Parlamentskorrespondenz Nr. 399 vom 23.05.2007

Ausschuss befasst sich mit Volksanwaltschaftsbericht 2006

VolksanwältInnen streben Einzelberichte zu aktuellen Themen an

Wien (PK) – Vom Solidarfonds der Ärztekammer über kostspielige Rettungshubschraubereinsätze bei Bergunfällen bis hin zum Singvogelfang im Salzkammergut reichte die Themenpalette bei der heutigen Sitzung des Volksanwaltschaftsausschusses des Nationalrats. Zur Diskussion stand der Bericht der Volksanwaltschaft 2006, der auf mehr als 400 Seiten statistisches Material über die Arbeit der Volksanwaltschaft enthält und zahlreiche exemplarische Einzelfälle aufzeigt. Die drei VolksanwältInnen Peter Kostelka, Rosemarie Bauer und Hilmar Kabas konnten unter anderem von Erfolgen der Volksanwaltschaft bei der Vorschreibung unzulässiger Trauungsgebühren berichten, zeigten in erster Linie aber eine Reihe offener Problemstellungen auf. Seitens der Abgeordneten gab es einhelliges Lob für die Arbeit der Volksanwaltschaft.

Was die künftige Zusammenarbeit der Volksanwaltschaft mit dem Nationalrat betrifft, teilte Ausschussvorsitzender Ewald Stadler den Abgeordneten mit, dass bereits erste Gespräche über eine intensivere Behandlung des jährlichen Volksanwaltschaftsberichts geführt worden seien. Es gebe verschiedene gute Vorschläge, betonte er, die weitere Vorgangsweise solle im Herbst gemeinsam mit den neuen VolksanwältInnen festgelegt werden. Volksanwalt Peter Kostelka äußerte die Hoffnung, dass die unter Nationalratspräsident Andreas Khol getroffene Entscheidung, wonach die Volksanwaltschaft über ihren jährlichen Bericht hinaus dem Nationalrat keine weiteren Berichte vorlegen dürfe, revidiert wird. Er denkt insbesondere an Sonderberichte zu aktuellen Themen.

In der Debatte wurden von den Abgeordneten die unterschiedlichsten Themenbereiche angesprochen. So erkundigte sich Abgeordnete Barbara Riener (V) nach Doppelvergebührung in Scheidungsangelegenheiten, Abgeordneter Otto Pendl (S) brachte das jüngste Treffen europäischer Ombudsmänner zur Sprache. Abgeordnete Gisela Wurm (S) wollte wissen, wie die Volksanwaltschaft die Situation in Bezug auf den von der Ärztekammer bekämpften Solidarfonds für Patientenentschädigung sehe. Abgeordneter Gernot Darmann (B) wies auf die wiederholte Forderung der Volksanwaltschaft nach einer Valorisierung des Pflegegeldes hin und erinnerte an einen entsprechenden Entschließungsantrag seiner Fraktion. Abgeordnete Terezija Stoisits (G) bedankte sich bei der Volksanwaltschaft besonders dafür, dass sich diese "frustrierter Nachbarn" von gewerblichen Betriebsanlagen annehme, und machte darauf aufmerksam, dass die Rechtslage nach dem Zivilrecht für Anrainer günstiger sei als nach dem Gewerberecht.

Von mehreren Abgeordneten angeschnitten wurde ein Fall im Burgenland, bei dem nach Ansicht der Volksanwaltschaft die strafrechtliche Verfolgung viel zu rasch eingestellt worden sei, obwohl offenkundig Scheinrechnungen mit Fördergeldern bezahlt wurden.

Weitere Themen betrafen das Verbrechensopfergesetz (Abgeordnete Elisabeth Hlavac, S), die unhöfliche Behandlung von Parteien durch Richter und Gerichtsbedienstete, laut Abgeordnetem Peter Fichtenbauer (F) ein Dauernotstand, den Singvogelfang im Salzkammergut (Abgeordnete Brigid Weinzinger, G), das von der Volksanwaltschaft durchgesetzte "Recht auf Licht" bei Nachbarschaftsstreitigkeiten (Abgeordnete Maria Fekter, V), Beschwerden über die Finanzprokuratur (Abgeordneter Robert Aspöck, F), diskriminierende Stellen- und Wohnungsanzeigen (Abgeordnete Terezija Stoisits, G), die Kostentragung von Rettungshubschraubereinsätzen (Abgeordnete Katharina Pfeffer, S), die Unterhaltssicherung für Kinder und Jugendliche (Abgeordnete Gabriele Binder-Maier, S), die unterschiedliche Zahl von Beschwerdefällen in den einzelnen Bundesländern (Abgeordneter Peter Eisenschenk, V), die unzureichende finanzielle Ausstattung des Hepatitis-C-Fonds (Abgeordneter Gernot Darmann, B), die Verweigerung von Familienbeihilfe für Präsenz- und Zivildiener (Abgeordnete Sylvia Rinner, S) und die 3:2-Zählregel für die Beförderung von Kindern in Schulbussen (Abgeordneter Gerhard Steier, S).

Volksanwalt Peter Kostelka ging zunächst auf die internationale Ombudsmännerkonferenz ein und berichtete den Abgeordneten über ein zentrales Problem, das dort zur Sprache gekommen sei. Ihm zufolge geht es darum, dass der Europäische Menschenrechtsgerichtshof "auf ein Desaster zuschlittert". Derzeit gebe es dort mehr als 86.000 offene Fälle, im Jahr 2010 werde vermutlich die Marke von 120.000 offenen Fällen überschritten. Das laufe, so Kostelka, auf Rechtsverweigerung hinaus. Die bei der Ombudsmännerkonferenz geborene Idee sei nun, die Ombudsleute der einzelnen Staaten einzubinden und Behörden mit Hinweis auf die ständige Rechtssprechung des Gerichtshofs zu "friendly settlements" zu bewegen und Beschwerdeführer klaglos zu halten. Damit könnte der Gerichtshof entlastet werden. Frankreich, Belgien und Österreich hätten sich zu einem derartigen Pilotprojekt bereit erklärt, wobei derzeit auf die Unterstützung einer vom Europarat eingesetzten "Group of Wise Persons" gewartet werde.

Das Thema Solidarfonds für Patientenentschädigung wertete Kostelka als "ein echtes Problem". Er erinnerte an den Anlassfall für die Einrichtung des Fonds, den Fall eines Kärntner Arztes, der 16.000 Krebsabstriche mit "Blick gegen das Licht" beurteilt habe und nachweislich drei Krebserkrankungen übersehen habe. Kostelka zeigte sich enttäuscht, dass die Ärztekammer – im Gegensatz zur Rechtsanwaltskammer – jede Verantwortung für das Ansehen ihres Berufsstandes ablehne und die gesetzliche Einrichtung des Fonds beim Verfassungsgerichtshof angefochten habe. Kostelka rechnet mit einer Entscheidung des VfGH noch in diesem Jahr.

Als weitere Problemfelder in seinem Arbeitsbereich nannte Kostelka das Verbrechensopfergesetz, die "Groteske" um den Singvogelfang, kostenpflichtige Rettungshubschraubereinsätze, die Regelung des Unterhaltsvorschusses, die Unterdotierung des Hepatitis-C-Fonds und die Zählregel für Kinder in Schulbussen. Das Verbrechensopfergesetz sei bei seiner Einführung sicher sehr modern gewesen, sagte der Volksanwalt, mittlerweile seien aber dringend Änderungen erforderlich. Er regte an, zumindest einen Teil der jährlich eingehobenen Strafgelder von Tätern im Ausmaß von 45 Mill. € für die Entschädigung von Verbrechensopfern zu verwenden.

"Weiter am Ball bleiben" will Kostelka, wie er sagte, auch in Bezug auf den Singvogelfang. Es gehe hier um die grundsätzliche Frage, wie ernst man Gesetze nehme, bekräftigte er und verwies auf das bundeseinheitliche Tierschutzgesetz. Für ihn ist es grotesk, dass etwa im oberösterreichischen Teil des Salzkammergutes Singvögel gefangen werden dürften, dies in der Steiermark und in Salzburg jedoch dezidiert verboten sei.

In Bezug auf die Problematik kostenpflichtiger Rettungshubschraubereinsätze wies Kostelka auf das Phänomen hin, dass Österreich derzeit die höchste Rettungshubschrauberdichte in Europa besitze. Es sei klar, dass die Betreiber dieser Hubschrauber nicht nur fliegen müssten, sondern auch fliegen wollten, bekräftigte er. Das führe zu solchen Auswüchsen, dass Personen mit Beinbruch per Rettungshubschrauber vom Berg ins Tal gebracht würden, ohne ausreichend darüber aufgeklärt zu werden, dass sie die Kosten dafür – immerhin 70 € pro Flugminute – selbst tragen müssten. In einem bei der Volksanwaltschaft vorgebrachten Fall sei ein 12-jähriger Bub auf Anraten von zwei Ärzten auf Grund des Verdachts einer Wirbelsäulenschädigung ins Krankenhaus geflogen und die Kosten dafür dann den Eltern verrechnet worden, nachdem sich im Krankenhaus der Verdacht als falsch erwiesen habe.

Im Bereich des Unterhaltsrechts ortet Kostelka, wie er erklärte, nicht nur eine Vollzugsschwäche, sondern auch legistische Mängel. Insbesondere verwies er auf die lange Dauer von Verfahren, den vielfach zu niedrigen Unterhaltsvorschuss und nicht nachvollziehbare Einstellungen von Vorschusszahlungen.

Die Zählregel in Schulbussen sei, so Kostelka, ein Dauerbrenner bei der Volksanwaltschaft. Seiner Auffassung nach ist nicht einzusehen, warum in Privatautos jedes Kind einen Sitz und einen Gurt haben müsse, nicht aber bei Schülertransporten. Hinsichtlich diskriminierender Wohnungs- und Stellenanzeigen sei noch keine abschließende Beurteilung möglich, erklärte er, man könne aber jetzt schon sagen, dass sogar innerhalb einzelner Bundesländer Behörden ganz verschieden entscheiden würden. In Richtung Abgeordnetem Darmann betonte Kostelka die Notwendigkeit einer Valorisierung des Pflegegeldes.

Volksanwältin Rosemarie Bauer unterstrich, die Volksanwaltschaft werde seit der gesetzlichen Regelung betreffend ein "Recht auf Licht" kaum noch mit Nachbarschaftsstreitigkeiten über Schatten werfende Bäume und Sträucher konfrontiert. Zum einen dürfte das vorgesehene Mediationsverfahren wirken, meinte sie, zum anderen dürfte bereits die Möglichkeit einer Klage Nachbarn zum Einlenken bewegen.

Was die Doppelvergebührung bei Scheidungen anlangt, bei denen das Paar bereits mit einer Scheidungsvereinbarung zu Gericht kommt, gibt es Bauer zufolge Gespräche mit der Justiz. Die Justiz habe die Rechtsansicht der Volksanwaltschaft bestätigt und strebe eine Lösung an, skizzierte sie. Generell hielt Bauer fest, das Beschwerdeaufkommen bei der Volksanwaltschaft bewege sich "in Wellen", sei aber insgesamt auf hohem Niveau.

Volksanwalt Hilmar Kabas stimmte Abgeordneter Stoisits zu, dass die Durchsetzung von Anrainerrechten, die in der Nähe von Betriebsanlagen wohnten, oftmals schwierig sei. Seiner Einschätzung nach ist es auf diesem Gebiet in den letzten Jahren eher zu einem Rückschritt gekommen. Es sei der Volksanwaltschaft ein Anliegen, Probleme gewerberechtlich zu lösen, sagte Kabas, und die Beschwerdeführer nicht in zivilrechtliche Auseinandersetzungen "hineinzutreiben". Mit Anträgen auf nachträgliche Auflagen für Betriebsanlagen stoße man aber oft auf Schwierigkeiten. Generell erachtet Kabas in diesem Bereich gesetzliche Änderungen für notwendig.

Einen Erfolg konnte die Volksanwaltschaft Kabas zufolge bei der Verrechnung unzulässiger Trauungsgebühren erzielen. Für Trauungen außerhalb des Amtsgebäudes seien überdimensioniert hohe Gebühren verlangt worden, schilderte er. Mittlerweile sei das Problem behoben, ebenso hätten Rückzahlungen bewirkt werden können. Bei jenen Beschwerdefällen, bei denen es um eine unhöfliche Behandlung vor Gericht gegangen sei, ist es Kabas zufolge seitens der Verantwortlichen zu einer Belehrung der betroffenen Richter bzw. Staatsanwälte gekommen.

In Bezug auf die von mehreren Abgeordneten angeschnittenen Scheinrechnungen, die von einem burgenländischen Firmenkomplex ausgestellt worden waren, sei bei der Volksanwaltschaft der Eindruck entstanden, dass die Behörden zu schnell von einer Strafverfolgung Abstand genommen hätten, erklärte Kabas. Deshalb sei es auch zu einer Beanstandung gekommen. Die Volksanwaltschaft könne allerdings nicht die Aufgabe der Staatsanwaltschaft übernehmen, meinte Kabas, seines Wissens nach sei die Staatsanwaltschaft trotz der Beschwerde der Volksanwaltschaft nicht angewiesen worden, weiter zu ermitteln.

Kritisch setzte sich Kabas mit der Finanzprokuratur auseinander. Diese ist seiner Meinung nach nicht nur zu wenig flexibel, sondern aus der Sicht von Geschädigten auch "sehr, sehr hart". Auch in eindeutigen Fällen, wo es um wenige Tausend Euro gehe, werde auf ein Verfahren bestanden. Als einen exemplarischen Fall nannte Kabas die Amtshaftungsklage eines Autobesitzers, der von der Polizei am Löschen seines brennenden Autos gehindert wurde, weil sie fälschlicherweise Explosionsgefahr annahm.

In Richtung Abgeordneter Stoisits räumte Kabas ein, dass er als Verantwortlicher für das Innenressort immer wieder mit Beschwerden über das Fremdenrecht konfrontiert werde, die auch berechtigt seien. Insbesondere die Länge der Verfahren erachtet er als unzumutbar. Straffere, kürzere Verfahren zur möglichst raschen Herbeiführung von Rechtssicherheit seien im Interesse aller, betonte Kabas.

Der Bericht der Volksanwaltschaft 2006 wurde von den Abgeordneten einstimmig zur Kenntnis genommen. Gemäß diesem Bericht wandten sich im vergangenen Jahr 16.005 Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Anliegen an die Volksanwaltschaft, 6.542 Prüfungsverfahren wurden eingeleitet. Die Palette der Beschwerden reichte dabei etwa von unzulässigen Befristungen von Führerscheinen und Problemen mit dem Unterhaltsvorschuss über als unnötig empfundene Coachingmaßnahmen für Arbeitslose bis hin zu teuren Rettungshubschraubereinsätzen und bürokratischen Hürden für behinderte Menschen, die Hilfsmittel benötigen. Auch allzu laxes Vorgehen von Behörden gegen Gewerbebetriebe, die gegen Auflagen verstoßen, und die übermäßig lange Dauer von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren wurden immer wieder moniert.

Abschließen konnte die Volksanwaltschaft im Jahr 2006 7.735 Prüfungsverfahren, wobei es in 21 besonders schwer wiegenden Fällen einer formellen Empfehlung und in 7 Fällen einer Missstandsfeststellung bedurfte. Daneben wurde weiteren 786 Beschwerden die Berechtigung zuerkannt. In drei Fällen entschloss sich die Volksanwaltschaft zu einer Verordnungsanfechtung beim Verfassungsgerichtshof. Die Empfehlungen und Missstandsfeststellungen betrafen etwa Säumnisse der Bundesregierung im Kärntner Ortstafelkonflikt, die unrechtmäßige Einhebung von Trauungsgebühren, eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung durch das Wirtschaftsministerium sowie die lange Dauer einzelner Verfahren.

Zum Abschluss der Sitzung dankte Ausschussvorsitzender Ewald Stadler den scheidenden VolksanwältInnen Rosemarie Bauer und Hilmar Kabas unter Applaus der Abgeordneten für deren Arbeit. (Schluss)