Parlamentskorrespondenz Nr. 79 vom 30.01.2008

Von der EU-Präsidentschaft bis zur Visa-Affäre

Nationalrat debattiert Außenpolitischen Bericht 2006

Wien (PK) – Die Abgeordneten nutzten die Debatte über den Außenpolitischen Bericht 2006 zu einer Tour d'horizon, die von der österreichischen EU-Präsidentschaft bis zur zuletzt durch Gerichtsverfahren wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückte Visa-Affäre reichte.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) führte als erste Rednerin zu diesem Punkt der Tagesordnung aus, es sei völlig unklar, wie Österreich es bis zum Jahr 2010 schaffen wolle, das Ziel der EU zu erreichen, 0,51 % des BNE für Entwicklungshilfe auszugeben. Zwar weise der Außenpolitische Bericht für das Jahr 2006 einen Wert von 0,52 % aus, skizzierte sie, dieser habe aber nur erzielt werden können, weil Entschuldungen in großem Umfang durchgeführt worden seien. Für die nächsten Jahre seien jedoch keine derartigen Entschuldungen vorgesehen.

Massive Kritik übte Lunacek im Zusammenhang mit der Visa-Affäre. Sie warf dem Außenministerium vor, trotz klarer Verdachtslage nicht gehandelt zu haben. Bedauert wurde von Lunacek außerdem, dass sich Österreich während seiner EU-Präsidentschaft nicht stärker für die Visafreiheit der Nachfolgestaaten Jugoslawiens eingesetzt habe, um etwa Studierenden das Reisen zu ermöglichen.

Klubobmann Dr. SCHÜSSEL (V) ging auf die österreichische EU-Präsidentschaft im Jahr 2006 ein und verwies auf die von Österreich erzielten Erfolge. Unter anderem hob er hervor, dass es gelungen sei, die Reformdebatte in Bewegung zu bringen. Positiv bewertet wurde von Schüssel auch die Höhe der Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit im Jahr 2006.

Abgeordneter Dr. BÖSCH (F) brachte einen Entschließungsantrag ein, der auf die Abhaltung einer Volksabstimmung zum EU-Reformvertrag abzielt. Die FPÖ wolle sich konstruktiv an der Debatte im Verfassungsausschuss über den Vertrag beteiligen, versicherte er, zum Schluss müsse aber das Volk entscheiden. Bösch gab zu  bedenken, dass der absolute Vorrang des EU-Rechts vor nationalem Recht zwar nicht mehr im Reformvertrag selbst verankert sei, er werde in den Anmerkungen dazu aber in den Vordergrund gerückt. Überdies kritisierte er, dass die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fortgeführt würden.

Großen Aufklärungsbedarf sieht Bösch in Zusammenhang mit der Visa-Affäre, Die "mafiösen Strukturen" würden Schritt um Schritt zum Vorschein kommen, meinte er. Bösch kündigte einen Antrag seiner Fraktion auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu diesem Thema an.

Abgeordneter Mag. SCHIEDER (S) ging auf die Lage im Westbalkan ein und wies darauf hin, dass Österreich die Heranführung des Westbalkans an die EU stets als wichtiges Anliegen gesehen habe. Gleichzeitig bedauerte er, dass in der Frage der Visafreiheit nicht schon viel früher eine Lösung gefunden werden konnte.

Was die Visa-Affäre betrifft, hält Schieder eine Evaluierung des Ist-Standes für erforderlich. Seiner Ansicht nach muss etwa die frühzeitige Aktenvernichtung hinterfragt werden, da diese eine Aufklärung erschwere.

Abgeordneter Dr. HAIMBUCHNER (F) bemängelte, dass sich nicht einmal ein Unterkapitel im Außenpolitischen Bericht mit den Benes-Dekreten und den Avnoj-Beschlüssen befasse. Seiner Meinung nach ist es "beschämend", dass den Vertriebenen nicht ein einziger Satz gewidmet sei.

Abgeordneter SCHEIBNER (B) lobte die österreichische EU-Präsidentschaft im Jahr 2006, auch wenn "nicht alles geschafft wurde". Er hätte es etwa begrüßt, wenn man Alternativen zu einem EU-Beitritt der Türkei stärker in den Vordergrund gerückt hätte, sagte er. Kritisch setzte sich Scheibner mit dem Tschad-Einsatz des Bundesheeres auseinander. Insgesamt kündigte er die Zustimmung des BZÖ zum Außenpolitischen Bericht an.

Staatssekretär Dr. WINKLER unterstrich, Kontinuität sei ein wesentlicher Bestandteil der österreichischen Außen- und Europapolitik. Zum EU-Reformvertrag merkte er an, mittlerweile hätten alle EU-Staaten mit dem Ratifikationsprozess begonnen. Ein Großteil der Länder plane eine Ratifizierung des Vertrags noch vor dem Sommer, darunter auch drei große EU-Staaten. In Bezug auf die Visa-Affäre hielt Winkler fest, eine hundertprozentige Kontrolle sei nicht möglich. Gleichzeitig bekräftigte er, dass es sich nur um einzelne Täter handle, gegen die mit aller Härte vorgegangen werde.

Abgeordneter Dr. FICHTENBAUER (F) beklagte, dass jene Politiker, die für demokratische Kontrollmechanismen bei der Ratifizierung des EU-Reformvertrags, wie etwa für die Abhaltung einer Volksabstimmung, eintreten, als "die Bösen" dargestellt werden.  

Abgeordneter GROSSRUCK (V) äußerte Lob für den Außenpolitischen Bericht und drückte die Hoffnung aus, dass alle Parteien hinter der Bewerbung Österreichs für einen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat stehen. An Staatssekretär Winkler appellierte Großruck, dem Nationalrat möglichst bald das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen der EU mit Albanien zur Ratifizierung vorzulegen.

Abgeordneter DI KLEMENT (F) warf Außenministerin Plassnik vor, österreichische Probleme im Ausland nicht anzusprechen. So thematisiere sie etwa in Slowenien die kroatische und die ungarische Minderheit, nicht aber die österreichische Minderheit, kritisierte er. In diesem Zusammenhang verlas Klement auch einen Appell der deutschen Volksgruppe in Slowenien an Slowenien. 

Abgeordnete Mag. GROSSMANN (S) appellierte an den Kärntner Landeshauptmann, endlich Gesetze zu akzeptieren und Verfassungsgerichtshoferkenntnisse umzusetzen. Nach einem Jahr Gusenbauer könne man sagen, dass man viele Ziele erreicht habe. In außenpolitischer Hinsicht sei etwa eine wichtige Weichenstellung dadurch erfolgt, dass man sich auf den entsprechenden finanziellen Rahmenplan einigen konnte. Dies sollte man auch entsprechend kommunizieren.

Abgeordneter GLASER (V) setzte sich mit der Entwicklungszusammenarbeit auseinander und hielt fest, dass Österreich hier gute Arbeit leiste. Dies erläuterte der Redner anhand der diesbezüglichen Aktivitäten in Mocambique. In diesem Sinne sei auch der Einsatz im Tschad von entsprechender Wichtigkeit, denn nur, wenn es gelinge, die politischen Strukturen in einem Land zu stabilisieren, werde auch die gesellschaftliche Entwicklung erfolgreich verlaufen.

Abgeordnete BAYR (S) befasste sich mit der Tsunami-Hilfe und meinte, diese werde nicht als Musterbeispiel für effizientes Handeln in die Geschichte eingehen. Hier müssten die entsprechenden Lehren gezogen werden.

Abgeordnete Mag. WURM (S) berichtete von den außenpolitischen Aktivitäten des Europarates und gratulierte V-Abgeordneten Neugebauer zu seiner Wahl zum Vizepräsidenten der Parlamentarischen Versammlung des Europarates.

Der Bericht wurde mehrheitlich zur Kenntnis genommen. Der F-Entschließungsantrag betreffend Volksabstimmung zum EU-Vertrag von Lissabon blieb in der Minderheit.

(Schluss Außenpolitischer Bericht/Forts. NR)