Parlamentskorrespondenz Nr. 176 vom 16.03.2007

Hainburg - ökologischer Aufbruch und politische Zäsur im Jahr 1985

Wien (PK) –  Nachdem am  2. Jänner 1985 der Verwaltungsgerichtshof den Wasserrechtsbescheid aufgehoben hatte und daraufhin die Rodungen bis zur Klärung der rechtlichen Frage eingestellt worden waren, gab Bundeskanzler Fred Sinowatz am 23. Jänner 1985 vor dem Nationalrat eine Erklärung ab. Diese mündete in der Feststellung, Hainburg sei zu einem "Symbol eines grundsätzlicheren, letztlich gesellschaftspolitischen Konflikts geworden: eines Konflikts zwischen Wirtschaft und Ökologie, zwischen Technik und Natur, zwischen Tradition und Zukunft, eines Konflikts, wie ihn in abgewandelter Form alle Industriestaaten erleben."

Bundeskanzler Sinowatz begann mit der Feststellung, die Erhöhung der Energieunabhängigkeit vom Ausland und die Sicherheit der Energieversorgung könne nur durch Steigerung des Anteils erneuerbarer Energieträger, in erster Linie durch die Nutzung der heimischen Wasserkraft, erreicht werden, was auch die sauberste Lösung sei. Er begründete ausführlich, warum der Standort Hainburg für das Kraftwerk gewählt wurde und versicherte, dass dabei vor allem der Sicherung der Heilquellen in Deutsch-Altenburg, der Sicherung des Trinkwassers für Wien und den Bedürfnissen der Schifffahrt besonderes Augenmerk geschenkt worden sei. In Bezug auf das Ramser Abkommen meinte er, dieses habe die Erhaltung der darin aufgelisteten Feuchtgebiete zum Ziel, verbiete aber keine Eingriffe. Gemäß dem Berner Übereinkommen werde die Erhaltung wildlebender Pflanzen und Tiere sowie ihrer natürlichen Lebensräume durch kompensatorische Maßnahmen gesichert. "Mit allem Nachdruck" wolle er daher festhalten, dass der Beginn der Rodungsarbeiten in "rechtmäßiger Ausübung einer erteilten Bewilligung" erfolgt sei. Das Vorgehen der Exekutive habe sich gegen die Beeinträchtigung dieser Rechte gerichtet.

Es folgte daraufhin ein Rückblick auf die Ereignisse im Dezember 1984, wobei der Bundeskanzler berichtete, die unter Exekutivschutz von etwa 900 Beamten am Morgen des 17. Dezember wiederaufgenommenen Arbeiten hätten auf Grund des Widerstandes der Demonstranten abgebrochen werden müssen, weil "eine Fortsetzung der Arbeiten nur unter Anwendung von Waffengewalt möglich gewesen wäre". Ein Teil der Demonstranten sei trotz gegenteiliger Behauptung sehr wohl zu aktivem Widerstand und zu Gewaltanwendung gegen die Exekutive übergegangen. Sinowatz dankte in diesem Zusammenhang den Betriebsräten und dem ÖGB, die von einem für diesen Tag geplanten Demonstrationszug zur Baustelle in die Stopfenreuther Au abgesehen hatten und damit "ihr hohes Verantwortungsbewusstsein unter Beweis gestellt" hätten.

Nachdem am 19. Dezember unter Schutz von ca. 1.100 Exekutivbeamten in einem von Demonstranten nicht besetzten Gebiet mit Rodungsarbeiten begonnen worden sei, berichtete der Bundeskanzler weiter, seien bald darauf Kraftwerksgegner gekommen, um die Einstellung der Arbeiten zu erzwingen. Im Laufe dieser Auseinandersetzungen habe man auch von Gummiknüppeln Gebrauch machen müssen. Die Exekutivorgane hätten "ihre Pflicht mit Besonnenheit und Geduld erfüllt" betonte Sinowatz und wies "ungerechtfertigte Angriffe gegen die eingesetzten Exekutivorgane mit Entschiedenheit zurück".

"Die Ereignisse des 19. Dezember haben Gegner und Befürworter des projektierten Kraftwerksbaues überrascht und allseits Betroffenheit verursacht", sagte der Bundeskanzler. Die Regierung sei vor einer schweren Entscheidung gestanden und habe sich "unter sorgsamer Abwägung aller wirtschafts-, umwelt- und demokratiepolitischen Aspekte" für "einen friedlichen, unserer politischen Tradition seit 1945 entsprechenden, spezifischen österreichischen Weg" entschieden. Man habe dementsprechend am 21. Dezember die Aussetzung aller Rodungs- und Bauarbeiten bekanntgegeben. Man wolle nun die Zeit nützen, versicherte der Regeierungschef, alle Standortvarianten, alle ökologischen und wirtschaftlichen Aspekte dieses Projekts vorurteilsfrei einer abermaligen Überprüfung zu unterziehen. Für den weitern Kraftwerksbau an der Donau werde ein Regierungsbeauftragter bestellt, kündigte der Bundeskanzler an.

Sinowatz wies am Ende seiner Ausführungen auf das im Ministerrat beschlossene 11-Punkte-Programm hin, in dem sich die Bundesregierung zum weiteren Ausbau der Wasserkraft und damit auch zur Errichtung eines Donaukraftwerkes bei Hainburg bekannte, weiters zu beschäftigungspolitischen Maßnahmen und zur Errichtung eines Nationalparks Thaya-March-Donau-Auen.

Erfolgte der Baubeginn zurecht?

Für den Parteiobmann der ÖVP, Abgeordneten Alois Mock, war diese Erklärung zu wenig und "unbefriedigend". Die Regierung habe um die hohe politische Sensibilität des Projekts gewusst, bemerkte er, man sei aber wie der "Elefant im Porzellanladen" vorgegangen. Vom ÖVP-Abgeordneten Walter Hainzinger wurden daher im Laufe der Debatte Misstrauensanträge gegen Bundeskanzler Fred Sinowatz, gegen den Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie, Norbert Steger, gegen den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Günter Haiden, und gegen den Bundesminister für Inneres, Karl Blecha, eingebracht. Alle vier Anträge wurden am Ende der Debatte von den Abgeordneten der Koalitionsparteien SPÖ und FPÖ mehrheitlich abgelehnt. Auch ein ÖVP-Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, vorgelegt von Abgeordnetem Heinrich Neisser, blieb in der Minderheit.

Mock kritisierte scharf das Vorgehen der Regierung, die die Ablehnung des Projekts in erster Instanz durch die drei Bezirkshauptleute von Gänserndorf, Bruck an der Leitha und Wien-Umgebung missachtet habe. In zweiter Instanz sei dann der sozialistische Landesrat Brezovszky unter Heranziehung von ergänzenden und geheimen Gutachten dem "Auftrag seiner Partei" nachgekommen. Schließlich habe Landwirtschaftsminister Haiden "in unübersehbarer Eile" den Wasserrechtsbescheid erlassen, ohne die Frist für die Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof abzuwarten. Da laut diesem Bescheid aber die Baumaßnahmen erst nach wasserrechtlicher Bewilligung der Detailprojekte hätte erfolgen dürfen, sei die Feststellung des Bundeskanzlers, wonach die Rodungsarbeiten zurecht erfolgt seien, nicht haltbar, argumentierte Mock. Auch habe man nicht die Möglichkeit einer Sonderbewilligung ergriffen, womit das Vorgehen als widerrechtlich einzustufen sei.

Dem Innenminister warf Mock "doppeltes Versagen" vor, da einerseits die rechtliche Ausgangssituation falsch gewesen sei, andererseits Minister Blecha den Einsatzbefehl gegeben habe, ohne vorher sämtliche Friedensmöglichkeiten auszuschöpfen. Damit habe man keineswegs den "österreichischen Weg" beschritten, replizierte Mock auf die Aussagen des Bundeskanzlers, sondern eine Situation herbeigeführt, "wo überwiegend friedliche Umweltdemonstranten Gefahr liefen, sich zu radikalisieren, und wo überwiegend friedliche Arbeiter zum Kampf um ihre Zukunft angetreten sind. Fehlentscheidungen und Versäumnisse haben sich laut Mock gehäuft: Die Exekutive habe man durch politisch ungeschicktes Verhalten in den Augen der Bürger abgewertet; der Energieminister habe seinerzeit die Initiative der Umweltschützer zur Rettung der Donau-March-Auen unterschrieben, diese Unterschrift in der Zwischenzeit aber wieder vergessen; und der Bundeskanzler habe erst dann gehandelt und zurückgezogen, als die Scherben am Boden lagen.

Man habe die Chance eines gemeinsamen Vorgehens weggeschoben, als man den Friedensplan der ÖVP – damit war der Entschließungsantrag vom 11. Dezember 1984 gemeint - niedergestimmt habe, bedauerte Mock, heute müsse man danach handeln. Zur Beruhigung sei es trotz und nicht wegen der Politik der Regierung gekommen, sagte er. Das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat sei erst wieder durch den Verwaltungsgerichtshof gestärkt worden.

Zur Entgegnung und Verteidigung der Bundesregierung trat daraufhin der Klubobmann der SPÖ, Sepp Wille, ans Rednerpult. Nach dem Bau von acht Donaukraftwerken sei man davon ausgegangen, dass eine Baubewilligung nicht notwendig sei. Die vorliegende Judikatur sei neu. Man sollte einer Regierung nicht die Schuld geben, wenn in einer Gesellschaft neue Ufer und neue Tendenzen sichtbar werden, rechtfertigte Wille das Vorgehen der Regierung. Das Kraftwerk sei jahrelang geplant worden, man habe daher auch nicht mehr warten wollen. Den von den Kraftwerksgegnern verursachten Schaden bezifferte Wille mit 2 Milliarden Schilling, und er fügte unter Hinweis auf die Stromverteuerung um 10 Prozent hinzu, dass sich wohl die Bildungsschicht Widerstand leisten könne, nicht aber Ausgleichsrentenempfänger. Außerdem könne man nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn man vernünftig vorgehe und nicht nach zehnjähriger Planung eines Kraftwerks um 12 Milliarden diesen Bau wieder stoppe.

Man stimme in vielen Punkten mit dem Konrad-Lorenz-Volksbegehren überein, bemerkte Wille, Trennendes gebe es nur in Bezug auf Kraftwerke in den Nationalparks und in der Frage der Kernenergie. Es gehe daher darum, die Ereignisse vernünftig zu verarbeiten, nicht arrogant und nicht gegen den Umweltschutz, denn man brauche sowohl Ökologie als auch Ökonomie; ein Entweder–Oder könne es nicht geben. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die bisherigen Maßnahmen zum Umweltschutz, wie die Reinhaltung der Seen und Flüsse, wie bleifreies Benzin, entschwefeltes Öl und die Reduktion des Ausstoßes von Schwefeldioxid.

Abgeordneter Friedrich Peter (F) hob den "Lernprozess" hervor, dem man sich zu stellen habe, sowohl als einzelner als auch als politische Partei. Ihm sei, wahrscheinlich aufgrund seines Alters und seiner Erfahrung, bewusst geworden, was da plötzlich auf dem Spiel stehe. Mit dem Weihnachtsfrieden und mit dem 11-Punkte-Programm habe die Bundesregierung bewiesen, dass sie die Signale von Hainburg zu deuten weiß, betonte er. Dadurch habe die Situation entkrampft und die Grundlage für einen breiten Dialog geschaffen werden können. Die Regierung habe damit einen weiteren Beweis dafür erbracht, dass die Erhaltung der Konsensdemokratie zu den obersten Prinzipien zähle. Hainburg signalisiere, dass ernst zu nehmende Teile der Gesellschaft die Gegenwart nicht mehr in dieser Form fortgeschrieben haben wollen, und damit müsse man sich positiv und konstruktiv auseinandersetzen. Für die Älteren bedürfe es dabei vor allem der Geduld und der Kunst des Zuhörens. Die Wege, die beschritten werden müssen, seien zu prüfen, um die heute lebenden und die kommenden Generationen mit einer lebenswerten Umwelt auszustatten.

Peter formulierte es als ein freiheitliches Anliegen, die Erfordernisse der Ökologie und der Ökonomie besser als bisher aufeinander abzustimmen, und erinnerte wie sein Vorredner auf die bisherigen Maßnahmen zum Schutz der Umwelt. Er unterstrich gleichzeitig aber auch die Notwendigkeit, den Energiebedarf sicherzustellen und mehr Energieunabhängigkeit zu erreichen, weshalb die umweltschonende Nutzung der Wasserkraft in Österreich unerlässlich sei. Dafür müsse man den Blick der Menschen schärfen, sagte Peter und räumte ein, dass die Kontrollmechanismen in den Machtapparaten zu wenig funktionieren. Es gebe vor allem zu viel parteipolitische Gängelung. Daher sollte Hainburg auch hier verstärkt Anlass sein, den Weg von gestern in das Morgen anzutreten.

Sind Ökologie und Ökonomie miteinander vereinbar?

Von einer "Zäsur" sprach Abgeordneter Heinrich Neisser (V), bezweifelte aber, dass die Regierung aus Hainburg etwas gelernt habe. Im Bericht des Bundeskanzlers vermisste er Zukunftsperspektiven, darüber hinaus seien nicht alle Fakten richtig dargestellt worden und außerdem sei der Kanzler viel zu allgemein gewesen. Der österreichische Weg könne nicht so aussehen, dass man zunächst durch Entscheidungsschwächen und Unklarheiten eine Krise herbeiführe und dann sage, man habe wieder miteinander reden können.

Offensichtlich sei die Regierung nicht mehr in der Lage, Großprojekte so verantwortungsvoll zu planen, stellte Neisser fest und erinnerte in diesem Zusammenhang an das AKH. Er hinterfragte auch, was der Energieminister eigentlich getan hat und forderte dessen politische Verantwortung ein. Das Vorgehen von Landesrat Brezovszky sowie von Landwirtschaftsminister Haiden unterzog er einer harschen Kritik. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes mache deutlich, dass im Hinblick auf den Rechtsstaat der Regierung kein gutes Zeugnis auszustellen sei, hielt Neisser aus seiner Sicht fest. Die Regierung habe über keine Rechtsgrundlage für den Beginn der Arbeiten verfügt. Die 31 Auflagen im Bescheid des niederösterreichschen Landesrats seien so allgemein formuliert, dass man nicht in der Lage sei, die exakte Einhaltung zu überprüfen. Noch nachdenklicher mache ihn, Neisser, die Rolle von Sachverständigen, denen er vorauseilenden Gehorsam vorwarf. Brezovszky habe zusätzlich zu den vorliegenden negativen Gutachten der Bezirkshauptleute andere Gutachter geholt und sich dann auf diese gestützt, ohne auf die ersten Gutachter hinzuweisen. Aufklärungsbedürftig sei auch das Verhalten des Innenministers, konstatierte Neisser. Aus diesem Grund brachte er einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ein.

Abgeordneter Rudolf Pöder (S) verteidigte Landesrat Brezovszky vor Herabsetzung in "unverantwortlicher Weise" und warf die Frage auf, wie es mit dem sozialen Wohlfahrtsstaat weitergehen solle. Dabei klang die Sorge um die Sicherung der Arbeitsplätze und des sozialen Netzes für spätere Generationen an, aber auch das Problem, wie man bei der Lösung dieser Fragen die eminenten Gefahren der Umweltgefährdung berücksichtigen könne. Dabei nütze keine Polarisierung, sondern hier helfe nur der Verstand, betonte Pöder. Jetzt sei die Phase da, sich von den Emotionen der nahen Vergangenheit frei zu machen.

Er warb um Verständnis für den ÖGB, der in keiner Phase beabsichtigt habe, den Baubeginn mit der Gewalt der Arbeiter und Angestellten durchzusetzen. Der ÖGB habe sich im Vertrauen auf das Recht an die zuständigen Organe des Staates gewendet, um den persönlichen Schutz der Arbeiter sowie den Schutz der Geräte und Maschinen zu gewährleisten. Der ÖGB habe auch den Weihnachtsfrieden ohne Kritik in der Hoffnung auf ein friedliches Einvernehmen unterstützt. Er, Pöder, könne aber nicht verhehlen, dass die "sogenannten Auschützer" die Geduld der Arbeiter und Angestellten auf eine harte Probe gestellt haben, hielt Pöder fest. Man werde daher alles aufbieten müssen, um miteinander zu reden und die Dinge in eine vernünftige Richtung zu lenken.  Es gehe aber nicht an, dass die einen als Betonierer abgestempelt werden, die anderen aber als idealistische Umweltschützer dastehen. Der Ausstieg aus der Industriegesellschaft könne für verantwortungsvolle Menschen keine Alternative sein, denn es gehe um Arbeitsplätze, Wohlstand und sozialen Frieden.

Abgeordneter Friedrich Probst (F) hielt der ÖVP vor, sich in einer unschönen Weise vom gemeinsamen Ja zu Hainburg abzuseilen, wie er sich ausdrückte. Vor allem konnte er den Misstrauensantrag gegen Bundesminister Steger nicht verstehen, da dieser laut Probst nichts mit Stopfenreuth zu tun habe. Wie Klubobmann Wille (S) zuvor, verteidigte Probst den Baubeginn in der Au, da bislang bei allen Donaukraftwerken das Baurechtsverfahren mit dem Wasserrechtsbescheid abgeschlossen gewesen sei. Er appellierte, die Stromaufbringung in Österreich durch saubere Wasserkraft nicht zu vernachlässigen, denn das sei eine Energieressource, die das Land importunabhängiger mache. Er begrüßte den 11-Punkte-Plan der Regierung und damit die Wende, die das Ganze nun genommen habe. Hainburg habe sicherlich etwas aufbrechen lassen, dem alle hilflos bis ratlos gegenüberstünden, betonte Probst, aber die Demokratie müsse Rückgrat beweisen, wenn sie und der Rechtsstaat gefährdet ist; die Demokratie müsse aber auch "Flexibilität beweisen, wenn neue, im guten Sinne demokratische Ideen nach oben streben.

Als "das Waterloo für SPÖ und FPÖ" und die "ganz persönliche Niederlage des Bundeskanzlers", leider aber auch als "eine staatspolitische Wunde" für Österreich bezeichnete Abgeordnete Helga Rabl-Stadler (V) die Vorkommnisse in Hainburg. In den siebziger Jahren habe die SPÖ das Ziel gehabt, Arbeiterkindern mehr Plätze an den Universitäten zu verschaffen, in Hainburg hätten SP-Funktionäre und Abgeordneter Hesoun die Front zwischen steuerzahlenden Arbeitern und Gratisstudenten neu aufgerissen. In den siebziger Jahren habe sich die SPÖ als Partei der Zukunft verkauft, nun scheitere sie an den Problemen der Gegenwart. In den siebziger Jahren habe die SPÖ versucht, ihr Verhältnis zur Exekutive zu entkrampfen, nun sei es ausgerechnet der Innenminister, der durch seinen Einsatzbefehl diese Beziehungen wieder verkrampfe, so die Einschätzung Rabl-Stadlers. Die Koalition habe es durch ihr schlecht vorbereitetes und juristisch geradezu dilettantisches Vorgehen geschafft, alle Österreicher, seien sie nun für oder gegen Hainbug, zu verärgern. Der Energieminister habe es sich geleistet, beim wichtigsten Energieprojekt des Jahrzehnts keine Rolle zu spielen, und seine Verantwortung als Eigentümervertreter in der E-Wirtschaft nicht wahrgenommen. Rabl-Stadler erinnerte nochmals an den sogenannten Friedensplan der ÖVP, der von der Regierung erst verwirklicht worden sei, nachdem in Hainburg demokratiepolitischer Schaden angerichtet worden war. Dem Bundeskanzler sprach sie Glaubwürdigkeit ab, da er ohne Gespür in eine Konfrontation gegangen sei, die er dann nicht durchgestanden habe.

Daraufhin ergriff Bundesminister Günter Haiden das Wort und betonte, kein Projekt des bisherigen Donauausbaus sei so umfassend geprüft worden wie Hainburg, und bei keinem habe es so einschneidende Umweltauflagen gegeben, wie bei diesem. Am 5. Dezember 1984 seien alle Voraussetzungen für die Bescheiderteilung gegeben gewesen, bekräftigte er. Die Rodungen seien rechtmäßig erfolgt. Die bisherige Praxis stehe im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und dieser habe nicht in der Sache selber entschieden. Natürlich habe ein Höchstgericht die Möglichkeit, die Judikatur zu ändern, aber die Behörde könne doch nur nach der bisherigen Judikatur vorgehen und nicht nach einer, die möglich sein könnte, die es aber noch nicht gibt. 

Abgeordneter Rupert Gmoser (S) sah die Ursache für die "unheilvolle Entwicklung in Hainburg" unter anderem in der "Heilsbessessenheit" vieler. Es gebe aber kein Entweder-Oder, denn gerade aus ökologischen Gesichtspunkten könne und müsse man das Ja sowohl zu Zwentendorf als auch zu Hainburg begründen. Beide Energieformen wiesen die größte Umweltfreundlichkeit auf. Gmoser gab aber auch zu bedenken, dass in der Vergangenheit das Wachstum ein Wert an sich gewesen sei, man aber auch ein qualitatives Wachstum im Auge behalten müsse. Die Problemstellung laute daher: Was soll wachsen und unter welchen Umständen? Man dürfe keine Alternative zur Industriegesellschaft suchen, sondern eine Alternative in der Industriegesellschaft. Das müsse wieder in das Bewusstsein der Parteien gerückt werden, und dazu bedürfe es keiner neuen Partei, meinte er. Wo immer wirtschaftspolitische Entscheidungen zu treffen sind, sei selbstverständlich berechtigten Umweltanliegen Rechnung zu tragen. Der Bundesregierung attestierte Gmoser, entscheidende gesetzliche, materielle und finanzielle Voraussetzungen geschaffen zu haben, um Schritt für Schritt an die Verbesserung der Umwelt zu gehen. 

Gleichzeitig mahnte er aber ein, der Arbeitswelt mehr Beachtung zu schenken,  zumal er dort einen großen Aufholbedarf ortete. Gegen gesundheitliche Belastungen, beispielsweise durch Staub, Hitze und Kälte, nichts zu tun, dafür aber eine finanzielle Abgeltung in Form von Zulagen zu gewähren, sei keine Lösung, hier müssten strukturelle Veränderungen der Produktionsprozesse Platz greifen, forderte Gmoser. In Hinkunft müsse für die Vorsorge, Umweltschäden von vornherein zu vermeiden, mehr Geld ausgegeben werden. Das komme billiger, als die Schäden hinterher zu beseitigen. Die Antwort könne nicht in der Ablehnung der Technik liegen, sondern in einem Ja zur technischen Kontrolle, zur sozialen Kontrolle der Technologie und in einem Ja zu staatlichen Rahmenbedingungen, um den Aspekt der Ökologie in ein gesamtpolitisches Konzept einzubinden. Gmoser war zudem zuversichtlich, dass man mit Umweltpolitik tausende Arbeitsplätze schaffen und neue Absatzmärkte gewinnen werde können.

Die Regierung sei ihrer Verantwortung im Ablauf des Rechtsverfahrens nicht gerecht geworden, glaubte Abgeordneter Johann Gassner (V). Sie habe den Friedensplan der ÖVP negiert und müsse diesen faktisch nun vollziehen. Er bedauerte es vor allem, dass man nicht schon vor einem Jahr in einem Ausschuss des Nationalrates über Hainburg diskutiert und die Rechtssituation ausgelotet hat, zumal eine Petition vorgelegen sei. Er sei dagegen gewesen, dass die Arbeitnehmer in die Au gehen, da es nicht Aufgabe der Gewerkschaft, eines Betriebsrats oder eines Arbeitnehmers sei, für Ordnung im Staat zu sorgen, sondern das sei Aufgabe der Regierung. Er beklagte, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck einer Kluft zwischen Studenten und Arbeitern entstanden ist. Gassner kritisierte vor allen Vizekanzler Steger, der die Aufgabe gehabt hätte, sich zeitgerecht um die Dinge zu kümmern. Denn es gebe ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahr 1979, aus dem herauszulesen sei, dass auch bei einem bevorzugten Wasserbau eine baubehördliche Baubewilligung notwendig ist. Als Gewerkschafter bekannte sich Gassner zu einer offensiven Wirtschaftspolitik, die mit modernen Methoden und Techniken auch die Probleme der Umwelt in den Griff bekommt. Die ÖVP stehe für eine der Umwelt verpflichtete soziale Marktwirtschaft, bekräftigte er.

War der Exekutiveinsatz in der Au verhältnismäßig?

Für Abgeordneten Walter Hainzinger (V) war das Vorgehen der Regierung unverhältnismäßig. Diese sei nicht bereit gewesen, die Rechtsverfahren abzuwarten, kritisierte er, denn sie habe irreversible Fakten schaffen wollen und junge Menschen, die sich für Ideale engagieren, diffamiert und kriminalisiert. Die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens sei daher seiner Ansicht nach zu bezweifeln. "Ohne Not und Zeitdruck" sei am 19. Dezember 1984 der Einsatzbefehl gegeben worden, womit die "sozialistische Koalitionsregierung das große Gut des sozialen Friedens durch mangelnde Gesprächsfähigkeit, durch Ideenarmut und auch durch Gefühlskälte" schwer gefährdet habe, sagte er. Hainzinger gab zu, dass auch "unerfreuliche Typen" unter den Demonstranten gewesen seien, aber dabei habe es sich um eine "klägliche Minderheit" gehandelt. Dem Innenminister sei es aber nicht gelungen, auch nur "einen dieser Finsterlinge" zu fangen. Selbstverständlich sei es die Aufgabe jeder Regierung, die Rechtsstaatlichkeit zu wahren, auch mit Einsatz der Polizei. Dabei müsse aber immer die Frage der Verhältnismäßigkeit gestellt werden, und die Regierung habe Gewalt zu früh und in einer unverhältnismäßigen Weise eingesetzt, so die Auffassung des ÖVP-Mandatars. Hart ging er mit Arbeiterkammerpräsident Czettel ins Gericht, indem er diesem vorwarf, Klassenkampf zu betreiben. Czettel habe den akademischen Nachwuchs diffamiert und die Arbeiter seien politisch missbraucht worden, stellte Hainzinger fest.

Abgeordneter Robert Lichal (V) widmete seinen gesamten Debattenbeitrag dem Thema Exekutiveinsatz in der Stopfenreuther Au. Obwohl man um die Sensibilität dieses Kraftwerksbaus gewusst habe, sei man nicht bereit gewesen, die Beschwerdefrist abzuwarten, kritisierte er. Der Innenminister habe durch den Einsatzbefehl die Exekutive in Misskredit gebracht. Die Beamten fühlten sich vollkommen "verheizt"  und  missbraucht für etwas, wofür sie nichts können, stellte Lichal fest. Einerseits stünden heute die Beamten als Schlägertrupps da, andererseits seien sie der Lächerlichkeit preisgegeben worden.  Es habe einfach das Augenmaß gefehlt. Selbstverständlich seien in der Au nicht nur "Waserln" gewesen, sagte Lichal, aber es habe sich auch nicht um eine "Generalversammlung von Terroristen und Systemveränderern" gehandelt. Die Kritik Lichals mündete schließlich in der Feststellung, "sozialistische Exponenten" seien "überhaupt nicht in der Lage", eine Exekutive zu führen. Die Beamten hätten keine Verpflegung gehabt, behauptete Lichal, sie seien aber dann von der Gewerkschaft Bau-Holz mit Speisen versorgt worden. Darüber hinaus seien zu wenig Uniformen da gewesen, sodass von anderen Wachkörpern Anoraks geborgt hätten werden müssen. Die Einsatzfahrzeuge seien mit Sommerreifen ausgestattet gewesen.

Angesichts dessen unterstütze er den Vorschlag des niederösterreichischen Landeshauptmannes Ludwig, die Aufgaben auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit in den Ländern den Landeshauptleuten zu übertragen, womit die verfassungsrechtlichen Gegebenheiten des Jahres 1933, B-VG 1929, auch in dieser Hinsicht wiederhergestellt würden. Lichal vertrat die Auffassung, im Zeitalter der Besetzung Österreichs sei es verständlich gewesen, dass man bei der Wiederherstellung der Rechtslage des Jahres 1933 bei der Sicherheitsdirektion eine Ausnahme gemacht habe. Mit dem Abschluss des Staatvertrags seien diese Gründe aber weggefallen.

Abgeordneter Johann Gassner (V) wiederum warf dem Minister vor, durch unterschiedliche Haltung und Befehlsanordnung Unsicherheit in die Exekutive hineingetragen zu haben.

Abgeordneter Rupert Gmoser (S) bezeichnete die Vorwürfe der ÖVP als "parteipolitisches Heckmeck" und konterte, das Vorgehen der Exekutive habe auf bestehenden Rechtsnormen beruht. In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass durch die Aubesetzer strafrechtliche Bestimmungen gebrochen worden seien, wie Aufforderung zum Ungehorsam gegen das Gesetz, die Gefährdung der körperlichen Sicherheit durch tätliche Angriffe auf einen Beamten. Mit dem Einsatz der Exekutive sei viel Schlimmeres verhindert worden, betonte Gmoser. 

Auf die gegen ihn und den Exekutiveinsatz gerichteten Vorwürfe, reagierte schließlich auch Innenminister Karl Blecha. Er sei bestrebt gewesen, eine friedliche Lösung herbeizuführen, unterstrich er. Seit 10. Dezember sei er mit den Aubesetzern im Gespräch. Er habe jede Gelegenheit wahrgenommen, mit den Menschen in der Stopfenreuther Au in Kontakt zu treten, er habe aber auch immer darauf hingewiesen, dass in der Demokratie die Gesetze zu beachten seien. Er habe versucht, einen Weg zu gehen, der einerseits die Durchsetzung des Rechts und andererseits die Gefühle der Jugend, der umweltbewussten Mitbürger und jener, die aus guten Gründen um ihren Arbeitsplatz und ihre Existenz gebangt haben, berücksichtigt. Die Gendarmerie sei nicht sofort eingeschritten, sondern habe stundenlang mit den Demonstranten verhandelt, hielt Blecha fest. Erst nach sechs Stunden, als man zu keinem Ergebnis gekommen sei, habe es einen Einsatz ohne Waffengebrauch, wie der Innenminister hervorhob, gegeben. Der Einsatz am 19. Dezember sei nicht sinnlos gewesen, denn er habe Vertrauen hergestellt, Selbstjustiz vermieden und beigetragen, zu einer Lösung zu kommen.

Ein Rechtsstaat könne es nicht zulassen, dass seine Vertreter Tag für Tag verhandeln, ohne einmal eine Grenze anzugeben und Flagge zu zeigen, führ Blecha fort. Gäbe es nicht die kontrollierbare Machtausübung des Staates, würde Anarchie und letztlich das Recht des Stärkeren herrschen, warnte er. Toleranz könne nicht in eine Schwäche der Demokratien umschlagen, das Widerstandsrecht, das es gegenüber dem totalitären Staat gibt, könne es in der Demokratie nicht geben. Ein in letzter Instanz erlassener Bescheid, auch wenn er angefochten werden kann, sei Bestand der Rechtsordnung und bis zu seiner Beseitigung unumstößlich. Blecha berichtete auch über alarmierende Meldungen aus dem Ausland, wonach bei längerem Anhalten des Konflikts die Au zum Reiseziel derer werden könnte, die überall dort, wo es große Demonstrationen gegen Bauvorhaben gibt, aufgetreten seien.

Die Anschuldigungen Lichals wies Blecha entschieden zurück. Die Medien hätten Falschmeldungen verbreitet, denn es habe nur drei Festnahmen gegeben. Einige übelwollenden Zeitungen hätten von "Prügelszenen" und "Prügelpolizisten" geschrieben und damit die Beamten diffamiert. Es habe sogar zum jenem Zeitpunkt Gräuelmeldungen gegeben, als sich außer dem Patrouillendienst gar keine Polizisten und Gendarmen in der Au befunden hätten. In den zehn Tagen in der Au habe man 19 verletzte Exekutivbeamte zu verzeichnen gehabt und 40 verletzte Aubesetzer, wobei manche Angaben, dass die Verletzungen in der Au erfolgt seien, zu bezweifeln seien.

Den Vorschlag Lichals, die Sicherheitsdirektion den Landeshauptleuten zu unterstellen, lehnte Blecha ab. Bei einer Dezentralisierung sei zu befürchten, dass sich auf dem Gebiet der Sicherheitsverwaltung und des Sicherheitswesens die gleichen unterschiedlichen Auslegungen oder Anwendungen von Rechtsvorschriften ergeben würden, wie zuletzt beim Ladenschluss, argumentierte Blecha.

Abgeordneter Robert Graf (V) widersprach Minister Blecha, indem er behauptete, es sei zu Prügelorgien gekommen. Blecha hätte alles daran setzen müssen, dass die Beamten einen tauglichen Befehl mitbekommen, das sei aber nicht geschehen. Am 19. Dezember habe es zwei Möglichkeiten gegeben, entweder, eine sogenannte "cooling off period" zu wählen, wie es die ÖVP vorgeschlagen hatte, oder mit brachialer Gewalt die Au zu räumen. Die Regierung habe aber die dritte Möglichkeit gewählt, und das sei ihr "großes Versagen", hielt Graf der Regierung vor.

Volksabstimmung bei erfolgreichen Volksbegehren?

Breiten Raum widmete Abgeordneter Heinrich Neisser (V) auch der Frage der direkten Demokratie unter Hinweis auf die Mündigkeit des Bürgers. Er wiederholte den Vorschlag, Volksbegehren unter bestimmten Voraussetzungen obligat einer Volksabstimmung zu unterwerfen, wenn das Parlament dem Volksbegehren nicht Rechnung trägt. Er sehe dabei durchaus die Gefahr von stimmungmachenden Pressekampagnen, aber er halte es für einen "unglaublichen demokratiepolitischen Pessimismus", von dem Vorurteil auszugehen, dass sich die Bürger nur mehr von den Zeitungen manipulieren ließen. Man könne dies durchaus auch als ein Mittel für einen erhöhten Rechtfertigungszwang des Parlaments und der Parlamentarier betrachten. Neisser wollte Hainburg nicht nur nach denjenigen beurteilen, die professionell führen und sich artikulieren, denn es bleibe eine Strömung von jungen Menschen über, die sich in einer glaubhaften Weise Gedanken über die Zukunft machen, sagte er.

Diesen Vorschlag lehnte SPÖ-Klubobmann Sepp Wille mit Vehemenz ab. Das Konrad-Lorenz-Volksbegehren sei in einem derartigen Dilettantismus verfasst, urteilte er, und man könne nicht über "Kraut und Rüben" abstimmen. Was man brauche, das sei eine andere politische Kultur, wobei Wille der ÖVP diesbezügliche Vorwürfe machte. Er erinnerte die ÖVP daran, dass man in nächster Zeit über Zwentendorf abstimmen werde und plädierte für eine Aufhebung des Klubzwangs. Was Hainburg betrifft, so seien die Fragen rational zu klären. Was die SPÖ störe, das sei das "Irrationale an der Sache", das seien "die Schwüre und die Messen", die man in der Au abgehalten habe.

Ablehnend zum Vorschlag, ein Volksbegehren ab einer gewissen Anzahl von Unterstützungen einer Volksabstimmung zu unterziehen, äußerte sich auch Abgeordneter Rupert Gmoser (S). Die Vernetzung ökologischer, ökonomischer, gesellschaftlicher, politischer Dimensionen könne man nicht mit Ja-Nein-Antworten in den Griff bekommen, argumentierte er. Es sei ein Missverständnis zu glauben, Kern der Demokratie sei ausschließlich und allein die Abstimmungsmaschinerie.  

Abgeordneter Herbert Tieber (S) gab zu bedenken, das Volk zu fragen, ob Umweltschutz Vorrang vor der Wasserkraft hat, komme einer Kapitulation vor der Herausforderung gleich, beides miteinander zu verbinden. Er bezweifelte, ob eine plebiszitäre Demokratie Probleme der modernen Industriegesellschaft lösen könne und stellte die Frage in den Raum, ob Plebiszite nicht auch "ein gerüttelt Maß an gesellschaftlicher Versteinerungskraft" mit sich herumtragen. Als Beispiele führte er die Gleichstellung von Mann und Frau in den siebziger Jahren an. Eine Volksabstimmung über die Familienrechtsreform hätte vielleicht nicht das Ergebnis gebracht, worüber man sich im Parlament habe einigen können. Wie würde nach einem Kindermord eine Befragung zur Todesstrafe für Sexualverbrecher ausgehen?, fragte er. Man könne nicht die Gefahr von der Hand weisen, dass plebiszitäre Instrumente "in einen Massenfiaker für Demagogen" umfunktioniert werden, "wo ein Medienzar auf dem Kutschbock sitzt", formulierte Tieber seine Bedenken.

Auch bei diesem Kraftwerk könne es nicht um alles oder nichts gehen, sondern um "das Bemühen um die Integration von Mehrheit und Minderheit in einer Gesellschaft". Man müsse durchaus die Möglichkeiten der partizipatorischen Demokratie ausweiten, verlangte Tieber, die Bürger, vor allem artikulationsschwache Schichten, in Entscheidungen einbinden, die täglich passieren, und nicht nur alle paar Jahre bei einigen Großprojekten. Notwenig sei es, neue Formen der Mitgestaltung und Mitentscheidung im Sinne eines neuen gesellschaftlichen Kompromisses zu suchen. Im konkreten Fall müsse man sich vor allem mit dem geistigen Hintergrund der verschiedenen ökologischen Positionen auseinandersetzen, da diese nicht rein ökologischer Natur seien, sondern "hochpolitisch" und "politökonomisch". Es könne sich nicht alles, auch nicht das politische Handeln, der Ökologie unterordnen, so Tieber.

Der Nationalpark Donau-Auen

Das vom 4. bis 11. März 1985 zur Unterzeichnung aufliegende Konrad-Lorenz-Volksbegehren erhielt 353.906 Unterstützungen. Im April wurde dann eine Ökologiekommission unter Führung von Jörn Karniak (Flussbau) und Bernd Lötsch (Nationalpark) eingesetzt, die im Oktober des selben Jahres das Donaukraftwerk am geplanten Standort Hainburg ablehnte. Im darauf folgenden Jahr begann man unter Umweltminister Franz Kreuzer mit der Planung eines Nationalparks, gleichzeitig wurde der Verein "Nationalpark-Donau-Auen" mit Bernd Lötsch an der Spitze gegründet. Gemeinsam mit dem WWF initiierte der Verein die Aktion "Natur freikaufen", medial unterstützt durch den ORF. Schließlich einigten sich der Bund, Niederösterreich und Wien in einem 15a-Vertrag, die Möglichkeit der Errichtung eines Nationalparks Donauauen zu prüfen. Nachdem im Jahr 1996 die Nationalparkgesetze in Wien und Niederösterreich beschlossen worden und in Kraft getreten sind, wurde am 27. Oktober 1996 der Nationalpark Donau-Auen gegründet (www.donauauen.at).

Und wie ging es mit dem seitens der SPÖ angesprochenen Kernkraftwerk Zwentendorf weiter? Das Atomsperrgesetz vom 15. Dezember 1978 war und ist ja bis heute gültig. Der im Nationalrat einstimmig gefasste Beschluss war die Reaktion auf den Ausgang der Volksabstimmung vom 5. November 1978, an dem sich 3,183.486 Bürgerinnen und Bürger - das waren fast zwei Drittel der Wahlberechtigten - beteiligt und sich mit 50,5 Prozent (1,606.777 Nein-Stimmen) gegen die Inbetriebnahme von Zwentendorf ausgesprochen hatten.

Trotzdem waren in der Folge vor allem von SPÖ-Politikern öffentlich befürwortende Äußerungen zur friedlichen Nutzung der Kernenergie zu vernehmen. Auch Umfragen bestätigten einen Trend pro Atomenergie. Das vom 3. bis 10. November 1980 durchgeführte Pro-Zwentendorf-Volksbegehren erhielt dann auch die Unterstützung von 421.282 Bürgerinnen und Bürgern. Zum gleichen Zeitpunkt votierten 147.016 Personen beim Anti-Zwentendorf-Volksbegehren gegen die Aufhebung des Atomsperrgesetzes. Der von der SPÖ eingebrachte Initiativantrag für eine zweite Volksabstimmung (Antrag betreffend ein Bundesverfassungsgesetz betreffend die Durchführung einer Volksabstimmung über die friedliche Nutzung der Kernenergie in Österreich – Inbetriebnahme des Kernkraftwerke Zwentendorf [132/A], XVI.GP) erhielt jedoch im Parlament nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit. Auf diese Abstimmung, die für 21. März 1985 vorgesehen war, hatte sich Klubobmann Wille in seinem Debattenbeitrag zu Hainburg bezogen.

Noch im selben Monat wurde die "stille Liquidierung" des AKW durch die Gemeinschaftskernkraftwerk Tullnerfeld Ges.m.b.H beschlossen. Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl vom 26. April 1986 setze dann den endgültigen Schlussstrich auch unter diese Diskussion. (Schluss)

Hinweis: Die Parlamentskorrespondenz bringt in loser Folge historische Reportagen über "Reden, die Geschichte machten". Zuletzt brachten wir einen Bericht über "Die lange Nacht im Hohen Haus" (PK Nr. 156/2007 vom 12. März 2007) Den ersten Teil zum Thema Hainburg finden Sie als PK Nr. 175 vom 16. März 2007. Die Serie wird fortgesetzt.