Parlamentskorrespondenz Nr. 870 vom 28.11.2006

Das Palais Epstein - ein Haus erzählt Geschichte

Wien (PK) - Als am 26. Oktober 2005 das Palais Epstein nach langer, sorgsamer und liebevoller Renovierung dem Parlament und damit seiner neuen Bestimmung übergeben werden konnte, war dies weit mehr als eine Anmietung zusätzlicher Räumlichkeiten für das Parlament. Es war vor allem ein symbolträchtiger Akt, der nicht nur auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass der Architekt des Parlamentsgebäudes, Theophil Hansen, auch das Palais Epstein gebaut hat, sondern auch darauf, dass an Hand der wechselvollen Zeiten dieses letzten gut erhaltenen Ringstraßenpalais die Geschichte Wiens, vor allem des jüdischen Wiens, und Österreichs sehr anschaulich und lebensnah nachempfunden und geschildert werden kann. Nicht zuletzt deshalb hat die Entscheidung der damals fünf Parlamentsparteien im Jahr 1999, das Palais für parlamentarische Zwecke zu nutzen, eine äußerst kontroversielle öffentliche Diskussion ausgelöst.

Respekt vor der historischen Dimension des Palais

Leon Zelman wies als erster auf die historische Bedeutung dieses Hauses hin und sprach sich für die Errichtung eines "Hauses der Geschichte bzw. der Toleranz " aus, das als christlich-jüdischer Diskussionsort die spezielle Geschichte der Wiener Juden sowie das breite Spektrum an Themen, die mit dem Palais und seiner Vergangenheit im Zusammenhang stehen, aufarbeiten sollte. Wenn auch diese Idee nicht voll realisiert werden konnte, so war die öffentliche Diskussion wichtig, denn es wurde damit die Sensibilität für dieses einzigartige Palais geweckt und verhindert, dass es in den Besitz einer japanischen Bank kam. Letztendlich ist es gelungen, trotz Nutzung durch das Parlament das Epstein als ein architektonisches Kunstwerk zu bewahren, wertvolle Räumlichkeiten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, durch Ausstellungen die Geschichte zu illustrieren und begreifbar zu machen und die Idee  des Hauses der Geschichte bzw. der Toleranz aufzugreifen. Gemeinsam mit der Historikerin Brigitte Hamann hat Leon Zelman die Vortragsreihe "Epstein-Vorlesungen" konzipiert, um diesen besonderen Ort zu einem, wie er es in seinem Eröffnungsvortrag ausdrückte,  "lebendigen Denkmal" zu machen, zu einem "offenen Platz der Begegnung", wo die Erinnerung wach gehalten wird.

Bei der umfassenden Renovierung wurde der Schwerpunkt auf die Erhaltung der historischen Bausubstanz gelegt, um den ursprünglichen Zustand vor allem die prächtigen Räume der Bel Étage so weit wie möglich wiederherzustellen. Für die Adaptierung des Gebäudes zeichneten die Wiener Architekten Alexander van der Donk und Georg Töpfer - Sieger eines Architekturwettbewerbs - verantwortlich. Sie sind, trotz penibelster Vorbereitungsarbeiten, auf viele Überraschungen gestoßen. So wurden hinter Holzverkleidungen im Festsaal technisch hoch entwickelte und noch voll funktionsfähige Glasschiebetüren gefunden. Unter einem Fenstersims im Erdgeschoß, in der ehemaligen Schalterhalle des Bankhauses, wurde ein Sicherheitsmechanismus entdeckt, der es seinerzeit ermöglichte, die Fenster innerhalb kürzester Zeit mit Stahlplatten zu verbarrikadieren. Rätsel gab auch der Fund von Parkett-Tafeln auf. Nur durch minutiöse Auswertung alter Fotos und Erforschung von Gebrauchsspuren sowie durch Kombinationssinn ist es den Holzrestauratoren wie Peter Kopp gelungen, die Tafeln nicht nur als Originalboden des Festsaals zu identifizieren, sondern diese auch wieder so anzuordnen, wie sie im Original verlegt waren. Besucherinnen und Besucher betreten daher diesen Raum auf dem ursprünglichen Parkett. 

Brigitte Hamann über die Familie Epstein und das Palais:

Die Geschichte der Familie Epstein und ihres Palais widerspiegelt sehr anschaulich die Entwicklung Wiens und Österreichs von der Gründerzeit bis heute. Brigitte Hamann, die federführend an der Konzeption mitgewirkt hat, wie das Palais Epstein entsprechend seiner Bedeutung über die Nutzung für parlamentarische Zwecke hinaus der Öffentlichkeit präsentiert und als Ort für einen offenen Dialog dienen könnte, hat in der Zeitschrift "Forum Parlament", Jg. 3, Nr. 2/ 2005 einen umfassenden Artikel dazu verfasst, der mit ihrer freundlichen Genehmigung auch hier auszugsweise wiedergegeben wird.

Die Familie Epstein

Der Bauherr des Palais Epstein, Gustav Epstein, wird als Sohn des reichen Textilgroßhändlers und Bankiers Lazar Epstein 1828 in Prag geboren. Das Familienvermögen ist dem Großvater zu verdanken, der angeblich seinen raschen wirtschaftlichen Aufstieg vor allem seinem Geschick als Marketender der österreichischen Armee in den napoleonischen Kriegen verdankt.

Lazar (in Wien: Leopold) Epstein baut die vom Vater geerbte Fabrik zu einer der mit fast tausend Arbeitern größten Böhmens aus und betreibt außerdem einen erfolgreichen Stoff-Großhandel. In den 1840-er Jahren eröffnet er auch eine Niederlassung in Wien in der heutigen Judengasse. In der Folge verlegt er sich aber zunehmend auf das Bankgeschäft, vor allem auf Wechselstuben. Wie der Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde und zeitgenössische Chronist Sigmund Mayer überliefert, war Leopold Epstein ein dicker, zwar "nicht sehr feiner, aber sehr gescheiter Mann, welcher durch Aussehen und Wesen eine Stadtfigur wurde". Lazar Epsteins reiche Töchter gehen standesgemäße jüdische Ehen ein: Antonie heiratet in die nach Wien eingewanderte Bankiersfamilie Boschan, Anna in die aus Portugal in die Niederlande emigrierte Familie Teixeira de Mattos. Der Familienzusammenhalt ist eng.

Sohn Gustav wird mit 21 Jahren Leiter der väterlichen Baumwolldruckfabriken in Böhmen. Mit 27 ist er Prokurist im väterlichen Großhandel in Wien. Auch er heiratet standesgemäß, und zwar die um acht Jahre jüngere Emilie Wehle, die einer angesehenen jüdischen Familie in Prag entstammt. 1859 wird der älteste Sohn Friedrich geboren.

Nach dem Tod des Vaters ist Gustav Epstein ein reicher Erbe mit einem geschätzten Vermögen von rund zehn Millionen Gulden, umgerechnet knapp 100 Millionen Euro. Er verkauft die väterliche Firma und gründet 1864 mit dem erlösten Geld in Wien eine Privatbank: die Bank Epstein.

1866 bricht im Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland der Krieg gegen Preußen aus. Der Staat braucht dringend Geld. Und der kaisertreue und patriotische Epstein ist der erste Privatmann, der dem Kaiser eine hohe Summe für diesen Krieg zur Verfügung stellt.

Die Träume von einem großen Deutschland unter habsburgischer Führung enden schmachvoll in der Schlacht von Königgrätz: Bismarck schließt Österreich aus dem Deutschen Bund aus und macht Berlin mehr und mehr zum politischen Zentrum Europas. Die Not in der besiegten und gedemütigten Habsburgermonarchie ist groß, auch wegen der hohen Reparationskosten. Epstein spendet weiter hohe Summen und schenkt 1866 einer philanthropischen Stiftung für die Armen- und Waisenpflege allein 100.000 Gulden in fünfprozentigen Staatspapieren.

Als Dank für immer wieder sehr hohe Spenden erhält Epstein im November 1866 von Kaiser Franz Joseph den Orden der Eisernen Krone 3. Klasse und damit den Adelstitel. Er heißt nun Gustav Ritter von Epstein. 

Entstehung der Ringstraße

1867 werden die Juden der nunmehrigen k.u.k. Doppelmonarchie endlich gesetzlich gleichgestellt, also "emanzipiert". Die damit auch garantierte Freizügigkeit löst eine jüdische Einwandererwelle in die Hauptstadt aus, die der geschwächte Staat gut brauchen kann. Denn erstens werden dringend Arbeitskräfte gesucht und zweitens viel neues Kapital.

Was die auf der Ringstraße entstehenden öffentlichen Prachtbauten angeht - vom Parlament über Rathaus, Universität, Oper, Burgtheater bis zu den Museen, so werden sie nicht vom Staat finanziert, sondern dadurch, dass die übrigen neu gewonnenen Grundstücke an der Ringstraße so teuer wie möglich - deutlicher gesagt: immens überteuert - an Private verkauft werden.

Als Bauherren kommen also nur die Reichsten und Großzügigsten in Frage. Nicht weniger als ein Viertel der privaten Ersterwerber von Ringstraßenparzellen (insgesamt 101) sind Bankiers oder Großhändler, die meisten von ihnen Juden, die aus den Kronländern in die Hauptstadt übersiedeln. Der Besitz eines möglichst prächtigen Hauses an der Ringstraße bedeutet für sie auch die Eingliederung in die Wiener Gesellschaft.

Palais Epstein

Auch Gustav Epstein kauft sich einen solchen Baugrund, den teuersten überhaupt und einen, den das Adelskasino gerne gehabt hätte, aber nicht bezahlen kann: Das Grundstück bei der Bellaria neben dem in Bau befindlichen Parlament. Den Bauauftrag gibt Epstein seinen beiden liebsten Architekten: Theophil Hansen für die Gesamtplanung und dem jungen Otto Wagner - er baute für Epstein bereits eine Villa in Baden bei Wien - für die Bauführung.

Das Palais wird in der damals üblichen gemischten Bauweise geplant: Im Erdgeschoß befand sich das Bankhaus Epstein mit Büros. In einem kleinen Raum am Eingang, den man betreten konnte, ohne gesehen zu werden, betreute ein Epstein-Beamter diskret Hilfesuchende und verteilte allein zur ‘Hand-Beteilung’, also zur Soforthilfe, jährlich umgerechnet rund 800.000 Euro an Bedürftige. Einzelpersonen erhielten beim "Juden Epstein" weit mehr, als der Kaiser in der Hofburg für diese Zwecke auszahlen ließ.

In der prachtvollen Bel Étage mit einer eigenen Prunkstiege wohnte die Familie Epstein. Im zweiten Stock war eine der teuersten und elegantesten Mietwohnungen Wiens, zugänglich über eine eigene Herrschaftsstiege. Daneben weitere elegante Wohnungen. Die Mietwohnungen im dritten Stock waren bereits preiswerter. Und im Dachgeschoß gab es wie in allen Ringstraßenbauten kleine Dienstbotenzimmer.

Die Bauzeit dauert von 1868 bis 1871. Der Bauherr wählt, was die Technik angeht, das modernste und teuerste, z.B. eine aufwändige Heizlüftung. Bei der Restaurierung wurde erst kürzlich in den Räumen des Bankhauses eine raffinierte und für diese Zeit wohl einzigartige Sicherheitsanlage entdeckt: Unter den Fenstern kamen Stahlplatten zum Vorschein, die am Abend hochgekurbelt wurden und so einen Zugriff von der Straße aus sicher verhinderten.

In der Endphase des Baues legt der kränkelnde 43jährige Epstein 1871 die Leitung seiner Bank in die Hände von Prokuristen, zieht sich zurück und widmete sich ganz seinen künstlerischen Interessen, der Ausstattung seines Palais und seiner rasch wachsenden Sammlung alter niederländischer Meister. In den historistischen Wand- und Deckenmalereien seines Studierzimmers lässt er sich nicht als Mann der Wirtschaft darstellen, sondern als Freund der Musen.

Im Januar 1872 ziehen die Epsteins mit drei Kindern ein. Der heute noch geltende Grundriss der Wohnung zeigt die aktuelle Familiensituation von 1872: die rechte Seite, vom Ring aus gesehen, gehörte dem Hausherrn. Hinter dessen Arbeitszimmer und der Bibliothek war das Zimmer des 13jährigen Friedrich. Es war halb so groß wie das des Vaters, aber doppelt so groß wie das daneben liegende des Hauslehrers.

Auf der linken Seite residierte die Hausfrau mit ihren Töchtern: hinter Emilie Epsteins prächtig ausgestatteten Boudoir lag das Eheschlafzimmer, dann das Kinderzimmer für die zweijährige Margarethe. Die elfjährige Carolina bekam das große Eckzimmer. Daneben war ein kleines Zimmer für die Gouvernante.

Das Glanzstück des Palais war (und ist bis heute) der Fest- oder Tanzsaal in der Mitte zur Ringstraßenseite hin. Außer der künstlerischen Qualität hat dieser Raum eine technische Besonderheit, die erst kürzlich bei der Restaurierung entdeckt wurde: Die hohen Türen hatten einen speziellen Schiebe- und Drehmechanismus, der es ermöglichte, den Saal nach allen Richtungen zu vergrößern. Es gibt bemerkenswerte Details: So waren die von Hansen gestalteten Türklinken bei Bedarf unter kleinen Klappen im Türstock zum Verschwinden zu bringen. Dieser Allzweckraum war aber nicht für große Bälle gedacht, war also eigentlich kein Tanzsaal, sondern für eher bürgerliche und vor allem künstlerische Gesellschaftsabende mit Vorträgen, Konzerten und Diskussionen unter Freunden aus allen Gesellschaftskreisen und ohne Ansehen der Religion gedacht.

Dieser Prachtraum, der Stolz des Hausherrn, wurde ursprünglich von Theophil Hansen für das Schloss des Großherzogs von Oldenburg geplant mit der malerischen Ausstattung durch den Oldenburger Maler Christian Griepenkerl. Als dem Großherzog Nikolaus Peter von Oldenburg die Realisierung dieses Planes zu teuer war, übernahm Gustav von Epstein den verkleinerten Oldenburger Entwurf für sein Wiener Palais - und gleich auch den Historienmaler Christian Griepenkerl. Der jüdische Bankier Epstein bewies damit, dass er mehr Geld für moderne Kunst und Ausstattung auszugeben bereit war als der regierende Großherzog, den er als Generalkonsul in Österreich-Ungarn vertrat und dessen Freund er war.

Die Person Gustav Ritter von Epstein

In dieser Zeit nimmt Ritter von Epstein sehr intensiv am wirtschaftlichen und sozialen Leben Wiens teil. Er ist schon in seinem Äußeren ganz anders als sein Vater: hoch aufgeschossen und schlank, mit einem nach englischer Mode gestutzten Bart. Er ist ernst und feinnervig, von schwacher Gesundheit und mit stets sehr blasser Gesichtsfarbe. Ein weit gereister, vielsprachiger Mann von Bildung und großem Kunstinteresse, aber vor allem ein Mann, der sich für die Öffentlichkeit engagiert. Er schöpft sein Selbstbewusstsein nicht aus seinem Geld, sondern der öffentlichen Hochachtung, die ihm aus seinen Ämtern und zahlreichen Ehrenfunktionen erwächst:

In Wien ist er Börserat und Direktor der Österreichischen Nationalbank, Verwaltungsrat der im Bau befindlichen Kaiserin Elisabeth Westbahn und Vorstandsmitglied verschiedener großer Baugesellschaften. Er ist leitend in den Organisationen der Zucker-, Öl- und Papierindustrie tätig, hat hohe Positionen in Handelskammer und Gewerbeverein. In Wien repräsentiert er ungarische und böhmische Versicherungen und vertritt umgekehrt auch Wiener Gesellschaften in Prag und Budapest. Seine internationalen Beziehungen führen ihn vor allem in die Niederlande, nach Italien und in das Großherzogtum Oldenburg, dessen österreichischer Generalkonsul er ist. Von 1867 bis zu seinem Tod ist er im Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde.

Sein Interesse für Architektur und Kunst zeigt sich auch bei öffentlichen Ringstraßenbauten: Er engagiert sich bei der Gründung und Ausstattung des Museums für Kunst und Industrie, dem heutigen MAK. Beim Neubau der Börse setzt er sich als Börserat und Mitglied des Baukomitees entscheidend für die Wahl Theophil Hansens als Architekt ein. Im Musikvereinsgebäude ist heute noch Epsteins Name gleich am Eingang auf einer Ehrentafel für großzügige Spender an erster Stelle eingemeißelt.

Börsekrach 1873

Am 10. Mai 1873 kracht die Wiener Börse nach langer wilder Spekulation und dem Misserfolg der Weltausstellung. Nicht nur die Spekulanten, auch der Staat gerät ins Wanken. Als in Wien das Chaos ausbricht, ist Epstein in Italien, um dort sein langwieriges Halsleiden zu lindern. Er kehrt überstürzt zurück und findet eine andere Welt. Eine Selbstmordwelle erschüttert Wien - und trifft Epstein mit dem Tod eines Neffen (Boschan). Dann meldet am 26. Mai 1873 die Neue Freie Presse einen spektakulären Selbstmord mitten in der Stadt: Der 34jährige Adolf Taussig, Kassier des Bankhauses Epstein, stürzte sich vom vierten Stock des Palais hinunter auf die Lothringergasse. In zwei Jahren durch Spekulation steinreich geworden, war er nun im Krach plötzlich bettelarm. In seinem Abschiedsbrief bat er seinen Chef um Verzeihung, weil er seine riesigen Schulden aus Epsteins Kasse beglichen hatte.

Noch als die grausig zugerichtete Leiche auf der Straße liegt, erscheint Epstein am Tatort und ist, so die Neue Freie Presse, "durch die entsetzliche Tat auf das tiefste ergriffen. Er erklärte der noch anwesenden Commission, dass er eine Untersuchung durch die Strafbehörde nicht wünsche, und verzichtete auf einen Schadenersatz."

Epstein hilft weiter mit Garantien für Summen, deren Höhe er nicht ahnt und zahlt für die Spekulationen seiner Angestellten, Freunde und Verwandten. Die durch ihn Geretteten behalten ihre Häuser und Werte. Epstein aber verliert sein ganzes, in drei Generationen solide erworbenes und angelegtes Vermögen: seine Aktien, Häuser, (die Badener Villa wird an Erzherzog Rainer verkauft), Grundstücke, den Familienschmuck und vor allem seine geliebten Gemälde, darunter zwei Porträts von Frans Hals. Mit Mühe vermeidet er den Konkurs seiner Bank, die "in Ehren" geschlossen wird.

Nur sein Wiener Palais hält Epstein noch mühsam mit Hilfe von Hypotheken. Denn er will seinem schwerkranken Sohn Friedrich das gewohnte Heim so lange wie möglich erhalten. Der 17jährige stirbt im Januar 1877 im Palais. Kurz darauf zieht die Familie Epstein aus. Das nächste Kind, Leopold, wird 1878 in einer Wiener Mietwohnung geboren, in der Eschenbachgasse 11, dem Haus des Niederösterreichischen Gewerbevereins, dessen prominenter Funktionär Epstein jahrelang war. Hier stirbt Gustav Ritter von Epstein am 23. September 1879 im Alter von 51 Jahren an Kehlkopfkrebs. Er ist in der israelitischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs begraben.

Das Palais - ein geschichtsträchtiger Ort

In dem von seinem Bauherrn verlassenen Palais spielte sich nach 1877 österreichische Geschichte ab: Zunächst zog die Imperial Continental Gas Association ein, die in Wien die Gasbeleuchtung einführte. Als zwanzig Jahre später unter Bürgermeister Lueger die Gasversorgung kommunalisiert wurde, zogen die Engländer ab - und der Verwaltungsgerichtshof ein.

Von den Fenstern des Palais Epstein konnte man die Ringstraßendemonstrationen beobachten - für die Wahlrechtsreform, gegen Hunger, Wohnungsnot und Teuerung, gegen die Untätigkeit des Parlaments, das sich in internen Nationalitätenkämpfen selbst lähmte. Auch die Ausrufung der Republik war ein Ereignis, das sich wegen der Nähe zum Parlament auch vor den Fenstern des Epstein-Palais abspielte.

In der Ersten Republik zog der Wiener Stadtschulrat ein: Zeit für eine von hier ausgehende umfassende Schul- und Bildungsreform unter dem sozialdemokratischen Präsidenten Dr. Otto Glöckel.

Nach dem "Anschluss" 1938 musste der Stadtschulrat das Palais räumen. Das Bauamt des "Großdeutschen Reiches" zog dort ein. Epsteins Tanzsaal wurde Verhandlungssaal von Hitlers Beamten. Ahnungslos tagten sie unter den historistischen Deckengemälden von Christian Griepenkerl, jenem Maler, den Epstein einst aus Oldenburg nach Wien geholt hatte und der später Professor an der Wiener Akademie der Bildenden Künste und Direktor der Malerschule wurde. Dieser konservative, deutsche Historienmaler Griepenkerl war es - und kein Jude und kein Vertreter der entarteten Kunst - der sowohl 1907 als auch 1908 einem jungen Mann aus Linz die Aufnahme in die Malerschule verweigerte, nämlich Adolf Hitler.

Nach den Nazis kamen 1945 die Sowjets und etablierten hier ihre Zentralkommandantur. Das Palais wurde zum Schauplatz blutiger Verhöre, vieler Selbstmorde Verzweifelter. Aber das Haus als Kunstwerk wurde in dieser Zeit sorgsam gehütet: Augenzeugen erwähnen einen sehr kultivierten sowjetischen Kulturfunktionär, der die Russen dazu anhielt, dieses ganz besondere Haus zu respektieren und zu schonen. Tatsächlich überstand das Palais die zehn Jahre der sowjetischen Kommandantur fast unbeschädigt.

Erst nach dem Staatsvertrag 1955 war das Haus wieder für den Stadtschulrat frei. Als dieser 2001 ein neues Quartier bezog, meldete das benachbarte Parlament Platzbedarf."

(Fotos: Parlamentsdirektion Christian Hikade)

Quelle:

Hamann, Brigitte: Das Palais Epstein im Lauf der Geschichte. In: Forum Parlament, Jg.3, Nr. 2/ 2005, Parlamentsdirektion Wien,

S. 49-54

Siehe auch:

Das Palais Epstein. Geschichte, Restaurierung, Umbau. Ein neues Haus an der Wiener Ringstraße. Bundesimmobiliengesellschaft mbH (Hrsg.) Wien 2005

Homepage der Parlamentsdirektion www.parlament.gv.at > Besuchen Sie uns > Palais Epstein

(Schluss)