Parlamentskorrespondenz Nr. 964 vom 10.12.2003

WEITERE THEMEN IM WIRTSCHAFTSAUSSCHUSS - VERGABEWESEN UND WETTBEWERB

Oppositionsanträge zu GATS und 380-KV-Leitung vertagt

Wien (PK) - Der Wirtschaftsausschuss nahm in seiner heutigen Sitzung auch den ersten Tätigkeitsbericht des neuen Bundesvergabeamtes (BVA; III-46 d.B.), das seine Tätigkeit am 1.9.2002 aufgenommen hat, mit der Mehrheit von ÖVP und FPÖ zur Kenntnis; der Bericht gilt damit als vom Ausschuss enderledigt. Die neue Behörde hat vom früheren BVA 370 Akten (330 "Altverfahren" sowie 40 kanzleitechnisch noch nicht abgeschlossene Akten) übernommen und konnte davon bis Ende des Vorjahres 185 Akten abschließen. Von den 79 neuen Verfahren, die im Berichtszeitraum anfielen, wurden 45, davon 35 mit Bescheid, erledigt, sodass die neue Behörde in den ersten vier Monaten ihrer Tätigkeit von 449 offenen Akten 230 abschloss. Wie Wirtschaftsminister Martin Bartenstein und eine Vertreterin der Behörde ausführten, konnte die Verfahrensdauer gegenüber der früheren Organisationsform des Bundesvergabeamtes deutlich beschleunigt und zugleich die Akzeptanz der Entscheidungen bei den Verfahrensparteien erhöht werden. Es habe keine Vorlagen an den EuGH gegeben, die Zahl der Beschwerden an den VfGH wurde deutlich gesenkt.

In der Debatte, die Abgeordneter Hans Moser (S) mit dem Hinweis auf die volkswirtschaftliche Bedeutung öffentlichen Aufträge eröffnete und darauf hinwies, dass deren Gesamtwert 18 % des BIP ausmache, bemängelten Mosers Fraktionskollegen Kurt Gaßner und Christoph Matznetter, dass sich der Bericht auf eine formal-statistische Auflistung zur Erledigung bzw. Nichterledigung von Verfahren beschränke, aber keine Auskunft über Verfahrensmängel gebe. Ein weiterer Kritikpunkt galt den zahlreichen externen Gutachten, für die insgesamt Kosten in der Höhe von 908.000 € angefallen seien. "Warum hat man nicht auf die personellen Ressourcen der Ressorts zurückgegriffen?" lautete die Frage der Abgeordneten.

Die positiven Wirkungen, die die neue Behörde laut Abgeordneter Ridi Steibl (V) entfalte, wollte Abgeordnete Michaela Sburny (G) konkreter dargestellt sehen. Ihr Fraktionskollege Werner Kogler wiederum wollte wissen, wie es um die Korruptionsanfälligkeit bei Bundesvergaben bestellt sei und worin die Ursachen für den Rückgang der öffentlichen Auftragssumme zu suchen seien.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein verteidigte grundsätzlich die Praxis, Expertisen von außen zuzukaufen, wo dies notwendig sei, etwa beim Thema "Vertragsgestaltung", räumte gegenüber den Abgeordneten aber ein, dass dabei eine restriktive Vorgangsweise im Interesse des Steuerzahlers angebracht sei. Außerordentlich bewährt habe sich die Beiziehung von Anwälten beispielsweise bei der Formulierung des Gegengeschäftsvertrages bei der Beschaffung von Luftraumüberwachungsflugzeugen. Einen Rückgang der öffentlichen Investitionen könne er nicht erkennen, sagte Bartenstein, der es als unbestritten bezeichnete, dass das öffentliche Auftragswesen einen großen volkswirtschaftlichen Stellenwert habe.

ERSTER BERICHT DER NEUEN BUNDESWETTBEWERBSBEHÖRDE

Hierauf wandten sich die Abgeordneten der neuen Bundeswettbewerbsbehörde (BWB; III-58 d.B.) zu, die ihre Tätigkeit mit 1. Juli 2002 aufgenommen hat. Ihr erster Bericht wurde ebenfalls mit den Stimmen der Koalitionsparteien zur Kenntnis genommen und enderledigt. Sie soll für einen funktionierenden Wettbewerb sowie dafür zu sorgen, dass das Kartellgesetz in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht und im Zusammenhang mit Entscheidungen der Regulatoren angewendet wird. Zudem ist die BWB für die Durchführung der Europäischen Wettbewerbsregeln zuständig; sie unterstützt die Europäische Kommission und wirkt mit ihr zusammen.

In den 1.609 Fällen (567 nationale Wettbewerbsfälle, 557 Europäische Wettbewerbsfälle und 485 sonstige Angelegenheiten), die die BWB im Berichtszeitraum 1.6.2002 bis 30.6.2003 zu bearbeiten hatte, bemühte sie sich, wie Generaldirektor Walter Barfuss den Abgeordneten erläuterte, grundsätzlich darum, Probleme bereits im verwaltungsbehördlichen Vorfeld zu lösen. Auf wettbewerbsrechtlich bedenkliche Äußerungen und Aktionen werde mit Ladungen, Aufforderungen zur Stellungnahme und persönlichen Gesprächen reagiert, was meist zur Beendigung des Missstandes führt. Im Finanzdienstleistungsbereich wurden wegen behaupteter Kartellabsprachen umfangreiche Auskunftsverlangen gestellt, Gespräche mit der Finanzmarktaufsicht geführt und spürbar gegengesteuert. Gegen ein Medienunternehmen wurde ein Bußgeld beantragt. In einem Fall sei der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung allerdings auch gerichtlich festgemacht worden. Generell sprach Generaldirektor Walter Barfuß von einem gelungenen Start der neuen Behörde, berichtete im Detail von den Verhandlungen mit der EU-Kommission über die österreichische Stromlösung und sagte, dass die Transparenz im Bereich des Wettbewerbsrechts gegenüber früher zugenommen habe; die Sensibilität für Wettbewerbsrecht habe generell zugenommen.

 

Abgeordneter Hans Moser (S) betonte die Bedeutung der Wettbewerbspolitik als wichtiger Standortfaktor und hob die positiven Auswirkungen des Wettbewerbs auf die Qualität der Produkte, ihre Preise und die Vielfalt des Warenangebots hervor. Außerdem machte er auf die Tatsache aufmerksam, dass die Innovationsneigung einer Volkswirtschaft mit der Intensität des Wettbewerbs zunehme. In diesem Zusammenhang zeigte sich Moser besorgt wegen der Klagen der Wettbewerbskommission über deren nicht ausreichende personelle Ausstattung. Darüber hinaus verlangte Abgeordneter Christoph Matznetter (S) mehr Transparenz und Information der Abgeordneten über den Stand der "Vorfeldverfahren", während sich Abgeordneter Georg Oberhaidinger (S) mit Wettbewerbsproblemen im Bereich des Lebensmittelhandels und dem Thema "österreichische Stromlösung" befasste.

Abgeordneter Maximilian Hofmann (F) wies auf den Mehraufwand hin, der durch die Verlagerung des Wettbewerbs weg von der nationalen auf die europäische Ebene ab Mai des kommenden Jahres zu erwarten sei.

Abgeordnete Evelin Lichtenberger (G) klagte darüber, dass der Bericht keine konkreten Fälle aus dem Verkehrssektor behandle, sondern nur anonymisierte Daten enthalte. Ihr Detailinteresse richtete sich auf kartellrechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Verkauf der Postbus-AG an die ÖBB und mit der Problematik des mangelnden Datenzugriffs der Wettbewerbsbehörde. Abgeordneter Werner Kogler (G) wollte wissen, warum sich die Wettbewerbskommission zunächst mit der Energie-Steiermark-Holding befasst habe, in weiterer Folge aber von diesem Thema wieder Abstand genommen habe.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein zeigte sich optimistisch, dass es gelingen werde, die von der EU erteilten Auflagen für die österreichische Stromlösung mit einer Nachfrist zu erfüllen. Es gehe darum, die österreichische Stromwirtschaft für ausländische Schnäppchenjäger weniger attraktiv zu machen und dafür zu sorgen, dass die heimischen Stromerzeuger eine starke Rolle in Europa spielen können. Der Minister bekannte sich nachdrücklich dazu, dass sich die Bundeswettbewerbsbehörde jeweils schon im Vorfeld bemühe, wettbewerbsrechtliche Probleme zu lösen.

GRÜNE: DASEINSVORSORGE VOM GATS AUSNEHMEN

Ihre Kritik am Dienstleistungsabkommen GATS, das eine fortschreitende Liberalisierung und globale Marktöffnung im Handel mit Dienstleistungen vorsieht, brachten die Grünen in einem Entschließungsantrag (52/A[E]) zum Ausdruck. Abgeordnete Michaela Sburny verlangte einen Stopp der diesbezüglichen Verhandlungen auf EU-Ebene, bis eine wissenschaftliche Analyse der ökonomischen, sozialen, ökologischen, gender- und demokratiepolitischen Auswirkungen bisheriger und künftig denkbarer Liberalisierungsschritte im Dienstleistungsbereich vorliegt. Jedenfalls sollten Leistungen der Daseinsvorsorge vom GATS ausgenommen werden, forderte die Abgeordnete. - Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ vertagt.

SPÖ WILL 380 KV-NETZ AUSBAUEN

Ein Entschließungsantrag der SPÖ zielt auf den Ausbau des Hochspannungsnetzes in Österreich ab. Geht es nach Abgeordnetem Oberhaidinger soll der Wirtschaftsminister vom Nationalrat ersucht werden, raschestmöglich den Ausbau der fehlenden Teile des 380 KV-Übertragungsnetzes in Österreich voranzutreiben, vordringlich sei insbesondere die Fertigstellung der 380 KV-Übertragungsleitungen in der Südoststeiermark und in Salzburg. In den Erläuterungen zum Entschließungsantrag wird insbesondere darauf hingewiesen, dass die Wirtschaftsstandortqualität der Steiermark und Kärntens ohne Ausbaumaßnahmen gefährdet ist und Betriebsansiedlungen an der unzureichenden Stromversorgung zu scheitern drohen.

Darüber hinaus sind laut SPÖ zusätzliche moderne (auch dezentrale) Kraftwerkskapazitäten in Österreich zu schaffen, um die Wirtschaftsstandortqualität zu erhalten und zu verbessern. (78/A[E])

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (S) erinnerte an die Stromausfälle in Italien und in den USA, die den vorliegenden Antrag bereits im März eine große Aktualität gaben und unterstrich, dass es darum gehe, Strom-Blackouts zu vermeiden.

Abgeordneter Franz Glaser (V) wies darauf hin, dass für den Leitungsbau die Elektrizitätsunternehmen zuständig seien und die Umweltverträglichkeitsprüfung für die geplante 380-KV-Leitung von den Bundesländern durchzuführen sind. Der Abgeordnete legte einen - letztlich mit der Mehrheit der Koalitionsparteien angenommenen -  Vertagungsantrag vor, für den sich in der Debatte auch Abgeordneter Maximilian Hofmann (F) aussprach.

Abgeordneter Werner Kogler (G) machte darauf aufmerksam, dass Engpässe im steirischen Stromnetz auf mehrere Ursachen zurückzuführen seien, zu denen auch die Liberalisierung des Stromtransits und der Transport von Pumpstrom zählen. Mit Abgeordnetem Oberhaidinger wusste sich Werner Kogler darin einig, dass energiepolitischer Handlungsbedarf bestehe, wenn der Stromverbrauch stärker wachse als das BIP.

Bundesminister Martin Bartenstein berichtete von seinem Engagement in der Sache 380-KV-Leitung sowie vom Konsens im Elektrizitäts-Beirat, der es für sinnvoll halte, den österreichischen 380-KV-Leitungsring zu schließen. Die diesbezügliche  Umweltverträglichkeitsprüfung ist vom Bundesland Steiermark durchzuführen. Nach einer ordnungsgemäßen Abwicklung rechne er damit, dass die benötigte Leitungskapazität zwischen 2006 und 2008 zur Verfügung stehen wird. (Schluss)