Parlamentskorrespondenz Nr. 497 vom 27.05.2008

Arbeitslosenversicherung: Bezieher kleiner Einkommen werden entlastet

Hitzige Diskussion im Sozialausschuss über gesetzlichen Mindestlohn

Wien (PK) – Die Arbeitslosenversicherungsbeiträge für Bezieherinnen und Bezieher niedriger Einkommen werden mit 1. Juli 2008 gesenkt. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Regierung wurde heute vom Sozialausschuss des Nationalrats einstimmig gebilligt. Durch die Senkung der Beiträge sollen Niedriglohnbezieher einen gewissen Inflationsausgleich erhalten, zudem will man damit die Konsumnachfrage absichern und so die Konjunktur stabilisieren. Das berechnete Entlastungsvolumen von 300 Mill. € wird, wie es in den Erläuterungen zum Gesetzentwurf heißt, auf die Steuerreform angerechnet.

Konkret sieht die Gesetzesvorlage vor, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung für BezieherInnen von Einkommen zwischen 1.100 € und 1.200 € von 3 % auf 1 % und für BezieherInnen von Einkommen über 1.200 € bis 1.350 € auf 2 % zu senken. Wer weniger als 1.100 € verdient, soll künftig überhaupt keine Arbeitslosenversicherung mehr zahlen. Der Dienstgeberbeitrag von 3 % bleibt bestehen.

In der Diskussion wurde die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge von allen Fraktionen ausdrücklich begrüßt. FPÖ-Abgeordneter Norbert Hofer sprach sich jedoch dafür aus, genau zu beobachten, ob es durch die neuen Bestimmungen in Einzelfällen nicht zu niedrigeren Nettolöhnen komme, weil durch die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge die Lohnsteuerbemessungsgrundlage steige. Ähnliche Befürchtungen äußerte auch Abgeordneter Karl Öllinger (G), der sich, wie er ausführte, bessere Einschleifregelungen gewünscht hätte.

Ausführlich diskutiert wurde im Sozialausschuss über Initiativen der Grünen zur Erhöhung und Valorisierung des Arbeitslosengeldes sowie zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Die Grünen erhielten für ihren Antrag auf Beschlussfassung eines Mindestlohngesetzes jedoch nur die Unterstützung der beiden anderen Oppositionsparteien. SPÖ und ÖVP lehnten den Vorstoß dezidiert ab und sprachen sich dafür aus, Lohn- und Gehaltsverhandlungen weiter in der Kompetenz der Kollektivvertragspartner zu belassen.

Im Detail fordern die Grünen, dass Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit 7 € brutto pro Arbeitsstunde nicht unterschreiten dürfen. Das ergibt, wie Abgeordnete Birgit Schatz vorrechnete, bei einer Vollzeitbeschäftigung von 40 Wochenstunden einen Monatslohn von ca. 1.232 € brutto bzw. rund 1.000 € netto.

Gegen diesen Vorschlag wandten sich sowohl Abgeordneter Werner Amon (V) als auch Abgeordneter Franz Riepl (S). Lohn- und Gehaltsfragen würden in Österreich traditionell kollektivvertraglich geregelt, sagte etwa Amon, dabei solle man es auch belassen. Zudem verwies er darauf, dass sich die Sozialpartner bereits in weiten Bereichen auf einen Mindestlohn von 1.000 € geeinigt hätten. Er sei zuversichtlich, dass auch die restlichen Berufsgruppen nachziehen werden, bekräftigte Amon. Abgeordneter Franz Riepl wies auf unterschiedliche Marktsituationen in einzelnen Branchen hin und äußerte die Befürchtung, dass die Arbeitgeberseite bei einem gesetzlichen Mindestlohn der Verlockung erliegen könnte, nur noch den Mindesttarif zu zahlen.

Die Argumentation der Koalitionsparteien wurde von der Opposition zurückgewiesen. So machte Abgeordneter Karl Öllinger (G) geltend, dass Erfahrungen in Großbritannien die Befürchtungen Riepls eindeutig widerlegten. 20 Jahre sei die Gewerkschaft in Österreich mit ihrem Kampf um einen Mindestlohn gescheitert, sagte Öllinger, die nunmehr vereinbarten 1.000 € seien viel zu wenig.

Abgeordneter Norbert Hofer (F) und Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (B) begründeten ihre Unterstützung des Antrags der Grünen damit, dass eine ausreichende Differenz zwischen der geplanten Mindestsicherung und einem Mindestlohn notwendig sei. Es müsse einen Unterschied machen, ob jemand arbeite oder nicht, betonte Hofer. Zu den Ausführungen Riepls merkte er an, die Gewerkschaft werde "wohl noch stark genug sein", um verhindern zu können, dass Arbeitgeber nur noch Mindestlöhne zahlten.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein und ÖVP-Abgeordneter Reinhold Mitterlehner stimmten zwar mit der Opposition überein, dass es zwischen Mindestsicherung und Mindestlohn eine ausreichende Differenz geben müsse. Den Ausführungen von Abgeordneter Birgit Schatz (G), wonach Mindestlöhne ein wichtiges Instrument zur Armutsbekämpfung seien, wollten sie sich aber nicht anschließen. Sowohl Mitterlehner als auch Bartenstein wiesen darauf hin, dass Löhne in erster Linie ein Entgelt für erbrachte Leistungen seien und von der Wirtschaftskraft der Unternehmen abhingen. Sollte das Erwerbseinkommen für eine Existenzsicherung nicht ausreichend sein, sei die Politik gefordert, die Betroffenen zu unterstützen, erklärte der Minister.

Bartenstein sprach sich darüber hinaus dagegen aus, Österreich mit Großbritannien zu vergleichen. Großbritannien habe keine Kollektivvertragstradition, unterstrich er. Der gesetzliche Mindestlohn sei, so Bartensein, "nur die zweitbeste Alternative", eine Einigung der Sozialpartner sei die bessere Lösung.

Anträge auf Erhöhung und Valorisierung des Arbeitslosengeldes vertagt

Ebenfalls nicht durchsetzen konnten sich die Grünen mit zwei Anträgen (4/A und 6/A), die auf eine Erhöhung und eine laufende Valorisierung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe abzielen. Beide Anträge wurden von den Koalitionsparteien mit Hinweis auf die geplante Mindestsicherung bzw. die kommenden Budgetverhandlungen vertagt.

Zum Antrag 4/A brachte Abgeordneter Karl Öllinger (G) im Rahmen der Beratungen einen gesamtändernden Abänderungsantrag ein, um, wie er erklärte, legistische Defizite des ursprünglichen Antrags auszumerzen. Das Ziel des Antrags blieb das gleiche: Arbeitslosengeld und Notstandshilfe laufend zu valorisieren, um die Armutsgefahr arbeitsloser Menschen zu verringern. Gleichzeitig fordern die Grünen eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes und begründen dies damit, dass Österreich im internationalen Vergleich eine der niedrigsten Nettoersatzraten habe.

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) hielt dazu fest, auch die SPÖ sei für eine Valorisierung des Arbeitslosengeldes. Es sei geplant, dieses Anliegen bei den Budgetverhandlungen einzubringen.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein gab zu bedenken, dass die Arbeitslosenversicherung schon seit geraumer Zeit negativ bilanziere. Man könne Geld nicht doppelt ausgeben, meinte er: für mehr aktive Arbeitsmarktpolitik und für höhere Arbeitslosengelder.

Vom Sozialausschuss mit S-V-G-Mehrheit abgelehnt wurde ein Antrag der FPÖ, den Arbeitslosenversicherungsbeitrag für alle Arbeitnehmer ab 55 aus Mitteln der Arbeitsmarktpolitik zu bezahlen. Abgeordnete Königsberger-Ludwig wies auf die Kosten des Antrags hin.

Zum Schluss der Sitzung wurde Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) zu einer der SchriftführerInnen des Sozialausschusses gewählt. (Schluss)