Parlamentskorrespondenz Nr. 918 vom 03.12.2004

AGRARPOLITIK BLEIBT KONTROVERSIELL

Diskussion über Lage der Land- und Forstwirtschaft

Wien (PK) - Der Grüner Bericht 2004 (III‑103 d.B.) sowie der Bericht über die Maßnahmen für die Land‑ und Forstwirtschaft im Jahr 2005 gemäß §9 LWG (III‑104 d.B.) boten den Abgeordneten des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft die Gelegenheit, ausführlich über die Entwicklung der österreichischen Land‑ und Forstwirtschaft zu diskutieren.

NÄCHSTE BERICHTE WIEDER IM PLENUM ?

Die Opposition bedauerte es, dass die beiden Berichte im Ausschuss enderledigt wurden und nicht im Plenum des Nationalrates im Interesse einer größeren Öffentlichwirksamkeit beraten werden. Die Abgeordneten Heinz Gradwohl, Gabriele Binder, Heidrun Walther (alle S) sowie Wolfgang Pirklhuber und Heidemarie Rest‑Hinterseer (beide G) wiesen darauf hin, dass 80 % der Einkommen der Bauern und Bäuerinnen aus öffentlichen Mitteln stammten und es schon aus diesem Grund gerechtfertigt wäre, sich nochmals im Plenum mit den Berichten auseinanderzusetzen. Abgeordneter Hannes Bauer (S) ergänzte, die Agrarpolitik sollte in einem gesellschaftlichen Konsens stattfinden, denn jene, die finanzieren, müssten auch eingebunden und überzeugt werden, dass die Budgetmittel für die Landwirtschaft sinnvoll seien. Daher brauche man auch die Zustimmung der Öffentlichkeit.

Die Abgeordneten der Regierungsfraktionen Klaus Wittauer, Uwe Scheuch (beide F) sowie Fritz Grillitsch (V) stimmten dem grundsätzlich zu und betonten, dass man größtes Interesse habe, über die Leistungen der Bäuerinnen und Bauern im Plenum des Nationalrats zu diskutieren. Sie sagten daher zu, sich dafür bei ihren Klubobleuten einzusetzen. Für diesmal sei jedoch eine Enderledigung vereinbart, weshalb der Antrag des Abgeordneten Gradwohl auf Behandlung im Plenum des Nationalrates von ÖVP und FPÖ abgelehnt wurde.

ABWANDERUNG AUS BÄUERLICHEN BETRIEBEN HINTANHALTEN

Die von den Abgeordneten angesprochenen Themen reichten von der Einkommenssituation der Bauern über die Lage der Bäuerinnen, die Forstwirtschaft, den Wildbach‑ und Schutzwasserbau bis hin zu den Herausforderungen durch die Umsetzung der gemeinsamen Agrarpolitik.

Bundesminister Josef Pröll unterstrich, dass die österreichische Landwirtschaft keineswegs den amerikanischen Weg gehen werde. Er werde weiterhin konsequent das Ziel verfolgen, die bäuerliche und ökologisch orientierte Landwirtschaft zu erhalten. Dieser Kurs werde auch in Europa und in der WTO angesteuert. Er reagierte damit auf die Wortmeldung des Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber (G), der ein Umdenken in der Agrarpolitik forderte, damit man die Abwanderung von bäuerlichen Betrieben verhindere. Pirklhuber sah die Zukunft in kleinstrukturierten Betrieben mit mehreren Einkommensteilen. Er forderte auch, bei der Umsetzung der GAP‑Reform Rechtssicherheit zu schaffen, denn derzeit komme es zu einer Teilenteignung von Grundeigentümern, was der Minister heftig bestritt.

Die SPÖ kritisierte vor allem die ungerechte Verteilung der öffentlichen Mittel. Abgeordneter Heinz Gradwohl meinte, dass die Schwachen in der Landwirtschaft nun noch schlechter gestellt wären. Dem schloss sich auch Abgeordneter Christian Faul (S) an, indem er das Problem der Nebenerwerbsbauern thematisierte.

Auch Abgeordneter Klaus Wittauer (F) bezeichnete die Einkommensschere zwischen Bergbauern und anderen Bauern, die sich von 9 % auf 13 % erhöht habe, als außerordentlich bedenklich. Die Bergbauern seien mehr und mehr gezwungen, in den Nebenerwerb zu gehen, die Folgekosten im alpinen Bereich könnten horrend sein, gab er zu bedenken. Daher müsse man Rezepte finden, um dem entgegenzuwirken. Wittauer befürchtete durch die GAP‑Reform weitere Einkommensverluste.

Sorgen um den ländlichen Raum durch die Verringerung der bäuerlichen  Betriebe um jährlich 4.000 äußerte Abgeordnete Heidrun Walther (S). Viele Gebiete würden dadurch entvölkert, weil nach und nach die Verkehrsmittel und die Anbindung an die Versorgung fehlten. Hier bedürfe es einer besonderen Unterstützung, sagte sie.

Zuversichtlicher äußerte sich Abgeordneter Karl Freund (V). Das Einkommen sei vom Markt abhängig, weshalb die Ausgleichszahlungen und Förderungen des Staates eine unverzichtbare Hilfe darstellten. Er glaube, dass die Zukunft bewältigt werden könne. Als einen großen Erfolg bezeichnete Abgeordneter Georg Keuschnigg (V) das Agraraußenhandelsvolumen. 

Daraufhin betonte Bundesminister Pröll, dass sich die österreichische Agrarpolitik nicht, wie von Abgeordneter Rosemarie Schönpass (S) behauptet, nach der Größe der Unternehmen orientiere, sondern alle gleich behandle. Die Zahlungen erfolgten auf Grund von Parametern, die sich an den naturgegebenen Gegebenheiten, an den Umweltleistungen und an den verordneten Investitionszahlungen orientierten. Er widersprach auch Abgeordnetem Kai Jan Krainer (S), indem er die Aufteilung der öffentlichen Gelder in Bezug auf Klein‑ und Großbetriebe vorrechnete: Kleinbetriebe erhielten 29 %, große Betriebe 19 %.

Durch die Modulation werde die Einkommensschere tendenziell wieder kleiner, sagte Pröll. Er räumte aber ein, dass auch in Österreich die bäuerlichen Betriebe zurückgingen. Österreich liege jedoch mit 1,4 % Rückgang unter dem europäischen Durchschnitt von 1,9 % und weit unter Deutschland mit 3 %. Dies zeige, dass Österreich in seinem Bemühen um eine nachhaltige Agrarpolitik erfolgreich sei.

Abgeordnete Heidemarie Rest‑Hinterseer (G) bedauerte, dass die Fragen des Gender Mainstreamings in der Landwirtschaftspolitik einen vernachlässigten Bereich darstellten. Die Frauen seien im höchsten Ausmaß entmutigt und in den politischen Gremien zu wenig vertreten. Dies wurde auch von Abgeordneter Gabriele Binder (S) bekräftigt, indem sie auf das niedrige Einkommen und die niedrige Alterspension von Bäuerinnen hinwies. Das wollte Abgeordnete Notburga Schiefermair (V) nicht unwidersprochen lassen und führte die zahlreichen Angebote der Kammer an, die von den Frauen auch wahrgenommen würden. Darüber hinaus seien die Landesbäuerinnen und Bezirksbäuerinnen in den unterschiedlichsten demokratischen Institutionen vertreten.

Bundesminister Josef Pröll kündigte an, sich des Themas Frauen noch stärker annehmen zu wollen, und berichtete den Abgeordneten, dass sich im nächsten Jahr eine Veranstaltung, wahrscheinlich eine eigene Enquete, diesem Thema widmen werde.

Als positiv wurde von den Abgeordneten Georg Keuschnigg und Erwin Hornek (beide V) die Entwicklung bei der Biomasse bewertet. Diese trage wesentlich zur Wertschöpfung im ländlichen Raum bei und habe hohen ökonomischen und ökologischen Wert. Auch Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) betrachtete den biologischen Landbau in Österreich als eine Erfolgsgeschichte, er vermisste aber große Impulse und ein Bündel von Maßnahmen, um die biologische Landwirtschaft sowie gentechnikfreie Zonen zu sichern. Pirklhuber hielt ein Rahmengesetz für die Koexistenz für notwendig und sprach sich gegen unterschiedliche Regelungen in den Ländern aus.

Der Minister bestätigte die positive Entwicklung der Biobetriebe, die in Österreich einen Anteil von 11,6 % hätten und damit weit vor Deutschland mit etwa 3 bis 4 % lägen. Die Begutachtungsfrist für den Entwurf hinsichtlich gentechnikfreies Saatgut sei kürzlich abgelaufen, erläuterte er, man gehe nun an die Überarbeitung, und auf dieser Basis könnten die Länder dann Verordnungen erlassen.

Mit Sorge sprachen die Abgeordneten Uwe Scheuch (F) und Hubert Auer (beide V) die Lage der Forstwirtschaft an. Bei den Waldflächen habe man täglich einen Zuwachs von 14 ha zu verzeichnen. Die Wertschöpfung für die Bauern sei zu gering, und bezirksweise komme es bereits zur Überwaldung. Demgegenüber bemerkte der Minister, dass die Wertschöpfung gestiegen sei, man wolle aber Waldwirtschaftsgemeinschaften mehr forcieren. Den Bundesforsten stellte er ein außerordentlich gutes Zeugnis aus.

Abgeordneter Kurt Gaßner (S) thematisierte die Wildbachverbauung und den Schutzwasserbau, wobei er dem Ministerium eine gute Arbeit attestierte. Zweifel hegte er aber an der weiteren Finanzierung dieser Maßnahme, und er ortete auch im Bereich des Grundwassers teilweise Verschlechterungen. Diese Zweifel versuchte der Minister mit der Zusage auszuräumen, dass mit 128 Millionen Euro wichtige Projekte gesichert seien, wobei er großen Wert auf die Kooperation bei der Projektplanung sowie auf eine integrative Beurteilung lege. Das Grundwasser werde einer laufenden Verbesserung unterzogen. Er räumte aber ein, dass es Problembereiche gebe.

Schließlich wurde von den Abgeordneten Heinz Gradwohl (S) und Wolfgang Pirklhuber (G) die ihrer Ansicht nach prekäre Situation der Agentur für Ernährungssicherheit angesprochen. Man brauche ein neues Konzept, forderten sie, die Art der Ausgliederung gewährleiste die Lebensmittelsicherheit nicht mehr. Demgegenüber bekräftigte Bundesminister Josef Pröll die Wichtigkeit dieser Einrichtung, der man auch in Zukunft eine ausreichende finanzielle Grundlage bieten werde. Mit der Agentur sei es erstmals gelungen, die Wertschöpfungskette zusammenzufassen. Neben der Sockelfinanzierung gebe es in den nächsten beiden Jahren zusätzliche Mittel, und im Jahr 2006 würde eine Evaluierung vorgenommen werden. (Schluss)