Darauf sei aber beinahe vergessen worden, der heutige Beschluss komme um zwei Monate zu spät. Riepl wertete die 10 Mill. Euro, die sich die Unternehmen durch diesen Zeitverzug ersparen, als eine Art "Lohnnebenkostengeschenk" der Regierung. Dabei würde die Sozialversicherung, so der Abgeordnete, "jeden Schilling brauchen".

Abgeordnete MAREK (V) hielt fest, der vorliegende Gesetzentwurf entspreche exakt der Sozialpartner-Lösung von 1997, die damals in breitem Konsens erreicht wurde. Dem Vorschlag der SPÖ, Beschäftigungsverhältnisse von geringfügig Beschäftigten noch unattraktiver zu machen, steht sie skeptisch gegenüber. Es wäre blauäugig zu denken, dass dann geringfügige Beschäftigungsverhältnisse in Teilzeit- oder Vollzeitarbeitsplätze umgewandelt werden, unterstrich Marek, vielmehr würden häufig voraussichtlich gar keine Dienstverhältnisse zu Stande kommen und Frauen in Schwarzarbeit gedrängt. Generell will sich Marek, wie sie sagte, für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie einsetzen.

Abgeordnete Mag. PRAMMER (S) meinte, im Gegensatz zu ihrer Vorrednerin bekenne sie sich dazu, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse unattraktiver zu machen. Deshalb habe die SPÖ auch beantragt, auch dann einen Dienstgeberbeitrag einzufordern, wenn im Unternehmen nur eine Person geringfügig beschäftigt ist. Ihrer Ansicht nach wird es Zeit, hier einen zweiten Schritt zu setzen, nachdem 1997 eine erste Etappe eingeführt worden sei.

Abgeordneter Dr. TRINKL (V) führte aus, derzeit seien 210.000 geringfügig Beschäftigte in 80.000 Unternehmen tätig. Die Gefahr des Missbrauchs sieht er nicht gegeben, da nur für 15.000 der 210.000 Betroffenen kein Dienstgeberbeitrag abgeführt werden müsse. Trinkl zufolge verabschiedet sich die SPÖ mit ihrem Antrag von der Sozialpartner-Einigung aus dem Jahr 1997. Der ÖVP sei es außerdem wichtig, zwischen Unternehmen und privaten Haushalten trennen, sagte der Abgeordnete.

Abgeordneter SCHOPF (S) glaubt nicht, dass sich, wie Staatssekretärin Haubner gemeint hatte, geringfügig Beschäftigte deshalb nicht selbst versichern, weil sie zu wenig über diese Möglichkeit informiert seien. Das Hauptproblem ist seiner Meinung nach nicht ein Informationsdefizit, sondern die Tatsache, dass sich die Betroffenen eine freiwillige Versicherung nicht leisten können, weil ihr Verdienst derartig gering sei. Dass es bezüglich der Ersatzlösung für den Dienstgeberbeitrag zu einem verspäteten Beschluss kommt, ist für Schopf unentschuldbar.

Das Bundesgesetz über eine pauschalierte Abgabe von Dienstgebern geringfügig beschäftigter Personen und die damit in Zusammenhang stehende Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes wurde mehrheitlich beschlossen. Auch die Kenntnisnahme des (negativen) Berichtes des Sozialausschusses über den Antrag der SPÖ erfolgte mit Stimmenmehrheit.

Im Zusammenhang mit dem Zivilrechts-Mediations-Gesetz betonte Abgeordnete Dr. FEKTER (V), sie sei stolz auf das vorliegende Mediationsgesetz. Österreich erbringe damit eine Pionierleistung und sei international Vorreiter beim Einsatz von Mediation. Zwar sei Mediation auf die Zivilrechtsmaterie beschränkt, skizzierte Fekter, sie glaubt aber, dass es enorme Auswirkungen weit über den Zivilrechtsbereich hinaus geben wird. Mediation könnte ihr zufolge etwa im Nachbarschaftsbereich oder bei Mieter-Vermieter-Konflikten angewandt werden. Die Abgeordnete zeigte sich überzeugt, dass das Gesetz in Europa Nachahmer finden wird.

Abgeordnete Mag. BECHER (S) erklärte, eine gemeinsame Lösung zu finden, sei eine wesentliche Zielsetzung von Mediationsverfahren. Bereits vor 10 Jahren sei Mediation erstmals als Instrument zur Streitschlichtung eingesetzt worden, der Modellversuch hätte sich als erfolgreich erwiesen. Andenken sollte man laut Becher, Mediation in weiterer Folge auf das öffentliche Recht und das Strafrecht auszudehnen. Einschränkend gab sie zu bedenken, dass Mediation - im Gegensatz etwa zu Außerstreitverfahren - teuer sei.

Abgeordneter Mag. MAINONI (F) verwies darauf, dass Mediation ihre Ursprünge in den Vereinigten Staaten habe. Sie sei eine anerkannte und erfolgreiche Methode der außergerichtlichen Konfliktlösung. Statt eines Verlust-Gewinn-Denkens solle eine Win-Win-Situation entstehen. Modellversuche hätten gezeigt, dass die Erfolgsquote bei 75 % liege. Kritisch äußerte sich Mainoni zur negativen Entwicklung der Häftlingszahlen.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) begrüßte ebenfalls die Einführung von Mediation als konsensuales Konfliktlösungsmodell im Zivilrecht. Wie Becher warnte aber auch sie davor, alte, tradierte und bewährte Formen der Konfliktlösung durch Mediation zu verdrängen. So haben etwa Außerstreitverfahren für sie den Vorteil, dass sie für die Betroffenen kostenlos sind.

Bundesminister Dr. BÖHMDORFER bezeichnete die Mediation als wichtige Innovation und würdigte die Einigkeit der Fraktionen in dieser Angelegenheit. Sodann erläuterte der Minister die Details der gegenständlichen Vorlage, dabei darauf verweisend, dass Österreich auf diesem Gebiet ein Vorreiter sei.

Abgeordneter Mag. DONNERBAUER (V) unterstrich ebenfalls die Vorzüge dieser von allen Fraktionen gutgeheißenen Vorlage und nannte konkrete Beispiele, wo sich die Mediation positiv auswirken werde. Mit dem Gesetzentwurf werde sichergestellt, dass der Beruf des Mediators allen, welche die fachliche Qualifikation besäßen, offen stehe.

Abgeordnete STADLBAUER (S) regte an, die Frauenberatungsstellen aufzuwerten, zumal Mediation kein Allheilmittel sei, wie die Rednerin am Beispiel von Scheidungsverfahren illustrierte, wo Richter und Mediatoren besonders sensibel vorgehen müssten. Mediation könne hier nicht die Aufgabe der Richter ersetzen, es dürfe nicht zu einer "Privatisierung der Justiz" kommen. In diesem Sinne brachte Stadlbauer einen entsprechenden Abänderungsantrag ein.

Abgeordneter Dr. TRINKL (V) verwies ebenfalls auf die progressive Rolle der österreichischen Justizpolitik und meinte, Österreich könne darauf stolz sein, bereits Antworten zu geben, wo in der EU erst die entsprechenden Fragen formuliert würden. Die Mediation sei eine zukunftsorientierte Methode, die in vielen Bereichen zum Einsatz kommen könne, weshalb er, Trinkl, sie begrüße.

Bundesminister Dr. BÖHMDORFER äußerte sich zum Abänderungsantrag Stadlbauers und meinte, dieser mache in der Praxis keinen Sinn, weil es sich in vielen Fällen als weit kostengünstiger erweisen würde, wenn der involvierte Rechtsanwalt auch die entsprechenden Gerichtsschritte setzen könne.

Abgeordnete BURES (S) begrüßte die Vorlage und vertrat die Ansicht, hier werde ein positiver Weg fortgesetzt. Bures wies auf die Vorzüge dieser Methode hin und regte an, die Mediation auch in anderen Bereichen, etwa beim Außerstreitverfahren, ähnlich zur Anwendung zu bringen.

Abgeordnete RIENER (V) zeigte sich ebenfalls erfreut über diese Vorlage und erklärte, selbst erst kürzlich ihre Ausbildung zur Mediatorin abgeschlossen zu haben. Sie berichtete aus ihrer Praxis und unterstützte ob ihrer konkreten Berufserfahrung den Entwurf.

Die Vorlage wurde einstimmig angenommen. Der Abänderungsantrag verfiel der Ablehnung. (Forts.)