Parlamentskorrespondenz Nr. 531 vom 31.05.2006

Umweltverträglichkeitsprüfungen fördern den technischen Fortschritt

Experten empfehlen Ausweitung des UVP-Gesetzes

Wien (PK) - Umweltminister Josef Pröll hat dem Nationalrat kürzlich den Dritten Bericht über die Vollziehung der Umweltverträglichkeitsprüfung in der Zeit von März 2002 bis Februar 2006 (III-223 d.B.) vorgelegt. Die UVP finde als ein wirksames Instrument der Umweltvorsorge große Anerkennung, schreibt der Minister und teilt nicht ohne Stolz mit, dass es trotz starker Zunahme der Verfahren gelungen sei, die Dauer von Umweltverträglichkeitsprüfungen erheblich zu senken.

Grundlage des Berichts ist die Studie "Evaluation der Umweltverträglichkeitsprüfung in Österreich". Darin werden Qualität und Wirksamkeit von 136 abgeschlossenen UVP-Genehmigungsverfahren mit Stichtag 31. Oktober 2005 analysiert und repräsentative Einzelfälle juristisch untersucht.

Die Hauptergebnisse der UVP-Evaluationsstudie

Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung bereits in der Planungs- und Projektierungsphase zu einer Optimierung des Vorhabens führe, weil Genehmigungshindernisse frühzeitig aufgezeigt werden. Konflikte können unter effektiver Beteiligung der Öffentlichkeit ausgeglichen werden, die Planungs- und Investitionssicherheit nehme zu, die Akzeptanz der Projekte werde verbessert.

Umweltverträglichkeitsprüfungen wirken sich auf das Verhalten  von Behörden, UmweltanwältInnen, ProjektwerberInnen, PlanerInnen und Bürgerinitiativen positiv aus, stellen die Autoren der Studie generell fest. Rechtzeitige Information aller Beteiligten über Vor- und Nachteile eines Projekts und verständliche Unterlagen zählen zu den Voraussetzungen eines effizienten Verfahrens. Vertrauensbildend wirken eine frühzeitige Einbindung der Öffentlichkeit und die Beteiligung der Betroffenen im Vorverfahren. Angesichts der Klagen von Bürgerinitiativen über das Informationsmonopol der ProjektwerberInnen plädieren die Experten für Behördengutachten sowie für eine transparente und unparteiische Verhandlungsführung. Bewährt haben sich auch Tage der offenen Tür, BürgerInnenbeiräte und Mediationsverfahren. Als Beispiel wird in diesem Zusammenhang die Müllverbrennung Wels genannt. Dort ging die Genehmigung des Projekts ohne Berufung durch - engagierte BürgerInnen waren in Form einer "Umweltkommission" in das Verfahren einbezogen.

Als wesentliche AkteurInnen im UVP-Verfahren führt die Evaluationsstudie die KoordinatorInnen an, die zur Abstimmung zwischen den FachgutachterInnen und der Verfahrensleitung wirken. Die KoordinatorInnen sollten weiter geschult, funktionell gestärkt und als Bindeglieder zwischen Behörden und Öffentlichkeit eingesetzt werden.

Hinsichtlich der UVP-Novelle 2000, die Vorverfahren fakultativ machte und diese weitgehend durch informelle Abstimmungen zwischen ProjektwerberIn und Behörde ersetzte, betonen die Autoren der Studie die Bedeutung des Vorverfahrens bei der Abgrenzung von Vorhaben und Untersuchungsrahmen. Sachverständige sollten frühzeitig nominiert werden, da die Chancen für Projektverbesserungen in der Zeit der Planung und Projektierung größer seien als später. Mängel bei der Abgrenzung des Vorhabens und des Untersuchungsrahmens haben sich als schwer korrigierbare Fehlsteuerungen im gesamten Verfahren erwiesen.

UVP fördern den ökologischen und technischen Fortschritt

Umweltverträglichkeitsprüfungen produzieren Wissen und nützen dem technischen und ökologischen Fortschritt. Beim Industrieprojekt "Linz 2010" der VA Stahl etwa lieferte eine im Zuge der UVP erstellte Studie Hinweise auf zusätzliche Energieeffizienz-Potentiale der geplanten Anlage. Aktuelle EU-Anforderungen konnten dadurch übererfüllt werden.

Als Motor des ökologischen Fortschritts wirkte die UVP beim Kraftwerksprojekt Gamp an der Salzach, wo eine spezielle Gestaltung des Ufers die Wiederansiedlung der Deutschen Tamariske und des Uferreitgrases ermöglichte. Beim Hochwasserschutzprojekt Machland eröffnete die UVP den Ausgleich von Defiziten der Naturschutzgesetzgebung: Die "Flutmulde" wurde ökologisch in den ehemaligen Auwald integriert.

Bei der Renaturierung der beim Abbauprojekt Steyregg entstehenden Gewässerufer wurde im Zuge der UVP eine bis dahin nicht vermutete Blindschleichen-Population entdeckt und erfolgreich umgesiedelt.

Bei der Erweiterung des Schigebiets Mutterer Alm/Axamer Lizum hat die Wahrnehmung öffentlicher Beteiligungsrechte dem Projektwerber frühzeitig Hinweise auf eine geologisch labile Hangsituation gegeben. Das "Frühwarn- und Beteiligungssystem" der UVP hat auch im Sinne der Planungs- und Investitionssicherheit funktioniert.

Häufig angesprochene Schutzgüter

Als besonders relevante und häufig angesprochene Schutzgüter erweisen sich in Umweltverträglichkeitsprüfungen die Luft sowie der Natur- und der Lärmschutz. Wasser ist hingegen weder besonders verfahrens- noch entscheidungsrelevant. Laut Experten liegt der Grund dafür in den klaren und umfassenden gesetzlichen Regelungen für das Wasser. Bei der Luft oder beim Naturschutz biete eine UVP Raum für eingehende Diskussionen und die Suche nach neuen Lösungsansätzen wie Verkehrskonzepte, die Vorschreibung von Lärmkontingenten oder privatrechtliche Vereinbarungen. Die UVP wirke kompensatorisch, sie gleicht legistische Schwachstellen durch Kompetenz im Verfahren aus.

Anregungen und Vorschläge

Für die zukünftige Entwicklung des Anlagenrechts formulieren die ErstellerInnen der Studie folgende Anregungen:

Um den Schutz der Umwelt weiter auszubauen, könnte man den Anwendungsbereich der UVP entsprechend der Umweltrelevanz der Vorhaben erweitern und UVP-Elemente (z.B. Prüfbuch und Zeitplan) in die Genehmigung nicht-UVP-pflichtiger Anlagen integrieren.

UVP-Tatbestände könnten vereinfacht und längere Fristen für das Feststellungsverfahren eingeräumt werden. Die Behörden sollten personell und fachlich besser ausgestattet werden.

Bürgerinitiativen verlangen für ihre Arbeit finanzielle und rechtliche Unterstützung aus einem Fonds sowie die Bereitstellung einer/eines NGO-Koordinatorin/Koordinators mit entsprechendem Budget sowie die vermehrte Beiziehung nicht amtlicher Sachverständiger.

PlanerInnen und ProjektwerberInnen drängen auf Verbesserung des Vorverfahrens, auf die Bindungswirkung für die dort getroffenen Abklärungen sowie auf die stärkere Harmonisierung des  Naturschutzrechts mit der UVP. Die Planungsgrundlagen sollten auf die für die Entscheidung wesentlichen Punkte konzentriert werden.

UmweltanwältInnen schlagen die obligatorische Vorlage der Konzepte für Umweltverträglichkeitserklärungen vor, wollen die UVP-pflichtigen Tatbestände vereinfachen, die Feststellungsverfahren erleichtern und den Spielraum für kreative Lösungen vergrößern.

Ein gutes Zeugnis stellt die Studie auch dem Umweltsenat aus, der sich zu einer allseits anerkannten Berufungsbehörde entwickelt habe. Zahl und Umfang der Berufungsverfahren haben im Berichtszeitraum stark zugenommen. Nur ein Bescheid des Umweltsenates wurde im Berichtszeitraum von einem Höchstgericht aufgehoben. (Schluss)