Parlamentskorrespondenz Nr. 929 vom 28.11.2003

DAS BUNDESHEER VERSTÄRKT SEINE FRIEDENSEINSÄTZE

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Wien (PK) - Im Mittelpunkt der heutigen Sitzung des Landesverteidigungsausschusses, die dessen Obmann Eugen Bösch leitete, stand eine Aussprache mit Bundesminister Minister Günter Platter, in der sich der Ressortleiter sehr zufrieden über die Zusammensetzung und die bisherige Arbeit der Bundesheerreformkommission äußerte. Mit Sprechern aller Fraktionen stimmte Platter darin überein, dass ein hervorragender Mix militärischer und ziviler Experten unter dem Vorsitz von Helmut Zilk gefunden werden konnte. Platter dankte ausdrücklich auch für die Bereitschaft zur parteiübergreifenden Zusammenarbeit. Es gehe darum, das Bundesheer an die neue Bedrohungslage anzupassen. Ergebnisse sollen bis zum Sommer des kommenden Jahres vorliegen, dann sollen sie politisch bewertet und möglichst rasch umgesetzt werden.

Im Hinblick auf die Absicht der Europäischen Union, eine 60.000 Soldaten umfassende Eingreiftruppe aufzustellen, die innerhalb von zwei Monaten einsatzbereit sei, teilte der Verteidigungsminister mit, dass Österreich 1.500 Soldaten im Rahmen von KIOP (Kräfte für internationale Operationen) zur Verfügung stellen wird. Diese Einheit soll sowohl Berufssoldaten als auch Soldaten auf Zeit umfassen, wobei Soldaten durch ein spezielles Anreizsystem für KIOP gewonnen werden sollen. KIOP wird auf EU-Einsätze und Einsätze im Rahmen der NATO-Partnerschaft für den Frieden ausgerichtet, nicht aber für UN-Einsätze. Die Standorte von KIOP werden so ausgewählt, dass sich Soldaten möglichst im gesamten Bundesgebiet beteiligen können.

Die Auslandseinsätze möchte der Verteidigungsminister erweitern. Derzeit sind 370 Soldaten auf den Golan-Höhen, 525 Soldaten im Kosovo und 20 Militärbeobachter in acht verschiedenen Staaten entsendet. Minister Platter sieht den Schwerpunkt der österreichischen UN-Einsätze in Südost-Europa und teilte die Absicht mit, im nächsten Jahr mit rund 100 Soldaten nach Bosnien-Herzegowina zu gehen und das Kontingent im Kosovo um 40 Soldaten aufzustocken, da dort die Chance bestehe, eine Task-Force-Führung zu übernehmen. Hinsichtlich Afghanistan zitierte Platter stimmte NATO-Generalsekretär Robertson "Wenn wir nicht nach Afghanistan gehen, kommt Afghanistan zu uns". In diesem Sinne regte Platter an,  österreichische Stabsoffiziere nach Afghanistan zu entsenden, stieß damit aber auf Widerspruch des Abgeordneten Pilz (G), der an den Vier-Parteien-Konsens in der Entsendungspolitik erinnerte und festhielt: "Wir haben in Afghanistan nichts verloren". 

DIE DEBATTE 

SP-Wehrsprecher Anton Gaal leitete die Debatte mit Lob und Anerkennung für den Verteidigungsminister und die erfolgreiche Zusammenarbeit in der Bundesheer-Reformkommission ein. Seine Fragen galten den finanziellen Aufwendungen für KIOP.

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (S) erkundigte sich danach, wie es nach dem Scheitern des Katastrophenfunknetzes ADONIS weitergehen soll und fragte nach der Beschaffung von Fernmeldegeräten im kommenden Jahr.

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (S) wollte wissen, wie eine Afghanistan-Entsendung des Bundesheeres finanziert werden soll.

Abgeordneter Werner Kummerer (S) interessierte sich für die Beschaffung und die Einführung der Herkules-Flugzeuge und mahnte die Priorität für die Beschaffung der Radpanzer Pandur und Ulan ein.

Die Sorge um die Ausrüstung der Soldaten mit Splitterschutzwesten stand im Mittelpunkt einer Wortmeldung der Abgeordneten Katharina Pfeffer (S), während ihr Fraktionskollege Stefan Prähauser (S) wissen wollte, wie weit die Verhandlungen für die Übergangslösung bei den Eurofightern gediehen sind.

Auch Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) befasste sich mit der Eurofighter-Beschaffung und erkundigte sich nach Stückpreisen der Tranche 2 sowie nach möglichen Verbilligungen. Abgeordnete Beate Schasching (S) stellte Fragen nach dem Lebenszyklus der Kampfflugzeuge.

Abgeordneter Alfred Schöls (V) wollte wissen, wie Soldaten sozial abgesichert werden, die bei Einsätzen verletzt oder getötet werden.

Abgeordneter Walter Murauer (V) unterstrich die jahrzehntelange Erfahrung, über die das österreichische Bundesheer bei Friedenseinsätzen verfüge und zeigte sich stolz auf das große internationale Ansehen, das sich unser Heer erarbeitet hat. Murauer begrüßte die Entscheidung für die Eurofighter-Beschaffung und berichtete von Gesprächen in Deutschland, bei denen ihm die Bereitschaft signalisiert wurde, Österreich in der Übergangsphase Eurofighter zur Verfügung zu stellen.

Abgeordnete Astrid Stadler (V) befasste sich mit der Situation der Frauen im Bundesheer und bat um Auskunft über aktuelle Zahlen dazu.

Abgeordneter Norbert Kapeller (V) regte an, den Übergang vom Soldaten aus dem Heeresdienst in eine zivile Berufslaufbahn zu erleichtern.

Abgeordneter Peter Pilz (G) lobte seinerseits die Arbeit der Bundesheer-Reformkommission und unterstrich die Notwendigkeit einer radikalen Heeresreform, wobei er auf die Absicht Deutschlands hinwies, die Zahl seiner Panzer um 95 % zu reduzieren. Deutsche Politiker sprechen immer häufiger die Erwartung aus, dass sich das neutrale Österreich stark für eine Vergemeinschaftung der Sicherheitspolitik in Europa engagiert, weil diese Vergemeinschaftung notwendig sei, um die Parlamentarisierung der Verteidigungspolitik voran zu treiben. Pilz bekannte sich zur Konzentration auf internationale Einsätze und plädierte dafür, sich von der territorialen Verteidigungsarmee zu verabschieden. Früher oder später werde es auch zur Abschaffung der Wehrpflicht kommen. Entscheidend sei die Entwicklung eines neuen, professionellen Berufsbild für Krisen-Reaktionsstreitkräfte. Für die Beteiligung Österreichs am NATO-Militäreinsatz in Afghanistan sehe er keinen Vier-Parteien-Konsens, sagte Peter Pilz. Sein Schwerpunkt liege in Bosnien, dort sei der Durchbruch für eine europäische Lösung erzielt worden sei, indem es gelang, die davor starre französische Haltung aufzulösen, erinnerte Pilz. "In Afghanistan haben wir nichts verloren!"

Abgeordneter Walter Tancsits (V) begrüßte die sozialpolitische Konstruktion, die im Hinblick auf die Aufstellung der KIOP-Einheiten geschaffen wird.

Abgeordneter Uwe Scheuch (F) äußerte die Befürchtung, dass die geplante zentrale Beschaffung von Lebensmitteln für das Bundesheer regionale Versorger benachteiligen könnte.

Abgeordnete Evelin Lichtenberger (G) machte auf die Absicht der Außenministerin aufmerksam, Österreich zur Avantgarde in der Europäischen Verteidigungspolitik und zu einem Kernland für die strukturierte Zusammenarbeit in der Europäischen Verteidigungspolitik zu machen. Lichtenberger interessierte sich für die Position der Bundesregierung und insbesondere des Verteidigungsministers zu diesem Thema.

DER VERTEIDIGUNGSMINISTER BEANTWORTET DETAILFRAGEN

Verteidigungsminister Günther Platter beantwortete die Fragen der Abgeordneten, indem er ausführte, dass im Jahr 2004 insgesamt 2,171 Mill. € für das Anreizsystem zur Aufstellung von KIOP aufgewendet werden. 10.000 Kampfanzüge werden beschafft, wobei der Verteidigungsminister versprach, dass kein einziger Soldat ohne optimale Ausstattung in das Ausland entsandt wird.

Eine Entscheidung über das künftige Katastrophenfunknetz sei noch nicht getroffen worden, gab der Minister bekannt. Im kommenden Jahr wird das Bundesheer 8 Mill. € in neue Fernmeldegeräte investieren.

90 % des Lebensmittelbedarfs des Bundesheers (26 Mill. €) werden dezentral bei kleinen und mittleren Unternehmen beschafft; dies werde auch weiterhin möglich sein, sicherte der Minister zu.

Die Entsendung von 10 Stabsoffizieren samt gepanzerten Fahrzeugen nach Afghanistan - die Kosten werden mit 2 Mill. € beziffert - werde derzeit im Ressort geprüft.

Derzeit verfüge das Bundesheer über zwei Herkules-Flugzeuge, im kommenden Jänner wird das dritte Flugzeug zulaufen. Für das kommende Jahr sind insgesamt 1.000 Herkules-Flugstunden geplant.

Der Verteidigungsminister sprach sich für die Anschaffung von Pandur- und Ulan-Radpanzern aus; wie der Pandur II aussehen werde, sei noch nicht klar, derzeit verfügt das Heer über 68 Pandur-Radpanzer.

Eurofighter der Tranche 1 wurden bereits an verschiedene Staaten ausgeliefert, Flugzeuge der Tranche 2 stehen noch nicht zur Verfügung. Über das Einstiegspaket werde derzeit intensiv verhandelt, sagte der Minister, er sei zuversichtlich, die Lücke der Jahre 2005 bis 2007 schließen zu können. Die gesetzlich fixierten Kosten für die 18 Eurofighter seien ein hervorragender Festpreis, mit dem man zufrieden sein könne. Der Lebenszyklus der Flugzeuge werde nicht in Jahren, sondern in Flugstunden berechnet, man könne davon ausgehen, dass die Eurofighter 30 bis 40 Jahre zur Verfügung stehen werden.

Eine längst fällige Regelung für die Hinterbliebenen von im Einsatz ums Leben gekommenen Soldaten wird das Hilfeleistungsgesetz bringen, kündigte der Verteidigungsminister an. Froh zeigte sich der Minister auch über die Verbesserung der Anrechnung von Pensionszeiten der Soldaten.

Die Rolle der europäischen Verteidigungsminister wird durch die Einrichtung einer Verteidigungsagentur gestärkt werden, die im kommenden April beschlossen werden soll. Zu ihren Themen gehören auch Beschaffung, Rüstung und Verteidigungsforschung. Österreich werde den europäischen Weg in der Sicherheitspolitik mitgehen müssen, zeigte sich Platter überzeugt, weil ein Mehr an Stabilität in Europa ein Mehr an Sicherheit in Österreich bedeute. Sowohl die klassische Raumverteidigung als auch die Wehrpflicht seien zu diskutieren, wenn auch klar sei, dass auf Grund der gegenwärtigen Aufgabenstellungen derzeit an der Wehrpflicht festgehalten werden müsse. 

Verbesserungen beim Grundwehrdienst erhofft sich der Verteidigungsminister durch die Umsetzung des Grundsatzes, mehr Grundwehrdiener bei der Truppe und weniger im System einzusetzen. Dazu kommen Schwerpunkte bei Sport, Fremdsprachen und bei der Führerschein-Ausbildung.

Mit Stichtag 1. November 2003 versahen beim Bundesheer 247 Frauen Dienst, darunter 13 Akademikerinnen im Offiziersrang. Das Bundesheer werde weiterhin offensiv um Soldatinnen werben, sagte der Minister und unterstrich seine Absicht, mehr Frauen zum Heer zu bringen.

Das Thema "Strukturierte Zusammenarbeit" liege im Zuständigkeitsbereich der Außenministerin, sagte Verteidigungsminister Platter.

WEHRRECHTSÄNDERUNGSGESETZ TEILWEISE EINSTIMMIG VERABSCHIEDET

Ein umfangreicher Entwurf für ein Wehrrechtsänderungsgesetz dient der Absicht, unzweckmäßige Verwaltungsvorgänge abzubauen und den Gestaltungsspielraum der Heeresverwaltung erheblich zu vergrößern. Die Bundesregierung folgte dabei den Legistischen Richtlinien 1990 und begründet das Gesetzesvorhaben mit dem konkreten Ziel, der Heeresverwaltung ein rasches Reagieren auf geänderte praktische Bedürfnisse unter voller Beachtung rechtsstaatlicher Prinzipien zu ermöglichen. Außerdem enthält die Regierungsvorlage zahlreiche Rechtsanpassungen, die durch einzelne Änderungen im Wehrrecht selbst, aber auch im Sozial- und Dienstrecht notwendig geworden sind. (260 d.B.).

Berichterstatter Walter Murauer (V) erläuterte die Zielsetzungen des Gesetzentwurfs und eines Abänderungsantrages der Regierungsfraktionen, indem er auf die Zielsetzung hinwies, die neuen sozialen Leistungen für Soldaten, die an KIOP teilnehmen, im Wehrrecht zu verankern und darüber hinaus rechtliche Anpassungen vorzunehmen.

Abgeordneter Anton Gaal (S) stimmte dem Gesetzentwurf in weiten Bereichen zu. Das Militärbefugnisgesetz hält die SPÖ aber nach wie vor für verfassungswidrig, sie könne daher dem diesbezüglichen Teil des Wehrrechtsänderungsgesetzes keine Zustimmung geben.

Abgeordneter Peter Pilz (G) schloss sich Gaal an und führte ergänzend aus, dass die Terrorismusbekämpfung eine Polizeiangelegenheit bleiben müsse, wenn sie erfolgreich und auf rechtsstaatlicher Basis erfolgen soll. Auch er sei dagegen, dass ein internationaler, militärischer Datenverbund entsteht.

Abgeordneter Uwe Scheuch (F) sprach von einer konstruktiven Weiterentwicklung des Wehrrechts, der seine Fraktion gerne zustimme.

Verteidigungsminister Günther Platter teilte Abgeordneter Bettina Stadlbauer (S) mit, dass der Frauenförderungsplan bereits im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde. Auch er sei der Überzeugung, dass die Terrorismusbekämpfung eine Polizeiangelegenheit darstelle. Das Bundesheer sei aber dafür zuständig, wenn Gefahren nur mit militärischen Mitteln beherrscht werden können.

Bei der Abstimmung wurde das Wehrrechtsänderungsgesetz in der Fassung des V-F-Abänderungsantrags teils mit der Mehrheit der Koalitionsparteien, teils einstimmig verabschiedet. (Schluss)