Parlamentskorrespondenz Nr. 79 vom 09.02.2006

Führerscheingesetz-Novelle wird vom Bundesrat beeinsprucht

Wien (PK) - Vor Eingang in die Tagesordnung kündigte Präsidentin ROTH-HALVAX für spätestens 16 Uhr eine Debatte über eine Dringliche Anfrage der SPÖ betreffend „Verdacht auf zweckwidrige Verwendung von öffentlichen Geldern im Sozialministerium zu Gunsten einer politischen Partei“ an.

In der Debatte über die 9. Führerscheingesetz -Novelle sah V-Bundesrat EINWALLNER die Einführung einer Grenzgeschwindigkeit von 180 km/h für den Führerscheinentzug und die Schaffung von flexiblen Tempolimits vor allem unter dem Blickwinkel der Verbesserung der Verkehrssicherheit. Er begrüßte in diesem Zusammenhang auch den Testversuch in Kärnten, sprach sich aber dafür aus, die Ergebnisse genau zu untersuchen. Den zu erwartenden Einspruch der Opposition interpretierte Einwallner als „parteipolitisch motivierte Blockadepolitik auf dem Rücken der Verkehrsteilnehmer“. Er brachte dem gegenüber einen Antrag der Regierungsparteien ein, gegen die Novelle des Führerscheingesetzes keinen Einspruch zu erheben.

Bundesrat STADLER (S) begründete den Antrag auf Einspruch mit der Kritik seiner Fraktion an der Einrichtung von Teststrecken und mit Nachdruck seinem Vorredner. Gerade durch die Ausweitung des Tempolimits werde der sinnlosen Raserei Tür und Tor geöffnet, fürchtete er und warnte vor einer Erhöhung des Unfallrisikos. Bestärkt fühlte sich Stadler dabei durch die ablehnende Haltung des oberösterreichischen Landeshauptmanns Pühringer in der Frage von Tempo 160-Teststrecken.

Bundesrat TIEFNIG (V) erwiderte, beim vorliegenden Gesetz gehe es nicht um Tempo 160, sondern um den Führerscheinentzug bei Tempo 180. Die Einführung dieser Grenzgeschwindigkeit hielt der Redner für absolut richtig, wobei er anfügte, ginge es um Tempo 160 auf oberösterreichischen Autobahnabschnitten, dann müsste man wahrscheinlich eine gesonderte Debatte mit Oberösterreich führen.

Bundesrätin KERSCHBAUM (G) ortete hingegen einen Widerspruch zwischen der Einführung einer Teststrecke für Tempo 160 und dem Ziel der Erhöhung der Verkehrssicherheit und machte Minister Gorbach für eine ihrer Einschätzung nach zu erwartende Steigerung der Zahl der Verkehrstoten verantwortlich. Wenn man die Verkehrssicherheit fördern will, dann sollte man eher das Tempo reduzieren, argumentierte Kerschbaum und stützte sich dabei auf internationale Erfahrungen. Die Ablehnung der vorliegenden Novelle begründete sie damit, dass eine Zustimmung einer indirekten Akzeptanz von Tempo 160 durch ihre Fraktion gleichkäme.

Bundesrat MITTERER (A) replizierte, es müsse legitim sein, Reformwillen auch in der Verkehrspolitik zu zeigen. Er verteidigte die Teststrecke und betonte, die Ausschöpfung des Geschwindigkeitsrahmens liege in der Eigenverantwortung des Einzelnen, niemand werde gezwungen, 160 km/h zu fahren. Verwundert zeigte sich Mitterer über die Ablehnung durch die Opposition. Ein Einspruch würde bedeuten, dass der Führerschein erst ab Tempo 210 entzogen werden könnte, sagte er.

Bundesrat MOLZBICHLER (S) bemerkte, er fühle sich durch die Argumentation der Regierungsparteien an den Villacher Fasching erinnert, viele würden „wie der Blinde von der Farbe reden“. Aus seiner Erfahrung als Angestellter der betreffenden Autobahnmeisterei könne er, Molzbichler, jedenfalls nur sagen, dass die Teststrecke Sicherheitsmängel aufweist und absolut nicht für den Tempoversuch geeignet ist.

Staatssekretär Mag. MAINONI unterstrich, die geplante Teststrecke sei der am besten überwachte Autobahnabschnitt Österreichs. Bei dem Versuch gehe es überdies darum, in Ausnahmefällen bei Vorliegen der entsprechenden Bedingungen und unter Eigenverantwortung der Fahrer Tempo 160 zu gestatten. 160 werde aber auf jeden Fall 160 bleiben, Raserei werde durch konsequente Kontrollen unterbunden werden, stellte Mainoni mit Nachdruck klar.

Bundesrat HÖFINGER (V) zeigte sich verwundert über den bisherigen Verlauf der Debatte. Der Kern der Novelle betreffe nämlich den Führerscheinentzug bei Tempo 180 und nicht erst bei Tempo 210. Die Begründung des Einspruchs bezeichnete er als "seicht", weil SPÖ und Grüne lediglich die Teststrecke verhindern wollten. Wer aber dem Einspruch zustimme, der werde zwar die Teststrecke nicht verhindern, jedoch den Führerscheinentzug erst ab 210 km/h billigen, betonte Höfinger.

Dem widersprach Bundesrätin KERSCHBAUM (G) vehement. Selbstverständlich trete man für ein Vormerkdelikt bei Überschreitung von 160 km/h ein und man sei dafür, entsprechend strenge Maßnahmen bei Wiederholung des Delikts zu ergreifen. Vor allem im Hinblick auf die Gefährdung junger Menschen solle der Gesetzgeber keine Möglichkeiten für die Erlaubnis des Schnellfahrens schaffen, betonte sie.

Bundesrat Ing. KAMPL (OF) sprach sich für die Teststrecke aus und wies auf die Eigenverantwortung des Einzelnen hin. Bei dieser Teststrecke handle es sich um ein Pilotprojekt, sagte er, und es werde auch verschärfte Kontrollen geben. Fachleute bestätigten, dass schnelleres Fahren auf Autobahnen zu keinem Anstieg der Unfallhäufigkeit führe. Das bewiesen auch die Regelungen in Deutschland, wo es oft keine Geschwindigkeitsbeschränkungen gebe, dafür aber strenge Kontrollen und hohe Strafen. Die Hauptursache für Verkehrsunfälle stellten mit 36 % nicht angepasste Fahrgeschwindigkeiten vor allem im Ortsgebiet dar, erläuterte Kampl. Umfragen hätten ergeben, dass 51 % der Bevölkerung für Tempo 160 eintreten. Die Bundesregierung wolle keine Raser haben, bekräftigte er, aber die Testphase müsse Gelegenheit geben, genaue Analysen durchzuführen. Schließlich entwickle sich der Straßenverkehr rasant, weshalb man für ein besseres Straßennetz und für einen flüssigeren Verkehr sorgen müsse.

Bundesrat KONECNY (S) erinnerte daran, dass Vizekanzler Gorbach ursprünglich auf allen besser ausgebauten Teilen des Autobahnnetzes die Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h einführen wollte. Erst nach Widerständen in der medialen Öffentlichkeit und in der ÖVP sei er auf die Idee einer Teststrecke gekommen, die ihm dann Landeshauptmann Haider ermöglicht habe. Konecny prophezeite, dass auf der Teststrecke nicht viel passieren werde, da man hier Laborbedingungen schaffen werde. Das sei aber kein Test, sondern ein Schauspiel, und er hoffe, dass die ÖVP auch in Zukunft standhaft bleiben werde. Der SPÖ-Bundesrat kann sich durchaus flexible Tempolimits auf gut ausgebauten Autobahnstücken vorstellen, eine Anhebung auf 160 km/h ist jedoch aus seiner Sicht nicht vertretbar. Konecny kritisierte scharf, eine derart zentrale Frage außerhalb des parlamentarischen Raums entscheiden zu wollen. Selbstverständlich trete die SPÖ für einen Führerscheinentzug bei 180 km/h ein, der Einspruch zum Führerscheingesetz sei aber die einzige Möglichkeit, gegen die Teststrecke zu opponieren, stellte er klar.

Für Bundesrätin Dr. LICHTENECKER (G) steht die Senkung der Verkehrstoten im Vordergrund. Studien hätten konkret gezeigt, dass bei höheren Geschwindigkeitsbegrenzungen auch die Zahl der Unfälle steigt. Die Telematik sei nicht geeignet, die Unfallzahlen zu reduzieren, sagte sie in Richtung des Staatssekretärs. Darüber hinaus führe die Anhebung der Geschwindigkeitsbegrenzungen zu einer höheren Feinstaubbelastung, zu höheren Unfallfolgekosten, zu einer höheren Umweltbelastung und sie gefährde damit die Gesundheit des Menschen. Abschließend kritisierte die Grüne Bundesrätin die bisherige Amtstätigkeit von Vizekanzler Gorbach und nannte in diesem Zusammenhang die Diskussion um das Blaulicht, weiters das, wie sie sagte, Transitdebakel und das Versagen in der Luftreinhaltung. Sie prangerte aus ihrer Sicht auch übermäßige Reise- und Repräsentationskosten an.

Bundesrat Mag. HIMMER (V) hielt fest, dass nun über die Novelle zum Führerscheingesetz und nicht über die Begründung des Einspruchs abgestimmt werde. Die ÖVP wolle verhindern, dass der Führerschein erst ab 210 km/h entzogen wird.

Bundesrat Mag. KLUG (S) zitierte die Dezemberausgabe der Zeitschrift "Arbeit und Wirtschaft", in der auf Grund einer Studie festgehalten wurde, dass in keinem EU-Land, bezogen auf die Bevölkerungsdichte, so viele Unfälle passieren wie in Österreich. Zu 40 % würden diese durch überhöhte Geschwindigkeit verursacht. Das Risiko eines tödlichen Unfalls steige bei Tempo 160 um das Doppelte, so Klug. 

Bundesrat GRUBER (S) zeigte kein Verständnis dafür, dass man den positiven Trend bei den Unfallzahlen, hervorgerufen durch bessere Ausrüstung der Fahrzeuge und bessere Straßen, nun durch höhere Geschwindigkeitsbegrenzungen wieder umdrehen wolle. Die moderne Technik werde nicht helfen, wenn man die Raser nicht zur Verantwortung ziehe, meinte er.

Bei der Abstimmung wurde der Antrag, gegen die 9. Novelle zum Führerscheingesetz Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der SPÖ und Grünen mehrheitlich angenommen.

Bundesrat SODL (S) begründete die Zustimmung der SPÖ-Fraktion zur Änderung des Bundesstraßen-Mautgesetzes, des ASFINAG-Gesetzes und des ASFINAG-Ermächtigungsgesetzes damit, dass durch das vorliegende Gesetz die Rechte und Pflichten der Aufsichtsorgane genauer definiert seien und die Querfinanzierung erlaubt werde. Die SPÖ unterstütze die Zweckbindung für den Eisenbahn-Basistunnel auf der Brennerachse, betonte Sodl. Grundsätzlich kritisierte er jedoch die steigenden Belastungen für die Autofahrer durch die Maut und stellte die Frage, wofür die rund 7 Mrd. € aus den Mauteinnahmen des Jahres 2004 in der Höhe von knapp über 10 Mrd. € verwendet wurden, nachdem nur 2,8 Mrd. € in den Straßenausbau geflossen seien. Sodl sprach sich für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs aus und wandte sich strikt gegen die Einführung einer Pkw-Maut, was für ihn eine reine "Abzocke" darstellte.

Bundesrätin DIESNER-WAIS (V) stellte fest, auch die ÖVP sei strikt eine Pkw-Maut. Die Bundesrätin thematisierte die Wichtigkeit einer guten Infrastruktur, vor allem für Pendler und für die Wirtschaft, und sprach sich für bessere Verkehrsverbindungen im Waldviertel sowie für den Ausbau der Marchfeld-Schnellstraße und der Weinviertler-Schnellstraße aus. Diesner-Wais  begrüßte das vorliegende Gesetz und die EU-Richtlinie. Damit sei die Voraussetzung zur Entwicklung eines europäischen Mautsystems geschaffen worden, wobei die Eigenständigkeit Österreichs bewahrt werde, und erstmals werde auch eine Querfinanzierung seitens der EU akzeptiert, sagte sie.

Bundesrätin KERSCHBAUM (G) merkte an, die Mauteinnahmen sollten nicht nur in den Straßenausbau, sondern auch in den Straßenerhalt fließen. Die Grünen würden dem vorliegenden Gesetz jedoch nur mit "Bauchweh" zustimmen, zumal berechtigte Sorge bestehe, dass die Vorlage nicht EU-konform ist. In diesem Sinne hätte sich auch das Land Tirol und die Brenner-Eisenbahn GmbH geäußert. Das Gesetz sehe nämlich nur die Bemautung der Scheitelstrecke, nicht aber der Unterinntal-Strecke vor. Diese Gelder würde man aber dringend brauchen, denn nach jetzigem Stand des neuen EU-Budgets würden die Mittel für die TEN-Projekte stark gekürzt. Außerdem, so Kerschbaum, belasten nicht nur die Transit-Lkw Straßen und Umwelt, sondern alle Lkw. Im Verkehrsbereich sollte es endlich Kostenwahrheit geben, sagte die Grüne Bundesrätin. Leider werde diese auch nicht durch die neue Wegekosten-Richtlinie erreicht, da externe Kosten nicht eingerechnet werden dürfen. Mehr Kostenwahrheit würde aber zur Förderung der regionalen Wirtschaft beitragen.

Die Sozialdemokraten stehen dem Ermächtigungsgesetz positiv gegenüber, meinte Bundesrat MOLZBICHLER (S), da es seiner Ansicht nach sinnvoll sei, wenn es Querfinanzierungen gibt. Skeptisch äußerte er sich hinsichtlich der ASFINAG-Ausgliederung. Für die Landesbediensteten sei es nämlich derzeit überhaupt nicht lukrativ, in die Tochtergesellschaften zu wechseln.

Staatssekretär Mag. MAINONI nahm zu den Ausführungen seines Vorredners Stellung und wies zunächst darauf hin, dass die ASFINAG unter anderem deshalb ausgegliedert wurde, damit sie nicht im Einflussbereich der Politik ist. Sodann ging er auf den konkreten Tagesordnungspunkt ein. Er bedanke sich dafür, dass es heute zu einem einstimmigen Beschluss im Bundesrat kommen wird, da es um eine Reihe von sehr wichtigen gesetzlichen Maßnahmen gehe. Was die Finanzierung des Brenner-Basis-Tunnels angeht, so befinde man sich derzeit innerhalb der EU in einer Situation der Ungewissheit, räumte Mainoni ein. Es werde derzeit nämlich auch darüber gesprochen, ob die für die Erhöhung des Forschungsbudgets notwendigen Mittel nicht von den transeuropäischen Netzen weggenommen werden sollen. Schließlich stellte er mit Nachdruck klar, dass die österreichische Bundesregierung "nicht im Traum daran denke", eine fahrleistungsabhängige Maut für Pkw einzuführen.

Bundesrat PERHAB (V) verwehrte sich gegen die Heuchelei in der Verkehrsdebatte. Er glaube, dass es viele Autofahrer gibt, die schon einmal schneller als 130 km/h gefahren sind. Auch die Steiermark habe sich um eine Teststrecke für 160 km/h beworben, erinnerte er, da in Graz jährlich 250.000 Pkw erzeugt werden. Er begrüße die beiden Gesetzesvorschläge, weil damit die ASFINAG wirtschaftlich gestärkt werde. Dadurch können auch in Zukunft wichtige Straßenprojekte finanziert werden.

Kein Einspruch. (Forts.)

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