Parlamentskorrespondenz Nr. 820 vom 06.11.2007

Um die Zukunft der heimischen Baukultur

Kulturausschuss debattiert Baukultur mit Experten

Wien (PK) – In seiner heutigen Sitzung befasste sich der Kulturausschuss des Nationalrats mit der Baukultur in Österreich, dies auf Basis eines Berichts, der von 54 Expertinnen und Experten erstellt worden war, von denen einige heute im Ausschuss auch als Auskunftspersonen geladen waren.

Begonnen hatte alles 2004 mit einer Enquete zum Thema "Architekturpolitik und Baukultur in Österreich" im Plenarsaal des österreichischen Nationalrats. Unter Einbindung zahlreicher Experten aus dem In- und Ausland wurde ein Diskussionsprozess mit dem Ziel gestartet, verbesserte Rahmenbedingungen für eine zeitgenössische Bau- und Planungskultur sowie Grundlagen für eine künftige Architekturpolitik zur Sicherung der Lebensqualität in Österreich zu schaffen. Ausfluss der Debatten war eine Entschließung des Nationalrates zur Erstellung eines Baukulturreports, der nun dem Hohen Haus zugeleitet wurde. (III-56 d.B.)

In sechs Teilheften werden hierbei die heimische Baukultur, der Ist-Zustand am Sektor Architektur und Planung, zumal im europäischen Vergleich, beleuchtet und konkrete Schlussfolgerungen für eine zeitgemäße Förderung der heimischen Baukultur gezogen.

Einleitend zur Expertenrunde meinte Ausschussvorsitzende Christine Muttonen (S), es handle sich bei diesem Thema um eine Querschnittsmaterie, weshalb an dieser Sitzung auch Mitglieder des Bau- und des Umweltausschusses teilnähmen. Baukultur habe große Bedeutung für die Gesellschaft, und deshalb hätte auch Architekturpolitik entsprechende politische Bedeutung. Muttonen erinnerte an die Entschließung des Nationalrats, mit der seinerzeit der vorliegende Bericht initiiert worden sei, und verwies insbesondere auf den Empfehlungsteil des Berichts.

Volker Dienst, Geschäftsführer der ARGE Baukulturreport, rekapitulierte Genese und Schlussfolgerungen des Berichts und verknüpfte dies mit der Hoffnung, an dieser Stelle auch über entsprechende Umsetzungen diskutieren zu können. Dienst definierte Architekturpolitik und meinte, bei Baukultur gehe es darum, wie Österreich künftig aussehe, weshalb es eine entsprechend engagierte Architekturpolitik brauche, um sich den Herausforderungen der Zukunft stellen zu können. Der Bericht lege dar, welche Bedeutung die Baukultur für Land und Bevölkerung habe, verbringe man doch 90 % der Zeit in Gebäuden oder gestalteter Umwelt. Auch politisch, kulturell, ökonomisch und ökologisch sei Baukultur von nennenswerter Bedeutung. Der Redner schloss mit dem Hinweis auf den Empfehlungskatalog, auf dessen Basis die weitere Diskussion stattfinden solle und regte an, eine zentrale Koordinationsstelle für Baukultur einzurichten.

Robert Temel von der Österreichischen Gesellschaft für Architektur berichtete von Architekturpolitik im europäischen Vergleich und illustrierte seine Ausführungen anhand diverser Beispiele aus Holland, Finnland und Großbritannien. Architektur dürfe kein Elitenthema sein, sondern eine Sache, die alle angehe, es brauche entsprechende Bürgerbeteiligung und, diese ermöglichend, adäquate bildungspolitische Maßnahmen. Konkret sprach sich Temel für eine interministerielle Koordinationsstelle, einen unabhängigen Beirat und entsprechende Leitlinien sowie angemessene Mittel zur Architekturvermittlung aus.

Univ.-Prof. Christian Kühn sprach von bildungs- und vermittlungspolitischen Aufgaben, es gehe um Qualitätsbewusstsein, wofür Verständnis vermittelt werden müsse. Raumordnung sei ein politisches Thema, es müsse auch politisch gelöst werden. Die diesbezügliche Vermittlung müsse schon in der Schule ansetzen. So brauche es die Sicherung planerischer Ausbildung und eine kontinuierliche Verbesserung der Ausbildungssituation. Ziel sollte ein gesamteuropäisches Ausbildungssystem zur Qualitätssicherung in Europa sein. Überdies votierte Kühn für mehr Mittel zur Architekturvermittlung und eine zielgerichtete Innovationsförderung durch Schaffung bzw. Unterstützung entsprechender Forschungsinitiativen.

Roland Gruber von der Plattform für Architekturpolitik forderte die Forcierung nachhaltigen und ressourcenschonenden Bauens und meinte, derartige Standards sollten in den Bauordnungen, die übrigens vereinheitlicht werden sollten, entsprechend festgeschrieben werden. Es brauche eine Neubewertung diesbezüglicher Kriterien, denn auch beim Bauen müsse die Kostenwahrheit von nachhaltiger Relevanz sein.

Georg Pendl von der Bundeskammer der Architekten wies eingangs darauf hin, dass 2008 mehr als die Hälfte der gesamten Menschheit in Städten leben werde, es gehe also nicht nur ums Bauen, sondern um die Grundlagen künftiger Lebensumwelt. Konkret trat Pendl für qualitätsorientierte Vergaberichtlinien und Mittelvergabe im Lichte der Qualitätssicherung ein. Auch die Förderung von Architekturtransfer war Pendl ein Anliegen, der zudem auch noch steuerpolitische Aspekte ansprach.

Zusammenfassend erhob Dienst drei Forderungen. Erstens solle der Baukultur in allen Ressorts Rechnung getragen werden, wozu es eine Koordinationsstelle und einen Beirat geben solle. Zweitens sollten weiterführende Studien beauftragt werden, drittens bereits im kommenden Jahr ein weiterer Baukulturreport in Auftrag gegeben werden, weil Derartiges kontinuierlich weiterbetrieben werden müsse.

Bundesministerin Claudia Schmied dankte zunächst den am Bericht Mitwirkenden und legte sodann ein klares Bekenntnis zur Baukultur ab. Sie sei entschlossen, die Empfehlungen weitestmöglich umzusetzen. Die Ministerin sprach von der Vielfalt an Aufgaben und sagte, es gehe auch um rechtliche und faktische Leitlinien für das Bauen, etwa die Bauordnung oder die Vergaberichtlinien. Nicht nur der Bund, auch Länder, Gemeinden und private Bauherren seien gefordert. Sie habe in ihrem Bereich bereits einige Maßnahmen gesetzt, weitere Schritte würden folgen, so Schmied. Konkret werde die Aus- und Weiterbildung forciert, würden vermehrt Stipendien vergeben, die Schwerpunktprogramme Kunst und Kultur, die ja auch Architektur inkludierten, konsequent gefördert und überdies auch eigene Publikationen zum Thema, etwa ein Architekturjahrbuch, initiiert. Der Baukulturreport werde auch bei den zuständigen Landesräten thematisiert, stellte Schmied fest. Baukultur und Architektur gehe alle an, was in ihrer Verantwortung liege, habe sie bereits begonnen und werde es entsprechend weiter betreiben.

Christoph Stadlhuber von der BIG beleuchtete die Thematik aus der Sicht seiner Institution und berichtete, dass es in der BIG bereits einen hauseigenen Architektur-Beirat gebe, der, mit entsprechenden Kompetenzen versehen, an den Diskussions- und Auswahlprozessen an prominenter Stelle mitwirke. In alle laufenden Projekte sei der Beirat im Interesse der Qualitätssicherung adäquat eingebunden. Stadlhuber verwies darauf, dass bei der Baukultur auch die Lebenszykluskosten zu betrachten seien. Die entscheidende Phase der Kosten sei nicht der Bau, sondern der Betrieb, daher brauche es ein Umdenken in der Planung. Konkret verwies Stadlhuber darauf, dass die WU Wien bereits nach 26 Jahren ein neues Gebäude benötige, während Schulbauten aus dem 19. Jahrhundert im Prinzip noch funktionierten. Es gelte also die Lebensdauer von Gebäuden entsprechend zu verlängern und Energiekosten zu senken. (Fortsetzung)


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