Parlamentskorrespondenz Nr. 430 vom 25.05.2005

SOZIALAUSSCHUSS: KEINE ZUSTIMMUNG ZU EINER ARBEITSLOSENANWALTSCHAFT

Beratungen über sämtliche Oppositionsanträge vertagt

Wien (PK) - SPÖ und Grüne konnten sich in der heutigen Sitzung des Sozialausschusses nicht mit ihrem Wunsch durchsetzen, eine eigene Arbeitslosenanwaltschaft einzurichten. Die Koalitionsparteien interpretierten entsprechende Anträge der Opposition als Misstrauen gegen bestehende Einrichtungen und wiesen unter anderem auf die Tätigkeit der Arbeiterkammer, des Arbeitsmarktservice und der Volksanwaltschaft hin. Die Anträge der SPÖ und der Grünen wurden von ÖVP und Freiheitlichen ebenso vertagt wie sämtliche anderen Oppositionsanträge.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) begründete die Forderung der Grünen nach Einrichtung einer Arbeitslosenanwaltschaft damit, dass Arbeitslose im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen keine eigene Interessenvertretung hätten. Die Arbeiterkammer vertrete Kraft Gesetz in erster Linie die Interessen arbeitender Menschen, meinte er. Zwischen den Interessen arbeitender Menschen und den Interessen arbeitsloser Menschen gebe es aber zum Teil diametrale Unterschiede. Selbst für Tiere gebe es eine Anwaltschaft, sagte Öllinger und fragte sich, warum Arbeitslose keine eigene Interessenvertretung haben sollten.

Die Arbeitslosenanwaltschaft soll dem Antrag der Grünen zufolge nicht nur Arbeitslose und Arbeit suchende Menschen beraten und ihre Interessen in der Öffentlichkeit vertreten, sondern auch Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren von Gesetzentwürfen abgeben können. Diese Forderungen als Misstrauen gegenüber der Arbeiterkammer, dem AMS oder der Volksanwaltschaft zu werten, bezeichnete Öllinger als "steiles Ding", schließlich sei auch die Einrichtung des Rechnungshofes nicht als Misstrauen gegen die Regierung zu qualifizieren. Generell bezweifelte Öllinger die Validität der offiziellen Beschäftigungs- und Arbeitslosenzahlen in Österreich.

Ähnlich wie Abgeordneter Öllinger argumentierte Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S). Arbeitslose Menschen in Österreich hätten keine Vertretung und kein Lobbying, unterstrich sie, mit der Einrichtung einer Arbeitslosenanwaltschaft könnte eine niederschwellige Anlaufstelle als Sprachrohr und Beschwerdestelle für Arbeitslose geschaffen werden.

Der SPÖ-Antrag sieht unter anderem die Einrichtung einer durch Bundesmittel finanzierten unabhängigen und weisungsfreien Arbeitslosenanwaltschaft in jedem Bundesland vor, Hauptaufgaben sollen Öffentlichkeitsarbeit und das Fungieren als Beschwerdestelle sein.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) erklärte dem gegenüber, er werde den vorliegenden Anträgen "sicher nicht" zustimmen. Würde er das machen, würde die Opposition dies sicher als Privatisierung staatlicher Aufgaben interpretieren, prophezeite er. Die Verantwortung des Staates für Arbeitsmarktfragen dürfe aber nicht abgegeben werden.

Sowohl Tancsits als auch seine FraktionskollegInnen Ridi Steibl und Werner Fasslabend wiesen darüber hinaus auf die Arbeiterkammer als gesetzliche Interessenvertretung auch für Arbeitslose und auf die Volksanwaltschaft hin. Fasslabend machte darüber hinaus geltend, dass die Konzepte der SPÖ und der Grünen zur Einrichtung einer Arbeitslosenanwaltschaft völlig entgegengesetzt seien und nur den Titel Arbeitslosenanwaltschaft gemeinsam hätten.

Auf die Zuständigkeit der Arbeiterkammer und des ÖGB verwiesen auch die freiheitlichen Abgeordneten Maximilian Walch und Herbert Haupt. Die Arbeiterkammer vertrete sehr wohl auch Arbeitslose, bekräftigte Walch, überdies würden Arbeitslose Hilfe und Unterstützung beim Arbeitsmarktservice finden. Haupt merkte zum Antrag der Grünen an, er sehe nicht ein, wozu man ein Bundes-Verfassungsgesetz brauche, um eine neue Stelle zu schaffen, die ohnehin nur das tun könne, was bereits durch andere Einrichtungen funktioniere.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein schloss sich den Argumenten der ÖVP- und der freiheitlichen Abgeordneten an. Es wäre wenig zweckmäßig, zu einer bestehenden Einrichtung eine weitere hinzuzufügen, erklärte er. Die Vertretung der Interessen von Arbeitslosen ist ihm zufolge eindeutig im Arbeiterkammer-Gesetz verankert. Bartenstein wies darüber hinaus darauf hin, dass es im Zusammenhang mit dem Bezug von Arbeitslosengeld weniger als ein Prozent Beschwerdefälle gebe.

Generell machte Bartenstein darauf aufmerksam, dass Österreich nach EU-Zählung nicht 245.000, sondern lediglich 171.800 Arbeitslose hätte. Auch in Skandinavien sei die Arbeitslosenquote höher als in Österreich. Der Minister rechnet für heuer mit einer ähnlich hohen Arbeitslosenrate wie 2004.

Trotz der ablehnenden Stellungnahmen seitens der Koalition gab Ausschussvorsitzende Heidrun Silhavy (S) ihrer Hoffnung Ausdruck, in Parteiengesprächen außerhalb des Sozialausschusses doch noch eine Lösung im Hinblick auf die Einrichtung einer Interessenvertretung für Arbeitslose zu finden. 

Sowohl der Antrag der SPÖ als auch der Antrag der Grünen wurde mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt.

SPÖ FORDERT MASSNAHMEN GEGEN HOHE FRAUENARBEITSLOSIGKEIT

Ebenfalls vom Sozialausschuss mit VP-F-Mehrheit vertagt wurden zwei Anträge der SPÖ zu den Themen Frauenarbeitslosigkeit und Chancengerechtigkeit für Frauen (433/A[E] und 439/A[E]). Unter anderem fordern die Sozialdemokraten spezielle Frauenqualifizierungsprogramme und Sonderprogramme für Wiedereinsteigerinnen in den Beruf. Zudem treten sie für den Entfall der Anrechnung des Partnereinkommens bei Bezug von Notstandshilfe und die Absicherung prekärer Beschäftigungsverhältnisse ein.

Abgeordnete Elisabeth Scheucher-Pichler (V) sprach sich dafür aus, vor der Weiterbehandlung der beiden Anträge den von Frauenministerin Maria Rauch-Kallat angeregten Frauenbeschäftigungsgipfel abzuwarten. Darüber hinaus machte sie geltend, dass die bessere Verankerung von Frauen im Berufsleben ein Schwerpunkt der Regierungspolitik sei. Es seien bereits zahlreiche Maßnahmen gesetzt worden, um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können und den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu erleichtern. Scheucher-Pichler zufolge stehen derzeit mehr Frauen als je zuvor im Arbeitsprozess. Für notwendig erachtet sie es, dass Frauen verstärkt andere Berufe ergreifen, etwa im technischen Bereich.

Abgeordnete Renate Csörgits (S) gab zu bedenken, dass die Zahl der als arbeitslos vorgemerkten Frauen in den letzten Monaten stark gestiegen sei. Es stimme zwar, dass die Frauenerwerbsquote in Österreich über dem EU-Durchschnitt liege, konstatierte sie, es gebe hierzulande aber überproportional viele Teilzeitbeschäftigte, zu einem großen Teil unfreiwillig. Nach Darstellung von Csörgits versuchen drei von vier Frauen nach einer Baby-Karenz den Wiedereinstieg ins Berufsleben, nur jede zweite Frau schaffe es jedoch, einen Vollzeit- bzw. Teilzeitarbeitsplatz zu bekommen.

Ihre Fraktionskollegin Gabriele Heinisch-Hosek wies darauf hin, dass mittlerweile 112.000 Frauen als arbeitslos vorgemerkt seien und nicht zuletzt mehr Kinderbetreuungsplätze für unter Dreijährige notwendig wären, um die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen zu verringern.

Für Abgeordneten Karl Öllinger (G) ist es, wie er sagte, ein Faktum, dass Frauen seit Einführung des Kinderbetreuungsgeldes nach der Karenzphase größere Schwierigkeiten als früher hätten, ins Berufsleben zurückzukehren. Er forderte in diesem Sinn die bundesweite Bereitstellung von finanziellen Mitteln zur Schaffung ganztägiger Kinderbetreuungseinrichtungen. Wenn es keine flächendeckenden ganztägigen Kinderbetreuungseinrichtungen gebe, gebe es, so Öllinger, für Frauen auch keine Wahlfreiheit. Für ihn ist es kein Zufall, dass Wien, wo es viele ganztägige Kinderbetreuungsplätze gebe, eine sehr hohe Vollzeiterwerbsquote bei Frauen habe.

Abgeordneter Herbert Haupt (F) widersprach der Darstellung Öllingers und meinte, die Zahlen würden eine andere Sprache sprechen. Mehr als 80 % der Frauen, die Kinderbetreuungsgeld in Anspruch genommen haben, hätten "null Probleme" bei der Rückkehr in den Beruf. Den in Aussicht genommenen Frauenbeschäftigungsgipfel wertete er als guten Ansatz.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein räumte ein, dass die Frauenarbeitslosigkeit zuletzt gestiegen sei, er gab aber zu bedenken, dass gleichzeitig die Zahl der unselbständig beschäftigten Frauen zunehme. Der Minister führt diesen Widerspruch darauf zurück, dass mehr Frauen auf den Arbeitsmarkt drängen. Eine hohe Frauenbeschäftigungsquote sei jedenfalls das Ziel der Regierung, bekräftigte er. Im Gegensatz zur Behauptung Öllingers zugenommen hat Bartenstein zufolge der Anteil jener Frauen, die nach der Kinderpause ins Berufsleben zurückkehren.

WEITERE OPPOSITIONSANTRÄGE VERTAGT

Erneut aufgenommen wurden die Beratungen über einen Antrag der SPÖ, der darauf abzielt, Konkurrenzklauseln in Arbeitsverträgen nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gänzlich zu verbieten und Vereinbarungen über einen Ausbildungskostenrückersatz auf sachlich gerechtfertigte Fälle zu beschränken. Abgeordneter Richard Leutner (S) begründete die Initiative seiner Fraktion damit, dass Arbeitnehmern auf der einen Seite immer mehr Mobilität in der Arbeitswelt abverlangt werde, umgekehrt Arbeitgeber Arbeitnehmer bei Mobilitätserfordernissen jedoch mit unverhältnismäßig hohen Sanktionen belegen könnten. Zu wenig sei der Plan der Koalition, die ohnehin bestehende Judikatur für diesen Bereich gesetzlich festzuschreiben, erklärte er.

Leutners Fraktionskollege Dietmar Keck machte geltend, dass es speziell im Profisport Probleme mit Vereinbarungen betreffend Ausbildungskostenrückerstattung gebe.

Abgeordneter August Wöginger (V) stimmte zu, dass eine Überarbeitung der gesetzlichen Bestimmungen betreffend die Konkurrenzklausel erforderlich sei, er verwies aber auf den von Leutner angesprochenen Initiativantrag der Koalitionsparteien und beantragte eine Vertagung des SPÖ-Antrags.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) unterstützte den Antrag der SPÖ und meinte, dieser sei "konkurrenzlos schlank und gut".

Der SPÖ-Antrag wurde ebenso vertagt wie zwei weitere Anträge der SPÖ zum Thema Jugendausbildung und Jugendarbeitslosigkeit (176/A[E] und 356/A[E]). Abgeordnete Herta Mikesch (V) wandte ein, dass sich viele der Forderungen der SPÖ bereits in Umsetzung befänden. Unter anderem seien Lehrstellenakquisiteure unterwegs, um mehr Lehrstellen zu schaffen. Mikesch sprach sich dafür aus, die Wirkung der in Angriff genommenen Maßnahmen abzuwarten.

Schließlich wurden zwei Anträge der SPÖ betreffend jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe (343/A) bzw. betreffend bessere sozialrechtliche Absicherung von so genannten "Neuen Selbständigen" (344/A[E]) sowie ein Antrag der Grünen betreffend die Einführung eines existenzsichernden Mindestlohns (85/A) vertagt. Über eine Valorisierung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe könne man grundsätzlich diskutieren, sagte Abgeordneter Karl Donabauer (V), er vermisst allerdings Berechnungen, welche finanziellen Auswirkungen die Umsetzung des SPÖ-Antrages hätte.

Zur Forderung der Grünen nach einem gesetzlichen Mindestlohn merkte Abgeordneter Maximilian Walch an, seine Fraktion wolle die Sozialpartner nicht ausschalten. Er forderte diese aber auf, all jene Kollektivverträge, die einen Mindestlohn unter 1.000 € monatlich vorsehen, zu adaptieren. Gegen den Antrag der Grünen sprach sich namens der SPÖ auch Abgeordneter Richard Leutner aus. (Schluss)