Parlamentskorrespondenz Nr. 548 vom 07.06.2006

Soll die Kontrollbefugnis des Rechnungshofs ausgeweitet werden?

Besonderer Ausschuss debattiert demokratische Kontrollrechte

Wien (PK) – Um die Frage, inwieweit demokratische Kontrollrechte ausgeweitet werden sollen beziehungsweise inwieweit diese ausreichend sind, ging es heute im Besonderen Ausschuss zur Vorberatung des Berichts des Österreich-Konvents, vorgelegt vom Bundeskanzler (III-136 d.B.). Zentrale Punkte dabei waren der Umfang der Prüfungskompetenz von Rechnungshof und Volksanwaltschaft, die Ausdehnung der Auskunftspflicht und die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses als Minderheitsrecht. Dabei zeichnete sich eine grobe Trennlinie zwischen der ÖVP einerseits und der SPÖ, den Grünen und dem BZÖ andererseits ab. Während sich die Abgeordneten der ÖVP für eine vorsichtige Vorgangsweise aussprachen, um das aus ihrer Sicht gut funktionierende Gleichgewicht nicht zu gefährden, traten die anderen Fraktionen dezidiert für eine weite Öffnung der Auskunftspflicht, für die Ausweitung der Kontrollrechte des Rechnungshofs und der Volksanwaltschaft und die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen als Minderheitsrecht ein. Einig war man sich darin, dass Volksbegehren am Ende einer Gesetzgebungsperiode nicht verfallen sollten. Grundlage für die Diskussion war eine schriftliche Zusammenstellung der Textvorschläge der einzelnen Parteien zum Themenbereich "Demokratische Kontrolle".

Die Diskussion wurde von Abgeordnetem Peter Wittmann (S) eröffnet, der die Kernpunkte aus der Sicht der SPÖ zusammenfasste. Ihm zufolge treten die SozialdemokratInnen für ein weitergehendes Auskunftsrecht anstelle der, wie er sagte, restriktiven Amtsverschwiegenheit ein. Weiters sollten Untersuchungsausschüsse bereits aufgrund eines Verlangens eines Drittels der Abgeordneten eingesetzt werden können und die Kontrollrechte von Rechnungshof und Volksanwaltschaft ausgebaut werden. Auch sollten die Volksbegehren nicht am Ende einer Gesetzgebungsperiode verfallen.

Abgeordneter Markus Fauland (F-BZÖ) replizierte auf die von Rechnungshofpräsident Josef Moser vor kurzem in der Öffentlichkeit artikulierten Vorschläge zur Ausweitung der Prüfungskompetenzen des Rechnungshofes. Seitens seiner Fraktion würden diese vollinhaltlich unterstützt, betonte er. Vor allem halte er es nicht für zielführend, Gemeinden und Gemeindeverbände nur der Zuständigkeit der Landesrechnungshöfe zu unterwerfen, zumal der Bund durch den Finanzausgleich einen großen Beitrag zur Finanzierung der Gemeinden leiste.

Harte Kritik an der Haltung der ÖVP übte Abgeordnete Terezija Stoisits (G), indem sie der Regierungspartei vorwarf, sogar hinter die eigenen Vorschläge, die die ÖVP im Konvent vorgelegt hatte, zurückgefallen zu sein. Als Beispiele führte Stoisits die ihrer Ansicht nach von der ÖVP geforderte Einengung der Rechnungshofkontrolle sowie die Reform der Auskunftspflicht an. Dem gegenüber ortete sie bei SPÖ und BZÖ eine positive Bewegung und konstatierte eine weitgehende Übereinstimmung zwischen diesen beiden Parteien und den Grünen bei folgenden Positionen: die Reform der Auskunftspflicht, die Ausweitung der direkten demokratischen Instrumente, die  Ausweitung der Kontrollrechte von Rechnungshof und Volksanwaltschaft sowie die Ausweitung der Minderheitsrechte, insbesondere in Hinblick auf die Einsetzung von  Untersuchungsausschüssen und das Fragerecht in den Landtagen.

Was die Prüfungskompetenz des Rechnungshofs betrifft, trat die grüne Abgeordnete dafür ein, Unternehmen, die sich zu 25 % in öffentlicher Hand befinden oder für die der Bund eine Ausfallshaftung übernommen hat, prüfen zu können. Ebenso sollte dies für Gemeinden mit unter 20.000 Einwohnern gelten. Stoisits hielt es auch für erforderlich, die rechtmäßige Verwendung von EU-Fördergeldern zu kontrollieren. Die Ausdehnung der Auskunftspflicht bezeichnete Stoisits als ein besonderes Anliegen der Grünen, da dies in einer modernen Bürgergesellschaft selbstverständlich sein sollte.

Dem gegenüber mahnte Abgeordneter Heribert Donnerbauer (V) zur Vorsicht. Man habe in den letzten Jahrzehnten mit den vorhandenen Kontrollrechten gute Erfahrungen gemacht, stellte er fest. Es gebe ausreichend Transparenz, sagte er und konstatierte aus seiner Sicht, eine Ausgewogenheit zwischen Minderheitsrechten und Mehrheitsentscheidungen. Dieses Gleichgewicht gelte es zu bewahren. Sollte es zu unterschiedlichen Auffassungen kommen, ob ein Unternehmen der Rechnungshofkontrolle unterliegt, so sollte dies vom Verfassungsgerichtshof entschieden werden. Donnerbauer konnte dem Vorschlag zur Wiedereinführung der Position eines Vizepräsidenten im Rechnungshof einiges abgewinnen. Den Vorwurf der Grünen, die ÖVP wolle die Rechnungshofkontrolle einengen, wies er entschieden zurück. Für nicht sinnvoll erachtete er die Forderung, wonach eine Beteiligung des Bundes unter 50 % an Unternehmen zur Rechnungshofkontrolle führt, da dies eine Wettbewerbsbenachteiligung nach sich ziehen würde. Ähnlich kritisch äußerte er sich zu den Wünschen nach einer Ausweitung der Rechnungshofkontrolle bei den Gemeinden, da dies der Gemeindeautonomie zuwiderliefe.

Strikt wandte er sich gegen eine weitgehende Öffnung der Auskunftspflicht, da seiner Meinung nach Probleme mit dem Datenschutz heraufbeschworen würden. Er zeigte sich deshalb auch verwundert über die Haltung der Grünen, die doch immer gegen den "gläsernen Menschen" einträten. Außerdem gebe es vor allem im Bereich der Sicherheit berechtigte Anliegen des Staates, weshalb man diese Frage behutsam behandeln müsse, meinte er. Die Expertin der Grünen, Marlies Meyer, stellte daraufhin klar, die Grünen verlangten keineswegs eine schrankenlose Auskunftspflicht, sondern würden selbstverständlich eine Grenze ziehen, wo die Grundrechte Einzelner betroffen wären. Daher würde der Artikel 8 Abs. 2 MRK als Vorbehalt gelten.

Was die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen als Minderheitsrecht betrifft, wies Donnerbauer auf die unterschiedliche Praxis in andere Staaten hin. Außerdem hätte die Erfahrung gezeigt, dass Untersuchungsausschüsse oft als politisches Instrument verwendet würden, um politisch Stimmung zu machen, und das tue der Sache nicht gut. Diskussionswürdig war für ihn aber die Forderung der Geltungsdauer von Volksbegehren über die Legislaturperiode hinaus.

Rechnungshofpräsident Josef Moser präsentierte nochmals die Forderungen des Rechnungshofes und konzentrierte sich dabei auf die Kontrolle der Gemeinden. Auch kleinere Gemeinden der Kontrolle zu unterwerfen, halte er schon deshalb für notwendig, weil der Rechnungshof ein Organ des Nationalrats und der Landtage sei und seit der Verfassungsreform des Jahres 1929 die Finanzkontrolle immer einheitlich gestaltet gewesen sei. Sowohl über den Finanzausgleich als auch verstärkt über die Transferleistungen erhielten die Gemeinden nach Aussage Mosers seitens des Bundes hohe finanzielle Mittel. Gerade hinsichtlich der starken Vernetzung und der knapper werdenden Mittel sei eine effiziente Verwendung der Mittel in allen Gebietskörperschaften notwendig. Es wäre daher fatal, so Moser, eine Ebene aus der Kontrolle herauszunehmen. Der Rechnungshof ergänze sich bereits jetzt sehr gut mit den Kontrolleinrichtungen in den einzelnen Gemeinden und es werde sicherlich zu keinem "Prüfungsoverkill" kommen, versicherte er. Man brauche eine Gesamtsicht, bekräftigte Moser mit dem Hinweis auf die Maastricht-Kriterien, in deren Berechnungen auch der Gesamtstaat herangezogen wird.

Der Rechnungshofpräsident wurde darin von seinem Vorgänger und dem Präsidenten des Österreich-Konvents, Franz Fiedler, unterstützt. Derzeit könne der Rechnungshof Gemeinden unter 20.000 Einwohnern nur auf Ersuchen der Landesregierung prüfen, und das vertrage sich weder mit der Selbständigkeit des Rechnungshofs noch mit dessen Stellung als Kontrollorgan der Legislative. In Bezug auf die Unternehmen habe es im Konvent eine Annäherung gegeben, diese bei einer 25-prozentigen Beteiligung der öffentlichen Hand prüfen zu können, sofern es sich um Aktiengesellschaften handle. Er begrüße nun aber die Vorschläge, alle Firmen ab diesem Beteiligungsprozentsatz zu prüfen, sowie auch jene, für die der Bund eine Ausfallshaftung übernommen hat. Die Vorschläge der ÖVP in diesem Zusammenhang kritisierte auch er als eine Einschränkung bisheriger Kompetenzen, da der Rechnungshof dann von den Ländern und den Landesrechnungshöfen abhängig wäre. Abschließend sprach sich Fiedler dezidiert für die Wiedereinführung der Position eines Vizepräsidenten des Rechnungshofes aus. Rechnungshofpräsident Moser hingegen meinte, die Regelung seit 1994 habe sich bewährt. Präsident Fiedler sei das beste Beispiel dafür.

Die Abgeordneten Günther Kräuter (S) und Terezija Stoisits (G) begrüßten die Aussagen von Moser und Fiedler, wobei sich Kräuter für die Fortsetzung der Diskussion über das Thema Kontrollrechte aussprach. Großen Diskussionsbedarf sah er zu den Fragen der Untersuchungsausschüsse und des Interpellationsrechts. Scharf kritisierte er die Vorgangsweise im Rechnungshofausschuss, vor allem in Hinblick auf die Ladung von Auskunftspersonen, und zeigte sich höchst unzufrieden über die Art der Behandlung der Rechnungshofberichte. Ihm fehlen insbesondere entsprechende Konsequenzen.

Abgeordnete Stoisits sah sich in ihrer Auffassung durch Präsident Fiedler bestätigt und betonte, die Landesrechnungshöfe seien jenseits der Standards von Unabhängigkeit angesiedelt. Die Frage des Vizepräsidenten lasse sie, wie sie sich ausdrückte, kalt. Als eine Bedingung dafür formulierte sie aber das Erfordernis der Wahl durch eine Zweidrittelmehrheit sowie auch die Möglichkeit der Abwahl durch das gleiche Quorum.

Klaus Poier von der Uni Graz und Fraktionsexperte der ÖVP bescheinigte der demokratischen Kontrolle sowie den Instrumenten der direkten Demokratie in Österreich hohe Standards. Ein etwaiger Ausbau dieser Rechte sollte auf einer Übereinkunft aller Parteien beruhen. Die Forderungen zur Ausweitung der Rechnungshofkontrolle hielt er für diskussionswürdig, er warnte aber vor Mehrfachprüfungen. Poier machte sich in seinem Statement für die Verfassungsautonomie der Länder stark und plädierte bei Festlegung von Mindeststandards für die Möglichkeit, Experimente zuzulassen.

Friedrich Slovak vom Österreichischen Städtebund nahm eine Gegenhaltung zu den Forderungen des Rechnungshofpräsidenten ein und wies darauf hin, dass die Gemeinden die einzigen Gebietskörperschaften gewesen seien, die ihren Beitrag im Rahmen des Stabilitätspakts geleistet haben. Die Bevölkerung habe der Arbeit der Gemeinden eine effiziente Verwaltung attestiert, und diese demokratische Kontrolle durch die Bürgerinnen und Bürger sei in den Gemeinden wesentlich wirksamer als auf den anderen Ebenen. In den Gemeinden bestünden genügend Kontrolleinrichtungen, wie Prüfungsausschüsse oder Kontrollämter mit einer weisungsfreien Leitung, unterstrich Slovak. Die Schulden einiger Gemeinden entstünden vor allem durch den hohen Mittelbedarf für die Spitalserhaltung. Aus all diesen Gründen lehnte Slovak eine Prüfung von Gemeinden unter 20.000 Einwohnern durch den Bundesrechnungshof ab, denn diese unterstünden ohnehin der Aufsicht der Länder und eine doppelte Aufsicht halte er für nicht sinnvoll. (Schluss)