Parlamentskorrespondenz Nr. 442 vom 11.05.2006

Das Vertrauen der Bürger durch ein Europa der Ergebnisse gewinnen

EU-Kommissionspräsident Barroso vor den Mitgliedern des Bundesrats

Wien (PK) – Der Bundesrat unterbrach heute Vormittag seine laufende Sitzung, um so EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso die Gelegenheit zu geben, vor den Mitgliedern der Länderkammer eine Stellungnahme abzugeben. Zuvor war Barroso bereits mit Nationalratspräsident Andreas Khol zu einem Gedankenaustausch zusammengetroffen, im Anschluss an den Termin vor den Mitgliedern des Bundesrats sprach der Kommissionspräsident vor dem EU-Hauptausschuss des Nationalrats und stand bei einem Pressetermin den Medien Rede und Antwort.

Er freue sich, begann Barroso im Plenarsaal des Bundesrats zunächst in deutscher Sprache, über dieses Treffen mit den Vertretern der Bundesländer, und dankte für die Einladung, wobei er darauf verwies, dass er in den letzten Monaten eng mit der österreichischen Ratspräsidentschaft zusammenarbeiten konnte. Den Kontakt zu den Repräsentanten der Regionen zu halten habe hohe Priorität, denn diese spielten eine Schlüsselrolle im Dialog mit den Bürgern.

Die Nähe zu den Bürgern versetze die Mitglieder nationaler Parlamente in die Lage, direkt mit den Bürgern zu kommunizieren und so Europa im Sinne der Bürger zu beraten. Europa brauche die Unterstützung der nationalen Parlamente, um seine Aufgaben erfolgreich bewältigen zu können. Denn dies werde nur durch den Dialog und die aktive Einbeziehung der europäischen Bürger möglich sein, zeigte sich Barroso überzeugt.

Es zeige sich, dass die Bürger nicht weniger Europa wollten, sondern ein arbeitendes, funktionierendes Europa, das die Bedürfnisse der Bürger zu befriedigen vermag. An dieser Stelle sei daran zu erinnern, dass es Sinn und Zweck der europäischen Verfassung sei, Europa demokratischer und bürgernäher zu machen. Die Verfassung beinhalte die richtigen Prinzipien und Werte, und dazu bekenne sich die Kommission auch weiterhin. Es sei aber evident, dass es in der Vermittlung dieser Anliegen den Bürgern gegenüber Schwierigkeiten gebe. Dies dürfe aber nicht dazu führen, nichts zu tun und darauf zu hoffen, dass sich diese Probleme von selbst lösten. In diesem Sinne habe die Kommission in den letzten Monaten gewirkt und wichtige Lösungen zustande gebracht, meinte Barroso, der in diesem Zusammenhang die Rolle des österreichischen Kanzlers, die dieser in diesem Reformprozess gespielt habe, würdigte. Es sei das Europa der Ergebnisse, mit dem das Vertrauen der Bürger zurück gewonnen werde, meinte der Kommissionspräsident.

Stabilität und Sicherheit seien von grundlegender Bedeutung für Europa, sie stellten auch die Basis für Prosperität und Solidarität dar. Die Bürger wollten auch, dass Europa im globalen Rahmen eine bedeutendere Rolle spiele. In diesem Sinne werde die Kommission auch weiterhin tätig sein, kündigte Barroso an, der sodann auf konkrete Aspekte dieser Politik einging. In diesem Sinne brauche es eine intensive Partnerschaft aller Beteiligten – der europäischen Politiker, der nationalen Regierungen, der Parlamentarier, der Sozialpartner etc. -, um die Union noch effizienter zu machen. Demgemäß werde die Kommission alle europäischen Gesetzesinitiativen und andere relevante Dokumente direkt an die nationalen Parlamente weiterleiten, um sie bestmöglich in den Diskussionsprozess einzubeziehen. Wenn alle zusammenarbeiten, dann sei er überzeugt, dass die neue Agenda Europa vorwärts bringen werde. Man dürfe sich vor den Herausforderungen nicht verstecken, sondern müsse sie gemeinsam angehen und sie in neue Möglichkeiten verwandeln.

Bundesrat Gottfried Kneifel (V) sagte, Österreich sei ein klarer Gewinner der Mitgliedschaft in der EU, und das werde auch in Zukunft so sein, wie die Wirtschaftsdaten des österreichischen Engagements in Südosteuropa belegten. Ein klarer Gewinn sei auch die lange Friedenszeit, welche die EU bewirkt habe. Viele Bürger fragten sich aber, welchen konkreten Nutzen die Union darüber hinaus biete, und hier müssten konkrete Antworten gefunden werden. Konkret sprach der Redner Ausbildungs- und Sicherheitsfragen an und verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass Europa auch künftig im globalen Wettbewerb bestehen könne, denn das sei die Basis für weitere soziale und kulturelle Aktivitäten. Zudem brauche es gelebte Subsidiarität und Bürgernähe, unterstrich Kneifel, der abschließend meinte, zum europäischen Erfolgsmodell gebe es keine Alternative.

Bundesrat Albrecht Konecny (S) erklärte, die Bürger erwarteten von der Union, dass diese die Anliegen der Bürger ernst nehme. Es gehe darum, dass das europäische Modell in immer mehr Bereichen sichtbar werde, und dies auf positive Weise. Konkret sei es wünschenswert, dass die Kommission ein Mitgliedsland nicht deswegen klage, weil es Mindestpreise für Tabakwaren einführe, sondern dafür, in sozialen Belangen eine verfehlte Politik zu betreiben, denn die soziale Dimension der Union sei von allergrößter Wichtigkeit.

Bundesrat Stefan Schennach (G) meinte, man müsse an der Verfassung weiterbauen, sei doch ein Ausbau der Rechte der Bürger die richtige Antwort auf die Vertrauenskrise in Europa. Zudem müsse verstärkt die soziale Dimension der EU beachtet werden, betonte auch Schennach.

(Schluss Barroso/Forts. BR)