Parlamentskorrespondenz Nr. 125 vom 28.02.2007

Vom Facharbeitermangel bis 24-Stunden-Betreuung zu Hause

Renate Csörgits folgt Heidrun Silhavy als Ausschussobfrau

Wien (PK) - Neben den Aussprachen über aktuelle Fragen mit den Bundesministern Martin Bartenstein und Erwin Buchinger stand die Wahl der Obfrau auf der Tagesordnung des Ausschusses für Arbeit und Soziales. In diese Funktion wurde S-Abgeordnete Renate Csörgits gewählt. In ihren einleitenden Worten versprach die neue Vorsitzende, dass Gesetzesvorlagen und Abänderungsanträge rechtzeitig vorgelegt werden, damit man sich fundiert mit den Materien auseinandersetzen könne. Auch ging sie von einer guten Zusammenarbeit mit den beiden Ministern und mit Staatssekretärin Christine Marek sowie den Fachexperten und Beamten der Ressorts aus. Um die Arbeit im Ausschuss zu erleichtern, wolle sie auch eine Ausschussplanung bis Juni vorlegen, betonte Csörgits.

In seinem Kurzstatement umriss Wirtschaftsminister Martin Bartenstein wichtige anstehende Probleme. So machte er darauf aufmerksam, dass die Zahl der Arbeitslosen derzeit rückläufig sei, dass es nach Eurostat eine Arbeitslosenrate von 4,5 % gebe und man sich im Regierungsprogramm die Zielvorstellung gesetzt habe, diese bis 2010 auf 3,9 % zu senken. Das große Ziel der Bundesregierung, so Bartenstein, ist die Vollbeschäftigung bis 2010. Eine besondere Zielgruppe am Arbeitsmarkt stellt für Bartenstein die Jugend dar, besonders für jene Jugendlichen, die eine Lehre abgebrochen, keinen Schulabschluss oder oftmals auch einen Migrationshintergrund haben, müsse noch sehr viel getan werden. Der Blum-Bonus werde um ein Jahr verlängert, um mehr Dynamik in den Lehrlingsarbeitsmarkt zu bringen. Bei den älteren Arbeitnehmern sei eine "Frühpensionitis" feststellbar, der man mittels Maßnahmen im Rahmen der Pensionssicherungsreformen Einhalt gebieten möchte, und zwar durch die schrittweise Heranführung des Pensionsantrittsalters an das gesetzliche Pensionsantrittsalter. Am gesetzlichen Pensionsantrittsalter soll laut Wirtschaftsminister nicht gerüttelt werden, da sich eine diesbezügliche Maßnahme kontraproduktiv auswirken würde.

Im Hinblick auf die Weiterbildung sprach Bartenstein von der weiteren Attraktivierung der Bildungskarenz, von einer Evaluierung der Zumutbarkeitsbestimmungen und davon, dass man auf die 2011 anstehende Öffnung des Arbeitsmarktes für Mitglieder der neuen EU-Mitgliedsstaaten vorbereitet sein müsse. Auch wolle man Flexibilität bei den Schlüsselarbeitskräften erreichen. In den nächsten Monaten sind Schritte einer Arbeitszeitflexibilisierung – diese basiert auf einem Sozialpartnerkonsens – zu erwarten.

Als weitere Aufgaben nannte der Ressortleiter das "Megaprojekt" Neukodifizierung des Arbeitsrechtes, die bessere soziale Absicherung von Selbständigen und eine leistbare 24-Stunden-Betreuung. Bis 30. Juni 2007 müsse eine Betreuungsregelung verabschiedet werden, da das gemeinsam beschlossene Amnestiegesetz auslaufe und die Menschen ein Anrecht auf eine langfristig abgesicherte Lösung haben.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) schnitt den Facharbeitermangel an, wies darauf hin, dass es große Betriebe gebe, die zu wenig ausbilden, und regte an, das bestehende Vorarlberger Modell eines Ausbildungsverbundes zumindest auf bestimmte Branchen auszudehnen. Weiters wollte er wissen, wie der Blum-Bonus fortgesetzt wird, weil auch Ausbildungen gefördert werden, die nicht zukunftsträchtig sind.

Abgeordneter Norbert Hofer (F) kam auf die Entlastung des Faktors Arbeit und auf die Senkung der Lohnnebenkosten sowie auf die Bekämpfung der Schwarzarbeit zu sprechen.

Abgeordneter Josef Muchitsch (S) erkundigte sich danach, welche Initiativen man zu setzen gedenke, um eine kontinuierliche Beschäftigung von Saisonarbeitskräften zu erreichen. Weitere Themen waren die Höherqualifizierung von Facharbeitern, ausreichende Mittel für die AUVA und die Umfunktionierung der Arbeitsinspektion zu einer Behörde, die unangemeldet kontrollieren kann.

Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) befasste sich mit dem Krankenanstaltenarbeitszeitgesetz, fragte nach Maßnahmen zur Absenkung der Arbeitsunfälle und hinterfragte die Meinung des Ressortleiters zum Umbau des Plenarsitzungssaales.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (G) kam auf die legale Pflege rund um die Uhr zu sprechen und wollte wissen, was man tun werde, damit die Unternehmer, aber auch der Bund und die Länder ihrer Behinderteneinstellungspflicht nachkommen. Eine weitere Anfrage bezog sich auf die Anhebung der Ausgleichstaxzahlungen.

Abgeordnete Ridi Steibl (V): Welche Maßnahmen setzt die Bundesregierung, um ältere Arbeitnehmer im Arbeitsmarkt halten zu können?

Abgeordneter Franz Riepl (S) schnitt das Projekt der Nachqualifizierung von Arbeitslosen an und wollte von Minister Bartenstein erfahren, welche Bereiche er am schnellsten in Angriff nehmen werde.

Abgeordnete Barbara Riener (V) beschäftigte sich mit der Arbeitszeitproblematik und Abgeordnete Laura Rudas (S) fragte u.a. nach einem Zuschlag für Mehrarbeit von Teilzeitbeschäftigten.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein erachtete u.a. die Senkung der Arbeitskosten für ein wichtiges Anliegen, das man im Rahmen der geplanten Entlastung 2010 in Angriff nehmen werde. Aus Sicht der Sozialpartner solle es eine weitere Arbeitskostensenkung bei älteren Arbeitnehmern und bei Niedrigeinkommensbeziehern (zwischen Geringfügigkeit und 1.000 € brutto) geben. Im Hinblick auf die Freizügigkeit meinte der Ressortchef, die Lohnkosten seien in den neuen Mitgliedsländern geringer, jedoch müssen den Arbeitnehmern und Dienstleistern bei uns in Österreich die ortsüblichen Löhne bezahlt werden. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit werde nicht zu einem Lohn- und Sozialdumping führen.

Die Bundesregierung habe in der Koalitionsvereinbarung das Ziel der Vollbeschäftigung formuliert und für erreichbar erklärt. Das bedeute aber nicht, so Bartenstein, dass jeder, der einen Job sucht, auch einen Job bekommt.

Laut Wirtschaftskammer und AMS fehlen bis zu 50.000 Facharbeiter. Es sei ein Irrglaube anzunehmen, dass aus Polen und aus Tschechien die Spezialisten nach Österreich kommen, denn auch diese Länder benötigen ihre Fachkräfte. In Rumänien bestehe etwa am Bau ein Facharbeitermangel. Zur Überbrückung eines punktuellen Facharbeitermangels in Österreich werde es eine sektorelle Öffnung für drei Berufsgruppen, für Schweißer, Dreher und Fräser, geben.

Den Vorarlberger Ausbildungsverbund nannte der Minister als erfolgreich; er hielt es für zweckmäßig, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammentun. Der Blum-Bonus werde fortgesetzt, und hinsichtlich der Zumutbarkeitsbestimmungen gebe es einen Konsens der Sozialpartner. Es werde auch eine Mobilitätsprämie geben.

Aus Sicht des Ressortchefs ist der Plenarsitzungssaal nicht nur behindertengerecht umzubauen, sondern er entspreche auch sonst nicht den heutigen Anforderungen. Der Umbau müsse kostengünstig sein und sollte in absehbarer Zeit erfolgen.

Im Zusammenhang mit der 24-Stunden-Betreuung daheim verwies Bartenstein darauf, dass es hierbei nicht um Pflege, sondern um Betreuung, ergänzt um Leistungen der mobilen Pflege, gehe. Die finanziellen Gespräche mit den Ländern führe Minister Buchinger.

In den nächsten Wochen wolle er sich besonders mit der Betreuung daheim, mit dem Fachkräfteproblem, der Arbeitszeitflexibilisierung, der Qualifizierung von Arbeitskräften und der Jugendbeschäftigung befassen.

In einer weiteren Fragerunde kamen vor allem folgende Themen zur Sprache: Blum-Bonus, Aufweichung des Kündigungsschutzes von Lehrlingen (Abgeordnete Ursula Haubner, B), Generalkollektivvertrag sowie Arbeitszeitregelung und Einbeziehung von Selbständigen in die Arbeitslosenversicherung (Abgeordnete Birgit Schatz, G), Forcierung des lebenslangen Lernens, Mitarbeiterbeteiligung (Abgeordneter August Wöginger, V), Personalaufstockung beim AMS, AMS-Förderungen für Jugendliche (Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig, S), Neukodifikation des Arbeitsrechtes (Abgeordnete Beatrix Karl, V), Pflege zu Hause (Abgeordnete Maria Grander, V), Altersteilzeitregelungen, ausländische Arbeitslose (Abgeordneter Herbert Kickl, F), Ladenöffnungszeiten (Abgeordneter Erwin Spindelberger, S).

Bundesminister Martin Bartenstein betonte, die Kündigung von Lehrlingen solle ein Ausnahme bleiben und nicht die Regel werden. Wurde im Fall der Kündigung ein Blum-Bonus bezogen, werde er nicht mehr weiter ausbezahlt. Für die Einbeziehung der Selbständigen in die Arbeitslosenversicherung gebe es ein Modell; es werde auch eine Bemessungsgrundlage geben. Die Zahl der ausländischen Arbeitslosen sei ebenso rückläufig wie die Zahl der inländischen Arbeitslosen. Die ausländischen Arbeitslosen haben dieselben Ansprüche wie die inländischen, da Arbeitslosenversicherungsbeitrag geleistet werden muss. (Fortsetzung/Buchinger)