Parlamentskorrespondenz Nr. 588 vom 16.07.2007

Nationalrat beendete erste Tagung der XXIII. Gesetzgebungsperiode

Anteil der einstimmig beschlossenen Gesetze deutlich gesunken

Wien (PK) – Mit Ablauf des 10. Juli ging die erste Tagung der XXIII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrats zu Ende. Sie stand ganz im Zeichen des Regierungswechsels und der beiden Untersuchungsausschüsse zur Überprüfung des Eurofighter-Kaufs und der Effizienz der Finanzmarktaufsicht. Aber auch in Sachen Gesetzgebung blieb der Nationalrat nicht untätig und verabschiedete neben den beiden Budgets für 2007 und 2008 eine Reihe weiterer Gesetze. Dazu zählen etwa die Wahlrechtsreform, gesetzliche Grundlagen für legale 24-Stunden-Betreuung zu Hause, die Einrichtung des mit bis zu 500 Mill. € dotierten Klima- und Energiefonds sowie pensionsrechtliche Verbesserungen u.a. für Langzeitversicherte.

Weitere Besonderheiten der Tagung 2006/07 sind der erneute Einzug einer fünften Partei in den Nationalrat, der Wechsel im Präsidium des Nationalrats und ein Gesetzesbeschluss gegen den Willen des zuständigen Regierungsmitglieds. Überdies fällt auf, dass der Bundesrat seit Beginn der neuen Legislaturperiode gegen keinen einzigen Beschluss des Nationalrats Einspruch erhob.

Insgesamt fanden im abgelaufenen Parlamentsjahr 30 Plenarsitzungen mit einer Gesamtdauer von 212 Stunden und 24 Minuten statt. Dabei beschlossen die Abgeordneten 65 Gesetze und genehmigten 19 Staatsverträge. Zwei Berichte der Volksanwaltschaft wurden zur Kenntnis genommen. Rund 30 Prozent der Gesetzesbeschlüsse erfolgten dabei einstimmig. Damit ist der Anteil der einstimmig beschlossenen Gesetze im Vergleich zu den vorangegangenen Tagungen deutlich gesunken.

Neben den oben erwähnten Beschlüssen nahm der Nationalrat etwa ein Anti-Doping-Gesetz an und beschloss u.a. die Erhöhung der Mineralölsteuer auf Diesel und Benzin, eine Reform der Agrarmarktordnung, eine Erhöhung der Stipendien und Schülerbeihilfen, Maßnahmen gegen die Schwarzarbeit, eine Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten, flexiblere Arbeitszeitregelungen und einen besseren Anlegerschutz. Überdies wurden ein Importverbot für Asbestabfälle, gesetzliche Grundlagen für Handy-Fernsehen, Änderungen im Tiertransportgesetz und eine Halbierung der Kfz-Steuer für Lkw verabschiedet. Gegen den Willen der damaligen Familienministerin Ursula Haubner wurden Änderungen im Kinderbetreuungsgeldgesetz vorgenommen.

Die vergleichsweise geringe Anzahl von Gesetzesbeschlüssen und Sitzungen in dieser Tagung ist insbesondere auf die langwierigen Koalitionsverhandlungen zurückzuführen. Erst am 11. Jänner konnte Bundespräsident Heinz Fischer die neue Regierung angeloben. Fünf Tage später, am 16. Jänner, stellte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer dem Nationalrat in Form der Regierungserklärung die neuen Ministerinnen und Minister sowie das Arbeitsprogramm der Regierung für die kommenden vier Jahre vor. Die Änderungen bei der Kompetenzverteilung zwischen den einzelnen Ministerien bedingten auch eine Änderung des Bundesministeriengesetzes.

Gleich zu Beginn der Tagung wurde mit Barbara Prammer erstmals eine Frau zur Nationalratspräsidentin gewählt. Sie löste damit an der Spitze des Nationalrats Andreas Khol ab, der sich in Folge des Ergebnisses der Nationalratswahl im Oktober 2006 aus dem Hohen Haus zurückzog. Prammer im Präsidium zur Seite stehen ÖVP-Abgeordneter Michael Spindelegger und G-Abgeordnete Eva Glawischnig-Piesczek.

Weitere Wahlen galten der Volksanwaltschaft, wobei das VolksanwältInnen-Trio für die nächsten sechs Jahre Peter Kostelka, Terezija Stoisits und Maria Theresia Fekter lautet. Zuvor war im November 2006 Hilmar Kabas für ein halbes Jahr als Ersatz für Ewald Stadler in die Volksanwaltschaft gewählt worden. Dass Nationalratspräsidentin Barbara Prammer bei der Erstattung des Dreiervorschlags für die neue Funktionsperiode der Volksanwaltschaft ab 1. Juli keinen FPÖ-Kandidaten zuließ, sorgte für Unmut bei den Freiheitlichen.

Über die Zukunft der EU und andere aktuelle EU-Themen diskutierten die Abgeordneten u.a. auf Basis von zwei Erklärungen von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und einer Erklärung von Außenministerin Ursula Plassnik.

4 Dringliche Anfragen, 5 Aktuelle Stunden, 5 Misstrauensanträge

Im Rahmen der Plenarsitzungen hielten die Abgeordneten 5 Aktuelle Stunden und 2 Fragestunden mit insgesamt 50 Fragen und Zusatzfragen ab. Dazu kommen die Beratungen über die Ergebnisse der beiden Untersuchungsausschüsse und drei Debatten über die Erklärung von Regierungsmitgliedern. 23 Gesetzesanträge sowie die beiden Budgets 2007 und 2008 wurden in Erste Lesung genommen. In 34 Entschließungen erhielt die Regierung Arbeitsaufträge vom Nationalrat.

Auch die parlamentarischen Minderheitsrechte wurden im vergangenen Parlamentsjahr wieder häufig in Anspruch genommen. So verhandelte der Nationalrat 4 Dringliche Anfragen (1 S, 1 G, 2 B) sowie 4 Dringliche Anträge (2 G, 1 F, 1 B) und hielt 13 Kurze Debatten (1 SGF, 6 G, 2 F, 4 B) zu schriftlichen Anfragebeantwortungen der Regierung, Fristsetzungsanträgen und Anträgen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ab.

Fünf Mal versuchten Oppositionsparteien den Rücktritt eines Regierungsmitglieds zu erzwingen, scheiterten jedoch stets. Mit gleich zwei Misstrauensanträge war dabei Verteidigungsminister Norbert Darabos konfrontiert, wobei das BZÖ bereits im April auf die Ablöse des Ministers drängte. Die FPÖ begründete ihren im Juli eingebrachten Misstrauensantrag gegen Darabos damit, dass dieser einen parlamentarischen Mehrheitsbeschluss in Sachen Eurofighter negiert habe. Weiters gab es einen Misstrauensantrag der Grünen gegen Familienministerin Ursula Haubner, einen Misstrauensantrag des BZÖ gegen Haubners Nachfolgerin Andrea Kdolsky und einen Misstrauensantrag der FPÖ gegen Innenminister Günther Platter.

Von den zwei Sondersitzungen des Nationalrats in dieser Tagung fand eine auf Verlangen der FPÖ ("Stopp dem Pensionsklau") und eine auf Verlangen des BZÖ ("Die Regierung als Sicherheitsrisiko für Österreich") statt.

108 Ausschusssitzungen und 88 Untersuchungsausschuss-Sitzungen

Zu den Plenarsitzungen kommen 108 Ausschusssitzungen und 12 Sitzungen von Unterausschüssen. Dabei wurden 20 Berichte der Bundesregierung durch Kenntnisnahme "enderledigt" und kamen nicht mehr ins Plenum.

Am meisten Aufmerksamkeit in der abgelaufenen Tagung erhielten allerdings die beiden Untersuchungsausschüsse des Nationalrats zur Überprüfung des Eurofighter-Kaufs und der Effizienz der Finanzmarktaufsicht, die zusammen 88mal tagten. Sie waren Ende Oktober 2006 vom Nationalrat gegen die Stimmen der ÖVP und des BZÖ eingesetzt worden und legten dem Nationalrat Anfang Juli ihre Beratungsergebnisse vor. Auch wenn die Tätigkeit der beiden Ausschüsse von den einzelnen Fraktionen unterschiedlich bewertet wurde, der Arbeitsaufwand war jedenfalls enorm.

Demnach trat der Eurofighter-Untersuchungsausschuss zu insgesamt 48 Sitzungen zusammen und verhandelte fast 429 Stunden. Dabei wurden 108 Auskunftspersonen befragt, zum Teil mehrfach. Exakt 6.152 Protokollseiten wurden angefertigt. Auf einen gemeinsamen Abschlussbericht konnten sich die fünf Parlamentsfraktionen nicht einigen – zum Hauptbericht des Ausschusses wurden mehrere Minderheitsberichte der Fraktionen und abweichende persönliche Stellungnahmen verfasst.

Der Banken-Untersuchungsausschuss musste aufgrund einer vom Nationalrat mehrheitlich beschlossenen Fristsetzung seine Arbeit beenden, was nicht nur auf massiven Protest von Ausschussvorsitzendem Martin Graf (F), sondern auch der Grünen stieß. FPÖ und Grüne monierten, dass manche Punkte des Prüfauftrags noch offen seien, zahlreiche wichtige Auskunftspersonen noch befragt werden müssten und wesentliche Unterlagen noch fehlten. Auch das BZÖ sprach sich grundsätzlich für eine Fortsetzung der Beratungen aus. Bis zu seinem erzwungenen Ende hielt der Ausschuss 40 Sitzungen ab und tagte rund 402 Stunden. Dabei befragten die Abgeordneten 122 Auskunftspersonen. Das Protokoll umfasst 5.851 Seiten.  

Darüber hinaus fand im Hohen Haus eine Parlamentarische Enquete zum Thema Klimawandel statt. Zur Vorberatung der geplanten Reform der Geschäftsordnung des Nationalrats wurde ein Geschäftsordnungs-Komitee unter der Leitung von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer eingesetzt.

Die Präsidialkonferenz traf sich in der Tagung 2006/07 18 Mal.

Mit insgesamt 18 Petitionen und 13 Bürgerinitiativen wandten sich die Bürgerinnen und Bürger direkt an das Hohe Haus.

1.341 Schriftliche Anfragen

Im Vergleich zu den vorangegangenen Tagungen annähernd gleich geblieben ist die Zahl der schriftlichen Anfragen von Abgeordneten an Regierungsmitglieder, die Nationalratspräsidentin, den Rechnungshofpräsidenten und an Ausschussvorsitzende. Insgesamt wurden bis zum Ende der letzten Nationalratssitzung 1.341 schriftliche Anfragen eingebracht. An der Spitze der Anfragesteller liegen die Grünen mit 475 Anfragen, gefolgt von der SPÖ mit 407. Dahinter kommen FPÖ (215), ÖVP (160) und BZÖ (79). 5 Anfragen wurden von mehreren Fraktionen gemeinsam eingebracht. Am häufigsten nutzte wie schon in den vergangenen Jahren SPÖ-Abgeordneter Johann Maier mit insgesamt 152 Anfragen dieses Kontrollrecht des Nationalrats, gefolgt von den Grün-Abgeordneten Karl Öllinger (106) und Theresia Haidlmayr (78).

Besonderes Interesse zeigten die Mandatare dabei für das Innenministerium (174) und das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (170). Lediglich 22 Anfragen wurden hingegen an Frauenministerin Doris Bures gestellt. An Nationalratspräsidentin Barbara Prammer richteten die Abgeordneten 16 schriftliche Anfragen, an Rechnungshofpräsident Josef Moser 2.

Darüber hinaus war das Hohe Haus auch im abgelaufenen Parlamentsjahr wieder Ort zahlreicher Veranstaltungen und internationaler Kontakte. (Fortsetzung)