Parlamentskorrespondenz Nr. 415 vom 10.06.2003

GRÜNE HINTERFRAGEN ABERMALS EUROFIGHTER-KAUF

Wien (PK) -  Um 15 Uhr rief Präsident Dr. KHOL die Dringliche Anfrage der Grünen mit dem Betreff „Eurofighter-Schiebung“ auf. Erstunterzeichner Abgeordneter Dr. PILZ listete in seiner Wortmeldung eine Reihe von Anfragen an den Finanzminister auf, beginnend mit dem 6.2.2002 und der Erklärung des Finanzministers, Abfangjäger können aus finanzieller Sicht nicht angeschafft werden, über die Ministerratsvorbesprechung vom 25. Juni 2002, in der Landesverteidigungsminister Scheibner für die Anschaffung von 24 Stück SAAB-Gripen eingetreten sei, bis hin zur Ministerratsvorbesprechung vom 2. Juli, in der festgelegt wurde, dass 24 Stück Eurofighter gekauft werden sollen.

Seine weiteren Fragen betrafen die Kosten: Zuerst hieß es, sie kosten 1,3 Mrd. €, der Finanzminister habe dann die Zahl auf 1,9 Mrd. € korrigiert. Laut Meinung des Landesverteidigungsministers und des Finanzministers seien dies die gesamten Systemkosten. Laut einer Unterlage des Landesverteidigungsministeriums gibt es einen „sonstigen Systemaufwand“ in der Höhe von 233 Mill. €, der bewusst von den Regierungsmitgliedern verschwiegen wurden, fuhr Pilz fort und warf Grasser vor, die Typenentscheidung persönlich manipuliert und den Nationalrat dadurch getäuscht zu haben, dass er und der Landesverteidigungsminister unwahr informiert hätten. Sie haben, sagte er zu Grasser, dem Landesverteidigungsminister und seinem Vorgänger suggeriert, sie können ruhig den Eurofighter nehmen, Sie übernehmen die Mehrkosten. In welchem Interesse tun Sie das? Wem sind Sie verpflichtet?

Bundesminister Mag. GRASSER unterstrich, dass er in der Vorphase gegen den Ankauf von Abfangjägern aufgetreten sei, denn ein Finanzminister habe die Aufgabe, „jeden Euro doppelt umzudrehen“. Es sei auch legitim, nach Abwägung budgetärer und sicherheitspolitischer Argumente eine gemeinsame Entscheidung für die Beschaffung der Abfangjäger zu treffen, denn: Ein sicheres Österreich brauche eine umfassende Landesverteidigung und brauche daher eine aktive Luftraumüberwachung.

Dem Erstunterzeichner der Dringlichen warf Grasser vor, seit 12 Jahren jede militärische Beschaffung zu „verunglimpfen“ und eine „verkrampfte Position zur umfassenden Landesverteidigung“ zu haben. Dieser Beschaffungsvorgang sei „sauber und einwandfrei“.

Gemäß dem Ministerratsbeschluss habe der Kaufpreis für 24 Flugzeuge 1,791 Mrd. € betragen. Nach den Verhandlungen sei ein deutlicher Abschlag für 18 Eurofighter und ein Preis von 1,132 Mrd. € erreicht worden. Inklusive Finanzierungskosten ergab sich ein Kaufpreis von 1,337 Mrd. €, hinzu kommen 632 Mill. € für Ausbildung und Logistik; das ergibt einen Gesamtpreis von 1,969 Mrd. €. Die „zusätzlichen Systemkosten“ von 233 Mill. € hätten mit dem Ankauf der Abfangjäger nichts zu tun. Das Gegengeschäftsvolumen beträgt 4 Mrd. € oder 240 % des Nettoanschaffungspreises. Bereits im ersten Jahr wird es 150 Gegengeschäfte mit einem Umfang von mehr als 1 Mrd. € geben.

Der Gesamtpreis wird 1,969 Mrd. € betragen. In den nächsten neun Jahren sind jährlich 220 Mill. € zurückzuzahlen. Das mache 0,1 % des BIP.

Vor Typenentscheidung habe es auf beamteter und auf politischer Ebene Gespräche mit den Firmen gegeben, nach der Typenentscheidung sei es um die Finanzierung und die Erzielung eines optimalen Preises gegangen. Kontakte gab es mit offiziellen Repräsentanten und mit Firmenvertretern. „Ich habe kein persönliches Interesse an dieser Entscheidung“, sagte Grasser abschließend. Die Sicherheit Österreichs sollte nicht Spielball der Politik und Gegenstand von parteipolitischem Hickhack sein.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) setzte sich kritisch mit den Ausführungen des Finanzministers auseinander, meinte, die Sache sei nicht billiger geworden, denn die 18 Abfangjäger seien teurer als die 24; man habe sich aber darauf geeinigt, einen Stückkosten-Vergleich anzustellen und habe so lange mit EADS verhandelt, bis die Stückkosten gleich hoch waren. Aber was ist mit den Systemkosten und den 233 Mill. €?, fragte er. Er sprach weiters von „Schlamassel“ und „Chaos“ und forderte die Abgeordneten auf, einem Antrag auf Herausnahme der Beschaffung der Abfangjäger aus dem Budgetbegleitgesetz zuzustimmen.

Abgeordneter AMON (V) warf den beiden G-Rednern vor, zu kriminalisieren, und wies darauf hin, dass die der Staatsanwaltschaft übermittelten Vorwürfe von dieser als haltlose Unterstellungen angesehen wurden.

Abgeordneter GAAL (S) bezeichnete den Kauf der Eurofighter als "keine gute Entscheidung" und zog die Notwendigkeit der Beschaffung aus Neutralitätsgründen stark in Zweifel. Er kritisierte, dass die Bundesregierung versuche, den Kauf noch vor Erscheinen des Rechnungshofberichtes unter Dach und Fach zu bringen. Die SPÖ bekenne sich zur Landesverteidigung und zum Bundesheer, bekräftigte er, der Kauf von Kampfflugzeugen sei jedoch für die Luftraumüberwachung nicht notwendig. Derartige "Luxus-Kampfjets" brauche niemand, sagte Gaal. Mit dieser sündteuren Beschaffung treibe man das Bundesheer in die Verschuldung und es bleibe kein Spielraum mehr für notwendige Anschaffungen. Der Finanzminister sei heute jede Antwort schuldig geblieben. Die Gegengeschäfte seien problematisch, was auch der Rechnungshof bestätige, so Gaal weiter. Es bestehe auch kein schlüssiges Finanzierungskonzept, bemängelte er und warf dem Finanzminister vor, dass sein Veto eine kostengünstigere Variante verhindert habe. Sicherheitspolitische Argumente habe es jedenfalls für den Sinneswandel Bundesminister Grassers zu Gunsten von EADS nicht geben können. Österreich bekomme ein Flugzeug, das noch nicht fertig gestellt sei, denn es sei noch nicht beschlossen, ob die Tranche zwei, die unsere Bedingungen erfülle, auch gebaut werde. Die Tranche eins, über die man heute diskutiere, entspreche nicht den österreichischen Bedingungen und sei lediglich für Trainingszwecke bestimmt.

Abgeordneter Dr. BÖSCH (F) meinte, dass die SPÖ dort, wo sie Verantwortung trage, anders argumentiere. Die Grünen wiederum hätten genauso argumentiert, würden andere Flugzeuge angeschafft, argwöhnte der Redner. Die unwahren Behauptungen und kryptischen Andeutungen würden nicht wahrer, sagte Bösch und wies auf den seiner Meinung nach transparenten Beschaffungsvorgang hin. Die Staatsanwaltschaft Wien habe alle Verdachtsmomente genau geprüft und sämtliche Anklagen zurückgewiesen. Die Anschaffung der Eurofighter sei eine langfristige Investition in die Sicherheit Österreichs und die Kosten fielen erst ab 2007 in einer jährlichen Rate von 200 Mill. € an. Darüber hinaus werde die österreichische Wirtschaft vom Kauf durch die Gegengeschäfte profitieren, wodurch zahlreiche Arbeitsplätze in den Regionen gesichert und geschaffen werden könnten. Der Wirtschaftsstandort Österreich könne damit im Bereich der Hochtechnologie gehalten und ausgebaut werden. 

Bundesminister PLATTER unterstrich, dass es bei der Luftraumüberwachung um den Schutz und die Sicherheit der Bevölkerung und der Souveränität des Landes gehe. Die Beschaffung sei kein Selbstzweck, sie sei für die Sicherung und Sicherheit der Republik notwendig. Neben Massenvernichtungswaffen sei vor allem der internationale Terrorismus eine der großen Bedrohungen, und in einer solchen Situation dürfe man die Luftraumüberwachung nicht aufgeben, sagte Platter. Platter bekräftigte, dass dieser Beschaffungsvorgang "korrekt, sauber und einwandfrei" über die Bühne gegangen sei und die Vorwürfe der Korruption und Schiebung jeder Grundlage entbehrten. Er schließe sich daher der Beantwortung des Finanzministers vollinhaltlich an. Platter zitierte in der Folge ehemalige SP-Bundeskanzler und Spitzenpolitiker, die sich für eine Luftraumüberwachung ausgesprochen hatten. Zu einer umfassenden Landesverteidigung gehöre auch die Luftraumüberwachung, und diese dürfe nicht zum parteipolitischen Spielball gemacht werden, sagte der Verteidigungsminister. Sicherheit brauche Verantwortung und die Bundesregierung nehme diese Verantwortung wahr.

Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) entgegnete, dass man heute nicht die Luftraumüberwachung an sich diskutiere, sondern die Typenentscheidung. Es sei unzulässig, die Frage der Massenvernichtungswaffen mit der österreichischen Luftraumüberwachung zu vermengen. Die Grünen hätten die Erfahrung machen müssen, dass es die große Transparenz bei derartigen Beschaffungen nie gegeben habe, genau so wenig wie es sie bei Gegengeschäften gegeben habe. Lichtenberger thematisierte die 233 Mill. € Systemkosten, die ungerechtfertigter Weise nicht eingerechnet würden, wozu unter anderem die Pilotenausbildung und das Flugfunknetz gehörten. Das sei eine unakzeptable Vorgangsweise, kritisierte sie und bezeichnete es als "eigenartig", dass der Finanzminister als unzuständiges Regierungsmitglied mit Firmen Gespräche geführt habe, und zwar nur mit Firmen der EADS-Gruppe. In diesem Zusammenhang brachte sie einen Entschließungsantrag ein, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, alle nötigen Schritte zum Abbruch des Beschaffungsvorgangs zu unternehmen. Ein Untersuchungsausschuss sei unausweichlich, zeigte sie sich überzeugt.

Abgeordneter MITTERLEHNER (V) kritisierte scharf die Diktion der Dringlichen Anfrage, wo von "Schiebung" die Rede ist, was einen strafrechtlichen Tatbestand darstelle. Zum Vorwurf, dass man die Prüfung des Rechnungshofes vor Vertragsabschluss nicht abwarte, meinte Mitterlehner, dass der Rechnungshof immer im nachhinein prüfe. Zum geänderten Bedrohungsszenario stelle sich die Frage, so der V-Mandatar ironisch, ob etwa die Schweiz einem anderen geopolitischen Szenario als Österreich ausgesetzt sei. Außerdem gehe es nicht um das billigste, sondern um das beste Angebot, weshalb auch mehrere Ministerien eingebunden gewesen seien. Die Flugzeuge würden gekauft, weil die verteidigungspolitische Entscheidung gefallen sei, und Gegengeschäfte seien dabei eine übliche Vorgangsweise. Dies werde in der ganzen EU so gehandhabt. Die Gegengeschäfte seien daher nicht nur international akzeptabel, sondern auch im Volumen in Ordnung. Die Grünen forderte er auf, endlich Fakten für die Vorwürfe vorzulegen oder die Skandalisierung zu unterlassen.

Abgeordnete STADLBAUER (S) warf der ÖVP vor, nicht zu zitieren, sondern zu manipulieren, da sich der geopolitische Raum geändert habe. Bruno Kreisky habe bereits die Leistbarkeit derartiger Ankäufe angesprochen, und dies sei der Punkt. Man solle daher nicht nur Zitate bringen, die genehm seien. Stadlbauer wies auch darauf hin, dass die weltpolitische Lage zur Zeit des Warschauer Paktes und vor dem Fall des Eisernen Vorhanges eine gänzlich andere gewesen sei. Viele Nachbarländer seien nun NATO-Mitglieder und bis auf die Schweiz werde Österreich von EU-Mitgliedern umgeben sein. Österreich investiere nun in Kriegsgerät, das man nicht anschaffen müsse und überhaupt reduziere man die Sicherheitspolitik auf die Anschaffung von Abfangjägern. Der SPÖ gehe es hingegen um die Sicherung der Pensionen und des Gesundheitssystems, um die Sicherung der Arbeitsplätze, um Sicherheit für junge Menschen und um Chancengerechtigkeit.

Abgeordneter Dr. KRÄUTER (S) kam auf die Vorgespräche von Bundesminister Grasser mit EADS-Firmen zurück. "Die Luft werde immer dünner und die Suppe immer dicker", sagte er in diesem Zusammenhang. Mit den Gutachten sei dem Verteidigungsminister keineswegs der erhoffte Persilschein gelungen, und die Glaubwürdigkeit sei damit endgültig "den Bach hinunter gegangen". Der Verteidigungsminister habe drei Mal bewusst die Unwahrheit gesagt, warf Kräuter Minister Platter vor. Es stelle sich die Frage, warum der Minister die Gutachten nicht herausgebe, wenn alles glasklar sei. Er, Kräuter, vermisse auch die Vorlage der Dokumentation, von der das "profil" schreibt. In Summe lägen für ihn eine Reihe von Ungereimtheiten vor, die aufgeklärt werden müssten. Kräuter urgierte den Bericht des Rechnungshofes bevor der Vertrag unterschrieben wird und wies auf den Kärntner Landeshauptmann hin, der öffentlich den Verdacht auf strafrechtlich verfolgbare Tatbestände geäußert hatte.

Da Bundesminister Grasser nicht mehr im Plenarsaal war, stellte Abgeordneter ÖLLINGER (G) den Antrag auf Beiziehung des Finanzministers, weil in der Dringlichen Anfrage die persönliche Verantwortung des Finanzministers angesprochen sei. Dieser Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt.

Abgeordneter Dr. PILZ (G) konfrontierte den Finanzminister mit dem Vorwurf, den Nationalrat und seine Ausschüsse nicht ausreichend informiert zu haben, und sah allein darin einen ausreichenden Grund für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Pilz sprach bei der Typenentscheidung für den Eurofighter neuerlich von der "größten Schiebung der Zweiten Republik" und fragte die Abgeordneten der Regierungsfraktionen, ob sie wirklich glauben, dass die Systemkosten von 233 Mill. €, zu denen die Einsatzausbildung der Eurofighter-Piloten, die Freund-Feind-Erkennung, das Funksystem und der Data-Link für den Eurofighter gehören, nichts mit dieser Beschaffung zu tun hätten. "Wir sehen uns mit Sicherheit zumindest vor einem Untersuchungsausschuss wieder", sagte der Abgeordnete, der sich schon auf die Begegnung mit Karl-Heinz Grasser freut, "nach heutigem Wissensstand der wichtigste Zeuge in diesem Ausschuss".

Abgeordneter SCHEIBNER (F) erinnerte die Abgeordneten daran, dass er sich als Verteidigungsminister nie angemaßt habe zu wissen, was die beste Flugzeugtype für das Bundesheer sei. Daher sei ein Expertenbericht angefertigt worden und die Bundesregierung habe nach einer Gesamtschau aller wirtschaftlichen, finanziellen und technischen Aspekte entschieden. Dann setzte sich der ehemalige Verteidigungsminister mit den sicherheitspolitischen Ausführungen der Oppositionsparteien auseinander und sah das oft zitierte geänderte Bedrohungsbild positiv. Denn mit den 24 Draken hätte man gegen die Luftüberlegenheit des Warschauer Paktes nichts ausrichten können. Erst unter den neuen Bedingungen können Luftraumüberwachungsflugzeuge ihre Aufgabe bei der Aufrechterhaltung der Integrität und Souveränität des österreichischen Luftraums erfüllen. Diese sicherheitspolitische Aufgabenstellung sollte jenseits aller parteipolitischen Überlegungen stehen, sagte Scheibner und forderte die SPÖ dazu auf, sich ihrer staatspolitischen Verantwortung bewusst zu sein und auf Populismus in der Sicherheitspolitik zu verzichten.

Mit der Aussage des Abgeordneten Scheibner, er habe vor der Typenentscheidung keinen Kontakt zu Firmenvertretern gehabt, sah Abgeordneter Dr. KRÄUTER (S) einen neuen Sachverhalt gegeben, da der Finanzminister sehr wohl zugegeben habe, sich mit Firmenvertretern getroffen zu haben. - "Wenn sie unter diesen Umständen einen Beschluss für den milliardenschweren Eurofighter fassen wollen, ist das nicht mehr fahrlässig, sondern vorsätzlich", lautete Kräuters Warnung an die Abgeordneten der Regierungsfraktionen.

Auch Abgeordneter Dr. PILZ (G) hielt fest, dass sich der zuständige Minister geweigert habe, mit Firmenvertretern zu reden, wohl aber habe der an sich unzuständige Finanzminister Kontakt mit EADS gehabt und stehe damit im Verdacht, die Typenentscheidung zugunsten dieser Firma manipuliert zu haben.

Der Appell des Abgeordneten Pilz an die Regierungsfraktionen lautete, es sich gut zu überlegen, ob sie unter diesen Umständen den Menschen, die Angst um die Sicherheit ihrer zukünftigen Pensionen haben, 1,5 Mrd. Betriebskosten für den Eurofighter zumuten wollen.

Bei der Abstimmung wurde der Entschließungsantrag der Grünen auf Abbruch des Beschaffungsvorgangs für den Eurofighter von der Mehrheit der Regierungsparteien abgelehnt. (Schluss)