Parlamentskorrespondenz Nr. 924 vom 09.12.2004

AKTUELLE STUNDE: SICHERHEIT, KRIMINALTOURISMUS UND ASYL

Hitziger Auftakt der Plenarsitzung des Nationalrats

Wien (PK) - Zu einem hitzigen Auftakt der heutigen Sitzung des Nationalrats wurde die Aktuelle Stunde, für die von der Fraktion der Freiheitlichen das Thema "Auswirkungen von illegalem Aufenthalt und Kriminaltourismus auf die österreichische Strafjustiz" ausgewählt hatte.

Die europäischen Staaten hätten sich in den neunziger Jahren mit der freizügigen Zuwanderung übernommen, eröffnete Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) die Debatte. Heute gäbe es große Probleme und Konflikte, worauf ihre Fraktion immer hingewiesen habe. Eine Parallelgesellschaft habe sich entwickelt, viele Ausländer seien nicht integriert und wären teilweise auch nicht bereit, die deutsche Sprache zu erlernen und unsere Wertvorstellungen zu akzeptieren, wie an einer vom Magazin „NEWS“ durchgeführten Untersuchung von Schulbüchern sichtbar werde.

Angesichts dieser Entwicklung stelle sich die Frage, ob ein friedliches Zusammenleben verschiedener Kulturen überhaupt möglich sei. Zu fragen sei auch, was man mit Menschen tun solle, die illegal zuwandern, mit Asylanten, die kriminelle Handlungen setzen und das Asylgesetz missbrauchten. Die Rednerin verwies auf den Sicherheitsbericht, dem zufolge der Drogenhandel in Österreich "in afrikanischer Hand" sei. Von 8.642 Personen in österreichischen Gefängnissen seien derzeit 3.741 - 43 % - Nichtösterreicher. Partik-Pable forderte in diesem Zusammenhang die Verstärkung der Grenzkontrollen, auch an der Schengen-Grenze, und die Abschiebung von Straftätern.

Justizministerin Mag. MIKLAUTSCH stellte eingangs ihrer Wortmeldung fest, man diskutiere ein "justiz- und gesellschaftspolitisch brisantes" Thema. Der Häftlingsstand, im Durchschnitt der letzten Jahre bei 7.000 Häftlingen, habe sich im Dezember auf den dramatischen Rekordstand von über 9.000 erhöht, der Anteil der Ausländer liege bei 44 %. Damit liege Österreich EU-weit an der Spitze, betonte Miklautsch und untermauerte diese Diagnose mit entsprechenden Vergleichsdaten: in Deutschland liege der Ausländeranteil in den Gefängnissen bei 29 %, in Italien bei 33, auf Malta bei 35, in den Niederlanden bei 39,5, in Schweden und in Spanien etwa über 27 und in Großbritannien etwas über 12 %. Vergleichsweise viel niedriger lägen die entsprechenden Zahlen bei den neuen osteuropäischen Mitgliedsstaaten der EU. Miklautsch nannte auch Zahlen im Hinblick auf die Herkunftsländer der Inhaftierten: 450 Personen stammen aus Nigeria, 404 aus Jugoslawien, 303 aus Rumänien, 270 aus Georgien und 260 aus der Türkei.

Die Justizministerin kam dann auf eine Studie zu sprechen, die von ihrem Amtsvorgänger Dr. Böhmdorfer für die Jahre 2000 bis 2002 in Auftrag gegeben worden sei. Die Zahl der Tatverdächtigen sei um 3,4 % gestiegen, die Zahl der Inhaftierten hingegen um 12,7 %. Bei den Jugendlichen sei eine Steigerung von 25 % zu verzeichnen gewesen. Bundesweit seien die Inhaftierungen in diesem Zeitraum um 9,6 % gestiegen, in Wien aber um 29,5 %. Während in den anderen Bundesländern der Ausländeranteil stabil gewesen sei, hätte man in Wien vor allem aus osteuropäischen Ländern - und zwar außerhalb der neuen EU-Mitgliedsländern - und afrikanischen Staaten starke Zuwächse registriert. Seit 2002 habe sich dieser Trend in den anderen Bundesländer fortgesetzt.

Von den Delikten her lägen die Schwerpunkte bei Eigentumsdelikten und Suchtgiftkriminalität, sagte die Justizministerin weiter. Erstere würden vor allem von Menschen aus Osteuropa, letztere von Schwarzafrikanern begangen. Vermehrt würden in den letzten Jahren Menschen in Strafhaft oder in U-Haft Asylanträge stellen. Allerdings gebe es bis dato keine Statistiken hinsichtlich des Aufenthaltsstatus von Ausländern in Haft. Bei Nigerianern seien die Tatverdächtigen zu 69,91 % Asylwerber und zu 4,58 % nicht rechtmäßigen Aufenthalts. Bei Georgiern seien 72,55 % Asylwerber und 7,57 % ohne rechtmäßigen Aufenthalt. Bei Personen aus Moldau lägen die entsprechenden Zahlen bei 54,85 bzw. 22,62 %. Miklautsch hält daher Änderungen im Fremdengesetz und bei den Asylverfahren für wichtig.

Abgeordneter Dr. DONNERBAUER (V) stellte einen Fall aus dem Bereich des Schlepperunwesens an die Spitze seiner Wortmeldung. Es habe sich dabei gezeigt, dass ausnahmslos Asylwerber verschoben worden seien, sagte der Mandatar. Er verwies auf Frustrationen bei der Grenzgendarmerie, wenn aufgegriffene Personen durch das Stellen eines Asylantrags wieder freikämen. Es gehe um die Sicherheit in Österreich; wer Schutz braucht, solle diesen auch bekommen, Missbrauch sollte aber ausgeschlossen werden.

Abgeordneter Mag. POSCH (S) betonte, für die Bekämpfung des Kriminaltourismus sei der Innenminister zuständig, ebenso für die von 50 auf 37 % gesunkene Aufklärungsquote. Dafür brauche es aber ausreichend Personal, etwa bei den Asylbehörden, nicht aber "Abzwicken des Rechts", Verunsicherung und Konzepte wie Sicherungshaft. Posch machte eine andere Rechnung auf: Wenn von 199.000 Tatverdächtigen 9.200 Flüchtlinge seien, seien das 4,6 %.

Die Opposition wolle einem Problem nicht ins Auge sehen, meinte Abgeordneter Dr. BÖHMDORFER (F). Seine Fraktion werde die Justizministerin "nicht im Stiche lassen", betonte er. Mit den Ausländern gäbe es ein "riesiges Problem", betonte der frühere Justizminister und verteidigte den Plan, in anderen Ländern Justizanstalten zu errichten, damit in Österreich straffällig gewordene Ausländer ihre Strafe dort verbüßen könnten. Es gäbe in Österreich Häftlinge aus 109 Nationen, und die könne man nicht in Österreich resozialisieren, betonte Böhmdorfer. Jeder inhaftierte Ausländer koste zudem täglich 120 €, in Summe wäre das Budget des Justizressorts mit 179 Mill. € - bei 279 Mill. € für den gesamten Strafvollzug - belastet. Auch die Länder müssten einen Beitrag leisten, forderte Böhmdorfer, etwa im Zusammenhang mit Geisteskranken.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) betonte, weder die objektive Sicherheitssituation noch das subjektive Sicherheitsgefühl dürften gering geachtet werden, die Daten seien ernst zu nehmen, die "Kriminalität insgesamt" sei ein Problem. Sie kritisierte, dass der Sicherheitsbericht nicht im Plenum des Nationalrats diskutiert, sondern "heimlich im Innenausschuss erledigt" werde. Abschließend trat sie dafür ein, Maßnahmen gegen die Überfüllung der Gefängnisse und für die Beschleunigung der Asylverfahren zu setzen und Ressourcen für die 1. und 2. Instanz in den Asylverfahren zur Verfügung zu stellen.

VP-Abgeordnete TAMANDL hielt den Oppositionsfraktionen vor, dem Asylgesetz 2003 nicht zugestimmt zu haben, und wandte sich gegen Praktiken des Asylmissbrauchs, was die Österreicherinnen und Österreicher nicht verstehen würden. Unter Hinweis auf die Integrationspraxis in Wien warf sie der SPÖ vor, nur Lippenbekenntnisse abzugeben.

Abgeordnete Mag. WURM (S) bezeichnete die Asylpolitik der Regierung als "vollkommenes Desaster" und warf dem Innenminister vor, bloß Schuldige dafür zu suchen. Scharf wandte sie sich gegen die Gleichstellung von Asylwerbern mit Kriminellen.

"Hilflosigkeit" und "linke Ideologie" warf hingegen F-Klubobmann SCHEIBNER der Opposition vor, und dort liege die Wurzel der Probleme. Die 3. Generation von Ausländern sei schlechter integriert, eine Parallelgesellschaft entstehe. 98 % der angezeigten Drogendealer seien Asylwerber gewesen, sagte Scheibner weiter und appellierte an die Opposition, an einem "wirklich guten" Asylgesetz mitzuarbeiten.

"Wenn Sie zu Recht feststellen, dass es einen hohen Anteil an Asylwerbern bei den untersten Gliedern der Drogenkriminalität" gibt, dann könne es nicht der einzig mögliche Schluss sein, die österreichische Bundesverfassung, die Menschenrechtskonvention, die Flüchtlingskonvention und einfache österreichische Gesetze zu brechen, gab Abgeordneter Dr. PILZ (G) zu bedenken. Solange das Drogenproblem als solches nicht gelöst werde, wird der der Polizei bekannte Straßendealer aber nur durch einen der Polizei nicht bekannten Dealer ersetzt. Dies ist einer der Hauptgründe dafür, warum trotz der scheinbar harten Kriminalitätsbekämpfung durch die schwarz-blaue Bundesregierung die Zahlen in diesem Bereich explodiert sind und der Missbrauch des Asylrechtes sehr, sehr problematische Formen angenommen hat, urteilte Pilz. "Geben Sie einer seriösen Drogenpolitik eine Chance, dann helfen Sie erstmals auch der österreichischen Kriminalpolizei", forderte der G-Redner.

Nationalratspräsident Dr. KHOL gab vor Eingang in die Tagesordnung bekannt, dass die Grünen das Verlangen gestellt haben, die schriftliche Anfrage (2381/J) an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend "10 Jahre Bildungsministerin Gehrer - Pisa-Absturz: Sind die Eltern schuld?" dringlich zu behandeln. – Aufruf der Dringlichen: 15 Uhr. (Schluss Aktuelle Stunde)