Parlamentskorrespondenz Nr. 833 vom 07.11.2007

FPÖ für gerechte Pensionserhöhung und Neugestaltung des Sozialstaats

Dringlicher Antrag im Nationalrat

Wien (PK) – "Die Bekämpfung der fortschreitenden Verarmung der österreichischen Bevölkerung durch eine gerechte Pensionserhöhung und eine zeitgemäße Neugestaltung des Sozialstaats" forderte die Fraktion der Freiheitlichen mittels eines Dringlichen Antrags in der heutigen Sitzung des Nationalrats.

Abgeordneter STRACHE (F) stellte in seiner Begründung des Dringlichen Antrags fest, Armut sei die schlimmste Form von Gewalt, unter der immer mehr Menschen in Österreich zu leiden hätten. Vor allem seit der Einführung des Euro könne man eine enorme Steigerung der Heiz-, Betriebs- und Lebensmittelkosten konstatieren, während das Lohnniveau relativ konstant geblieben sei. Einen Grund für die Armutsfalle, die immer unbarmherziger zuschlage, sah Strache in der Fehlentwicklung der EU in Richtung Globalisierung. Mit Armut sei auch eine soziale Ausgrenzung verbunden, so der F-Klubobmann. In Österreich herrsche eine ungleiche Verteilung des Vermögens, die soziale Schere sei in den letzten Jahren auseinandergegangen und das Rückgrat einer Gesellschaft, der Mittelstand, drohe zu zerbröseln. Rund 13 % der Menschen seien armutsgefährdet. Die FPÖ wolle daher soziale Gerechtigkeit sicher stellen. Man müsse der Geldentwertung entgegen wirken, sagte er.

Als weitere Ursache für die zunehmende Armut nannte Strache die nach seiner Auffassung aus dem Ruder gelaufene Zuwanderungspolitik. Von den rund 50.000 Zuwanderern pro Jahr würden nur 7.000 erwerbstätig, was das Sozialsystem belaste. Er bedauerte, dass der Vorschlag der FPÖ, eine Studie über die Kosten der Zuwanderung zu erstellen, von den anderen Parteien abgelehnt worden ist. Strache kritisierte auch die Beschäftigungspolitik und sprach von "Lohnsklaven" aus Osteuropa für die heimische Industrie, die den Österreicherinnen und Österreichern keine ausreichenden Löhne zahlen wolle. Vom Wachstum der Wirtschaft spüre die Bevölkerung kaum etwas, das durchschnittliche Einkommen von 1.516 € liege unter dem Niveau vor 15 Jahren.

Strache konzentrierte sich dann auf die Lage der Pensionistinnen und Pensionisten und bemerkte, diesen sei in den letzten fünf Jahren Geld geraubt worden. Wenn man nichts gegen die bisherige Politik unternehme, würden in absehbarer Zeit die Pensionen halbiert. Er verteidigte den Pensionistenindex, da der Warenkorb nicht der Lebenssituation älterer Menschen entspreche. Dem Sozialminister warf er vor, nur Ankündigungspolitik zu betreiben. Konkret forderte Strache eine Erhöhung der Pensionen um 2,6 % und eine Anpassung von mindestens 50 € brutto. Auch hielt er bei Grundnahrungsmitteln und Medikamenten eine Befreiung von der Mehrwertssteuer für notwendig. Er forderte die Regierung weiters auf, im Bereich der Pflege mit den Ländern eine entsprechende Grundversorgung auszuverhandeln.

Bundesminister BUCHINGER bezeichnete den vorliegenden Dringlichen Antrag als nicht ernsthaft. Die FPÖ hantiere mit unrichtigen Zahlen und falschen Schlussfolgerungen und leiste keinen Beitrag zur Lösung der Probleme. Die Bekämpfung der Armut sei jedoch eines der wichtigsten sozialpolitischen Themen, zumal 420.000 Menschen in Armut lebten. Als Hauptfaktoren dafür nannte der Minister Beschäftigungslosigkeit, schlechtes Einkommen trotz Beschäftigung, mangelnde Bildung und Ausbildung sowie das Ausmaß von Sozialleistungen. Auch ältere und behinderte Menschen, Mehrkindfamilien und Menschen mit Migrationshintergrund seien armutsgefährdet.

Die Bundesregierung versuche daher konsequent, an diesen Punkten anzusetzen, und sie habe dabei bereits einige Erfolge erzielen können. So sei die Arbeitslosigkeit und vor allem die Langzeitarbeitslosigkeit seit Herbst letzten Jahres zurückgegangen, und die Bundesregierung bemühe sich auch weiterhin um geeignete wirtschafts- und budgetpolitische Rahmenbedingungen. Im Interesse eines ausreichenden Einkommens sei die Einführung des Mindestlohns geplant und man habe den Sozialversicherungsschutz auf prekäre Arbeitsverhältnisse ausgedehnt. Auch die Anmeldung bei der Sozialversicherung vor Arbeitsbeginn sei ein wichtiger Schritt. Buchinger räumte ein, dass die Einkommensverteilung in den letzten zehn Jahren außer Balance geraten sei und ein Sinken der Lohnquoten stattgefunden habe. Die guten Lohnabschlüsse würden dieser Entwicklung entgegenwirken. Die SPÖ wolle auch eine stärkere Einbeziehung der Vermögen zur Stützung der Sozialsysteme, aber in dieser Frage gebe es derzeit keinen Konsens unter den Koalitionspartnern.

Einen wichtigen Stellenwert in der Armutsdebatte nehme auch die Bildung ein, stellte Buchinger fest. Nachdem in den letzten sechs Jahren Bildungschancen abgebaut worden seien, würden nun Weichen für ein Mehr an Chancengleichheit gestellt. Darüber hinaus würden Betreuungsplätze ausgebaut und die Flexibilisierung des Kinderbetreuungsgeldes sei ein wesentlicher Beitrag zur Vereinbarung von Beruf und Familie. Ein entscheidendes Instrument zur Armutsbekämpfung stellen die Transferleistungen dar, erklärte der Sozialminister. Ohne diese würde die Armutsgefährdung nicht bei 12 % der Bevölkerung, sondern bei 43 % liegen. Die Bundesregierung habe den Ausgleichszulagenrichtsatz um 5 % erhöht, erinnerte er, und die Deckelung der Rezeptgebühren könne man als einen großen sozialpolitischen Fortschritt bezeichnen.

Die Schlussfolgerungen der FPÖ im Bereich der Zuwanderung hielt Buchinger für falsch, denn in die Pensionskassen zahlten 370.000 ausländische Beschäftigte ein, jedoch nur 80.000 AusländerInnen beziehen eine Pension. Buchinger gab zu, dass die Pensionen in den letzten Jahren unter der Inflationsrate erhöht worden sind, was zu einem Nettoverlust von fast 7 % geführt habe. Daher liefen nun Gespräche mit den Pensionistenvertretern, die Pensionen über die 1,7 % hinaus zu erhöhen. Die Regierung werde auch weiterhin die nötigen Anpassungen im Sozialsystem vornehmen, versicherte der Sozialminister abschließend.

Abgeordneter NEUBAUER (F) warf dem Minister vor, nur Ankündigungspolitik zu betreiben. Um die soziale Schieflage zu untermauern, rechnete er vor, dass 1 % der Bevölkerung mehr Anteil am Gesamtvermögen besitze, als 90 % der Bevölkerung zusammen. Die Durchschnittspension der SeniorInnen liege bei 848 €, und das sei genau die Armutsgrenze. In Linz, einer Stadt mit 190.000 Einwohnern, gebe es einen Aktivpass für Personen, die über ein Einkommen von weniger als 1.000 € verfügen. Dass 70.000 Menschen einen solchen Pass zugesprochen bekommen haben, stelle ein Armutszeugnis dar. Die Menschen seien trotz Erwerbstätigkeit arm, bemerkte Neubauer, und wies darauf hin, dass eine Angestellte 293,5 Jahre arbeiten müsste, um ein Jahresgehalt von Generaldirektor Treichl zu haben. Neubauer warnt davor, bei der kommenden Pensionsdebatte einen neuerlichen Generationenkonflikt vom Zaun zu brechen, wie das Abgeordnete Fuhrmann getan hatte. Auch Neubauer sprach sich für die Heranziehung des Pensionistenpreisindexes zur Berechnung der Pensionserhöhungen aus.

Schließlich brachte er einen Entschließungsantrag ein, in dem gefordert wird, Grundnahrungsmittel und Medikamente von der Mehrwertssteuer zu befreien.

Abgeordneter DOBNIGG (S) betonte, die SPÖ nehme die Anliegen der Menschen sehr ernst. Für die Belastungen der PensionistInnen machte er die frühere Regierung verantwortlich, die derzeit im Amt befindliche Regierung habe jedoch bereits wesentliche Schritte gesetzt, um die Schäden zu reparieren. Die SPÖ sei immer für Pensionserhöhungen über der Inflationsrate eingetreten, unterstrich Dobnigg, und er zeigte sich zuversichtlich, dass die Verhandlungen über bessere Pensionsanpassungen zu einem guten Ergebnis führen werden.

Abgeordnete Mag. AUBAUER (V) fragte Strache, von welchem Land er eigentlich spreche. Österreich stehe wirtschaftlich sehr gut da und habe eine niedrige Armutsrate und Arbeitslosigkeit aufzuweisen. Man könne nur das verteilen, was man erarbeitet habe, sagte sie. Dennoch sei jeder und jede Arme zu viel. Es würden aber entsprechende Maßnahmen gesetzt, und so sei beispielsweise die Gefährdungsquote um 0,9 %, das betreffe 34.000 Menschen, zurückgegangen. Man sehe, das soziale Netz funktioniert und wird auch immer enger geknüpft, so Aubauer. Sie warnte davor, den PensionistInnen Angst zu machen, und betonte, dass die Pensionen gesichert seien. Sie ging ebenfalls davon aus, dass die Verhandlungen zu einer fairen und gerechten Pensionserhöhung führen werden. Auch in Bezug auf Pflege wolle die ÖVP Sicherheit geben, und deshalb trete sie für eine Verlängerung der Amnestieregelung um ein Jahr ein. Die neuen legalen Modelle seien zu teuer und zu kompliziert, begründete sie ihren Vorstoß.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) begrüßte es, dass die Freiheitlichen beim Thema Armut mitdiskutieren wollten, wies die praktischen Vorschläge der FPÖ aber zurück. Eine lineare Erhöhung der Pensionen habe nichts mit Armutsbekämpfung zu tun, dies würde nämlich bedeuten, eine 13.000 €-Pension um 338 € zu erhöhen. Das sei sozial nicht zu vertreten.

Mit aller Entschiedenheit trat Öllinger der freiheitlichen Auffassung entgegen, Fremde würden die Solidargemeinschaft mehr als 2000 Euro jährlich kosten und bezeichnet die diesbezüglichen Daten aus der Schweiz als völlig falsch. Faktum sei, dass das Armutsrisiko von Ausländern und von Menschen mit Migrationshintergrund höher sei als jenes von Inländern. Der Grundsatz, dass alle Menschen, die in Österreich leben, dasselbe Recht auf Sozialleistungen haben, dürfe nicht in Frage gestellt werden.

Zum Thema Pensionserhöhung legte der Abgeordnete einen Entschließungsantrag seiner Fraktion vor, der für Pensionen bis 1000 € eine Erhöhung um 2,5 %, für Pensionen über 1000 € eine Erhöhung von 2,5 bis 1,7 % sowie für Pensionen über der ASV-Höchstpension einen fixen Erhöhungsbetrag von 45,42 € vorsieht.

Abgeordnete HAUBNER (B) erinnerte an Maßnahmen der alten Bundesregierung gegen die Armutsgefahr. Von 2000 bis 2006 sei viel für die Frauen geschehen, das Pflegegeld erhöht, die Behindertenmilliarde eingeführt und das Pensionssystem auf sichere Beine gestellt worden, listete Haubner auf. Es sei zu begrüßen, dass nun die Medikamentenkosten gesenkt werden, man dürfe aber nicht vergessen, dass gleichzeitig die Krankenversicherungsbeiträge erhöht werden. Die neue Regierung streite oft, sei sich aber immer einig, wenn es um Belastungen gehe. Angesichts guter Konjunktur und hoher Steuereinnahmen verlangte die Rednerin die Einrichtung eines Familienzukunftsfonds und Maßnahmen gegen die Kinderarmut. Haubner vermisste die versprochene soziale Wärme, die Entlastung des Mittelstandes sowie die Verdoppelung der Negativsteuer und erinnerte an BZÖ-Entlastungsvorschläge zur Entsteuerung der Überstunden und zur Entlastung der Familien. Schließlich verlangte Haubner, für Frauen über 60 Jahren, die wegen ihrer Familienverpflichtungen keine Altersversorgung erwerben konnten, ein "Müttergeld" einzuführen. Außerdem sei eine außerordentliche Erhöhung der Pensionen fällig.

Auch Abgeordneter KICKL (F) fragte, wo die soziale Wärme bleibe, von der die SPÖ im letzten Wahlkampf gesprochen habe. Ein Blick in den Ofen der SPÖ lasse kein Feuer erkennen, sondern nichts als schwarze Asche.

Die FPÖ als "soziale Heimatpartei" nehme hingegen den Kampf gegen die Armut ernst. Sie wolle es nicht hinnehmen, dass viele Menschen beim kommenden Weihnachtsfest vor der Frage stehen werden, ob sie Geschenke kaufen oder den Festtagstisch decken sollen. Die Regierung sollte endlich ihre Hausaufgaben machen, verlangte Kickl, drängte auf eine Entlastung der Autofahrer und der Pendler sowie auf Maßnahmen gegen den Stellenabbau bei der Post. Auch sollte der Sozialminister sich endlich an seine Zuständigkeit für den Konsumentenschutz erinnern und es nicht länger zulassen, dass Bankkunden immer mehr Arbeit selbst erledigen, zugleich aber immer mehr für Kontogebühren zahlen müssen. 

Kickl fragte, wie es sein könne, dass in einem der reichsten Länder der Welt zu Zeiten florierender Wirtschaft Menschen von Armut bedroht seien. Seine Antwort lautete: Weil politisch vieles in die falsche Richtung gehe und Österreich massive Probleme bei der Verteilungsgerechtigkeit habe.

Abgeordnete RUDAS (S) vermisste am Antrag der FPÖ Visionen für die Zukunft des Sozialstaates und warf den Parteien, die die letzte Bundesregierung getragen haben - FPÖ, BZÖ und ÖVP - vor, den jungen Menschen das Vertrauen in die Politik genommen zu haben. Die Jugend wolle keinen Generationenkonflikt, sagte die Rednerin und unterstrich die Solidarität der kommenden PensionistInnen mit den heutigen PensionistInnen. Rudas erinnerte, dass ihre Partei das Thema Armut beim Antritt der neuen Regierung aufs Tapet gebracht habe. Der politische Kurswechsel werde in der Jugendbeschäftigungsgarantie und im Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit deutlich. Der FPÖ warf die Abgeordnete vor, mit Forderungen nach einem Zuwanderungsstopp und dem gebetsmühlenartig vorgetragenen "Die Ausländer sind an allem schuld" über das Versagen bei ihrer Regierungsbeteiligung hinwegtäuschen zu wollen.

Abgeordneter AMON (V) erinnerte an Maßnahmen der alten Regierung gegen die Armutsgefährdung, etwa die Einführung der Mindestpension und die Erhöhung des Ausgleichszusagenrichtsatzes um 100 €. Die alte Bundesregierung sei auch beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit sehr erfolgreich gewesen und dies sei nachgewiesenermaßen das beste Mittel im Kampf gegen die Armut. Amon begrüßte die Einführung des Mindestlohns und drängte darauf, tatsächlich alle Berufsgruppen in diese Regelung einzubeziehen. Der FPÖ-Antrag sei mit "Schaum vor dem Mund" geschrieben und zeige "Ausländerfeindlichkeit", kritisierte Amon in Richtung der Einbringer des dringlichen Antrags.

Abgeordnete MANDAK (G) kritisierte die FPÖ für ihre Unterscheidung zwischen "uns" und den "anderen". Sie reiße Gräben auf, erzeuge Neid und schüre Hass. "Das ist keine konstruktive Politik", sagte Mandak und machte darauf aufmerksam, wie viele Ausländer in Österreich wegen schlechter Sprachkenntnisse oder aus Angst davor, sich an eine Behörde zu wenden, auf Sozialhilfeleistungen verzichten, die ihnen rechtlich zustehen. Daher sei der Anteil der Sozialtransfers am Haushaltseinkommen von Zuwanderern geringer als am Haushaltseinkommen von Inländern. In einem Entschließungsantrag ihrer Fraktion verlangte Abgeordnete Mandak, den Ausgleichszulagenrichtsatz zumindest auf die Höhe der in der EU geltenden Armutsgefährdungsschwelle zu heben.

Abgeordneter DOLINSCHEK (B) unterstrich die Armutsgefahr, der Langezeitarbeitslose, Alleinerzieherinnen mit Teilzeitbeschäftigungen, Alleinverdiener, kinderreiche Familien und Menschen mit Migrationshintergrund ausgesetzt seien. Die Behauptung des Sozialministers, Zuwanderer würden mehr in die Sozialtöpfe einzahlen als sie herausbekommen, bezweifelte der Redner und machte in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass E-Cards vielfach von mehreren Personen benützt würden - er schlug daher vor, sie mit Fotos zu versehen.

Kritik an der alten Regierung wies Dolinschek zurück, sie habe durch ihre Wirtschaftspolitik die Voraussetzungen für den gegenwärtigen Wirtschaftsaufschwung geschaffen. Die jetzige Regierung sei aufgefordert, die Steuerzahler endlich zu entlasten, die Überstunden zu entsteuern, einen 1300 Euro-Mindestlohn einzuführen, die Pendler zu unterstützen, die Pensionen um 3 % zu erhöhen sowie den Ausgleichszulagenrichtsatz auf 750 € anzuheben. Dazu legte der Abgeordnete einen BZÖ-Entschließungsantrag vor.

Abgeordnete Rosenkranz (F) forderte Abgeordnete Rudas zu mehr Toleranz für die Meinung anderer auf. Die Demokratie lebe von der Vielfalt der Anschauungen und Meinungen. Für sie, Rosenkranz, seien freie Völker und freie Staaten Garanten für Demokratie und Selbstbestimmung. Sie bekenne sich nicht zum Internationalismus, sie habe aus dem Schicksal der mit "eiserner Faust" geschaffenen supranationalen Sowjetunion oder Jugoslawiens gelernt und sei überzeugt, dass ihr die Geschichte auch in Zukunft Recht geben werde.

Beim Thema Armutsgefährdung erinnerte die Abgeordnete an das "demographische Paradoxon" reicher Länder, in denen die Geburtenrate immer stärker sinke. Zu erklären sei dieses Phänomen mit einem Mangel des modernen Sozialstaates - er vernachlässige Menschen, die Kinder erziehen. Daher erhöhe die Familiengründung die Armutsgefahr. Der Familienlastenausgleich sei daher nicht als "Familienförderung" zu verstehen, sondern wörtlich als "Lastenausgleich". Weil Menschen mit Kindern über ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hinaus besteuert würden, steige ihre Armutsgefahr, analysierte Abgeordnete Rosenkranz. In einem Entschließungsantrag ihrer Fraktion verlangte sie daher die Einführung eines steuerlichen Familiensplittings nach dem Vorbild Frankreichs.        

  

Abgeordnete KÖNIGSBERGER-LUDWIG (S) drückte ihren Unmut darüber aus, dass im Antrag der Freiheitlichen wieder einmal mit Ressentiments gearbeitet wird und ein Sündenbock gesucht wurde. Es sind nicht einfach die Fremden daran schuld, dass es in Österreich Armut gibt, entgegnete die Rednerin mit Nachdruck, die Ursachen seien viel vielfältiger. Die Forderungen der FPÖ z.B. nach Abschaffung der Mehrwertsteuer bei Grundnahrungsmitteln oder die Festlegung des Benzinpreises mit maximal einem Euro haben sicher keinen sozialpolitischen Lenkungseffekt. Ihrer Meinung nach gehe es darum, neue Wege bei der Armutsbekämpfung zu finden, und Minister Buchinger stehe auch dafür. Der wichtigste neue Weg sei dabei die angepeilte bedarfsorientierte Mindestsicherung.

Die sozialen Grenzen verlaufen nicht zwischen einer polnischen Putzfrau und einer österreichischen Putzfrau oder zwischen einem arbeitslosen türkischen Bauarbeiter und einem österreichischen, sondern zwischen jenen, die etwas haben und jenen, die nichts haben, argumentierte Abgeordneter Mag. STEINHAUSER (G) in Richtung der FPÖ. Die Freiheitlichen stünden aber auch mit den Zahlen auf dem Kriegsfuß, etwa was die negative Sozialbilanz von Ausländern oder den Bezug von Sozialhilfe bei Nicht-Österreichern betrifft. Das eigentliche Problem sei vielmehr, dass in Österreich die Lohnquote sinke, weil die Produktivitätsgewinne nicht mehr in ausreichendem Maße an die Arbeiter und Angestellten weitergegeben werden. Die Zahl der Millionäre wachse bei uns schneller als in der Schweiz, trotzdem sind eine Million Österreich armutsgefährdet, zeigte Steinhauser auf. Notwendig sei daher eine Debatte über die Verbreiterung der Finanzierungsbasis der Sozialsysteme, die Einführung eines wirklichen Mindestlohns in der Höhe von 1.200 Euro und eine Grundsicherung, die diesen Namen verdient.

Die SPÖ habe immer kritisch darauf hingewiesen, dass im viertreichsten Land Europas die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, erinnerte Abgeordneter SPINDELBERGER (S). Man müsse heute vor allem deswegen darüber reden, weil sich die Armut in den letzten sieben Jahren unter der ÖVP-FPÖ-BZÖ-Regierung verdoppelt hat. Wenn man seriös über die Armutsbekämpfung reden wolle, dann müsse man sich viele Bereiche anschauen, etwa die Einkommensverteilung, die Arbeitslosigkeit, den Bildungsstand, die Beschäftigung und die Erwerbseinkommen. Er glaube, dass Minister Buchinger gemeinsam mit den Sozialpartnern bei der Umsetzung des Regierungsübereinkommens auf einem guten Weg sei. Als Beispiele führte Spindelberger den Kampf gegen das Schwarzunternehmertum, die Deckelung der Rezeptgebühren, das geplante Jugendbildungspaket und die Maßnahmen für ältere Arbeitnehmer an. Insgesamt werde die Regierung 1,3 Mrd. € in die Hand nehmen, um die aufgezeigten Probleme in den Griff zu bekommen.

Abgeordnete CSÖRGITS (S) schloss sich den Ausführungen ihrer Fraktionskollegen an. Auch sie war der Auffassung, dass eine sinnvolle Armutsbekämpfung nur dann gelinge, wenn mehr Vollzeitarbeitsplätze mit einem Einkommen, von dem man leben könne, geschaffen werden. In Bezug auf den Vorschlag der Abgeordneten Haubner nach Einführung einer Mütterpension stellte Csörgits klar, dass jeder die Möglichkeit haben müsse, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie erinnerte zudem daran, dass es Minister Buchinger bereits gelungen sei, die Bewertung von Kinderbetreuungszeiten für die Pension zu verbessern.

Bei den Abstimmungen wurde der Selbstständige Antrag der FPÖ betreffend die Bekämpfung der fortschreitenden Verarmung der österreichischen Bevölkerung durch eine gerechte Pensionserhöhung und eine zeitgemäße Neugestaltung des Sozialstaates abgelehnt.

Ebenso in der Minderheit blieben der F-Entschließungsantrag betreffend Freistellung von Grundnahrungsmitteln und Medikamenten von der Mehrwertsteuer, der G-Entschließungsantrag betreffend Pensionserhöhung 2008, der F-Entschließungsantrag betreffend Reduktion der Treibstoffpreise, der G-Entschließungsantrag betreffend Anhebung des Ausgleichszulagenrichtsatzes, der B-Entschließungsantrag betreffend Pensionserhöhung sowie der F-Entschließungsantrag betreffend Bekämpfung der fortschreitenden Verarmung der österreichischen Familien durch Indexanpassung der Familienleistungen und Einführung eines Familiensteuersplitting-Modells.

Kurze Debatte über eine Anfragebeantwortung des Umweltministers

In einer anschließenden kurzen Debatte ging es um die Antwort von Landwirtschafts- und Umweltminister Josef Pröll auf eine Anfrage der Grünen zum Thema Kennzeichnung gentechnischer Verunreinigungen im Saatgut.

Heute gehe es um das wichtige Thema der Absicherung des gentechnikfreien Anbaus in Österreich und Europa, was sich 90 % der heimischen und 70 % der europäischen Bevölkerung wünschen, konstatierte Abgeordneter DI PIRKLHUBER (G). Damit eine gentechnische Landwirtschaft sichergestellt werden kann, brauche man einerseits reines Saatgut und zweitens den rechtlichen Schutz der gentechnikfreien Regionen. Die Selbstbestimmung der Regionen sei deshalb so wichtig, weil gerade in kleinstrukturierten Landwirtschaften eine Koexistenz nicht möglich sei. Die Kommission habe deshalb versucht, die österreichischen Importverbote bei einzelnen Sorten von Mais und Raps zu torpedieren, weil sie im Gegensatz zu einem WTO-Beschluss stehen. Er frage sich, was Bundesminister Pröll konkret getan habe, um die Kommission zu bewegen, dieses WTO-Panel zu beeinspruchen. Auch wenn der Europäische Gerichtshof das generelle Gentechnik-Verbot in Oberösterreich gekippt habe, sah Pirklhuber noch eine reale Chance, kulturartenbezogene Verbote auszusprechen, da im Urteil auf Gefahren hingewiesen wurde, die noch nicht vollständig erkannt sind. Aus seiner Sicht habe Pröll zudem vollständig versagt beim Agrarumweltprogramm, da die Gelegenheit nicht genutzt wurde, um gentechnikfreies Saatgut zum Schutz der Biodiversität festzuschreiben.

Abgeordnete BAYR (S) räumte ein, dass die gentechnikkritische Politik in Österreich derzeit denkbar schlechte Rahmenbedingungen habe. Einerseits sei man mit jener EU-Kennzeichnungsrichtlinie konfrontiert, die besagt, dass künftig zufällige und technisch unvermeidbare Verunreinigungen von herkömmlichem Saatgut mit GVO-Sorten zwischen 0,3 % und 0,5 % toleriert werden. Andererseits sei es Minister Pröll in Brüssel nicht gelungen, eine qualifizierte Mehrheit für das österreichische Importverbot für zwei gentechnisch manipulierte Maissorten zu finden. Das Problem sei ihrer Meinung nach, dass Brüssel in vielen Fragen nicht die Wünsche der österreichischen Bevölkerung akzeptiere. Besorgt zeigte sie sich auch darüber, dass agrarische Treibstoffe quasi zum Allheilmittel gegen die Klimaerwärmung erklärt werden, und zwar auch dann, wenn sie überhaupt nicht nachhaltig produziert worden sind. Was das Gentechnikgesetz angeht, so seien ihrer Ansicht nach noch einige Lücken zu schließen, z.B. im Bereich der Haftung. Außerdem sei die gentechnik- und AKW-kritische Forschung dringend zu forcieren, forderte sie.

Es sei nicht nur auf gesetzlicher Basis alles im Lot, meinte Abgeordneter Ing. SCHULTES (V), Österreich sei auch immer erfolgreicher darin, die heimischen und gentechnikfreien Produkte am Markt zu platzieren. Es wurde auch sichergestellt, dass sich die Biolandwirte sowie die konventionellen Bauern mit gentechnikfreiem Saatgut versorgen können, und dies werde auch in Zukunft so sein. Die Aufregung des Abgeordneten Pirklhuber sei daher nicht verständlich. Die kombinierte Strategie aus Gentechnikfreiheit und Sicherung der individuellen Energieautonomie werde durch den österreichischen Weg sichergestellt, war Schultes überzeugt.

Oberflächlich betrachtet schaue es mit der Gentechnikfreiheit in Österreich durchaus gut aus, räumte Abgeordnete Dr. MOSER (G) ein. Sehr gut wäre es aber erst dann, wenn Minister Pröll ein umfassendes Konzept für den gentechnikfreien Pflanzenanbau vorlegen würde, da ein kulturpflanzenbezogenes Verbot des Anbaus von gentechnisch manipulierten Saatgut noch fehle. Weiters sollte die wissenschaftliche Forschung vorangetrieben werden, um die österreichische Position innerhalb der EU noch besser absichern zu können. Eindeutig distanzieren müsste sich Pröll noch von den Aussagen des Finanzministers Molterer, der sich bei der Produktion von Biomasse die Anwendung von Gentechnik vorstellen könnte.

Bundesminister DI PRÖLL erinnerte daran, dass in Österreich bezüglich des Saatguts eine mustergültige Regelung gefunden wurde, die eine Nulltoleranz bezüglich gentechnischen Verunreinigungen vorsieht. Auf EU-Ebene habe er sich im Bereich Futtermittel und Lebensmittel intensiv dafür eingesetzt, dass in Europa eine Kennzeichnungsregelung kommt, die einen Grenzwert von 0,9 % festschreibt; alles, was darüber hinausgehe, müsse gekennzeichnet werden. Dies sei ein faires Angebot, meinte Pröll, denn nun könnten die Bauern und Konsumenten darüber entscheiden, ob die Gentechnik in diesem Bereich vordringt oder nicht.

Was die nationalen Verbotsverordnungen angeht, so wurde Österreich von Seiten der EU zugestanden, die Landwirtschaft weiter gentechnikfrei zu halten. Die Kommission habe nur die Frage der Einfuhr von Futter- und Lebensmitteln zur Disposition gestellt, weil jeder aufgrund der Kennzeichnungspflicht wählen könne. Die Umweltminister haben die nationale Verbotsverordnung nicht gekippt, betonte Pröll, es ergab sich eine Pattsituation, über die nun die Kommission entscheiden müsse. Daher werde man zeitgerecht, bevor die Kommission die endgültige Entscheidung trifft, ein Gutachten vorlegen, kündigte der Minister an. Man könne daher absolut optimistisch in die Zukunft schauen, was die gentechnikfreie Landwirtschaft betrifft. Es bringe übrigens überhaupt nichts, im freiwilligen Umweltprogramm Gentechnikfreiheit festzulegen, schloss der Ressortchef.

Abgeordneter DI KLEMENT (F) führte aus, die Gentechnik sei ein gutes Beispiel dafür, wie "abgehoben und arrogant" die EU agiere. Obwohl ein Großteil der Bevölkerung gegen Gentechnik sei, "fahre die EU eiskalt drüber", kritisierte er. Dem Landwirtschaftsminister warf Klement vor, versagt zu haben. Ihm zufolge werden jährlich 800.000 Tonnen gentechnisch verseuchtes Soja nach Österreich gebracht und an Tiere verfüttert. Es gebe, so Klement, keine einzige Langzeitstudie über die Auswirkungen von gentechnisch veränderten Lebensmitteln auf den Menschen.

Abgeordneter SCHALLE (B) bekräftigte, seiner Meinung nach dürfe Gentechnik in Österreich keine Chance haben. Die Bevölkerung sei ganz strikt gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel, betonte er. Schalle zeigte sich außerdem überzeugt, dass ein Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Österreich zum Tod der klein strukturierten Landwirtschaft führen würde, da von Gentechnik nur Großkonzerne und riesige Betriebe profitierten.

(Schluss Dringlicher Antrag/Forts. NR)

  


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