Parlamentskorrespondenz Nr. 218 vom 27.03.2007

Erste Arbeitssitzung des neuen Volksanwaltschaftsausschusses

Volksanwaltschaft beharrt auf Ausweitung ihrer Befugnisse

Wien (PK) – Eine aktuelle Aussprache mit den VolksanwältInnen Rosemarie Bauer und Hilmar Kabas sowie der Bericht der Volksanwaltschaft 2005 standen im Mittelpunkt der ersten Arbeitssitzung des neu eingerichteten Volksanwaltschaftsausschusses des Nationalrats. Dabei ging es neben dem immer wiederkehrenden Problem "lange Verfahrensdauer" und zahlreichen Einzelthemen um die Vorschläge der Volksanwaltschaft zur Ausweitung ihrer Kompetenzen. Abgeordnete und VolksanwältInnen vereinbarten, sich eigens zu treffen, um über den umfangreichen Forderungskatalog zu diskutieren.

Unter anderem geht es der Volksanwaltschaft um die Ausdehnung ihrer Kontrollbefugnis auf ausgegliederte Rechtsträger, die Zuerkennung von geeigneten Instrumenten zur Beschleunigung von Gerichts- und Verwaltungsverfahren, erweiterte Rederechte im Nationalrat und im Bundesrat und die Ermächtigung zur Anfechtung von Gesetzen. Der Forderungskatalog der Volksanwaltschaft war bereits dem Österreich-Konvent vorgelegt worden.

Im Rahmen der Diskussion über den Bericht der Volksanwaltschaft sprachen die Abgeordneten unter anderem die mitunter extrem lange Dauer von Behörden- und Gerichtsverfahren, die internationale Vernetzung der Volksanwaltschaft, Lärmbelästigungen durch Schanigärten, die Zählregel von Kindern in Schulbussen, die unterschiedliche Zahl der Beschwerden in den einzelnen Bundesländern, Schwierigkeiten behinderter Menschen im Umgang mit Behörden und die zahlreichen Beschwerden über unzumutbare AMS-Schulungen an.

So wies Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch (F) auf die jahrelang dauernden Asylverfahren hin und wollte wissen, ob sich eine Änderung der Situation abzeichne. Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (S) kritisierte die oft langwierigen Verfahren im Bereich des Unterhaltsrechts. Abgeordneter Robert Aspöck (F) machte nicht zuletzt den akuten Personalmangel im Justizbereich für massive Verzögerungen bei der Ausfertigung von Protokollen und damit für eine unnötige Verlängerung von Gerichtsverfahren verantwortlich.

Sowohl Abgeordnete Binder-Maier als auch Abgeordnete Theresia Haidlmayr (G) mahnten mehr Unterstützung für behinderte Menschen bei Behördenverfahren und Förderungsansuchen ein. Gerade behinderte Menschen hätten enorme Schwierigkeiten bei der Beantragung von Förderungen und bei der Geltendmachung von Ansprüchen, skizzierten sie. Zudem wertete es Haidlmayr als "große Schikane", dass im Zusammenhang mit der Versorgung von Heilbehelfen verschiedene Versicherungen verschiedene Leistungen zahlten. Die Abgeordnete forderte auch eine verpflichtende Information, dass mit Beendigung des 18. Lebensjahres die Mitversicherung eines Kindes mit den Eltern grundsätzlich ende, ein Umstand, der ihr zufolge vielen nicht bekannt sei.

Kritik an der Zählregel bei Schülertransporten übten Abgeordneter Gernot Darmann (B) und Abgeordneter Gerhard Steier (S). Er habe selbst eine Petition zu diesem Thema unterstützt, skizzierte Steier und zeigte kein Verständnis dafür, dass es zwar für die private Beförderung von Kindern zahlreiche Vorschriften gebe, in Schul- und Kindergartenbussen jedoch nach wie vor drei Kinder als zwei Erwachsene zählten. Damit sei eine ordentliche Sicherung der Kinder nicht möglich.

Hinsichtlich der Lärmbelästigung durch Schanigärten waren sich Abgeordnete Terezija Stoisits (G) und Ausschussvorsitzender Ewald Stadler (F) einig, dass die Volksanwaltschaft weiterhin gegen die Grazer Sperrzeitenverordnung vorgehen solle. Beide wiesen darauf hin, dass sich für die betroffenen Anrainer nichts geändert habe, auch wenn die Verordnung mittlerweile dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs entsprechend von der richtigen Stelle kundgemacht wurde. Inhaltlich seien allerdings keine Veränderungen vorgenommen worden. Er vertrete nach wie vor die Ansicht, dass die Betroffenen, darunter auch Schulen und Krankenhäuser, vor Erlassung der Verordnung miteinbezogen werden hätten müssen, betonte Stadler. Abgeordnete Stoisits meinte, die BürgerInnen fühlten sich "veräppelt".

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (V) ging auf einen von der Volksanwaltschaft aufgezeigten Fall in Kärnten ein, wo ein Gynäkologe es in zig Fällen verabsäumt habe, routinemäßige Laboruntersuchungen zu veranlassen. Die Ärztekammer sei gesetzlich verpflichtet worden, einen Entschädigungsfonds für die Betroffenen einzurichten, zeigte sie sich zufrieden.

Großes Lob äußerten alle fünf Fraktionen für die Arbeit der Volksanwaltschaft. So erklärte etwa Abgeordneter Otto Pendl (S), nicht nur die Bürgerinnen und Bürger, auch die Abgeordneten wüssten die Arbeit der Volksanwaltschaft zu schätzen. Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch (F) sprach von einem Instrument, das wirkungsvoll in die Verwaltung eingreife.

Volksanwältin Rosemarie Bauer hob in ihrer Antwort auf die aufgeworfenen Fragen die internationalen Kontakte der Volksanwaltschaft hervor und unterstrich, diese seien auch deshalb wichtig, um einen internationalen Vergleich anstellen zu können. Man könne nicht mehr sagen, dass Österreich bei der Ausgestaltung der Rechte der Volksanwaltschaft eine Vorreiterrolle einnehme, meinte sie, vielmehr gehe es mittlerweile darum, den Anschluss nicht zu verlieren. Zu den unterschiedlichen Beschwerdefällen in den einzelnen Bundesländern merkte sie an, diese seien unter anderem darauf zurückzuführen, dass manche Länder eine eigene Landes-Volksanwaltschaft hätten. Überdies spiele die räumliche Nähe zur Volksanwaltschaft eine Rolle. 

Volksanwaltschaft Hilmar Kabas hielt fest, die Dauer der Asylverfahren sei ein immer wiederkehrendes Thema bei der Volksanwaltschaft, wobei die lange Verfahrensdauer für alle Beteiligten äußerst problematisch sei. In einem besonders krassen Fall habe sich ein Verfahren über 23 Jahre gezogen. Die Einführung des Unabhängigen Bundesasylsenats habe zwar eine Verbesserung der Qualität bei der Beurteilung der einzelnen Fälle gebracht, konstatierte Kabas, es sei aber nicht gelungen, den Rückstand bei den Asylverfahren abzubauen. Allerdings ließen die Zahlen für das erste Halbjahr 2006 auf eine Trendumkehr hoffen.

In Bezug auf die Sperrstundenregelung sicherte Kabas den Abgeordneten zu, neuerlich eine Anfechtung der Grazer Sperrzeitenverordnung beim Verfassungsgerichtshof ins Auge zu fassen. Grundsätzlich sei es so, dass die Volksanwaltschaft versuche, bei Beschwerden zunächst konkrete Lösungsansätze zu finden, erklärte er, er werde das Anliegen von Stoisits und Stadler aber aufgrund der besonderen Umstände dieses Falles prüfen. In Richtung Abgeordneter Haidlmayr führte Kabas aus, Probleme bei der Nachzahlung von Verpflegungsgeld an ehemalige Zivildiener könne die Volksanwaltschaft noch nicht prüfen, da die Verfahren noch anhängig seien.

Zur Frage der Zählregel in Schulbussen und zu Problemen von behinderten Menschen nahm eine Mitarbeiterin von Volksanwalt Peter Kostelka Stellung. Sie betonte, dass Beschwerden über die Zählregel zu den "Klassikern" bei der Volksanwaltschaft gehörten, eine gesetzliche Änderung sei bisher aber am Argument der Verkehrsunternehmen gescheitert, wonach eine Umrüstung der Schulbusse zu kostenaufwändig wäre. Höchst unbefriedigend ist es ihr zufolge auch, dass es oft Monate lange dauere, bis behinderte Menschen die notwendige Unterstützung erhielten. Eine Verbesserung ist bei den vom AMS angebotenen Schulungen eingetreten.

Der ehemalige Volksanwalt und jetzige Vorsitzende des Volksanwaltschaftsausschusses Ewald Stadler wies konkrete Kritikpunkte von Abgeordnetem Karl Öllinger in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Volksanwalt zurück. Ausdrücklich verteidigte er auch die Tagung "Mensch von Anfang an".

Der Bericht der Volksanwaltschaft wurde von den Abgeordneten einstimmig zur Kenntnis genommen.

Aus dem Bericht geht hervor, dass im Jahr 2005 16.133 Beschwerden bei der Volksanwaltschaft eingingen. 6.569 Prüfungsverfahren wurden eingeleitet, rund 60 Prozent davon im Bereich der Bundesverwaltung. Damit hat sich die Zahl der Beschwerdefälle auf hohem Niveau eingependelt. Bei den abgeschlossenen Prüfungsverfahren kam es in 10 besonders schwer wiegenden Fällen zu einer formellen Empfehlung und in 16 Fällen zu einer Missstandsfeststellung, weiteren 845 Beschwerden wurde Berechtigung zuerkannt. In einem Fall entschloss sich die Volksanwaltschaft dazu, wegen vermuteter Gesetzeswidrigkeit eine Verordnung beim Verfassungsgerichtshof anzufechten.

Am Beginn der Sitzung waren die Abgeordneten Otto Pendl (S) und Barbara Riener (V) zu Obmann-StellvertreterInnen des Volksanwaltschaftsausschusses und Abgeordnte Astrid Stadler (V) zu einer der SchriftführerInnen gewählt worden. (Schluss)