Parlamentskorrespondenz Nr. 678 vom 20.09.2005

"Recht, nicht Rache" war das Motto seines langen Lebens

Wien (PK) - "Recht, nicht Rache war das Motto des langen Lebens von Simon Wiesenthal. Mit seinem Tod ist eine wichtige Stimme der Erinnerung und der Humanität verstummt." Das erklärte heute Nationalratspräsident Andreas Khol zum Tod von Simon Wiesenthal. Seine Arbeit und seine Haltung stellten einen wichtigen Auftrag noch für kommende Generationen dar, betonte Khol.

Durch seinen Geburtsort im galizischen Buczacz Österreicher, verlor er im 1. Weltkrieg seinen Vater. Kurz vor dem Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion konnte er noch sein Studium der Architektur in Lemberg abschließen. 1941 von ukrainischen Milizionären verhaftet, gelang ihm zwar 1943 die Flucht, doch wurde er kurz darauf wieder verhaftet. "Sein Leidensweg durch zwölf Konzentrationslager, die Ermordung aller seiner Angehörigen und der Angehörigen seiner Frau war mehr als ein Mensch ertragen kann. Dennoch hat Simon Wiesenthal keinen Hass gekannt und nicht nach Rache gerufen, sondern auf das Recht gesetzt - angesichts des erfahrenen Leids ein übermenschliches Verdienst", sagte Khol.

Dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen habe Wiesenthals gesamtes Wirken nach der Befreiung aus dem KZ Mauthausen am 5. Mai 1945 gegolten, sagte Khol weiter, von der Gründung seines ersten Dokumentationszentrums in Linz im Jahr 1947 bis zu seinem Tod. Recht statt Rache bestimmte auch seine Suche nach Naziverbrechern, angefangen bei Adolf Eichmann im Jahr 1960. Damals gründete Wiesentahl in Wien das "Dokumentationszentrum des Bundes Jüdischer Verfolgter des Naziregimes" in Wien.

Wiesenthal habe sich immer gegen die These von der deutschen Kollektivschuld gewandt, weil er Schuld als individuell verstanden habe. Diesem Prinzip sei er auch treu geblieben, wenn seine Äußerungen Rückwirkungen auf die österreichische Innenpolitik gezeitigt haben, sagte Khol weiter. Dies sei in der Causa Peter im Jahr 1975 und bei der Kandidatur Waldheims für das Amt des Bundespräsidenten nicht anders gewesen. Seine differenzierte Haltung habe ihn sogar in Konflikt mit führenden Vertretern des Jüdischen Weltkongresses gebracht.

Khol erinnerte daran, dass "seine Haltung der unbeirrbaren Gerechtigkeit und Unbestechlichkeit" Simon Wiesenthal viele Ehrungen eingetragen habe. So wurde er im Juni dieses Jahres mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik ausgezeichnet. "Seine Stimme ist verstummt", sagte Khol abschließend. "Aber seine Haltung ist für uns bleibende Verpflichtung. Wir verlieren einen großen Österreicher." (Schluss)

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