Parlamentskorrespondenz Nr. 878 vom 29.11.2006

Übergangsregelungen im Pflegebereich

Regelung gilt allerdings ab Pflegestufe 3

Wien (PK) – Mit Mehrheit hat der Nationalrat Übergangsregelungen beschlossen, durch die Privathaushalte von Verwaltungsstrafen geschützt werden, in denen Pflegekräfte unangemeldet beschäftigt werden.

Abgeordnete HAIDLMAYR (G) sprach sich gegen die im ÖVP-Antrag vorgeschlagenen Übergangsbestimmungen im Pflegebereich aus, da sie den Betroffenen nichts brächten. Anhand eines konkreten Beispiels veranschaulichte sie, dass durch die Neuregelung die Kosten für die Pflegeassistentinnen in Hinkunft doppelt so hoch ausfallen würden. Sie trete zwar für eine Legalisierung der ausländischen Pflegekräfte ein, unterstrich Haidlmayr, aber es müssten die sich aus einem sozialversicherungsrechtlichen Dienstverhältnis ergebenden Lohnnebenkosten und Sonderzahlungen ebenfalls "von außen finanziert werden". Gleichzeitig müssten einzelne Behinderungsgruppen (z.B. demenzkranke Menschen) neu eingestuft werden, appellierte die G-Abgeordnete. Diese Forderung brachte sie in Form eines Entschließungsantrages schriftlich ein.

Abgeordnete Mag. TRUNK (S) schloss sich ihrer Vorrednerin an und bezeichnete das Pflege-Übergangsgesetz als eine Notlösung für die nächsten sieben Monate. Es sei aber höchst an Zeit, entsprechende legistische und budgetäre Maßnahmen zu treffen, um eine Lösung für den Pflegenotstand in Österreich zu finden, um klare Standards für die Qualitätssicherung festzulegen und um eine Rechtsgrundlage für die verschiedenen Erwerbsformen der Pflege und Betreuung zu Hause zu schaffen. Das "fahrlässige und unzulässige Nichtstun" der Sozialministerin und ihres Vorgängers haben zu den aktuellen Problemen geführt, kritisierte Trunk. Die SPÖ werde der Übergangslösung zustimmen, weil damit vielen Menschen, die pflegebedürftige Angehörige haben, entkriminalisiert werden. Diese Amnestie gelte aber nicht für Trägerorganisationen, betonte die Rednerin.

Die Übergangsregelung sei seiner Ansicht nach keine Notlösung, sondern ein "Offenbarungseid politischer Hilflosigkeit", urteilte Abgeordneter Ing. HOFER (F). Obwohl seit Monaten bekannt sei, dass es große Probleme im Pflegebereich gibt, wurde nicht rasch reagiert. Auch jetzt noch, wo endlich dauerhafte Lösungen gefragt seien, habe die ÖVP noch immer keine Konzepte vorgelegt, bemängelte Hofer. Bezeichnend sei auch, dass es seit der Einführung des Pflegegeldes im Jahr 1993 erst einmal eine Erhöhung gegeben hat. Deshalb gebe es auch die berechtigte Forderung der Behindertenorganisationen, hier endlich eine Inflationsanpassung vorzunehmen, machte der Redner geltend. Angesichts dieser Rahmenbedingungen brauche sich niemand darüber zu wundern, dass sich die Menschen "legale Pflege" nicht mehr leisten können. Hofer brachte sodann einen Entschließungsantrag betreffend die Anpassung des Pflegegeldes ein. In diesem Zusammenhang gab er auch bekannt, dass seine Fraktion den Antrag der Grünen, "der wirklich gut sei", unterstützen wird.

Abgeordnete STEIBL (V) sprach von negativen, inhaltslosen Wortmeldungen, da ihre Vorredner offensichtlich vergessen hätten, was alles schon im Pflegebereich passiert sei. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung werde die Pflege von Angehörigen zu einem immer wichtigeren Thema, für das nun adäquate Lösungen gefunden werden müssten. Durch dieses Übergangsgesetz sollen vorerst einmal Verwaltungsstrafbestimmungen, die Arbeitgeber im privaten Haushalt in Bezug auf die Beschäftigung von Pflegepersonal betreffen, außer Kraft gesetzt werden. Es werde dazu beigetragen, dass im Pflege- und Betreuungsbereich Rechtssicherheit sowohl für den privaten Dienstgeber als auch für das Pflege- und Betreuungspersonal geschaffen wird. Der vorliegende Antrag beziehe sich nicht nur auf ausländische, sondern auch auf inländische Pflegekräfte, stellte Steibl mit Nachdruck klar. Schließlich erinnerte Steibl noch an die zahlreichen Maßnahmen der Bundesregierung, die im Sinne der pflegebedürftigen Menschen und ihrer Angehörigen gesetzt wurden.

Abgeordneter DOLINSCHEK (B) informierte darüber, dass derzeit knapp 400.000 Personen in Österreich Pflegegeld beziehen, wobei über 80 % der Betreuungsleistungen von Angehörigen erbracht werden. Was in der Öffentlichkeit oft einfach als Altenpflege dargestellt werde, sei in der Praxis tatsächlich ein sehr komplexer Rechtsbereich mit teilweise stark zersplitterten Zuständigkeiten. Die Bundesregierung habe in den vergangenen zwei Legislaturperioden zahlreiche Verbesserungen im Pflegebereich vorgenommen, wie z.B. die Einführung der – in Europa einmaligen – Familienhospizkarenz, die volle sozialversicherungsrechtliche Absicherung für pflegende Angehörige in der letzten Phase der Sterbebegleitung, die Umwandlung von Akutbetten in Pflegebetten, die Erschaffung eines Lehrstuhls für die Geriatrie und vieles mehr. Dennoch gebe es noch einiges zu tun, räumte Dolinschek ein, etwa eine erhebliche Anpassung des Pflegegeldes. Der Redner brachte einen Entschließungsantrag ein, der u.a. die Einrichtung eines Notfallfonds für Pflegebedürftige und deren Angehörige vorsieht.

Bundesminister Dr. BARTENSTEIN zeigte sich erfreut darüber, dass mit der SPÖ ein Konsens hinsichtlich der Legalisierung ausländischer Pflegekräfte erzielt werden konnte; damit könne nun ein wichtiger zweiter Schritt gesetzt werden. Heute gehe es aber nicht um die große Gesamtlösung, die sorgfältig vorbereitet werden müsse, sondern um eine Amnestie im Pflegebereich, damit Rechtssicherheit für die Betroffenen und ihre pflegenden Angehörigen gewährleistet wird. Von dieser Amnestie ausgenommen sind aber Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, des Jugendbeschäftigungsgesetzes, des Mutterschutzgesetzes sowie der steuerliche Bereich, erläuterte er.

Abgeordnete Mag. AUBAUER (V) war überzeugt davon, dass die Mehrheit der Österreicher lieber "daheim statt im Heim" ihren Lebensabend verbringen will. 82 % der Menschen sagten, dass sie nur dann in ein Seniorenheim gehen wollen, wenn es gar nicht mehr anders geht. Viele Familien müssen derzeit jedoch auf illegale Pflegekräfte zurückgreifen, da sie sich andere Lösungen nicht leisten könnten. Durch das heute zu beschließende Amnestiegesetz sollen illegale Pflegekräfte unter bestimmten Voraussetzungen straffrei gestellt werden, erklärte Aubauer. Um den künftigen Herausforderungen im Pflegebereich gewachsen zu sein, brauche es jedoch eine "nationale Kraftanstrengung", das heißt eine umfassende Neuregelung des Pflegesystems, die "fit ist für das 21. Jahrhundert". Das primäre Ziel dabei sei es, ein menschenwürdiges Altern in Österreich zu ermöglichen. Dies bedeute, dass Pflege rasch verfügbar ist, dass die Qualität stimmt und dass sie für alle leistbar ist.

Sie sei immer der Meinung gewesen, dass ausländische Pflegekräfte nicht dafür bestraft werden dürfen, dass sie hier in Österreich alte und kranke Menschen pflegen, konstatierte Abgeordnete MANDAK (G). Trotzdem könne sie dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen, da durch die Neuregelung, die erst ab der Pflegestufe 3 einsetzt, etwa an Demenz erkrankte Personen nicht erfasst werden. Mandak war auch der Auffassung, dass für die Pflegekräfte in Hinkunft keine Arbeitnehmerschutzbestimmungen mehr gelten. Dies betreffe zum Beispiel das Recht auf ein eigenes Zimmer oder ein eigenes Bett; - nicht einmal das sei mehr gesichert. Wenn die Pflegekräfte nun angemeldet werden, müsse man auch mit 30 % mehr an Kosten rechnen, gab Mandak zu bedenken. Außerdem zeigte die Rednerin auf, dass keine Bestimmungen hinsichtlich einer Abgabenstrafamnestie im Gesetz enthalten sind. Sie forderte eine generelle Neuorganisation des Pflegegeldes sowie entsprechende Angebote im stationären, teilstationären und vor allem im ambulanten Bereich, damit die Rund-um-die-Uhr-Pflege gar nicht mehr so oft notwendig sei.

Auch wenn sicher Verbesserungen im Pflegebereich notwendig seien, könne man nicht davon ausgehen, dass es überhaupt keine Strukturen gibt, betonte Abgeordnete GRANDER (V). Sie wisse, dass in der mobilen Pflege und großteils auch in den Heimen eine sehr gute Arbeit geleistet wird. Die Pflege kranker Angehöriger und die Altenbetreuung sei jedoch zweifelsohne eine große sozialpolitische, familien-, frauen- und gesellschaftspolitische Herausforderung, wobei der Schutz der Würde des Menschen im Mittelpunkt stehe. Was die Betreuung von kranken Angehörigen betrifft, so sollten die Betroffenen mehr entlastet werden, forderte Grander, z.B. durch teilstationäre Lösungen, Besucherdienste etc. Weiters wünschte sich die Rednerin, dass die Pflegeeinstufung durch Pflegepersonen erfolgt, damit nicht nur der medizinische Aspekt berücksichtigt wird. Bezüglich des Vorschlags, ein soziales Jahr einzuführen, merkte sie an, dass dies sowohl für Männer als auch für Frauen gelten sollte. Sie könnte sich auch vorstellen, dass Frauen der Zugang zum Zivildienst auf freiwilliger Basis eröffnet wird. "Neue Herausforderungen brauchen neue Antworten", schloss Grander.

Abgeordneter WEINZINGER (F) merkte kritisch an, dass die Demographen schon seit vielen Jahren auf die durch die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung erwachsenden Herausforderungen hinweisen, darauf aber seitens der Politik nicht bzw. völlig unzureichend reagiert wurde. Ein Beweis dafür sei, dass heute ein Übergangsrecht beschlossen und Notverordnungen erlassen werden müssen. In diesem Zusammenhang gab er zu bedenken, dass es keine Gleichbehandlung gebe, da es auch Menschen gibt, die schon immer ihre Pflegekräfte legal angestellt haben. Deshalb sei die Regelung als "Husch-Pfusch-Gesetz" zu betrachten, die keine wirkliche Lösung bringe. Eine umfassende Gesamtlösung sei absolut vonnöten, unterstrich Weinzinger.

Bundesministerin HAUBNER schloss sich ihrem Vorredner dahingehend an, dass eine Gesamtlösung dringend notwendig sei. Aufgrund der Kompetenzverteilung sei dies jedoch nicht so einfach durchführbar, gab die Ressortchefin zu bedenken. Der Bund sei nämlich für die pflegenden Angehörigen und die Auszahlung des Pflegegeldes zuständig, die Länder für die stationären Einrichtungen und für die mobilen Dienste. Dennoch habe man in letzten Jahren versucht, auf die Herausforderungen der demographischen Entwicklung entsprechend zu reagieren, und zwar nicht nur bei der Pflege, sondern auch bei den Pensionen und in der Familienpolitik. Die heute vorliegende Lösung sehe sie als Übergangslösung und sie könne in keinem Fall in irgendeiner Form eine Dauerlösung sein. Daher müsse man sich so rasch wie möglich überlegen, wie man eine leistbare Pflege zu Hause gewährleisten kann, ohne dass die inländischen Pflegekräfte diskriminiert werden. Es sei dabei für sie klar, dass sowohl Bund als auch Länder zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen müssen, betonte Haubner.

Bei der Abstimmung wurde das Pflege-Übergangsgesetz mehrheitlich angenommen; der G-Entschließungsantrag betreffend Änderung der Pflegegeldeinstufungsverordnung sowie der F-Entschließungsantrag betreffend Erhöhung des Pflegegelds wurden abgelehnt. Der BZÖ-Entschließungsantrag betreffend umfassende Verbesserungen im Pflegebereich fand ebenfalls keine Mehrheit.

(Schluss Pflege/Forts. NR)


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