Parlamentskorrespondenz Nr. 663 vom 17.09.2003

JUSTIZAUSSCHUSS BEFASST SICH MIT OPFERN DER NS-MILITÄRGERICHTSBARKEIT

Justizminister Böhmdorfer stellt Erlass in Aussicht

Wien (PK) - Justizminister Dieter Böhmdorfer stellte heute im Justizausschuss einen Erlass in Aussicht, mit dem die Gerichte darauf hingewiesen werden sollen, dass gemäß eines Befreiungsamnestie-Gesetzes aus dem Jahr 1946 sämtliche Verurteilungen, die von der NS-Militärgerichtsbarkeit ausgesprochen wurden, ex lege aufgehoben sind. Darüber hinaus trat er dafür ein, diese Rechtslage in geeigneter Form der Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Anlass für die Ankündigungen Böhmdorfers war eine aktuelle Aussprache im Justizausschuss über die Rehabilitierung von Deserteuren der Wehrmacht und anderen Opfern der NS-Militärgerichtsbarkeit. Im Jahr 1999 hatte der Nationalrat mittels eines Entschließungsantrags eine wissenschaftliche Studie zu diesem Themenbereich initiiert, deren Ergebnisse mittlerweile vorliegen und die im Juni im Rahmen eines Symposiums im Parlament vorgestellt wurden. Das von Justizminister Böhmdorfer angesprochene Befreiungsamnestie-Gesetz aus dem Jahr 1946 wurde erst jüngst wieder entdeckt und hat eine Debatte darüber ausgelöst, ob und welche weiteren Schritte zu einer vollständigen Rehabilitierung der betroffenen Opfer notwendig sind.

Im Rahmen der Ausschussdebatte vertraten Vertreter sowohl der ÖVP als auch der FPÖ den Standpunkt, dass aufgrund des 1946 beschlossenen Befreiungsamnestie-Gesetzes keine weiteren legistischen Schritte notwendig seien, SPÖ und Grüne wollen hingegen die Sachlage nochmals geprüft wissen und mahnten zumindest einen "deklaratorischen Akt" des Nationalrates ein. So meinte etwa Grün-Abgeordnete Terezija Stoisits, für sie sei die derzeitige Situation ausgesprochen unbefriedigend. Die wenigen noch lebenden Opfer der NS-Militärgerichtsbarkeit - Schätzungen gehen von 200 bis 300 aus - erwarten sich ihrer Ansicht nach eine öffentliche Rehabilitierung und eine Wiederherstellung der persönlichen Ehre: "Die Angelegenheit muss mit Anstand und Würde zu Ende gebracht werden". Stoisits wies in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass bisher erst acht ausdrückliche Rehabilitierungen von Betroffenen erfolgt seien.

Seitens der SPÖ sprachen sich die Abgeordneten Johannes Jarolim und Peter Wittmann dafür aus, die noch lebenden Opfer der NS-Militärgerichtsbarkeit von Amts wegen davon zu verständigen, dass ihre Verurteilungen aufgehoben seien, ein Vorschlag, dem Justizminister Böhmdorfer und ÖVP-Justizsprecherin Maria Fekter jedoch wenig abgewinnen konnten. So gab Fekter zu bedenken, dass vermutlich nicht alle Betroffenen Interesse an einer solchen offiziellen Verständigung hätten, der Justizminister wies darauf hin, dass dem Justizministerium aufgrund der mangelhaften Datenlage nicht alle verurteilten Personen bekannt seien. Durch den von ihm avisierten Erlass ist nach Ansicht Böhmdorfers außerdem ohnehin sichergestellt, dass alle Personen, die Wert auf eine Bestätigung ihrer Rehabilitierung legen, eine solche erhalten. "Sie brauchen nur beim Gericht anzurufen."

Eine Absage erteilte Fekter auch dem Wunsch von SPÖ-Abgeordnetem Christian Puswald, Überlegungen über eine neue gesetzliche Regelung anzustellen. Eine neue legistische Regelung könne nur hinter das Befreiungsamnestie-Gesetz zurückfallen, warnte sie, da man sich überlegen müsste, ob manche der geahndeten Delikte nicht auch heute als Unrecht zu bezeichnen wären. Genau diese Diskussion habe es in Deutschland gegeben, das im Jahr 2002 eine Generalamnestie beschlossen habe. Puswald hatte zuvor bemerkt, dass das Befreiungsamnestie-Gesetz von 1946 Mängel aufweise.

Abgeordneter Josef Trinkl (V) machte geltend, dass sich mit dem Auftauchen des Befreiungsamnestie-Gesetzes gezeigt habe, dass Österreich sofort nach Ende des Zweiten Weltkrieges die notwendigen Schritte zur Rehabilitierung von Opfern der NS-Militärgerichtsbarkeit gesetzt habe. Auch wenn das Gesetz über viele Jahre nicht bekannt gewesen sei, so habe es doch gegolten und gelte immer noch, unterstrich er. Trinkl sieht allerdings ebenso wie Justizminister Böhmdorfer die Notwendigkeit, die Rechtslage "zu kommunizieren" und versicherte, gegen einen deklatorischen Akt habe er nichts einzuwenden. Auch FPÖ-Abgeordnete Helene Partik-Pable trat dafür ein, diejenigen Betroffenen, die noch leben, auf das Befreiungsamnestie-Gesetz aufmerksam zu machen.

Auf der Tagesordnung des Justizausschusses stehen heute unter anderem noch ein Eigenkapitalersatz-Gesetz und ein Zivilrechts-Änderungsgesetz. Das Fair Value-Bewertungsgesetz war am Beginn der Sitzung einstimmig von der Tagesordnung abgesetzt worden. (Fortsetzung)