Parlamentskorrespondenz Nr. 790 vom 19.10.2005

Neuregelungen für Zahnärzte, Gentechnik, Arzneimittelrabatte

Nationalrat debattiert Vorlagen aus dem Gesundheitsbereich

Wien (PK) - Eine Reihe von Vorlagen aus dem Gesundheitsausschuss standen im Anschluss auf der Tagesordnung des Nationalrats. Zunächst wurden unter einem das Zahnärztegesetz, das Zahnärztekammergesetz, die 7. Ärztegesetznovelle und das Zahnärztereform-Begleitgesetz debattiert.

Abgeordnete SILHAVY (S) kündigte die Zustimmung ihrer Fraktion zum Zahnärztegesetz an, erhob aber schwere verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Kammerreform. Sie kritisierte insbesondere, die Regierungsparteien würden sich über die Interessen der Betroffenen hinwegsetzen und dabei das Ergebnis des Begutachtungsverfahrens und die kritischen Stellungnahmen der Ärztekammer ignorieren. 

Abgeordneter Dr. RASINGER (V) zitierte hingegen ein Schreiben der Ärztekammer, in dem um rasche Beschlussfassung gebeten wurde, und meinte, von verfassungsrechtlichen Bedenken und "Drüberfahren" könne keine Rede sein.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) diagnostizierte bei der ÖVP Klientelpolitik, wobei er anmerkte, die niedergelassenen Ärzte würden bei der Kammerreform bevorzugt, weil sie generell den Regierungsparteien näher stünden als die "aufmüpfigen" angestellten Ärzte.

Abgeordnete ROSENKRANZ (F) wiederum stellte fest, die SPÖ suche einen Skandal, wo es gar keinen gibt. Die vorliegende Novelle stelle im Wesentlichen eine EU-Anpassung dar und sei bis zum Schluss mit der Ärztekammer ausverhandelt worden. Maßgebliche Verfassungsrechtler hätten darüber hinaus eindeutig die Verfassungskonformität bestätigt, betonte Rosenkranz.

Bundesministerin RAUCH-KALLAT unterstrich, die Neuordnung der Standesvertretung der Zahnärzte entspreche einem seit langem gehegten Wunsch der Berufsgruppe und beende einen über 15 Jahre schwelenden Streit. Das Gesetz sei letztlich ein Kompromiss, bei dem die Regierung die demokratisch zustande gekommene Mehrheitsentscheidung der Ärzte respektiert habe. Die SPÖ vertrete nun offenbar den Standpunkt der unterlegenen Gruppe.

Abgeordnete SCHARER (S) blieb beim Vorwurfs des "Drüberfahrens" und fügte an, die Regierung lege bewusst die EU-Vorgaben zum Nachteil der Betroffenen aus. In Wahrheit gehe es den Koalitionsparteien um die Zersplitterung und Entsolidarisierung der Kammer, vermutete die Rednerin.

Abgeordnete GRANDER (V) erwiderte, die Zahnärzte hätten eindeutig für diese Trennung gestimmt, das Gesetz sei mit den Betroffenen ausverhandelt worden.

Abgeordneter Ing. KAIPEL (S) untermauerte abermals die verfassungsrechtlichen Bedenken seiner Fraktion und beklagte, die Regierung hätte eine Vielzahl von Stellungnahmen nicht berücksichtigt. Das Gesetz reihe sich in die Serie der "Murks-Reformen" im Gesundheitsbereich ein, lautete Kaipels Befund.

Abgeordneter Mag. HAUPT (F) erinnerte, dieses Gesetz sei von den SP-Ministerinnen Hostasch und Krammer eingeleitet worden, der heutige Beschluss sei somit Ausdruck der Kontinuität. Handlungsbedarf ortete Haupt allerdings noch bei den Kieferorthopäden.

Abgeordneter DONABAUER (V) bemerkte, der SPÖ gehe es nicht um Inhalte, sondern bloß um die politische Färbung, die Regierung hingegen "fahre nicht drüber", sie löse vielmehr ein Problem.

Abgeordnete Mag. SCHEUCHER-PICHLER (V) wies ebenfalls die Vorwürfe der SPÖ zurück und unterstrich mit Nachdruck, die Berufsgruppe der Zahnärzte habe sich selbst in einer Urbefragung für die Trennung von der Ärztekammer ausgesprochen.

Bei der Abstimmung wurde das Zahnärztegesetz einstimmig angenommen. Das Zahnärztekammergesetz, die Ärztegesetz-Novelle und das Zahnärztereform-Begleitgesetz passierten das Plenum mit V-F-Mehrheit.

Änderung des Gentechnikgesetzes

Abgeordnete RIENER (V) sah das vorliegende Gesetz unter dem Blickwinkel eines erhöhten Schutz- und Sicherheitsniveaus und erinnerte vor allem an die rasanten Fortschritte in diesem Bereich.

Sie brachte zudem einen Vier-Parteien-Abänderungsantrag ein, der Arbeitgebern und Versicherern verbietet, Genanalysen ihrer Arbeitnehmer bzw. Versicherten zu erheben und zu verwenden.

Abgeordneter KRAINER (S) begrüßte den Vier-Parteien-Antrag und kündigte die Zustimmung seiner Fraktion zum Gesetz an.

Abgeordneter Mag. HAUPT (F) äußerte sich ebenfalls zustimmend zum vorliegenden Gesetz, erwartete sich aber für die Zukunft noch eine Regelung des Problems der Selektion bei den In-vitro-Fertilisationen.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) beurteilte die vorliegende Änderung zum Gentechnikgesetz im wesentlichen als sehr gut. Positiv erwähnte er die Tatsache, dass Therapien, die sich auf weitere Generationen übertragen, nicht erlaubt sind. Auch werde das Gesetz seiner Auffassung nach mehr Sicherheit für die PatientInnen im Sinne des Datenschutzes bringen. Auf Grund der Kompliziertheit der Materie äußerte Grünewald jedoch den Wunsch nach einer Übersetzung in die Sprache für die "NormalbürgerInnen", um unnötige Ängste zu minimieren.

Bundesministerin RAUCH-KALLAT erinnerte an die Vorbildfunktion des österreichischen Gentechnikgesetzes und meinte, dass dieses ständig an die technischen Standards angepasst werden müsse, um ein hohes Sicherheitsniveau zu gewährleisten. Bei der vorliegenden Änderung handle es sich insbesondere um die medizinische Anwendung der Gentechnik. Mit Skepsis bewertete die Ministerin die Präimplantationsdiagnostik und zeigte großes Verständnis für die Bedenken der Behinderten und der Kirche.

Abgeordnete ROSENKRANZ (F) bemerkte, die Gentechnik sei ein Feld großer Hoffnungen, aber auch ein Feld großer Befürchtungen, und letzteres zu Recht, denn sie reiche an ethische Grenzen heran. Man sei daher gefordert, eine Balance zwischen der Adaptierung gemäß dem Stand der Technik einerseits und dem Schutz und der Sicherheit vor Missbrauch andererseits zu finden. Rosenkranz teilte die Auffassung von Abgeordnetem Grünewald, die Diskussion mit den BürgerInnen in einer für Laien verständlichen Sprache zu führen.

Abgeordneter Dr. PIRKLHUBER (G) sprach gesundheits- und umweltrelevante Defizite im Gentechnikgesetz an und nannte in diesem Zusammenhang fehlende Haftungsregelungen für gentechnisch verändertes Saatgut und fehlende Regelungen für gentechnikfreie Regionen. Pirklhuber brachte seitens der Grünen einen Entschließungsantrag betreffend Schutz vor gentechnisch veränderten Organismen ein, der vor allem den Import einer neuen gentechnisch veränderten Rapssorte verhindern soll.

Bei der Abstimmung wurde das Gentechnikgesetz unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrages einstimmig angenommen. Der Entschließungsantrag der Grünen wurde mit den Stimmen der ÖVP und F mehrheitlich abgelehnt.

Zoonosengesetz und Ausbildungsgesetz Verbrauchergesundheit

Abgeordneter WÖGINGER (V) unterstrich, dass durch beide Gesetze ein hohes Niveau der Verbrauchergesundheit durch qualitative Aus- und Weiterbildung und verbesserte Ressourcenausnützung gewährleistet werde.

Abgeordneter Mag. MAIER (S) begrüßte das Zoonosengesetz als wichtigen Schritt, um bestimmte Krankheiten, hervorgerufen durch Lebensmittel, besser verfolgen zu können. Maier konzentrierte sich dann auf die Vogelgrippe, auch wenn es derzeit keine akute Bedrohung gebe, wie er betonte. Dennoch müsse mit einer Tierseuche gerechnet werden. Er zweifelte jedoch, dass die Bundesländer in der Lage sind, den exzellenten Krisenplan für den Fall einer Geflügelpest auch zu vollziehen. Kritisch fragte er auch nach, ob zum Beispiel Verteidigungsministerium oder Innenministerium finanziell ausreichend für den Fall einer Pandemie vorgesorgt haben.

Auch Abgeordneter Mag. HAUPT (F) nahm zum Thema Vogelgrippe Stellung und unterstrich, dass es sich dabei um eine Tierseuche handle. Bis dato seien nur Menschen betroffen gewesen, die ohne Schutz und bei mangelnder Hygiene in Hühner- und Vogelhaltebetrieben gearbeitet haben. Die Erfahrungen mit dem Medikament Tamiflu seien keineswegs abgesichert, denn man brauche wegen Unverträglichkeit dazu eine Nebenmedikation. Haupt stellte die Vermutung in den Raum, ob hier nicht ein hervorragender Werbegag einer Firma vorliege, denn es sei zu fragen, ob die Anwendung älterer und auch sehr guter Virenmittel nicht sinnvoller sei. Der Redner bat daher, sehr genau zwischen Fachliteratur und Trivialliteratur der Medien zu unterscheiden.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) hielt beide Gesetzesänderungen für richtig und notwendig. Kritisch merkte er jedoch an, dass die darin enthaltene Qualitätskontrolle und bessere Dokumentation zu spät erfolge und wieder eine neue Bundeskommission geschaffen werde.

Bundesministerin RAUCH-KALLAT informierte die Abgeordneten, dass wegen der Bedrohung durch die Vogelgrippe morgen ein Gespräch mit Geflügelhaltern stattfinden und man eventuell prophylaktische Schutzmaßnahmen ins Auge fassen werde. Am 25. Oktober werde im Burgenland eine Übung abgehalten. Grundsätzlich hielt sie fest, dass durch die vorliegenden Änderungen die interdisziplinäre Zusammenarbeit sichergestellt sei, wodurch lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche eruiert und effizient bekämpft werden können.

Abgeordnete TURKOVIC-WENDL (V) sprach ebenfalls die verbesserte Koordination der Behörden und die Einheitlichkeit der Gesetzgebung an, die durch die vorliegenden Novellierungen erreicht werden.

Abgeordneter DOPPLER (V) begrüßte die Verbesserung der Aus- und Weiterbildung sowie der Koordination, da dies dem Verbraucherschutz zugute käme. In einem von ihm eingebrachten Abänderungsantrag wird das Datum des Inkrafttretens des Ausbildungsgesetzes Verbrauchergesundheit mit 1. Jänner 2006 festgelegt.

Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage zum Bundesgesetz zur Überwachung von Zoonosen und Zoonoseerregern einstimmig angenommen. Ebenfalls einstimmig passierte das Ausbildungsgesetz Verbrauchergesundheit unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages den Nationalrat.

Änderung des Arzneimittelgesetzes, des Musterschutzgesetzes, des Medizinproduktegesetzes sowie Anträge 57/A(E) und 368/A(E)

Abgeordnete CSÖRGITS (S) konzentrierte sich auf die Neuregelung der Naturalrabatte, die sie kritisierte. Ihr fehlten eine Regelung der Geldrabatte und eine Bestimmung, dass die Rabatte der Versicherungsgemeinschaft zugute kommen müssen. Ihre Fraktion werde daher die Regierungsvorlage, mit dem das Arzneimittelgesetz, das Rezeptpflichtgesetz, das Medizinproduktegesetz und andere Gesetze geändert werden, ablehnen, obwohl darin eine Vielzahl guter Bestimmungen enthalten seien. Einige Unschärfen und Defizite sah Csörgits aber auch in Bezug auf den Verbraucherschutz.

Abgeordneter Dr. RASINGER (V) stimmte mit seiner Vorrednerin überein, dass die PatientInnen Nutznießer eines Rabatts sein sollten. Er verteidigte die nun gefundene Regelung und warf Abgeordnetem Kräuter, der eine Abschaffung der Rabatte verlangt hatte, wirtschaftliche Unvernunft und einen Kreuzzug gegen die Hausapotheken vor. Würde man die Rabatte gänzlich abschaffen, würden nur die Firmen profitieren und die Medikamente teurer werden, sagte er. Rabatte seien Mittel, die Medikamente für die Krankenkassen und PatientInnen billiger zu machen.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) nannte die Lösung der Naturalrabatte halbherzig. Bei der Vergabe von Rabatten wären bei der Verschreibung nicht immer die Indikation und die Güte der Medikamente ausschlaggebend. Grünewald zeigte auch kein Verständnis für die Ausstattung des Patentamts und ihres Leiters mit noch mehr Vollmachten. Es sei nicht gut, wenn ein Gesetz derart auf eine Person zugeschnitten sei, bemerkte er. Grundsätzlich sah Grünewald im vorliegenden Gesetzespaket sehr positive Ansätze, zum Beispiel im Medizinproduktegesetz. Auf Grund der erwähnten Kritikpunkte und der Vermengung so vieler Materien sähen sich die Grünen jedoch gezwungen, die Vorlagen abzulehnen.

Abgeordnete ROSENKRANZ (F) bedauerte die ablehnende Haltung der Grünen und verteidigte die nun gefundene Regelung in Bezug auf Naturalrabatte. Bundesministerin Rauch-Kallat habe sehr rasch und mutig reagiert, meinte sie und begrüßte die Möglichkeit, in Zukunft im Falle einer Krise vom üblichen Arzneimittelvertriebsweg abgehen zu können.

Bundesministerin RAUCH-KALLAT erläuterte in ihrer Wortmeldung nochmals die einzelnen Punkte der zur Diskussion stehenden Gesetzesvorlagen.

Abgeordneter RIEPL (S) kritisierte den Zick-Zack-Kurs der Bundesregierung in der Arzneimittelpolitik und sprach von einem Kniefall der Gesundheitsministerin. Man habe strenge Bestimmungen für verbotene Geschenkannahmen von Ärzten und Apothekern angekündigt, aber nicht umgesetzt. Auch die weitere Zulassung von Geldrabatten kritisierte der Abgeordnete. Das Thema Internet-Werbung für Medikamente sei nicht einmal angegangen worden.

Abgeordnete HÖLLERER (V) erläuterte die Novelle hinsichtlich der neuen Bestimmungen für die Generikaforschung, die es erlauben werden, Generika früher als bisher auf den Markt zu bringen. Damit könnten die Kostensteigerungen für Medikamente im Gesundheitssystem auf unter 3 % gesenkt werden. Naturalrabatte werden bei Medikamenten künftig verboten sein. Der Ministerin sei zu dieser Novelle zu gratulieren.

Abgeordnete HAIDLMAYR (G) verteidigte die Hausapotheken der Ärzte, die eine wichtige Versorgungsaufgabe im ländlichen Raum haben. Mobilitätsbeeinträchtigte Menschen können sich so auf kürzestem Weg mit Medikamenten versorgen. Das Verbot der Naturalrabatte bei Medikamenten reiche nicht aus, weil Geldrabatte weiterhin möglich sein werden. Abgeordnete Haidlmayr setzte ihre Hoffnung auf eine weitere Novellierung des Arzneimittelgesetzes in der Zukunft.

Abgeordneter Mag. HAUPT (F) brachte namens der beiden Koalitionsparteien einen Abänderungsantrag zum Arzneimittelgesetz ein, der seinen Erläuterungen zufolge vor allem der leichteren Lesbarkeit dient. Zur Frage der Naturalrabatte sagte er, er glaube, dass viele Forderungen der Sozialversicherung nicht gerechtfertigt seien. Durch die vorliegenden Gesetzentwürfe sieht Haupt die Generikaproduktion auch in Zukunft abgesichert.

Abgeordnete SCHASCHING (S) setzte sich mit dem Entschließungsantrag der SPÖ betreffend Nahrungsergänzungsmittel auseinander. Sie ortet hier "akuten Handlungsbedarf" und forderte Gesundheitsministerin Rauch-Kallat auf, systematische Kontrollen in diesem Bereich vorzunehmen.

Abgeordneter DI HÜTL (V) skizzierte, durch die anstehenden Gesetzesänderungen könnten Generika in Österreich künftig auf den Markt gebracht werden, sobald ein Patent ausgelaufen sei, da die notwendigen Vorbereitungsarbeiten bereits vor Ablauf der Patentfrist durchgeführt werden dürften. Der Anteil von Generika an den verkauften Arzneimitteln ist Hütl zufolge EU-weit unterschiedlich, an der Spitze liegen Deutschland und Schweden mit rund 40 %. Österreich habe einen Generikaanteil von 14,4 %, dieser sei jedoch steigend.

Gesundheitsministerin RAUCH-KALLAT hielt in Richtung Abgeordnetem Riepl fest, von einem Kniefall gegenüber dem Justizministerium könne überhaupt keine Rede sein. Ihr zufolge haben sich die beiden Ressorts darauf verständigt, noch im Herbst ein allgemeines Anti-Korruptionsgesetz vorzulegen, das sich auf sämtliche Berufsgruppen beziehen solle.

Alle drei Gesetzesvorlagen wurden vom Nationalrat mit Stimmenmehrheit verabschiedet. Dabei wurde auch der Abänderungsantrag der Koalitionsparteien zum Arzneimittelgesetz berücksichtigt.

Ebenfalls mit Stimmenmehrheit nahmen die Abgeordneten die ablehnenden Berichte des Gesundheitsausschusses über die beiden Anträge der SPÖ zur Kenntnis.

(Schluss Gesundheit/Forts. NR)